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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Zahl der Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg deutlich höher als bisher staatlich anerkannt

Opfer­per­spek­tive und Amadeu Anto­nio Stiftung begrüßen unab­hängige Unter­suchung “Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt in Bran­den­burg (1990–2008)“des Moses Mendelssohn Zen­trums (MMZ)
Berlin, 29.06.2015: Die Ergeb­nisse des Forschung­spro­jek­ts des MMZ haben offen gelegt, dass das Aus­maß tödlich­er rechter Gewalt in Bran­den­burg bish­er von staatlichen Stellen falsch beurteilt wurde. In nahezu allen unter­sucht­en Fällen kon­nte ein recht­sex­tremes oder ras­sis­tis­ches Motiv nicht aus­geschlossen wer­den. Dies zeigt, wie wichtig die Forderung des Vere­ins Opfer­per­spek­tive und der Amadeu Anto­nio Stiftung nach ein­er erneuten, unab­hängi­gen Über­prü­fung der umstrit­te­nen Tötungs­de­lik­te stets war und für andere Bun­deslän­der noch immer ist.
“Für viele Hin­terbliebene war die unab­hängige Über­prü­fung ein bedeu­ten­der Schritt. Endlich wurde ver­sucht, die offene Frage nach dem Warum zu klären. Die erneute Kon­fronta­tion mit dem Tod eines Ange­höri­gen ist gle­ichzeit­ig auch eine enorme Belas­tung, da alte Nar­ben wieder auf­brechen”, erk­lärt Judith Porath, Geschäfts­führerin des Vere­ins Opferperspektive.
Die Ergeb­nisse des MMZ verdeut­lichen, dass bei nach­weis­lich recht­en Tätern den poli­tis­chen Motiv­en durch Polizei, Staat­san­waltschaft und Gericht über­haupt nicht oder nicht aus­re­ichend nachge­gan­gen wurde. Die
Folge war eine sukzes­sive Ent­poli­tisierung der Tat­en von Instanz zu Instanz. In der Rückschau sind daher nicht mehr in allen Fällen die poli­tis­chen Tathin­ter­gründe zu klären. Vielmehr zeigt sich, wie wichtig eine Neben­klage und eine bre­ite kri­tis­che Medi­en­berichter­stat­tung für die The­ma­tisierung poli­tis­ch­er Hin­ter­gründe der Tat sind. “Hin­terbliebene von Todes­opfern müssen anwaltlich gut vertreten wer­den. Zudem brauchen wir eine bre­ite kri­tis­che Öffentlichkeit, damit der­ar­tige Fälle auch im Hin­blick auf poli­tis­che Tat­mo­tive einge­hend beleuchtet wer­den”, fordert Porath.
Das MMZ hat alle 24 strit­ti­gen Todes­fälle angelehnt an das polizeiliche Erfas­sungssys­tem “Poli­tisch motivierte Krim­i­nal­ität” (PMK) bew­ertet. Das Sys­tem weißt jedoch deut­liche Män­gel auf. “Tat­en, in denen ein
sozial­dar­win­is­tis­ches oder ras­sis­tis­ches Motiv min­destens eine tat­be­glei­t­ende bis tateskalierende Rolle spie­len, wer­den bish­er nicht in der PMK-Sta­tis­tik erfasst und damit von staatlich­er Seite völ­lig ent­poli­tisiert. Hier braucht es eine Möglichkeit, auch solche Fälle abzu­bilden, um die tödlichen Fol­gen von ras­sis­tis­ch­er und rechter Gewalt in Deutsch­land nicht länger zu ver­harm­losen”, so Anna Brausam von der
Amadeu Anto­nio Stiftung. Diese Fälle wur­den auch vom MMZ nicht als ein­deutig rechte Gewalt gewertet.
“Wir hof­fen, dass auch andere Bun­deslän­der dem Bran­den­bur­gis­chen Vor­bild ein­er unab­hängi­gen Über­prü­fung fol­gen wer­den. Dabei sollte auch das Konzept des MMZ aufge­grif­f­en wer­den, einen Experte­nar­beit­skreis in
bera­ten­der Funk­tion einzuset­zen. In Bran­den­burg hat sich gezeigt, dass es sehr kon­struk­tiv war, strit­tige Fälle noch ein­mal aus den unter­schiedlichen Blick­winkeln staatlich­er und zivilge­sellschaftlich­er Insti­tu­tio­nen zu disku­tieren”, so Anna Brausam.
Zum Hintergrund:
Opfer­per­spek­tive und Amadeu Anto­nio Stiftung bekla­gen seit Jahren die große Dif­ferenz zwis­chen der Zäh­lung von Todes­opfern rechter Gewalt durch staatliche Behör­den und durch unab­hängige Organ­i­sa­tio­nen und Jour­nal­is­ten. Vertreterin­nen bei­der Organ­i­sa­tio­nen waren in bera­ten­der Funk­tion Mit­glied im Experte­nar­beit­skreis für das Forschung­spro­jekt “Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt in Bran­den­burg (1990–2008)” des Moses Mendelssohn Zen­trums. Die vom LKA bis­lang genan­nte Zahl von neun Todes­opfern rechter Gewalt in Bran­den­burg ver­dop­pelt sich gemäß den Ergeb­nis­sen des MMZ-Forschung­spro­jek­ts auf 18.
Für Rückfragen:
Opfer­per­spek­tive e.V.: Judith Porath (0151 591 000 82) und Josch­ka Fröschn­er (0151 507 248 51)
Amadeu Anto­nio Stiftung: Anna Brausam 0176 (239 481 54)

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