Es schneit, es ist kalt und in Babelsberg tobt es auf den Straßen. Der Kiez ist herausgeputzt. Es ist mal wieder Mittwoch in Potsdam und der Schlangenbeschwörer Christian Müller hat ma wieder eine Veranstaltung des Pegida-Ablegers POGIDA angemeldet. Er und ein Sammelsurium an menschenverachtenden Wirrköpfen plante vom Bahnhof Medienstadt Richtung S‑Bahnhof Babelsberg zu marschieren. Es bot sich ein breites Spektrum an rechtsaffinen jungen Männern und Frauen, konservativen und älteren Menschen, Verschwörungstheoretiker_innen, Putinverliebten und sonstigen Mitlaufenden. Auch Sympathisant_innen der „Identitären Bewegung“ waren wieder vertreten.
In Babelsberg waren sieben Gegenveranstaltungen angemeldet, u.a. gab es eine Demo des SV Babelsberg 03 mit 300 Teilnehmer_innen. Auf der Kundgebung des Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“ standen zeitweise ebenfalls über 300 Menschen an der geplanten Marschroute von POGIDA. Außerdem gab es fünf weitere Veranstaltungen rings um die angekündigte Neonaziroute.
Im Vorfeld des heutigen Demoabends waren mehrere Transparente in und um den Stadtteil Babelsberg aufgehangen worden, welche sich die früh angereisten Polizist_innen zum Anlass ihrer Beschäftigung nahmen. Überhaupt war dieser Pogidaufmarsch schon über Tage dämonisch heraufbeschworen worden. Der Plan, die “Wohnstube der Linken” (Zitat Christian Müller) zu erobern provizierte diverse Krawallvorhersagen.
Geschützt von einem massiven Polizeiaufgebot zog der Wanderkessel um Christian Müller zunächst wie geplant die Großbeerenstraße hinunter. Dabei war die Situation von Beginn an unübersichtlich. Die Pogidist_innen wurden von allen Seiten lautstark übertönt, es kam zu vereinzelten Böllerwürfen und immer wieder zu hektischen Polizeibewegungen. Nach nur 450 Metern musste der Aufzug dann stoppen. Selbst diese Strecke konnte nur mit Polizespalier und Wasserwerfer an der Front des Aufmarsches ermöglicht werden. Linke Jugendliche hatten auf Höhe der Kleinen Straße eine Sitzblockade errichtet, die mit 150 Antifaschist_innen begann und auf 500 Menschen anwuchs. Im Rücken der Blockade sorgten ca. 50 Personen für eine weitere Beschäftigung der eingesetzten Polizeihundertschaften aus dem gesamten Bundesgebiet. Es wurden Mülltonnen und Teile einer Baustelle auf die Straße geräumt.
Auch im Vorfeld dieser beiden Blockaden kam es im Babelsberger Kiez schon zu diversen dezentralen Aktionen — dies dürfte dazu beigetragen haben, dass die Polizei die Blockade nicht räumen ließ und den Neonazis um Christian Müller auch keine Ersatzroute anbot.
Währenddessen gaben die Neonazis ihren üblichen, verschwörungstheoretischen Wirrsprech von sich, über “Wir sind das Volk” und “Merkel muss weg” gingen ihre Parolen selten hinaus. Aber auch diese Parolen blieben ihnen im Verlauf ihrer “Demonstration” im Halse stecken. Nach über einer halben Stunde, in der sie sich die Beine in den Bauch standen, kehrten sie zum Bahnhof Medienstadt zurück. Die dort gehaltenen Redebeiträge lassen sich mit der Wortgruppe “unter aller Kanone” bestens beschreiben. S. Graziani, Abgesandter von Legida gab unter Applaus der Neonazis von sich, dass die aktuelle “Völkerwanderung künstlich ausgelöst und von langer Hand geplant” sei, um “Europa zu destabilisieren”. Wer da nicht die Hände überm Kopf zusammenschlägt und brüllend weg rennt, kann kein Herz und keinen Verstand besitzen.
Übertönt wurde dieses Trauerspiel von der nur wenige Meter entfernten Kundgebung von “Potsdam bekennt Farbe” durch vielfältige Rufe, Kommentare und Musik. Um kurz vor 21.00 Uhr löste Christian Müller den Aufmarsch auf, nicht ohne auf seinen nächsten Termin in Potsdam am 24. Februar sowie den Plan, bald tägliche POGIDA-Aufmärsche durchführen zu wollen, hinzuweisen.
Auf dem Heimweg der erfolgreichen Antifaschist_innen kam es immer wieder zu schikanösen Personalienfeststellungen und Festnahmen durch die Polizei. Die Stadtteilkneipe “Nowawes” wurde mit dem Hintergrund Straftäter_innen zu suchen, ohne Durchsuchungsbeschluss von Berliner Einsatzhundertschaften brutal gestürmt.
Die Nachbereitung des Abends wird, neben gegenseitigem Schulterklopfen, vor allem den Umgang mit Repression und evtl. Gegenanzeigen umfassen.
Wir lassen uns nicht kriminalisieren! Nicht heute und nicht in den nächsten Wochen!
Seid dabei, am kommenden Mittwoch um 17 Uhr am Lustgarten. Wir werden kraftvoll Richtung Bornstedt demonstrieren, wo POGIDA seine nächste Veranstaltungen angemeldet hat.
Rassismus tötet!
Alerta Antifascista!
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