In der Nacht vom 26. auf den 27. November verübten bisher unbekannte Täter_innen auf das Gebäude der alten Nicolaischule einen Brandanschlag. Das Haus sollte in den kommenden Wochen als Notunterkunft für Geflüchtete dienen. In Vorbereitung auf die Belegung wurden die einzelnen Räume schon eingerichtet und das ehemals als Schule genutzte Gebäude ist bereit für die Belegung.
Während einer Einwohner_innenversammlung am 27. Oktober wurde von der Stadtverwaltung deutlich gemacht, dass dieses Gebäude nur eine Zwischenlösung sei, denn im Anschluss braucht die neu entstandene Medizinische Hochschule die Räume für ihre Zwecke. Gleichzeitig gehörte diese Einwohner_innenversammlung zu denen, die am wenigsten Diskussionen hervorbrachten.
Dass dieser Anschlag nicht aus heiterem Himmel kommt, sondern es schon seit Beginn des Jahres vermehrt rassistische und neonazistische Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen gibt, muss allen klar sein. Den Anfang machte der lokale PEGIDA-Ableger BraMM mit insgesamt fünf Spaziergängen. Es folgten Kundgebungen des neonazistischen III. Wegs und der NPD. Gleichzeitig treten wieder vermehrt Aufkleber, Plakate und Flugblätter dieser Organisationen in der Havelstadt auf. Des Weiteren nahmen bei zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen im Land Brandenburg wiederholt Neonazis aus Brandenburg an der Havel teil.
Neben diesen politischen Aktionen gibt es aber auch immer wieder Übergriffe auf Geflüchtete, so wurde beispielsweise am 09. März ein Kenianer in der Straßenbahn beleidigt und geschlagen und am 24. Juli wird ein Tunesier rassistisch beleidigt und geschlagen. Hinzu kommen zahlreiche alltagsrassistische Erfahrungen von Geflüchteten, welche nicht zur Anzeige gebracht wurden. Hierzu zählen das Anrempeln von Geflüchteten, dass vor ihnen Ausspucken oder rassistische Beleidigungen.
Es ist somit eine Kontinuität von rassistischen und neonazistischen Aktivitäten in der Havelstadt zu erkennen, waren es am Anfang des Jahres nur Demonstrationen und Kundgebungen, sind es mittlerweile Übergriffe und Brandanschläge.
Wir wissen wohin solche Taten führen können, die Bilder von Rostock-Lichtenhagen und Mölln haben wir nicht vergessen, genauso wenig den Mord an Sven Beuter in Brandenburg an der Havel. Der Wind dreht sich, wenige rassistische und neonazistische Bürger_innen machen gegen Geflüchtete Stimmung und es ist an uns ihnen entgegen zu treten. Wenn geplante Unterkünfte brennen, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder aufgrund ihres Engagements für Geflüchtete sich nicht mehr sicher fühlen und die Polizei zuschaut, ist es an der Zeit sich zu organisieren und zu wehren.
Wir dürfen einen neonazistischen und rassistischen Terror wie in den 1990er Jahren in der Stadt nicht dulden, wir dürfen es nicht zulassen, dass Menschen die vor Krieg, Hunger und Armut fliehen hier in Angst leben müssen, wir müssen uns zusammentun und gemeinsam gegen Rassismus, Neonazismus und Diskriminierung aufbegehren.
Organisiert euch!
Bildet euch!
Wehrt euch!
Linksjugend [´solid] Brandenburg an der Havel
Antifa Jugend Brandenburg
Autor: Greg
Unter dem Banner des „Sturmvogels“
Der junge Bundesführer aus Bayern steht stramm. Sein Ton ist zackig, die Arme hält er angewinkelt. Auf dem grünen Uniformhemd prangt am Ärmel das „Schild“ des Bundes, der schwarze Vogel auf weiß-rotem Hintergrund. Das Halstuch hat der junge Mann mit dem scharfen Scheitel verknotet. Streng kontrolliert der Anführer den Aufbau der schwarzen Kohten, die in drei Viererreihen errichtet werden. Neben ihm scharen sich seine Unterführerinnen und ‑führer. In Reichweite gibt es zwei hölzerne Klohäuschen und die schwarze Doppeljurte für die Treffen. Die ankommenden Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern werden mit „Heil Dir“ oder „Heil Euch“ begrüßt. Die dunkelhaarige Unterführerin Freke S. aus dem thüringischen Landkreis Nordhausen kontrolliert mit strengem Gesichtsausdruck die Anmeldungen auf dem Zettel ihres Klemmbrettes. Über 70 Schützlinge werden 2015 zum Sommerlager des rechtslastigen „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ in Brandenburg erwartet.
Ein dunkler Wagen mit einem Demminer Kennzeichen fährt vor. Der Mann, der mit seinem Sohn aussteigt, ist bekannt in der Revisionisten- und Holocaust-Leugner-Szene: Bernhard Schaub. Der Schweizer hat es nicht weit bis ins brandenburgische Grabow, er gehört zu den Neusiedlern in Mecklenburg. Schaub war ehemaliger Vorsitzender des verbotenen „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV). Seine Wut scheint sich der „Vordenker“ jüngst in einem Artikel für die rechtsextreme „Stimme des Reiches“, Sonderheft Nummer 5/2015, von der Seele, geschrieben zu haben. Dort heißt es unter anderem: „Dass wir die willigen Sklaven der Bananenrepublik Deutschland in einem Scheineuropa sind, das de facto seit 1945 eine amerikanisch-zionistische Kolonie geworden ist.“ Auch echauffiert sich der ehemalige Waldorff-Lehrer über die westliche „Verhausschweinung“. Wer keine ästhetischen Prinzipien habe, bemerke auch die „Entartung der Kunst“ nicht und der fände auch „Popmusik ‚cool’ und die Überfremdung ‚okay’, den stören Döner-Buden, Cola-Dosen und schwarze Gesichter eben nicht“.
In der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ aktiv
Seinen Sohn schickt der umtriebige Szene-Aktivist ins strenge, einwöchige Sommerlager des „Sturmvogels“ mit Frühsport, Strammstehen und „Arbeitseinsätzen“. Die Fahne der Organisation ist bereits gehisst. Ein Mann mit Brille im blauen Fischerhemd läuft herum. Er beordert ansonsten den NPD-Ordnungsdienst „Waterkant“. Frank Klawitter aus Greifswald hat seine Jungs abgeliefert. In den 1990er Jahren galt er als „Führer von Greifswald“ und wurde mit Wehrsportübungen in Verbindung gebracht. Bis zum Verbot der verfassungsfeindlichen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) bildete er in der „Einheit Mecklenburg und Pommern“ aus.
In der HDJ waren auch die beiden Frauen aktiv, die nun die „Sturmvogel“-Lagerküche versorgen: Petra Müller aus Lalendorf und Gesine S. aus Hohen-Neuendorf in Brandenburg. Müller gehörte 2006 zu den Gründerinnen des NPD-nahen „Rings Nationaler Frauen“, sie fährt seit Jahren zu den konspirativen Treffen der rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“. Zwei ihrer jüngsten Kinder unterrichtet die gebürtige Österreicherin zuhause in Lalendorf. Auch der Nachwuchs ihrer Nachbarn war schon beim „Sturmvogel“. S. beteiligte sich unter anderem 2007 am großen Pfingstlager der HDJ in Eschede, der Ehemann stammt aus der Kameradschaftsszene, die Schwester war Bundesführerin der HDJ.
Zum Fahnenappell der Größe nach im Kreis
Mit dabei beim „Sturmvogel“-Lager in Grabow ist in diesem Sommer auch Ingeborg Godenau aus dem hessischen Sebbeterode. Ihr Ehemann ist führendes Mitglied der dortigen NPD und erschien kürzlich beim Prozess gegen die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Sich selbst und ihre Kinder hat die ehemalige Lehrerin seit langem in den Jugendbund eingebracht. Eines der ersten Zeltlager fand auf dem Godenau- Anwesen statt. Die älteste Tochter siedelte nach Mecklenburg, einer der Söhne führte 2010 das Winterlager in Recknitzberg nahe Bad Doberan an und vertrieb Medienvertreter mit Schlägen gegen die Kamera.
In dem kleinen Dörfchen Grabow ist das Lager gut sichtbar, doch fast niemand scheint sich daran zu stören. Am frühen Morgen werden die Kinder und Jugendlichen zusammengetrommelt und zum Fahnenappell nach der Größe in einem Kreis aufgestellt. Sie rühren sich kaum. Die weiblichen und männlichen Anführer blicken streng. Derzeitige Bundesführerin ist Dietlind B., eine junge Pädagogin aus der Nähe von München. Die Mädchen tragen alle altmodische, schwarze Röcke, grüne Uniformhemden und Zöpfe oder geflochtene Frisuren. Die Anstrengung ist den Kleineren anzusehen. Die Zeremonie mit Reden und Gesang dauert an diesem Tag annähernd eine Stunde. Manche Gesichter sehen müde aus. Hilfesuchend blicken sich die Mädchen an, doch keines wagt es wohl, aus der Reihe zu tanzen. Nach einiger Zeit lächelt kaum noch eines.
„Bunter Abend“ mit Eltern und Verwandten
Als alles vorüber ist, sackt ein kleiner Junge in grünem Hemd und Ledersandalen lautlos auf den Boden. Einer der jungen Anführer hebt ihn hoch. Der Körper des Kindes hängt schlaff herunter, es scheint bewusstlos. Nach einiger Zeit steht der Junge wieder, zwei Anführer legen ihm die Arme auf die Schultern. An einem Abend in dieser Woche fährt ein Notarztwagen zum Lager. Höhepunkt des „Sommerlagers“ ist ähnlich wie bei der HDJ der „Bunte Abend“, zu dem auch viele Eltern und Verwandten erwartet werden.
Die meisten Angehörigen des „Sturmvogels“ stammen aus „Sippen“, deren ältere Mitglieder noch die soldatische Erziehung der 1994 verbotenen „Wiking Jugend“ mitbekommen haben. Die WJ erzog den Nachwuchs offen militant und im Sinne des Nationalsozialismus, der „Sturmvogel“ wählte einen gemäßigteren Weg, doch die Organisation scheut den Kontakt zu Neonazis nicht. 1987, nach der Abspaltung von der „Wiking-Jugend“, hatte der Antiquar Rudi Wittig zunächst die Führung des Jugendbundes übernommen. Mitglieder seiner weitläufigen Familie waren sowohl in der WJ, der HDJ als auch dem Sturmvogel aktiv. Ursprünglich sollte auf einem Gutshof nahe Wismar das „Bundeshaus“ entstehen. Das Anwesen diente bereits für Treffen, doch das Vorhaben scheiterte. Selbst den Jüngeren ist Wittig noch ein Begriff, obwohl er sich kaum noch einzubringen scheint. Das Antiquariat hat er inzwischen aufgegeben. Antifa-Recherchen zufolge zeigte sich der erste „Sturmvogel“- Anführer 2015 bei einer Versammlung der extrem rechten „Identitären Bewegung“. Ein weiteres Gründungsmitglied des „Sturmvogels“ aus Baden-Württemberg beteiligte sich an Treffen der rassistischen „Artgemeinschaft“ und referierte 2012 für den rechtsextremen Verein „Gedächtnisstätte“.
Angetreten, um das „große deutsche Kulturerbe“ zu bewahren
Die „Sturmvögel“ bezeichneten sich in der Vergangenheit als „volkstreu eingestellte Deutsche“, die die Kameradschaft von Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 18 Jahren fördern und Eltern bei der Erziehung zur Seite stehen wollten. Wie bei der „Wiking-Jugend“ sind Mädchen- und Jungendarbeit getrennt. Fahrten der Gruppen führen nach „Westpreußen“, „Südtirol“, in das Elsass oder nach „Siebenbürgen“. Der Jugendbund war angetreten, um das „große deutsche Kulturerbe“ zu bewahren. Zöglinge lernen Runenschrift, geben den Monaten germanische Namen. Gesungen werden in diesen Kreisen Lieder wie eines von Falko Stegmann mit Zeilen, die lauten: „Es herrscht im Land die kranke Macht, das Wachstum der Geschwüre. So grabet Euch den eigenen Schacht, der Kinder Aug ist Türe. (…) und schmettern die Ketten der Mächte entzwei, der Wille der Tat, der macht uns frei.“
Anders als die HDJ sind die „Sturmvögel“ um unauffällige Außenwirkung bemüht. Kinder und Jugendliche sollen sich nebenher beim Roten Kreuz oder in Feuerwehren engagieren, hieß es intern. Langjähriges Mitglied des „Sturmvogels“ war die heutige Landesvorsitzende der NPD-Frauenorganisation in Baden-Württemberg, Edda Schmidt. Deren Tochter, die in der Nähe von Uelzen lebt, gilt als Akteurin im Hintergrund. Der Name von Irmhild S. fiel auch im Prozess 2015 um den Tod des kleinen Siedlerkindes Sighild, deren Eltern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden, weil sie das diabeteskranke, vierjährige Mädchen nicht ausreichend mit Insulin versorgt hatten. Die Mutter von Sighild war mit Irmhild S. befreundet, beide sollen Anhängerinnen des antisemitischen Begründers der „Germanischen Neuen Medizin“, Ryke Geerd Hamer, sein, der in der Bundesrepublik nicht praktizieren darf. Edda Schmidts Tochter und derem Ehemann wird Einfluss in der völkischen Szene nachgesagt. Tanztreffen oder Brauchtumsfeiern fanden auf dem geräumigen Anwesen in Niedersachsen statt.
Den Jungen wird viel über Wehrmacht und SS beigebracht
Kinder rechter Familien aus Koppelow, Lalendorf, Berlin, Bansow, Bautzen, Kassel, dem Ilmkreis, Marburg, der Lüneburger Heide und einigen weiteren Regionen und Orten nehmen an deren geheimen Zusammenkünften wie in Grabow teil. Kleinere Lager und „Heimabende“ finden regional statt in den Mädel- und Jungengruppen, die Heidelerchen, Seeschwalben, Sonnenreiter oder Wald- und Werwölfe heißen. Die Organisation ist ebenso wie bei der HDJ hierarchisch gegliedert. Nicht immer scheint es wirklich kindgerecht zuzugehen. Dann liefern Eltern den Nachwuchs erst spät in der Nacht an. Disziplin und Härte scheinen verlangt zu werden. Die Sprache ist streng reglementiert, Anglizismen sind unerwünscht, so wird ein Pullover eingedeutscht zum „Überzieher“.
In der Vergangenheit soll es auch schon mal zehn Liegestützen als Strafe für ein „falsches Wort“ gegeben haben. Das Strafmaß hängt demnach vom Ermessen der jeweiligen Lagerleitung ab. Kinder lernen Feindbilder kennen, die breite Gesellschaft wird in vielen „Sippen“ allgemein als zu modern, tolerant und dekadent verachtet. Neben der Einwanderungspolitik findet vor allem auch das Thema Homosexualität in diesen Kreisen massive Ablehnung. Jeans, eine Erfindung des jüdischen Industriellen Levi Strauss, gilt es nicht zu tragen. Vor allem den Jungen wird viel über Wehrmacht und SS beigebracht, die „Helden“ der NS-Zeit sind in diesen Familien omnipräsent.
Sommerlager auf dem Anwesen des Ortsvorstehers
Vor dem HDJ-Verbot trafen sich unter anderem Mitglieder der „Heimattreuen“ und des „Sturmvogels“ zum „Überbündischen Burgfest“ wie 2004 auf der Wewelsburg. Das letzte bekannte größere Lager gab es im hessischen Treisbach, die rund 50 Teilnehmer kamen unter anderem aus Güstrow und Hamburg. Es wurde auf einer Wiese errichtet.
Das Sommerlager in Grabow dagegen fand auf dem Anwesen des ehrenamtlichen Ortsvorstehers von Grabow statt. Markus K. betreibt dort eine Kommune, die vor allem in esoterischen Kreisen unter den Begriffen „Familienlandsitze“ und „Landfreikauf“ geläufig ist. „Goldenes Grabow“ nennen sie ihr Projekt und feiern Festivals, Brauchtumsfeste und Tanzveranstaltungen. Unter den Referenten, die auf einer Homepage angezeigt werden, sind völkische Rechte, aber auch scheinbar unpolitische Lebenskünstler. K. selbst besuchte 2007 das Ostertreffen des antisemitischen „Bunds für Gotterkenntnis – Ludendorffer“. Für Grabow plant die Siedlergruppe laut Homepage „Landolfswiese“ eine eigene „Godenschule“.
Dem „Sturmvogel“ gewährten der Ortsvorsteher und seine Ehefrau für eine Woche Aufenthalt. Wenige Wochen zuvor fanden im Juni dort die so genannten „Anastasia-Festspiele“ mit Sommersonnenwende statt. Die esoterisch-spirituelle „Anastasia-Bewegung“ stammt aus Russland. Sekten-Experten bringen sie mit dem Neuheidentum in Verbindung. Die österreichische Tageszeitung „Der Standart“ ordnete ihr einen „Mix aus esoterischen und rechtsextremen Ideen“ zu. Zu den Festspielen gehörten auch Wettkämpfe, zu denen die „Urgewaltigen“ aufgefordert hätten. Bei Baumsteinweitwurf, Barfußlauf und Feldsteinzielwurf maßen sich die bunt gekleideten Teilnehmer. In dem kleinen Ort selbst scheint das Treiben ignoriert zu werden. Doch die uniformierten Kinder, die im August durchs Dorf zogen, können die Anwohner nicht übersehen haben.
Women in Exile und Flüchtlingsrat fordern zum Internationalen Tag der Gewalt gegen Frauen: Schutz für geflüchtete Frauen – vor allen Formen von Gewalt!
Flüchtlingsfrauen sind akut bedroht: „Wir sind alle betroffen von sexueller Belästigung im Lager, es gibt keine Frau, die nicht eine Geschichte von aufdringlichen Blicken, widerlichen Kommentaren, unerwünschtem Anfassen oder versuchter oder tatsächlicher Vergewaltigung erzählen könnte,“ berichtete eine geflüchtete Frau der Organisation Women in Exile während einer Bustour durch Flüchtlingslager. Das Ergebnis der Besuche ist alarmierend. Geflüchtete Frauen und LGBTI Personen werden aufgrund ihres Geschlechts oder sexuellen Identität mehrfach diskriminiert und verletzt: durch rassistische Übergriffe und Asylgesetze, durch traumatische Erfahrungen auf der Flucht, die in den Massenunterkünften ihre Fortsetzung finden, durch körperliche und sexuelle Belästigungen, fehlende Privatsphäre und Angst vor Abschiebung.
Keine Massenunterkunft kann geflüchteten Frauen Schutz bieten. Ein Leben im Lager bedeutet die tägliche Erfahrung struktureller Gewalt, die in Form von Isolation, Ausgrenzung und Schutzlosigkeit statt findet. Diese strukturelle Gewalt verstärkt Gewaltpotenziale und führt oft zu physischen, psychischen und sexualisierten Übergriffen vor allem gegen Frauen, Kinder und LGBTI Personen. Solche Übergriffe passieren auch auf deutschen Straßen und insbesondere in deutschen Haushalten. Aber in einer Sammelunterkunft, die eine Zwangswohnform ist, treten sie konzentrierter und vermehrt auf. Denn dort haben Menschen kaum Rückzugsmöglichkeiten und sind häufig extremen Alltagssituationen, Enge und Stress ausgesetzt. Das deutsche Gewaltschutzgesetz ermöglicht Interventionsbefugnisse für die Polizei: Wenn gewalttätige Übergriffe in deutschen Haushalten passieren, kann die Polizei die oder den Täter/in des „Platzes verweisen“. Dies findet im deutschen Lagersystem keine Anwendung. Geflüchtete Frauen erhalten damit in Deutschland kaum Schutz vor Gewalt.
Laut der seit Mitte 2015 auch in Deutschland geltenden EU-Aufnahmerichtlinie für Flüchtlinge müssen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge als solche erkannt, angemessen versorgt und untergebracht werden. Der Schutz dieser Gruppen (unter anderem Schwangere, Alleinerziehende, Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben und Minderjährige) steht in großer Zahl Frauen und ihren Kindern zu. Dieser Schutz kann ihnen in überfüllten Massenunterkünften ohne ausreichenden Zugang zu Versorgungs- und Unterstützungsstrukturen nicht zukommen. Darum sagen wir: Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge können nicht in einer Massenunterkunft leben!
Die kürzlich verschärften Asylgesetze sehen vor, dass Flüchtlinge sechs Monate und viele darüber hinaus in den überfüllten Erstaufnahmelagern verbleiben müssen. Sie unterliegen in dieser Zeit der Residenzpflicht und dürfen die Unterkünfte nicht oder nur ausnahmsweise verlassen. Sie müssen schnellere Abschiebungen befürchten, sind faktisch ohne Zugang zu Rechtsberatung und Übersetzung, ohne Bargeld und mit Arbeitsverboten belegt. Frauen und LGBTI Personen aus den so genannten sicherenHerkunftsstaaten unterliegen diesen Restriktionen während des gesamten Asylverfahrens. Aus den Westbalkanländern fliehende Romnija sind besonders häufig existentiell bedroht und von Gewalt und Übergriffen betroffen. In Deutschland angekommen, werden sie durch Schnellverfahren geschleust, dürfen die Flüchtlingslager nicht mehr verlassen und ihre Fluchtgründe werden gar nicht mehr geprüft. Damit werden ganze Flüchtlingsgruppen entrechtet, die gesetzlich als „falsche“ Flüchtlinge abgehandelt werden.
Kriege, befeuert durch Rüstungsexporte, und die Zerstörung regionaler Märkte durch multinationale Konzerne, rauben Menschen weltweit Lebensmöglichkeiten und Existenzgrundlagen. Davon sind insbesondere Frauen und Kinder betroffen. Sie sind in der Regel ärmer, schutzloser, schneller in ihrer Existenz bedroht und laufen stärker Gefahr, auf der Flucht Übergriffe zu erleiden. Die Abschottung der Grenzen ist unterlassene Hilfeleistung, die für viele Frauen und Kinder mit dem Tod endet.
Wir fordern, dass geschlechtsspezifische Fluchtgründe immer anerkannt werden!
Die Asylrechtsverschärfungen, die schutzbedürftige Personen besonderen Gefahren aussetzen, müssen zurück genommen werden!
Gewaltschutz und Zugang zu Regelleistungen für geflüchtete Frauen und LGBTI Personen!
Wir fordern: Frauen, Kinder und LGBTI Personen sofort raus aus den Lagern! Alle Lager abschaffen!
Nein zur Festung Europa — Bewegungsfreiheit für alle!
Dein Soziales Zentrum braucht dich!
Liebe Genoss_Innen,
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir benötigen deine/eure Hilfe! Am 28.11.2015 ab 10:00Uhr wollen wir unseren Umzug aus dem alten MittenDrin in das neue Gebäude im Sozialen Zentrum (Bahnhof) durchführen. Es ist eine logistische Mammutaufgabe für uns und wir können das leider nicht alleine bewältigen. Wir haben für den Tag einen LKW gemietet und werden die Vorbereitungsarbeiten im Vorfeld erledigt haben.
Für den Tag selbst benötigen wir allerdings mindestens 20 Helfer_Innen die beim Tragen, Einladen, Ausladen, Einlagern und dem Abbau/Aufbau des verbliebenen Inventars helfen. Eure Voll-Verpflegung (Essen+Getränke) werden wir organisieren! Schlafplätze stellen wir bei Bedarf zur Verfügung, an euren Fahrtkosten werden wir uns beteiligen oder sie voll tragen – das wird individuell ausgehandelt.
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