Aktionswochen zum Tag der Befreiung in Cottbus am 22. April unter dem Motto “Befreiung fortsetzen”.
Am 22. April endete für die Stadt Cottbus der Zweite Weltkrieg. Die Mehrheit der 11.000 zurückgebliebenen Menschen waren Zwangsarbeiter*innen. Die Eroberung durch die Rote Armee bedeutete für sie und alle anderen Unterdrückten, Verfolgten und Gefangenen die lang ersehnte Befreiung vom Faschismus. Wir wollen diesen Tag zum Anlass nehmen, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken und das Ende der NS-Herrschaft zu feiern.
Rassistische und völkische Ideologien bekommen wieder Aufwind. Die Welt rückt nach rechts. Autoritäre Bestrebungen, Krisen und Kriege gefährden unser friedliches Zusammenleben.
Damit die Geschichte sich nicht wiederholt, wollen wir solidarische Netzwerke schaffen und neue Perspektiven entwickeln. Wie es weiter geht, liegt auch in unseren Händen.
In den zwei Wochen vom 22. April bis 08. Mai 2017 wird es verschiedene Veranstaltungen geben. Los geht es mit einer Gedenkveranstaltung und einem Parkfest am 22. April. Alle weiteren Veranstaltungen findet ihr weiter unten.
Seid dabei und lasst uns die Befreiung fortsetzen!
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Veranstaltungsübersicht — Aktionswochen vom 22.04.–08.05.2017
Samstag 22.04., Gedenken und Parkfest
13–17 Uhr, Puschkinpark Cottbus
Am 22. April 1945 endete für Cottbus der Zweite Weltkrieg. Die Mehrheit der 11.000 zurückgebliebenen Menschen waren Zwangsarbeiter*innen. Die Eroberung von Cottbus durch die Rote Armee bedeutete für sie und alle anderen Unterdrückten, Verfolgten und Gefangenen die lang ersehnte Befreiung. Um den Opfern zu gedenken, findet um 13 Uhr eine Kundgebung am Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Dennoch war dieser Tag auch ein Tag zum feiern. Deshalb wird es im Anschluss ein kleines Fest am Familienhaus geben. Dort wird der Nachmittag mit Musik — und Redebeiträgen sowie Ständen und Angeboten verschiedener Vereine und Initiativen gestaltet. Für Essen und Getränke ist gesorgt.
Samstag 22.04.,Film: „Der Kuaför aus der Keupstraße“
19 Uhr, OBENKINO (Straße der Jugend 16, 03046 Cottbus)
BRD 2015, 92 Min., Sprache: Deutsch/Türkisch
Der Film erzählt die Geschichte des Nagelbombenanschlags vor einem türkischen Frisörsalon in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004. Er konzentriert sich dabei auf die Folgen für die Opfer und ihre Angehörigen, gegen die als Hauptverdächtige jahrelang ermittelt wurde. Der Film rekonstruiert die Ermittlungen der Polizei anhand der Verhörprotokolle und es wird deutlich, dass als Täter für die Polizei vor allem die Opfer in Frage kamen. Ein ausländerfeindliches Motiv wurde weitestgehend ausgeblendet.
Erst Jahre später wurde der Anschlag dem sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugeordnet.
Auf eindrückliche Weise zeigt DER KUAFÖR AUS DER KEUPSTRASSE wie tiefgreifend der Bombenanschlag, aber auch die Verdächtigungen danach, das Leben im Kölner Stadtteil Mülheim erschüttert haben. So wie in Köln wurden auch in den anderen Städten, in denen der NSU gemordet hat, zumeist die Angehörigen und ihr Umfeld verdächtigt. Der Film eröffnet die Diskussion über die Frage einer strukturellen Fremdenfeindlichkeit in
Deutschland auf eine neue Art, nämlich aus der Perspektive der Betroffenen.
Montag 24.04., KüfA (Küche für Alle) und Diskussionsrunde
17 Uhr, Hausprojekt Zelle79 (Parzellenstr. 79, 03046 Cottbus)
Viele von euch kennen das Thema: vor deinen Augen wird verbal gehetzt und du wirst in eine
Diskussion verstrickt. Du kannst gar nicht fassen, was da gelabert wird, aber dir fallen einfach keine Argumente mehr ein. Lasst uns gemeinsam dazu austauschen und Fragen klären, wie: Was waren unsere Erfahrungen in Diskussionen mit Menschen mit rechter Einstellung? Wie kommen wir in so einer Diskussion weiter?
Natürlich gibt es wie jeden Montag ab 19 Uhr ein warmes veganes Abendessen. Für Getränke wird ebenfalls gesorgt sein.
Dienstag 25.04., Lesung: „Stolpersteine — vom Leben und Sterben Cottbuser Juden“
18.30 Uhr, Piccolo Theater (Erich Kästner Platz, 03046 Cottbus)
Gelbe Messingplatten unterbrechen das Pflaster Cottbuser Straßen und stoppen unsere Schritte. Es sind Stolpersteine, kleine Mahnmale für jüdische Bürger unserer Stadt, die dem nationalsozialistischen Rassenwahn zwischen 1933 und 1945 zum Opfer gefallen sind. Männer und Frauen, Kinder und Alte – ihren Mördern konnten sie nicht entkommen. Ihrer Würde beraubt, um ihr Vermögen gebracht, aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben, endete ihr sozialer Abstieg schließlich in der Vernichtung.
Erika Pchalek ist den Lebensgeschichten nachgegangen. Sie liest aus ihrem Buch kleine Biografien, die von der Ungeheuerlichkeit des Massenmordes zeugen. Verhungert im Ghetto, gestorben im Gefängnis, ins Gas getrieben – Millionen haben diese Schicksale erleiden müssen. Unter ihnen waren Cottbuser Bürger, häufig hoch angesehen, bis der Rassenwahn regierte.
Die Autorin möchte auch mit ihrem Publikum ins Gespräch kommen. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Aktionswoche „Befreiung fortsetzen!“ in Kooperation zwischen Regia-Verlag und Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, Regionalbüro Cottbus statt.
Mittwoch, 26.04., Vortrag: „NSU – Wie klärt Brandenburg auf?#2“
19 Uhr, Hausprojekt Zelle79 (Parzellenstraße 79, 03046 Cottbus)
Für uns haben (militante) Nazis und rassistische Behörden wenig mit Befreiung zu tun. Deshalb haben wir uns schon 2016 mit der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beschäftigt. Die Lesung zum Buch „Generation Hoyerswerda“ und das Theaterstück „A wie Aufklärung“ haben viele Ungereimtheiten im NSU-Komplex offenbart. Auch das Land Brandenburg ist Teil dieser Ungereimtheiten, will aber gleichzeitig mit einem 2016
eingesetzten NSU-Untersuchungsausschuss zur Erhellung des Komplexes beitragen.Deshalb wollen wir den Blick schärfen und schauen: Wie ist es um die Aufklärung der NSU- Morde im Land Brandenburg bestellt? Gemeinsam mit der Organisation NSU-Watch Brandenburg und einem Mitarbeiter des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam,
möchten wir herausfinden, auf welchem Ermittlungsstand der im vergangenen Jahr eingesetzte NSU-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtag ist. Wie bewertet NSU-Watch das Geschehen und welche Fragen gilt es evtl. noch zu klären? Die in Potsdam von 2001 bis 2002 aktive Nationale Bewegung, deren Aufdeckung mutmaßlich durch den Verfassungsschutz behindert wurde, wird in diesem Zusammenhang ein Thema des Vortrages sein.
Donnerstag 27.04., Vortrag „Kapitalismus auf der Zielgeraden? Postkapitalistische Perspektiven“ mit Raul Zelik
19 Uhr, Muggefug (Papitzer Straße 4, 03046 Cottbus)
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit leben wir in einem echten Weltsystem: dem Kapitalismus. Er ist dabei, sich zu Tode zu siegen. Der Ausstieg aus der heißlaufenden Maschine Kapitalismus stellt eine gewaltige Herausforderung dar. Auf der Suche nach gesellschaftlichen Alternativen kommen wir um die Frage nach dem Gemeineigentum nicht herum, meint der Autor Raul Zelik. Das besondere an seinen Analysen ist, dass er dabei nicht nur bestehende Verhältnisse kritisiert, sondern auch darauf verweist, wo es bereits keime einer zukünftigen – besseren – Gesellschaft geben kann: in Genossenschaften, selbst organisierten Läden, in den sozialen Bewegungen, in bei Bewegungen wie Podemos oder Syriza in Spanien und Griechenland.
Eine Systemwende wird nicht einfach, doch Zelik macht auch Mut: Schwierig „war der Weg von Aufklärung und Emanzipation schon immer. In der Vergangenheit war er geprägt von Irrtümern, schrecklichen eigenen Verbrechen und blutigen Niederlagen. Wie viele Menschen, die aufrichtig und, ohne einen eigenen Vorteil zu verfolgen, für bessere gesellschaftliche Verhältnisse eintraten, mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen? Ihnen verdanken wir das, was es heute an — ungenügenden — sozialen und demokratischen Rechten gibt. An sie sollten wir denken, wenn wir begreifen, dass der Kapitalismus nicht für die Ewigkeit geschaffen ist und in vieler Hinsicht heute seine Grenzen erreicht. Die Geschichte der Solidarität, der sozialen Befreiung, der Sorge umeinander und der Demokratisierung aller Lebensbereiche beginnt nicht erst heute. Sie reicht Jahrhunderte zurück und war, trotz allen Scheiterns, nicht folgenlos.“
Die Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, Regionalbüro Cottbus, besteht aus einem einleitenden Vortrag und danach ist der Austausch von Ideen erwünscht.
Freitag 28.04., Critical Mass — Fahrraddemo
16 Uhr, Start: Stadthallenvorplatz Cottbus
Auch im April wird es wie gewohnt, am letzten Freitag im Monat, eine Critical Mass geben.
Zusammen mit netten Menschen und Musik wird sich gemeinsam mit dem Fahrrad für den
Umweltschutz eingesetzt. Endpunkt der Fahrraddemo ist das Hausprojekt Zelle79 (Parzellenstr. 79, Cottbus). Hier wartet vegane Lasagne auf euch.
Montag 01.05., Internationaler Kampftag der Arbeiter*innen
An diesem Tag gib es genug Angebote, nicht nur in Cottbus. Informiert euch und findet für euch die passende Veranstaltung.
Donnerstag 04.05., Vortrag und Gespräch: „Aktualität“ bei Walter Benjamin und das Zurechtfinden in der „Katastrophe als Normalzustand“ mit Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann (Philosoph)
19 Uhr, quasiMono (Erich-Weinert-Str. 2, 03046 Cottbus)
Es finden sich im umfangreichen Werk von Walter Benjamin (1892 — 1940) Zitate, die sofort einen aktuellen Bezug zur Beschreibung und Kritik heutiger rechter Bewegungen herstellen. In einem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Cottbus veranstalteten Vortrag mit anschließender Diskussion wird nachgefragt, ob die Aktualität Benjamins wirklich so direkt herzustellen ist.
Erstens ist es ganz im Sinne Benjamins, eben nicht bloß mit passenden Zitaten oder das einfache Rückbesinnen auf vergangene gute Gedanken auf heute „aufblitzende Gefahren“ zu reagieren – und lediglich das Vermittlungsmanagement oder auch das Erscheinungsbild auf Webseiten, Plakaten sowie im Wahlkampf zu erneuern.
Zweitens schließlich geht es dann auch um die Frage, inwiefern die Antworten Benjamins noch heute aktuell sind. Ein Verdienst des kritischen Denkens bei Benjamin dürfte sein, dass er angesichts der faschistischen Gefahr einen Perspektivenwechsel auf den „Ausnahmezustand“ oder eine immer mal aufgerufene „Katastrophe“ der Gesellschaft ermöglicht und diese als Normalzustand der kapitalistischen Gesellschaft beschreibt.
Alternativen im Denken und Handeln müssen das bedenken, um eine genaue Zustandsbeschreibung zu ermöglichen und die Logik von Fortschritt genau dieser bestehenden Gesellschaft zu verlassen.
Freitag 05.05., Film: „Das Schicksal der Kinder von Aleppo“
18 Uhr, Kreisgeschäftsstelle „Die Linke“ (Straße der Jugend 114, 03046 Cottbus)
Zum Film: Sara wurde in Aleppo geboren und verbrachte die ersten fünf Jahre ihres Lebens dort. Ein Reporter begleitete sie und ihre Familie im Kriegsalltag in der syrischen Stadt Aleppo, ihre Flucht nach und Ankunft in Deutschland. Nach dem Film findet eine Diskussion mit syrischen Geflüchteten statt.
Samstag 06.05., Fahrt zur Gedenkstätte Sachsenhausen
8:30 Uhr, Cottbuser Hauptbahnhof
Sowie die Stadt Cottbus wurde auch das Konzentrationslager Sachsenhausen am 22. April 1945 durch sowjetische und polnische Soldaten befreit.
Bei Oranienburg wurde 1936 das KZ errichtet. Zwischen 1936 und 1945 waren in Sachsenhausen mehr als 200 000 Menschen inhaftiert. Vor Kriegsbeginn wurden v.a. Juden und politische Gegner aus Berlin und dem Berliner Umland dort gefangen gehalten und misshandelt. Die Gefangenen arbeiteten für die Firmen Heinkel, Siemens und AEG. Auch für die Reichshauptstadt Germania wurde dort Material durch Zwangsarbeit gewonnen. Es fanden Experimente an den Inhaftierten statt. Der Standort nimmt eine Sonderrolle ein, da er als Modell- und Schulungslager für die SS diente. 1938 wurde diese Rolle unterstrichen, als die Zentralverwaltung der KZ nach Oranienburg verlegt wurde.
Es wird eine Führung durch die Gedenkstätte geben.
Diese Exkursion soll uns allen verdeutlichen, wozu Faschismus führen kann. .
Sonntag 07.05., Brunch „Wer nicht bruncht hat verloren“
10 Uhr, Hausprojekt Zelle79 (Parzellenstr. 79, 03046 Cottbus)
Zum Abschluss der Veranstaltungswochen wollen wir alle bei einem entspannten Frühlingsbrunch zusammen sitzen. Lasst uns über unsere Erlebnisse und Gedanken der letzten Wochen reden oder einfach nur lecker in „befreiter“ Gesellschaft essen. Gerne könnt ihr etwas veganes zu Essen mitbringen. Bei Sonnenschein und Vogelgesang findet der Brunch draußen statt.
Montag 08.05., BefreiungsKüfA (Küche für Alle) und Film
19 Uhr, Hausprojekt Zelle79 (Parzellenstr. 79, 03046 Cottbus)
Hey Hey, heute gibt es veganen Döner –> Vöner!
Auch cool: Jede_r kann sich seine_n Vöner selber zusammenstellen.
Im Anschluss zeigen wir den Film “ID without colors”. Es ist ein Dokumentarfilm über Racial Profiling sowie diskriminierendes und rassistisches Vorgehen der Polizei in Deutschland. Der Film wurde produziert von der Kooperative für Opfer von Polizeigewalt.