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Zossen: Neonazis störten Shoah-Gedenken

Am Mittwochabend ver­sam­melten sich über 250 Bürg­er aller demokratis­ch­er Schat­tierun­gen auf dem Mark­t­platz der bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt Zossen, um gegen anti­semi­tis­che und recht­sex­treme Umtriebe zu demon­stri­eren — recht­sex­treme Nation­al­is­ten ver­sucht­en das Gedenken mas­siv zu stören. Nur die Polizei bekam nichts mit.

Anlass der Gedenk-Demon­stra­tion war ein spon­tan­er Aufruf der CDU-Stadtverord­neten Susanne Mich­ler zu ein­er Schweigeminute, um “ein Zeichen der Erin­nerung an Vertrei­bung und Mord an Zossen­er Bürg­ern und gegen die Ver­leug­nung des Holo­caust” zu setzen.

Dem voraus­ge­gan­gen war eine hand­feste Auseinan­der­set­zung mit dem mehrfach verurteil­ten Holo­caustleugn­er Rain­er L., der unweit des Mark­t­platzes ein Inter­net­café betreibt. Erst als im Novem­ber vor seinem Laden Stolper­steine ver­legt wur­den, die an dort früher lebende jüdis­che Opfer der NS-Zeit erin­nern, bemerk­ten die Bürg­er Zossens, mit was für einem Men­schen sie es in ihren Rei­hen zu tun hat­ten. Bei der Ver­legung stürmte L. aus seinem Geschäft, beschimpfte wüst die beteiligten Akteure und prügelte schließlich auf sie ein.

In Berlin, von wo aus sich Rain­er L. vor drei Jahren zurück­zog, ist er Ken­nern der recht­sex­tremen Szene wohl bekan­nt. So viel er mehrfach beim Verteilen von holo­caustleug­nen­den Flug­blät­tern auf, was ihm und seine anti­semi­tis­chen Kam­er­aden prompt mehrere Strafver­fahren ein­brachte. Im Som­mer 2003 zele­bri­erte er mit Gle­ich­gesin­nten und unter Führung von Horst Mahler, der dem­nächst eine län­gere Haft­strafe wegen Holo­caustleug­nung zu ver­büßen hat, den “Auf­s­tand für die Wahrheit auf der Wart­burg”. Auf mit­ge­bracht­en Plakat­en waren Losun­gen wie “Den Holo­caust gab es nicht” oder “Die Wahrheit siegt” zu lesen.

Trotz oder ger­ade wegen seines Ein­satzes gegen die Stolper­steine muss sich Rain­er L. gewiss sein, das er das Erin­nern an Martha und Less­er Wein­berg, die früher in dem Haus ein Tex­tilgeschäft unter­hiel­ten und die von den Nazis in There­sien­stadt ermordet wur­den, nicht ungeschehen machen kann. Das zwis­chen­zeitliche Verdeck­en der Steine mit einem Bierkas­ten oder einem mick­ri­gen Wei­h­nachts­baum, ruft allen­falls dass städtis­che Ord­nungsamt auf den Plan, das jeglichen Ver­stoß gegen Aufla­gen ahn­den wird.

Die Störung des Gedenkens auf dem Mark­t­platz von rund 20 soge­nan­nten Autonomen Nation­al­is­ten, die dort Rain­er L.’s Het­z­pam­phlet verteil­ten, das mut­maßlich ver­botene Hitler­ju­gend­lied “Ein junges Volk ste­ht auf” san­gen sowie nation­al­sozial­is­tis­che Parolen wie “Ruhm und Ehre der Deutschen Nation” und “Nationaler Sozial­is­mus — Jet­zt!” kra­keel­ten, quit­tierte am späten Abend die Zossen­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung mit der ein­stim­mi­gen Ver­ab­schiedung ein­er Res­o­lu­tion gegen Recht­sex­trem­is­mus. Dort beken­nt man sich zum “his­torischen Tat­sachen­wis­sen um den Holo­caust” sowie “gegen jegliche Ver­harm­lo­sung recht­sex­tremer Ideologie”.

Was Let­zteres bet­rifft, hat die Bran­den­burg­er Polizei offen­sichtlich noch einige Defizite aufzuar­beit­en. Vom Absin­gen der HJ-Hymne, mit dem sich die “Freien Kräfte Tel­tow-Fläming” der­weil auf ihrer Home­page brüsken, hat sie trotz Videodoku­men­ta­tion­saus­rüs­tung nichts mit­bekom­men. Ein Wieder­hol­ungs­fall — denn bere­its am 28. Juli 2007 kon­nten Nazis das HJ-Lied auf ein­er Demon­stra­tion in Cot­tbus unges­traft singen.

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