14. Dezember 2018 · Quelle: fabb

Toxische Männlichkeit in Brandenburg

Die Instrumentalisierung sexualisierter Gewalt in Cottbus und Königs Wusterhausen

Die fabb schaut in ihrem Beitrag auf die aktuelle Lage in Brandenburg und beschreibt, welche Rolle hier „toxische Männlichkeit“ spielt. Außerdem werden einige Vorschläge und Ideen für feministische und antifaschistische Interventionen vorgestellt.

Die Sil­vester­nacht in Köln, die Städte Kan­del, Chem­nitz und Köthen sind zu Schlag­worten gewor­den. Sie ste­hen für ras­sis­tis­che Mobil­isierun­gen, die eines gemein­sam haben: Sex­u­al­isierte Gewalt wird benutzt, um gegen Geflüchtete, Migrant*innen und Peo­ple of Colour (POC) zu het­zen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um reale sex­u­al­isierte Über­griffe han­delt. Wenn nur der „ferne Ver­dacht [beste­ht], dass eine Gewalt­tat (mit sex­ueller Kom­po­nente) von einem nicht-deutschen Mann began­gen wurde, wird sie für Rechte und besorgte Bürg­erIn­nen zum Anlass und zur Legit­i­ma­tion ras­sis­tis­ch­er Het­ze, während sex­u­al­isierte Gewalt durch weiße deutsche Täter gän­zlich aus­ges­part und damit tabuisiert wird.“ (Berg, Goetz & Sanders, 2018). Zulet­zt, vor nur weni­gen Tagen, mobil­isierten aus genau diesem Anlass sowohl die AfD und die ras­sis­tis­che Ini­tia­tive Zukun­ft Heimat, als auch die NPD zu Kundge­bun­gen im Bran­den­bur­gis­chen Königs Wuster­hausen.
Unser Text ist in Anlehnung an den Artikel „Tox­is­che Männlichkeit von Kan­del bis Chem­nitz“ ent­standen, der sich mit der Instru­men­tal­isierung sex­u­al­isierte Gewalt durch die extreme Rechte beschäftigt und Anfang Sep­tem­ber kurz nach den Eskala­tio­nen in Chem­nitz von Anna Berg, Judith Goetz und Eike Sanders auf der Seite des apabiz veröf­fentlicht wurde. Wir sehen ihn als einen für eine antifaschis­tis­che Analyse und Debat­te wichti­gen Beitrag, da er sich aus fem­i­nis­tis­ch­er Per­spek­tive den ras­sis­tis­chen Mobil­isierun­gen nähert.
Nun sind einige Monate seit den Eskala­tio­nen in Chem­nitz und auch Köthen ver­gan­gen. Beim #wirsind­mehr-Konz­ert in Chem­nitz set­zten 65.000 Men­schen ein Zeichen; über 200.000 demon­stri­erten in Berlin für Unteil­barkeit und Sol­i­dar­ität. Nicht nur die Groß- und Masse­nak­tio­nen bekom­men Zus­pruch, auch auf lokaler Ebene, in kleinen Städten in Bran­den­burg engagieren sich Men­schen gegen die ras­sis­tis­che Mobil­isierung. Das gibt Kraft und Mut! Aber es ist noch lange kein Grund, sich wieder gemütlich zurückzulehnen.
Wir schauen auf die Lage in Bran­den­burg und beschreiben, welche Rolle hier „tox­is­che Männlichkeit“¹ spielt. Außer­dem wollen wir einige Vorschläge und Ideen für fem­i­nis­tis­che und antifaschis­tis­che Inter­ven­tio­nen vorstellen.
Chem­nitz, Köthen, Cot­tbus, Königs Wusterhausen
Der Ver­gle­ich springt förm­lich ins Gesicht: Nach Chem­nitz und Köthen blick­ten viele in Bran­den­burg nach Cot­tbus. Würde es hier zur näch­sten Eskala­tion rechter Gewalt kom­men? Zu Recht rück­te Cot­tbus in den Fokus, denn hier demon­stri­ert inzwis­chen seit über einem Jahr die, auch über Bran­den­burg hin­aus ver­net­zte, ras­sis­tis­che Ini­tia­tive Zukun­ft Heimat Hand in Hand mit der Bran­den­burg­er AfD. Nach­dem anfangs mehrere Hun­dert Men­schen demon­stri­erten, steigerte sich die Beteili­gung in diesem Jahr auf bis zu 3.000 Teil­nehmende. Der Anlass: Eine Auseinan­der­set­zung zwis­chen Recht­en und Geflüchteten nach einem Jungge­sel­len­ab­schied Anfang Mai 2017, bei der auch Mess­er einge­set­zt wur­den. Dem voraus­ge­gan­gen waren, laut der Ini­tia­tive Cot­tbus schaut hin, ras­sis­tis­che Auf­s­tachelun­gen durch rechte Hooli­gans. Ähn­lichkeit­en zur Mobil­isierung in Chem­nitz sind – neben per­son­eller Beteili­gung – in Cot­tbus fol­gende zu beobachten:
Ersten schüren rechte Hooli­gans wie die Fans des Energie Cot­tbus um die Hooli­gan-Grup­pierun­gen Infer­no Cot­tbus, Unbe­queme Jugend und deren Umfeld die ras­sis­tis­che Stim­mung und damit die Gewalt­bere­itschaft (zum Zusam­men­hang von Fußball und Männlichkeit siehe zum Beispiel: hier). Sie stellen nicht nur wesentliche Teile der Zukun­ft Heimat ‑Demon­stra­tio­nen, son­dern marschierten bere­its Anfang 2017, also vor der Demon­stra­tionskam­pagne, durch Cot­tbus und riefen „Nafris raus“. Auch an unmit­tel­baren Angrif­f­en am Rand der Demon­stra­tio­nen waren sie beteiligt.
Zweit­ens kön­nen Ras­sistIn­nen in Cot­tbus, wie auch in Chem­nitz, auf eine organ­isierte rechte Szene zurück­greifen. Den Demon­stra­tio­nen von Zukun­ft Heimat gelingt ein Schul­ter­schluss der extremen Recht­en von AfD, NPD, Hooli­gans, ehe­ma­li­gen Spreelichter-Aktivis­ten, Aktivis­ten der Iden­titären Bewe­gung, der Kam­pagne Ein­Prozent, Recht­sRock-Musik­ern und ver­schiede­nen anderen Neon­azis. Seit Monat­en sagen Umfra­gen für die AfD in Cot­tbus die höch­sten Wahlergeb­nisse im Land voraus. Verbindun­gen der recht­en Szene in Cot­tbus und Süd­bran­den­burg ins benach­barte Sach­sen sind über Jahre gewachsen.
Stärk­er sei der dritte Punkt betont: Auch in Cot­tbus nehmen die Instru­men­tal­isierung sex­u­al­isiert­er Gewalt und das Bild des männlichen Beschützers einen wichti­gen Platz in der Mobil­isierung ein. Frauen*, Kinder (und hier ins­beson­dere Mäd­chen*) und ältere Men­schen wer­den als beson­ders schutzbedürftige Ziel­grup­pen von Gewalt in der Stadt aus­gemacht. Bezüge zu sex­u­al­isierten Über­grif­f­en in der Köl­ner Sil­vester­nacht 2015/16, und dem Mord an ein­er 15-jähri­gen Jugendlichen in Kan­del wer­den immer wieder hergestellt. Zeit­gle­ich wird auf die Gefahr ein­er ver­meintlichen Islamisierung ver­wiesen, die bald alle Frauen* unter Schleier hüllt. Junge Mäd­chen* wer­den gar auf die Bühne gez­er­rt, um als Objekt des Beschützers präsen­tiert zu wer­den. Frauen* wer­den dabei stets als pas­sive Opfer insze­niert. Dort, wo Frauen* aktive Rollen übernehmen, tun sie das in der ihnen zugewiese­nen Sphäre: Als Müt­ter, die ihre Töchter beschützen.
Tox­is­che Männlichkeit heißt in Cot­tbus und auch anderenorts weiße, deutsche, cis-Frauen zu schützen. Sei es die Groß­mut­ter vor „krim­inellen Aus­län­der­ban­den“ ganz im Stile der NPD, oder die junge Frau vor sex­u­al­isiert­er Gewalt, wie sie in Cot­tbus auf diversen Plakat­en und Reden zur Schau gestellt wird. Die Frau ist und bleibt dabei ein Objekt unter Ver­fü­gung des Mannes. Sie müsse davor geschützt wer­den, dass „fremde junge Män­ner unsere Mäd­chen als jed­erzeit ver­füg­bare Beute betra­cht­en“ (EJGF, S.8). Die Täter sind ange­blich auss­chließlich nicht-weiße Män­ner. Dass sex­u­al­isierte Gewalt haupt­säch­lich im (famil­iären) Nah­feld geschieht und die (meist männlichen) Täter häu­fig Väter, Ehemän­ner, Bekan­nte oder Nach­barn sind, wird in dieser Skan­dal­isierung aus­ges­part genau­so wie der Fakt, dass die Fälle häus­lich­er Gewalt auch in Bran­den­burg steigen. Die vie­len Fälle von famil­iär­er und häus­lich­er Gewalt und Gewalt inner­halb von (Liebes-)Beziehungen wer­den dabei jedoch nicht nur inner­halb der extrem recht­en Mobil­isierung ver­schwiegen. Auch in Presse­bericht­en zu solchen Fällen von (tödlich­er) Gewalt ist nicht sel­ten schlicht von „Fam­i­lien­dra­men“ oder „erweit­ertem Suizid“ zu lesen, wenn ein Mann Frau* und Kinder ermordet, um eine Tren­nung zu ver­hin­dern. Dabei ist diese extrem­ste Form der tox­is­chen Männlichkeit, in der ein Mann über das Leben ein­er Frau und möglich­er Kinder ver­fügt, nicht geografisch beschränkt: Im Jahr 2017 kamen in Deutsch­land 147 Frauen bei Fällen häus­lich­er Gewalt ums Leben. Eine Auss­parung dieser Fälle männlich­er Gewalt gegen Frauen*, die eben nicht von schein­bar „zugereis­ten Frem­den”, son­dern zum großen Teil von hier gebore­nen Män­nern aus­geübt wird, weist umso mehr auf die Instru­men­tal­isierung der The­matik zur ras­sis­tis­chen Mobil­isierung weit­er Kreise hin. Genau­so lässt sich das Auss­paren von betrof­fe­nen Schwarzen Frauen*, Women* of Col­or und queeren Men­schen deuten, die, über die sex­is­tis­che Diskri­m­inierung hin­aus, auch durch ras­sis­tis­che oder homo- und trans*-feindliche Zuschrei­bun­gen betrof­fen sind.
Dabei ist Cot­tbus nicht der einzige Ort in Bran­den­burg, in dem ein neues Chem­nitz dro­ht. Erst ver­gan­gene Woche fan­den mehrere Kundge­bun­gen in Königs Wuster­hausen statt. Anlass dafür war ein Vor­fall Ende Novem­ber, bei dem eine 15-Jährige zwei Män­nern ein­er sex­uellen Nöti­gung beschuldigte. Schnell war klar, dass die Herkun­ft der Män­ner die ras­sis­tis­che Stim­mung weit­er anheizen würde. Dabei gossen Boule­vardzeitun­gen wie Bild und B.Z. fleißig Öl ins Feuer. So zitierte die B.Z. anonym einen Polizis­ten, der Stadt und Polizeileitung vor­warf, den Vor­fall unter Ver­schluss gehal­ten zu haben, aus Angst vor ras­sis­tis­chen Auss­chre­itun­gen. Die lokale Polizei­di­rek­tion wies den Vor­wurf zurück. Am 3. Dezem­ber 2018 verkün­dete schließlich die Staat­san­waltschaft, dass sich die Beschuldigun­gen gegen die bei­den Män­ner nicht erhärtet hät­ten. Ein Sprech­er der Staat­san­waltschaft erk­lärte der Öffentlichkeit, dass man nicht auss­chließen könne, dass die junge Frau den Vor­wurf erfun­den habe. Doch obwohl die Staat­san­waltschaft kurz zuvor die Vor­würfe gegen die bei­den Män­ner entkräftete, wurde der Vor­fall als Aufhänger genutzt, um über die Asylpoli­tik zu schimpfen und poten­tielle Opfer (Frauen und Mäd­chen) zu „vertei­di­gen“. In sozialen Medi­en werteten Ras­sistIn­nen die Entkräf­tung der Vor­würfe als „Fak­e­news“, die bei­den geplanten Kundge­bun­gen wur­den trotz der neuen Infor­ma­tio­nen durchge­führt. Bei der Kundge­bung von Zukun­ft Heimat vor der Stadtverord­neten­ver­samm­lung, bei der der extrem rechte AfD-Spitzen­funk­tionär Andreas Kalb­itz als Red­ner auf­trat, nah­men allerd­ings lediglich 70 Men­schen teil. Am Bahn­hof von Königs Wuster­hausen ver­sam­melten sich hinge­gen einige Stun­den später mehrere Hun­dert Men­schen. Zu der Kundge­bung hat­te eine Nein zum Heim-Face­book-Seite aufgerufen, hin­ter der die NPD steht.
Ob die ras­sis­tis­che Mobil­isierung in Königs Wuster­hausen fort­ge­set­zt wer­den soll, ist ungewiss. Derzeit liegen keine Anmel­dun­gen vor. Es lässt sich nur eine vage Ver­mu­tung aussprechen, dass die Entkräf­tung der Vor­würfe gegen die Beschuldigten durch die Staat­san­waltschaft eine weit­ere Mobil­isierung und Eskala­tion gedämpft habe. Auf der anderen Seite ist auch die Aus­sage der Staat­san­waltschaft, dass es sich wom­öglich um eine erfun­dene Tat han­delte, mit großer Vor­sicht zu genießen. Zwar gilt seit 2017 im Fall von Verge­wal­ti­gung das Prinzip „Nein heißt Nein“. Für die Straf­barkeit eines Über­griffes kommt es danach nicht mehr darauf an, ob mit Gewalt gedro­ht oder diese angewen­det wurde. Und, ob sich die betrof­fene Per­son gegen den Über­griff kör­per­lich gewehrt hat. Entschei­dend ist – the­o­retisch –, dass das Opfer die sex­uelle Hand­lung nicht gewollt hat. Dabei hat sich an der Beweis­lage in den meis­ten Fällen aber nichts geän­dert. Betrof­fene müssen detail­liert ihre Peini­gung schildern und am Ende ste­ht Aus­sage gegen Aus­sage. Ein unsen­si­bler Umgang von Polizei, Staat­san­waltschaft und Gericht mit Betrof­fe­nen, beispiel­sweise durch die Bagatel­lisierung der Tat, führt dazu, dass Betrof­fene sich nicht ernst genom­men fühlen. Kein Wun­der also, dass der Straf­be­stand der Verge­wal­ti­gung weltweit eine der niedrig­sten Verurteilungsrat­en aufweist. Zudem sehen sich Frauen* per­ma­nent (medi­al und gesellschaftlich) mit dem Vor­wurf kon­fron­tiert, sich Vor­würfe sex­u­al­isiert­er Gewalt auszu­denken, um Män­ner zu Unrecht zu belas­ten. Die Bere­itschaft von Betrof­fe­nen über­haupt einen sex­u­al­isierten Über­griff oder eine Verge­wal­ti­gung anzuzeigen, ist Umfra­gen zufolge ger­ing, ins­beson­dere, wenn sich der Vor­fall im nahen Umfeld ereignet hat (1, 2). Zu groß ist das Schamge­fühl, das viele Betrof­fene empfind­en. Jede zweite und dritte Tat bleibt im Dunkelfeld. All diese Gründe führen dazu, dass viele Betrof­fene eine (juris­tis­che) Auseinan­der­set­zung mit dem Täter mei­den. Nicht zu unter­schätzen ist dabei die dop­pelte psy­chis­che Belas­tung und weit­ere Trau­ma­tisierung: zunächst durch die aggres­siv motivierte Gewalt­tat selb­st, in der Sex­u­al­ität als Mit­tel einge­set­zt wird, um Betrof­fene zu erniedri­gen und Macht auszuüben und im weit­eren Ver­lauf durch die Aberken­nung und Infragestel­lung der Wahrnehmung der betrof­fe­nen Per­son durch Gesellschaft und Jus­tiz (3, 4).
Fem­i­nis­tisch-antifaschis­tis­che Intervention
Wie kön­nen fem­i­nis­tis­che und antifaschis­tis­che Strate­gien ausse­hen, die sich gegen die ras­sis­tis­che Instru­men­tal­isierung sex­u­al­isiert­er Gewalt richt­en, ohne dabei die Glaub­würdigkeit von Betrof­fe­nen infrage zu stellen und somit Ras­sis­mus gegen Sex­is­mus auszus­pie­len? Wir haben ein paar Anre­gun­gen gesammelt:
1. Vor Ort zu sein und Sol­i­dar­ität zu zeigen, kann nach­haltig wirken. Es gilt, lokale Struk­turen zu stärken und Sol­i­dar­ität mit den Betrof­fe­nen ras­sis­tis­ch­er Gewalt zu zeigen. Dabei ist ein mar­tialis­ches Auftreten im schwarzen Block nicht immer hil­fre­ich, wie es Inter­ven­tio­nen in der Ver­gan­gen­heit gezeigt haben. Das poli­tis­che Ange­bot sollte sich an die Bedürfnisse der lokalen Gegeben­heit­en und poten­tiellen Bündnispartner*innen anpassen.
2. Zudem soll­ten wir den Blick für die Betrof­fe­nen sex­u­al­isiert­er Gewalt nicht ver­lieren. Dass es bei den Mobil­isierun­gen in Chem­nitz, Köthen, Cot­tbus und Königs Wuster­hausen nicht um das Ern­st­nehmen von Betrof­fe­nen geht, son­dern hier die Glaub­würdigkeit von Frauen* gegen Ras­sis­mus aus­ge­spielt wird, ist eine Dynamik, die wir schon von der Sil­vester­nacht Köln 2015 ken­nen. Wir müssen immer wieder aufzeigen, dass der ver­meintliche Fem­i­nis­mus des weißen Mannes, kein Fem­i­nis­mus ist, nie war und nie sein wird, son­dern Aus­druck ein­er tox­is­chen Männlichkeit und eines rück­wärts­ge­wandten patri­ar­chalen Welt­bildes ist. Dies erkan­nten schon die Autor*innen des Artikels „Tox­is­che Männlichkeit von Kan­del bis Chem­nitz“: „Die einzige stich­haltige Argu­men­ta­tion gegen die monokausal-ras­sis­tis­che Erk­lärung sex­u­al­isiert­er Gewalt und das daraus resul­tierende Mobil­isierungspo­ten­tial ist der immer wieder zu führende Beweis, dass das Prob­lem nicht die Eth­niz­ität oder die Migra­tions­geschichte von Tätern und Betrof­fe­nen ist, son­dern eine bes­timmte Form von Männlichkeit. Ein Iden­tität­sange­bot, für das sich Typen aus Tune­sien, Afghanistan und Sach­sen gemein­sam entschei­den, über alle poli­tis­chen Gren­zen hin­weg. Und solange der gesamte Rest der Gesellschaft sex­u­al­isierte Gewalt als Resul­tat dieser Männlichkeit nicht ernst nimmt, wer­den die fak­tis­chen und aus­gedacht­en Betrof­fe­nen von auss­chließlich als migrantisch gedachter Män­nerge­walt immense mobil­isierende Wirkung haben.“ (Berg, Goetz & Sanders) Aus diesem Grund müssen wir eine bre­ite Öffentlichkeit schaf­fen zur The­ma­tisierung (sex­u­al­isiert­er) Gewalt gegen FLTI*, die sich nicht an der Herkun­ft und Reli­gion des Täters ori­en­tiert. Zeigt euch sol­i­darisch mit allen Betrof­fe­nen sex­u­al­isiert­er Gewalt, hört ihnen zu und unter­stützt sie. Achtet aufeinan­der und schaut nicht weg.
3. Wir müssen über „tox­is­che Männlichkeit“ sprechen! Genau­so fehlt es im deutschen Sprachraum bish­er an ein­er klaren Benen­nung der fast alltäglichen sex­is­tis­chen Morde an Frauen*. Im Englis­chen existiert seit Langem der Begriff „femi­cide“, der Morde an Frauen* auf­grund ihres Geschlechts beschreibt. Erst seit kurz­er Zeit wird auch in Deutsch­land das Wort „Fem­izid“ benutzt, um so die Aufmerk­samkeit auf die struk­turelle Ebene dieser Morde zu lenken, die eben nicht ein­fach nur „Tragö­di­en“ sind.
4. Recherche und Infor­ma­tio­nen sind auch weit­er­hin wichtig: Der Hin­weis, dass in der AfD Nazis aktiv sind, lässt zwar schein­bar kaum jeman­den mehr auf­schreck­en. Doch in den kleinen Städten, in denen wir uns bewe­gen, spielt dieses Wis­sen auch weit­er­hin eine Rolle. Die poli­tis­che Einord­nung und die lokale Wirk­lichkeit aufzuzeigen, hil­ft denen, die sich seit Jahren gegen Nazis engagieren und den­jeni­gen, die es sich bish­er noch zu bequem gemacht haben, den Ernst der Lage vor Augen zu führen. Recherche kann dabei auch dazu beitra­gen, die Dop­pel­moral der Nazis zu offen­baren: Nicht sel­ten ver­suchen ger­ade diese sich auf Demon­stra­tio­nen als besorgte Män­ner, die sex­u­al­isierte Über­griffe verurteilen, zu stil­isieren und gle­ichzeit­ig poli­tis­che Gegner*innen in sozialen Net­zw­erken mit der Andro­hung sex­u­al­isiert­er Gewalt einzuschüchtern.
5. Wir brauchen bre­it­ere Bünd­nisse – aber nicht um jeden Preis. Fem­i­nis­mus darf nicht gegen Antifaschis­mus aus­ge­spielt wer­den. Der Kampf gegen Neon­azis und Ras­sistIn­nen darf nicht auf Kosten fem­i­nis­tis­ch­er Kämpfe gehen. Zu Recht kri­tisieren Anna Berg, Judith Goetz und Eike Sanders, dass nicht nur die Geschehnisse in Chem­nitz von Män­nern gemacht wer­den, son­dern auch von Män­nern analysiert und disku­tiert wer­den. Antifaschis­tis­che Poli­tik dro­ht „wieder zur reinen Män­ner­sache zu wer­den“. Seid sol­i­darisch mit anderen Kämpfen! Nur durch mehr Sicht­barkeit von FLTI* in antifaschis­tis­chen Debat­ten und das Zusam­men­führen fem­i­nis­tis­ch­er mit anderen poli­tis­chen Kämpfen, kön­nen wir wirk­sam wer­den. Dazu gehört auch (wieder) eine ver­stärk­te Kri­tik an Männlichkeit­skonzepten, dem Geschlechter­ver­hält­nis und dem Umgang mit sex­u­al­isiert­er Gewalt (nicht nur) in linken Räumen.
6. Zulet­zt der in unseren Augen wichtig­ste Tipp: Achtet auf euch und achtet aufeinan­der. Die per­ma­nente Präsenz von repres­siv­en, reak­tionären und men­schen­feindlichen Poli­tik­erIn­nen, AktivistIn­nen, Demon­stri­eren­den, State­ments, Debat­ten und Aktio­nen spüren wir im All­t­ag. Häu­fig sind wir uns gar nicht klar, dass wir ger­ade nicht mit indi­vidu­ellen Prob­le­men zu kämpfen haben, son­dern sie Abbild der gesellschaftlichen Verän­derun­gen sind. Sprecht über eure Erfahrun­gen, eure Äng­ste und darüber, wie diese euch als Indi­vidu­um und eure poli­tis­che Arbeit beeinflussen.
Be care­ful with each oth­er, so we can be dan­ger­ous together!
 
¹ Tox­is­che Männlichkeit meint ein in unser­er Gesellschaft vorherrschen­des Kon­strukt von Männlichkeit. Männlich sozial­isierte Per­so­n­en sollen dem­nach hart, furcht­los und stark sein. Empathie, Zärtlichkeit oder Acht­samkeit dage­gen find­en in dieser Vorstel­lung keinen Platz. Sie wirkt sich auf das eigene emo­tionale Erleben und die sozialen Beziehun­gen aus (mehr Infor­ma­tio­nen dazu u.a. hier: https://missy-magazine.de/blog/2018/08/16/hae-was-heisst-toxic-masculinity/).

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