Neuruppin — Am Donnerstag, dem 10.05.2012, tagte der Bauausschuss der Stadt Neuruppin und diskutierte auf der Sitzung über den Textvorschlag des MittenDrins für die Gedenkplatte an Emil Wendland. Dabei enthielt die Sitzungsvorlage nicht den von uns ursprünglich vorgeschlagenen Text, sondern eine Version, in der die letzten beiden Sätze gestrichen wurden. Diese lauten:
Die Tatsache, dass Menschen auf der Straße leben müssen, während Häuser leerstehen, ist ein Beweis für die soziale Kälte dieser Gesellschaft. Es liegt an jeder und jedem von uns, für eine menschenwürdige Welt einzutreten.
Kritiker_Innen werfen uns nun vor, den Tod von Emil Wendland zu instrumentalisieren und eine Gesellschaftskritik zu formulieren, die mit der Sache nichts zu tun hat.
Nun, das sehen wir vollkommen anders! Wir haben lang und breit über den Textvorschlag diskutiert und es ist unmöglich, sich mit dem Fall von Emil Wendland auseinanderzusetzen, ohne darauf einzugehen, in welchem gesellschaftlichen Kontext der Mord stattfand.
Emil war als Mensch ohne Wohnung einer permanenten gesellschaftlichen Ausgrenzung ausgesetzt, so wie heute etwa 230.000 andere Menschen in Deutschland auch. Durch seine Alkoholkrankheit war es Emil Wendland nicht mehr möglich, aus eigener Kraft “wieder auf die Beine zu kommen”. Es herrscht ein gesellschaftliches Klima der Indifferenz, des Wegsehens, oft wird auch die Polizei gerufen, um “Obdachlose” aus dem öffentlichen Raum und damit aus der Wahrnehmung zu entfernen. Obdachlose Menschen haben keine Lobby, keine Interessenvertretung sowie kaum Rückzugs- und noch weniger Schutzräume.
Dabei ist Obdachlosigkeit kein Schicksal wie Naturkatastrophen, sondern gesellschaftlich gemacht. Es ist eine bewusste politische Entscheidung, Menschen, die keine Wohnung haben, eine solche vorzuenthalten, obwohl es Leerstand gibt. Und genau diesen Zustand werden wir niemals akzeptieren! Die politisch Verantwortlichen tragen eine Mitschuld am Elend der Menschen ohne Obdach!
Diese Fakten beim Gedenken an Emil Wendland auszuklammern, würde bedeuten, nicht die Zustände zu kritisieren, die den Mord an ihm möglich gemacht haben, sondern hieße, nicht das Notwendige zu tun, um zu verhindern, dass sich solche Taten in Zukunft wiederholen.
Wir werden in den nächsten Tagen weitere Texte veröffentlichen, die sich mit dem Thema “Sozialdarwinistische Gewalt” auseinandersetzen.
Wir fordern weiterhin die Benennung der Hintergründe des Mordes, insbesondere auf der Gedenktafel, sowie eine klare Positionierung für die Unterstützung gesellschaftlicher Randgruppen.