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Vieles ist besser geworden – aber es ist noch viel zu tun

Deutsch­lands erste Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt wird 15 Jahre alt und mah­nt Änderung der polizeilichen Ermit­tlungsar­beit an.

Aus Anlass der heuti­gen 15-Jahrfeier fordert Mar­cus Rein­ert, Geschäfts­führer des Vere­ins Opfer­per­spek­tive, die Poli­tik zum Han­deln auf: „Unsere Erfahrun­gen über all die Jahre zeigen,dass die Ermit­tlungs­be­hör­den dazu verpflichtet wer­den müssen, bei Gewalt­tat­en gegen Ange­hörige der typ­is­chen Opfer­grup­pen von Neon­azis und ras­sis­tis­chen Gele­gen­heit­stätern ein poli­tis­ches Tat­mo­tiv aktiv auszuschließen.

In Bran­den­burg ist in den let­zten Jahren viel passiert. Das Bewusst­sein für die Gefahr durch Neon­azis­mus und die extremen Recht­en ist vorhan­den und es wird aktiv gegenges­teuert, aber es liegt noch viel im Argen. Im August prügeln in Eisen­hüt­ten­stadt NPD-Mit­glieder auf Gegen­demon­stran­ten ein und schla­gen einen jun­gen Mann kranken­haus­reif. Die Polizei schreibt: “Bei der Kundge­bung kam es zu Rangeleien, als bei­de Lager aufeinan­der­trafen“. Ein Polizeibericht aus Wan­dlitz über einen Vor­fall im Juni ist über­schreiben „Mei­n­ungsver­schieden­heit endet in Kör­per­ver­let­zung“. Wer weit­er liest erfährt, die eine Mei­n­ung war ein „Hit­ler­gruß“, den sich der mit der anderen Mei­n­ung ver­bat. Zwei Beispiele, die zeigen, dass alltäglich ist, was der NSU-Skan­dal in sein­er ganzen Grausamkeit offen­bart: rechte Gewalt wird immer noch ver­harm­lost, ver­schleiert, geleugnet, ent­poli­tisiert. Han­delt es sich um Ras­sis­mus, so wird er oft nicht erkan­nt, die Opfer zu Mitschuldigen oder gar Tätern erk­lärt. In Bran­den­burg gab es seit dem Jahr 2000 weit über 100 ras­sis­tis­che Anschläge auf migrantis­che Imbiss­be­triebe. Fehlten ein­deutige Hin­weise auf Täter, wurde immer wieder unter­stellt, es han­dele sich um einen Ver­sicherungs­be­trug oder die Tat eines Konkurrenten.

Die Opfer­per­spek­tive nahm 1998 ihre Arbeit als bun­desweit erste Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt auf und entwick­elte beispiel­gebend für das ganze Bun­des­ge­bi­et ein ganzheitlich­es – das heißt auch poli­tisch und gesellschaftlich wirk­sames – Beratungskonzept. Für diese Pio­nier­ar­beit wurde der Vere­in mehrfach aus­geze­ich­net. In den fol­gen­den 15 Jahren ist in Bran­den­burg eine tragfähige Struk­tur zur Unter­stützung der Betrof­fe­nen und ihres sozialen Umfeldes ent­standen und die Tat­sache, dass Opfer rechter Gewalt ein­er spez­i­fis­chen Beratung und Begleitung bedür­fen, ist all­ge­mein anerkan­nt und wis­senschaftlich unter­mauert. Heute arbeit­en in allen neuen und eini­gen alten Bun­deslän­dern Beratungsstellen mit dem Konzept und den Stan­dards, die ursprünglich von der Opfer­per­spek­tive entwick­elt wur­den. Seit 2009 gibt es unter dem Dach des Vere­ins auch eine Beratungsstelle für Betrof­fene von ras­sis­tis­ch­er Diskri­m­inierung. Bis Ende 2014 ist die Finanzierung des gesamten Pro­jek­tes gesichert, eine langfristige Absicherung gibt es nach lan­gen Jahren Kampf darum immer noch nicht.

Das Ziel des Vere­ins und der Beratungsar­beit ist nach wie vor ein poli­tis­ches: Jed­er Men­sch soll sich frei und ohne Angst bewe­gen kön­nen und gle­ich­berechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Ab 15 Uhr sprechen Jus­tizmin­is­ter Dr. Schöneb­urg, Staassekretärin Daniela Tro­chows­ki, Prof. Bir­git Rom­melspach­er, Anet­ta Kahane und Ulli Jentsch auf unser­er 15-Jahr-Feier. Ver­anstal­tung­sort: Frei­Land, Friedrich-Engels-Str. 22 (Haus 2), Potsdam

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