8. Mai 2021 · Quelle: Inforiot

Brauner Kinderschutz am „Tag der Befreiung“

Inforiot - In Frankfurt (Oder) versammelten sich vor dem Hauptbahnhof etwa 70 Neonazis um am „Tag der Befreiung“ gegen Kindesmissbrauch zu demonstrieren. Tonangebend war die Brandenburger NPD, um die es seit einiger Zeit still geworden ist.

Lange Zeit war es ruhig um die extreme Rechte in der Oder­stadt gewe­sen. Nach ein­er Rei­he von Demon­stra­tio­nen und Kundge­bun­gen unter dem Mot­to „Frank­furt (Oder) wehrt sich“ vor rund fünf Jahren gab es lange Zeit keine öffentlich wahrnehm­baren Aktio­nen der Neon­azis mehr. Zu stark schien die eben­falls rechte Partei AfD in Ost­bran­den­burg zu sein. Nun will die NPD mit einem reak­tivierten Ortsver­band Frank­furt (Oder) wieder aktiv­er wer­den. Mit dem The­ma Kindesmiss­brauch hof­fen Sie auf Zus­tim­mung in der Bevölkerung.

Kinder­schän­der raus aus Frankfurt/Oder” fordern die örtlichen Neon­azis, die teil­weise durch frühere Aufmärsche bekan­nt sind. (Foto: presse­di­enst ffo)

Kundgebung mit alten und jungen Neonazis

Viel war an diesem Sam­stagvor­mit­tag nicht los. Coro­na bes­timmt immer noch das gesellschaftliche Leben. Nur wenige Men­schen strömten aus dem Bahn­hof­s­ge­bäude in Rich­tung Innen­stadt oder gin­gen zu den Zügen. Ab 11 Uhr aber ver­sam­melten sich vor allem junge Frankfurter*innen auf dem Bahn­hofsvor­platz vor dem Haupt­bahn­hof. Der örtliche NPD-Ableger, der lange Zeit nur auf dem Papi­er bestand und deren Inter­net­seite jahre­lang auf die Webpräsenz der NPD Oder­land ver­wies, meldete sich von den Toten zurück. Mit selb­st gemal­ten Trans­par­enten und Schildern auf denen sich gegen Kindesmiss­brauch und härtere Strafen für „Kinder­schän­der“ aus­ge­sprochen wurde, wirk­te die Ver­samm­lung spon­tan und unor­gan­isiert, den­noch fan­den sich knapp 70 Men­schen zusam­men. Es sollte der Anschein erweckt wer­den, dass es ein Protest Frank­furter Bürger*innen ist. Bei genaueren Hin­se­hen wurde jedoch klar, dass die Kundge­bung alles andere als unge­plant stat­tfand. Eine größere Gruppe von bekan­nten Neon­azis von der NPD reiste in die Oder­stadt, darunter der Lan­desvor­sitzende Klaus Beier. Zwar rede­ten auch zwei junge Frauen, die unter Trä­nen von ihren Miss­brauchs­fällen berichteten, doch diente dies vor allem dazu Betrof­fen­heit zu erzeu­gen. In Sorge um den ange­blich fehlen­den Schutz der Kinder nutze Beier die Stim­mung, um in ein­er ein­studierten Rede gegen die Grü­nen, Linke, Ausländer*innen, die Coro­na-Poli­tik und Polizei zu het­zen, denen er die Schuld für die Zustände im Land gibt. Im Hin­blick auf den Tag selb­st sprach der NPDler zudem von einem Tag der Schande, denn die Deutschen wären nicht befre­it wor­den, son­dern mussten unendlich­es Leid am Kriegsende erfahren. Kriegss­chuld und Holo­caust taucht­en in Klaus Beiers Rede selb­stre­dend nicht auf.
Anmelder der Kundge­bung war der lokale NPDler Siegfried Pauly (auch bekan­nt als Siegfried Gün­ther). Auch er meldete sich zum Anlass der Ver­samm­lung zu Wort. In seinen eher unbe­holfe­nen Rede­beiträ­gen dro­hte er, dass er und seine Kam­eradI­in­nen nicht nur reden, son­dern auch han­deln wollen. Angesichts der zunehmenden extrem recht­en Gewalt der ver­gan­genen Jahre ist auch von der gewalt-affinen Neon­aziszene in der Stadt nichts Gutes zu erwarten.
Bis 13 Uhr angemeldet wurde die Kundge­bung vorzeit­ig um 12 Uhr been­det. Die meis­ten der Anwe­senden zogen Rich­tung Innen­stadt ab.

Siegfried Pauly (3. v. l., schwarze Jacke) und NPD-Vor­sitzen­der Klaus Beier (2. v. r., braune Jacke) im Gespräch mit einem jun­gen Neon­azi mit ein­deutiger Sym­bo­l­ik auf den Rück­en. (Foto: presse­di­enst ffo)

NPD Frankfurt (Oder) reaktiviert

Aufgerufen zu der Kundge­bung hat­te die Face­book-Gruppe „NPD Frank­furt Oder“. Diese existiert erst seit Anfang April und hat derzeit etwa 21 Mit­glieder. Einen ersten Stammtisch und Flug­blat­tak­tio­nen haben bere­its stattge­fun­den. Laut Recherchen der Frank­furter Recherchegruppe soll dafür der vorbe­strafte Neon­azi Siegfried Pauly (Gün­ther) ver­ant­wortlich sein, der sich selb­st „Sig­gi Pauly“ bei Face­book nen­nt. Zulet­zt war dieser im Jahr 2017 bei ein­er Quer­front-Kundge­bung vor dem Frank­furter Rathaus aufge­fall­en (Infori­ot berichtete). Vor zwei Wochen zogen einige Neon­azis unter Führung von Pauly vom Dres­den­er Platz zur Kleinen Müll­ros­er Straße im Stadt­teil Neu­beresinchen, um dort vor dem Wohn­haus eines ver­meintlichen Sex­u­al­straftäters zu demon­stri­eren. Gefordert wurde u.a. die „Todesstrafe für Kinder­schän­der“, eine unter Neon­azis beliebte Parole, mit der die Bran­den­burg­er NPD schon vor über 10 Jahren durch Bran­den­burg­er Städte zog.
Einst hat­te die NPD große Erfolge in Frank­furt (Oder) ver­buchen kön­nen. In den soge­nan­nten Base­ballschläger­jahren ter­ror­isierten deren Anhän­gerIn­nen die Stadt. 1998 ver­trat Jörg Häh­nel die Partei im Stadt­par­la­ment. Nach dessen Wegzug und Inter­ven­tio­nen von Antifaschist*innen Anfang und Mitte der 2000er Jahre trat die NPD immer weniger in Erschei­n­ung. Ihre ein­sti­gen Posi­tio­nen über­nahm inzwis­chen teil­weise die AfD um Wilko Möller, der mit ein­er ähn­lich recht­en Rhetorik Wahler­folge in der Region erzie­len konnte.

Gegenkundgebung laut und gut sichtbar

Ein Händ­chen für einen guten Stan­dort des Gegen­protest zeigte dies­mal erneut das Bünd­nis „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“. Kurz vorher noch bei der tra­di­tionellen Kundge­bung am sow­jetis­chen Ehren­mal im Gedenken an den „Tag der Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus“ auf dem Anger, ver­sam­melten sich etwa 60–70 Antifaschist*innen auf einen Hügel vor der Handelskammer.

Der antifaschis­tis­che Gegen­protest war gut sicht­bar über der Neon­azi-Kundge­bung posi­tion­iert. (Foto: presse­di­enst ffo)

Von dort beschall­ten sie mit ihren Rede­beiträ­gen und Musik den Bahn­hofsvor­platz so laut, dass die Neon­azis ihre Rede­beiträge teil­weise nur schw­er ver­standen haben dürften. Das fiel auch der Polizei auf, die die Gegenkundge­bung daher auf­forderte ihre Anlage weg vom Ver­samm­lung­sort der NPD zu drehen. Anson­sten hat­ten die einge­set­zten Polizeikräfte an dem Tag wenig zu tun. Obwohl bei den Neon­azis teil­weise keine Masken getra­gen wur­den und Min­destab­stände kaum einge­hal­ten wur­den beließ es die Polizei bei Ermahnungen.

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