Nach erheblicher Zunahme von Naziaktivitäten in Zossen, fällt der Stadt
nichts besseres ein als sich gegen einen vermeintlichen Linksextremismus
zu positionieren.
Mit Verwunderung und Unverständnis mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass
aus der Resolution gegen Rechtsextremismus in Zossen auf der letzten
Stadtverordnetenversammlung eine Erklärung “gegen jeden Extremismus“
wurde. Nach den öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten vom
Holocaustleugner/Stolpersteingegner Rainer Link und den Störungen von
jungen Neonazis bei der Gedenkveranstaltung am Mittwoch, wird nun ein
vermeintlicher Linksextremismus in Zossen konstruiert, mit den
Aktivitäten der Nazis gleichgesetzt und ein völlig falsches aber doch
eindeutiges politisches Signal durch die Stadt Zossen gesetzt.
In diesem Zusammenhang ist es dann auch wenig verwunderlich, dass
Bürgermeisterin Michaela Schreiber (Plan B) nach der Störung der
Gedenkveranstaltung durch Neonazis (sie sangen ein HJ-Lied und grölten
NS-Parolen) gegenüber der MAZ betont, das sie nicht nur die Anwesenheit
von Rechts- sondern auch von Linksextremisten bedauert.
Was auch immer in diesem Zusammenhang unter „Linksextremismus“
verstanden wird, mit der menschenverachtenden NS-Ideologie der
Rechtsextremisten hat dieser nichts gemein. Eine Gleichsetzung wie sie
in der SSV von Zossen und der Bürgermeistern stattfindet, ist völlig
ahistorisch und muss aufs Schärfste bekämpft werden. Hier jedoch
lediglich von einem mangelnden Geschichtsbewusstsein zu sprechen ist
verkürzt, ganz im Gegenteil verfolgen die Verfechter der
„Totalitarismustheorie“ damit doch eindeutige Ziele.
Nachfolgend ein Abriss eines Textes der Antifa Frankfurt/M. zum Thema
„Totalitarismustheorie“ aus dem Jahr 2006:
Die Totalitarismustheorie – die nicht nur Pate für die bekannten
Bündnisse “Gegen Extremismus und Gewalt”, sondern auch für die
sogenannten Verfassungsschutzberichte steht – geht kurzgesagt von
folgender Annahme aus: Die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft sei
das beste aller Systeme das menschenmöglich ist, da es Reformen ohne
Gewalt möglich mache und zugleich den einzelnen Menschen ein Maximum an
Rechten zuspreche. Alle Versuche an dieser bestehenden Ordnung
grundsätzlich etwas zu ändern gelten diesem freiheitlich-demokratischen
Bewusstsein als gleich „extremistisch“ – ergo böse. Höflich formuliert
lässt sich diese Totalitarismus-Analyse als positivistischer Kurz‑, bzw.
Fehlschluss charakterisieren. Schließlich werden hier gelinde gesagt
Äpfel mit Birnen verglichen; Will doch die Linke grundsätzlich die
Verhältnisse überwinden, in denen der Mensch ein unterdrücktes und
verlassenes Wesen ist. Dabei geht sie davon aus, dass dieser seine
Geschicke selbst bestimmen kann. In fundamentalem Gegensatz dazu geht
die Rechte gerade nicht von einer Veränderbarkeit menschlichen
Verhaltens und gesellschaftlicher Verhältnisse aus, sondern argumentiert
mit verschiedensten, angeblich „natürlichen Eigenschaften“, „Rechten“
und „Pflichten“ wie z.B. Nationalität, Familie, Arbeit, usw. Sie will
also die Lüge, dass der Mensch keiner sei, auch noch wahr machen.
Diesen Widerspruch zwischen Rechts und Links versucht die bürgerliche
Demokratie nun damit aufzulösen, dass das alles irgendwie gleichwertige
Meinungen seien, die solange berechtigt sind, wie sich an die formalen
Spielregeln der Demokratie halten. Ihr geht es nicht um Wahrheit – schon
der Anspruch darauf ist jedem braven Verfassungsschützer verdächtig –
sondern um Verwaltung.
Der Unterschied zwischen Links und Rechts ist also nichts weniger als
der zwischen Wahrheit und Lüge, kurz: einer ums Ganze. Die bürgerliche
Gesellschaft kann darin trotz alledem nur Meinungsverschiedenheiten
sehen, weil sie keinen Begriff von Geschichte, sich ahistorisch gar
selbst zum „Ende der Geschichte“ erklärt hat. Hier zeigt sich der
ideologische Sinn der Totalitarismustheorie: Mit Hilfe der „beiden
Extreme“ Links und Rechts konstruiert sich die bürgerliche Gesellschaft
als neutrale Mitte und projiziert nicht zuletzt auch die Verantwortung
für die faschistische Barbarei in etwas ihr Äußeres.
Probleme innerhalb der bestehenden Verhältnisse gelten ihr immer nur als
Ausnahmen und Funktionsprobleme, wogegen z.B. gewalttätige Aktionen von
„Extremisten“ immer gleich als Beleg für deren Wesen gelten sollen.
Dabei hat die formelle Abgrenzung vom „Extremismus“ nicht zuletzt auch
den Sinn, von den inhaltlichen Gemeinsamkeiten des rechten Rands und der
sogenannten Mitte der Gesellschaft nicht reden zu müssen. Diese
Ähnlichkeiten — von der Einschätzung des „Vater-Staat“ vor der „man“ ja
nichts zu verbergen habe, über die Hetze „gegen Sozialschmarotzer“ bis
hin zum sogenannten Patriotismus — drängen sich jedoch geradezu auf.
Geschichtspolitisch dient die Gleichsetzung von Rechts und Links in
Deutschland darüber hinaus der Verharmlosung des Nationalsozialismus: Um
von der Schuld des nationalen Kollektivs abzulenken, das den
Zivilisationsbruch Holocaust auf dem Konto hat werden Handlungen aus
ihrem Kontext gerissen und das Unvergleichbare verglichen. So kann man
heute „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ deutsche
Großmachtinteressen mit Gewalt durchsetzen. Kein Wunder ist es in diesem
Zusammenhängen, dass die Vordenker der Totalitarismustheorie, wie z.B
die Chemnitzer Professoren Uwe Backes und Eckhadt Jesse, selbst aus
einem neurechten Netzwerk stammen.
Aber – apropos „Gewalt“ – gerade bei diesem Begriff offenbart sich eines
der Grundprobleme der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft: Sie kann
sich selbst nicht erkennen, ist ihr eigener dunkler Fleck. Trotz des
Anspruchs, eine „vernünftige“ Gesellschaft zu sein, muss sie sich selbst
– ihr kennt das aus dem Fernsehen – ständig auf sogenannte „Sachzwänge“
beziehen. Dem Anspruch Verwirklichung der „natürlichen“ Freiheit zu
sein, entspricht ohne Not eine Realität die nur aus angeblichen
Notwendigkeit besteht. Dementsprechend sterben genauso jährlich tausende
MigrantInnen vor den Toren der Festung Europa, wie Kriege für
Menschenrechte geführt und Menschen in den Arbeitsdienst gezwungen
werden. Genauso wie auch die Übergriffen der Staatsmacht legal sein
müssen und weltweit Menschen verhungern – alles keineswegs gewaltfrei.
Die Frage nach grundsätzlicher Gewaltfreiheit steht im Moment angesichts
einer gewalttätigen kapitalistischen Gesellschaft also ohnehin nicht auf
der Tagesordnung. Sie wirklich zu stellen, würde die Frage nach einer
Gesellschaft in der endlich jeder ohne Angst verschieden sein kann, d.h.
Kommunismus implizieren – aber das ist eine andere Geschichte.
Gegen die Totalitarismustheorie und die Verharmlosung des
Nationalsozialismus.