Deutschland IV: jetzt noch humaner, rationeller, schneller, sparsamer, härter, größer, verantwortungsvoller. Veranstaltungsreihe gegen die nationale Inszenierung am 3.Oktober
Das Jahr 2014 ist ein deutsches Supergedenkjahr. 100 Jahre Erster Weltkrieg und 25 Jahre Mauerfall geben den Hintergrund ab für deutsche Ideologieproduktion vom Feinsten. Während sich z.B. die Deutschen von einem australischen Historiker bescheinigen lassen, dass das Kaiserreich am 1. Weltkrieg nicht mehr Schuld trage als alle anderen beteiligten Länder, reist Bundespräsident Gauck durch die Welt belehrt hier, mahnt da und fordert, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernehmen solle. Wie das aussieht wenn Deutschland Verantwortung übernimmt, davon können nicht nur Jugoslaw_innen, Griech_innen und Italiener_innen ein Lied singen. Während sich jedoch im Westen und Süden die deutsche Vorherrschaft in Europa wirtschaftlich ausdrückt, findet deutsche “Machtprojektion” in Ost-und Südosteuropa auch militärisch statt. Mit Bomben auf Belgrad wurde schon in den 90er Jahren klargemacht, dass Deutschland in dem von ihm als “Hinterhof” und Einflusssphäre beanspruchten Ländern (Süd-)Osteuropas auch bereit ist, seine Interessen militärisch durchzusetzen. Das hindert deutsche Politiker_innen und Journalist_innen nicht daran die Machtpolitik der russischen Regierung wortreich zu verurteilen. Denn Machtpolitik, das machen immer nur die anderen, die Amis oder Putin. Deutsche egal welcher Partei — wenn es um nationale Interessen geht kennen Deutsche seit spätestens 100 Jahren keine Parteien mehr — nehmen
stattdessen “Verantwortung” wahr oder sind “ehrliche Makler”.
In zwei Veranstaltungen wollen wir ergründen, was es mit der ökonomischen und politischen und angestrebten militärischen deutschen Vormachtstellung in Europa auf sich hat, was diese mit den Ländern rundum, vor allem aber auch mit dieser Gesellschaft anrichtet, auf welchen Grundlagen sie beruht und wie sie sich ideologisch legitimiert.
Klaus Thörner
“Der ganze Südosten ist unser Hinterland”: Deutsche Südosteuropapläne von 1840 bis 1945
01.10.14 — 19:30 — Buchladen Sputnik (Charlottenstr. 28 — 14467 Potsdam)
Analysen zur aktuellen deutschen Südosteuropapolitik blieben bisher weitgehend geschichtslos. Eine umfassende Darstellung der Südosteuropapolitik des Deutsches Reiches vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis zum Nationalsozialismus, die Voraussetzung für die Frage nach historischen Bezügen oder Kontinuitäten der heutigen Politik wäre, liegt bis heute nicht vor. Thörners Untersuchung erhebt nicht den Anspruch, als Darstellung der gesamten deutschen Südosteuropapolitik zwischen 1840 und 1945 zu gelten.
Im Mittelpunkt stehen vielmehr langfristige Konzeptionen und deren ideologische Begründungsmuster, die im Kontext der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Dabei ist die Frage leitend, inwiefern sich Kontinuitäten in den historischen Zielsetzungen deutscher Südosteuropapolitik und ihren Begründungen zeigen.
Klaus Thörner analysiert die ausschlaggebenden Planungen des deutschen “Drangs nach Südosten” von 1840 bis 1945. Dieser wurde bisher, im Gegensatz zum “Drang nach Osten”, kaum kritisch unter die Lupe genommen.
Rainer Trampert
“Europa zwischen Weltmacht und Zerfall”: Die Krise als Panzerkette der nächsten deutschen world domination tour
02.10.14 — 19:30 — Freiland hauszwei (Friedrich Engelsstr. 22 14473 Potsdam)
Rainer Trampert analysiert in seinem Buch eine neue Epoche. Warum stagniert der alte Kapitalismus, während die halbe Menschheit sich auf dem Weg der größten Industrialisierung aller Zeiten befindet? Warum ist Europa der Sanierungsfall des Weltkapitalismus, dem die große Kapitalvernichtung noch bevorsteht? Imperialismus ist kein Privileg der USA und der europäischen Staaten mehr. Worauf steuern die Verschiebung der Produktion nach Asien, das Tauziehen um die Ukraine, die Stellvertreterkriege im Nahen Osten und in Afrika und
andere geostrategische Brennpunkte zu?
Anders als im 19. Jahrhundert driften Kapitalbewegung und Staatsidee heute auseinander. Das expansive Kapital sprengt die Fesseln der europäischen Nationen, aber das Bewusstsein klebt an der Nation oder fällt in die Kleinstaaterei mit eigener Münzprägung zurück, in den
Rechtspopulismus und Faschismus.
Trampert erklärt, warum Deutschland nicht erst durch den Euro zum Hegemon der EU aufgestiegen ist, dem auf der Höhe seiner Macht das Objekt derselben abhanden zu kommen droht. Er analysiert die deutsche Ideologie, etwa die Propaganda von der überlegenen europäischen Kultur gegenüber den USA, vom “gesunden nordischen Charakter” versus der “griechischen Krankheit”, ein Begriff, der Kulturen beseitigen soll, die dem Kapitalismus noch Leben abtrotzen. Er beschreibt die europäische Geschichte, räumt mit der Mär vom “guten Nachkriegskeynesianismus”; auf, kritisiert den Linkskeynesianismus und behandelt das Thema “Krise und Verschwörungsphantasien”.
Er untersucht, ob die Motorisierung der Welt und die grüne Revolution neue Impulse bringen und stellt die Systemfrage. “Das linke Europa gibt es genauso wenig wie das linke Vaterland.” Die Marktwirtschaft ist historisch überholt, aber wo ist das Bewusstsein für eine neue Gesellschaft?
Kategorien