Am 27.01.2013 versammelten sich gegen 18.00 Uhr ca. 80 Antifaschist_innen, um der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 68 Jahren zu gedenken. Dabei wurden zwei Redebeiträge verlesen, die vor allem die staatliche Gedenkpolitik kritisierten und eine antifaschistische Intervention heute einforderten. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte ein breites Bündnis Potsdamer Antifagruppen. Bereits in den letzten Wochen fand in Erinnerung und Auseinandersetzung an die Auschwitzbefreiung eine Veranstaltungsreihe mit dem Namen “Vergessen ist die Erlaubnis zur Wiederholung” statt.
Redebeitrag des Vorbereitungskreises der Veranstaltungsreihe “Vergessen ist die Erlaubnis zur Wiederholung” anlässlich des 68. Jahrestages der Auschwitz-Befreiung am 27. Januar 2013:
Heute jährt sich der Tag der Auschwitzbefreiung zum 68. Mal. Zum 68. Mal führen unterschiedliche Vereinigungen Gedenkveranstaltungen durch. Sie sollen die Erinnerung an die Opfer wach halten und die Bezwinger_innen des Nationalsozialismus ehren. Vor allem aber soll durch das Wachhalten der Erinnerung an die einmaligen Verbrechen der Deutschen jede Art der Wiederholung verhindert werden, denn: Vergessen ist die Erlaubnis zur Wiederholung!
An die deutschen Verbrechen erinnern, aus der Geschichte gelernt zu haben, dazu beitragen, dass nichts ähnliches mehr geschieht, ja gar ein Beispiel für andere Länder zu sein, wie man mit „schwieriger Geschichte“ umzugehen habe, das beansprucht die staatliche und offizielle Erinnerungspolitik Deutschlands. Was ist Gedenken wert in einem Land, das ehemaligen NS-Richter_innen ermöglichte Überlebende wegen „kommunistischer Umtriebe“, wieder zu verurteilen. Was ist Gedenken wert in einem Land, das immer noch versucht auf internationaler Ebene die Entschädigung von Opfern zu verhindern. Was ist Gedenken wert in einem Land, das heute mehr denn je an der Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus arbeitet und sich so von seiner Schuld versucht rein zu waschen, um sich gleichzeitig als Opfer zu stilisieren. Und was ist es wert in einer Stadt, die mehrere Gedenkorte und Museen für die Mauer- und Stasi-opfer betreibt, aber über zwei Jahrzehnte nicht in der Lage zu sein scheint, ähnliches für die unzähligen Opfer der NS-Zwangsarbeit und der damals in Potsdam tagenden nationalsozialistischen Erbgesundheits- und Volksgerichtshöfe einzurichten? Wie soll inmitten eines Wiederaufbauwahns von preußischen Militärkitsch und Monumenten nationalsozialistischer Machtdemonstration wie der Garnisonkirche den Opfern des Nationalsozialismus noch gedacht werden?
Großmacht forever and „Wirtschaftswunder“
Obwohl der historische Expansions- und Vernichtungskrieg noch lange nicht aufgearbeitet ist, reiht sich die BRD völlig ungezwungen in die europäische Staatengemeinschaft ein und hegt gar einen hegemonialen Anspruch.
Ihre heutige Stärke verdankt die BRD dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit, das zum „Wirtschaftswunder“ verklärt wurde ohne zu hinterfragen wie es dazu kam. Immer wieder wird vergessen, dass mehr als 12 Millionen Menschen während des 2. Weltkriegs zur Arbeit gezwungen wurden. 1944 wurden an jedem dritten Arbeitsplatz Zwangsarbeiter_innen verpflichtet. Sie fanden Platz in allen Wirtschaftsbereichen: von der Rüstungsindustrie bis zum Kleinstbetrieb von der öffentlichen Verwaltung über die Landwirtschaft bis hin zur persönlichen Haushaltshilfe! Neben den Erlösen aus Sklavenarbeit und Raub trug auch der im Krieg erzielte technologische Fortschritt, z.B. das Wissen aus medizinischen Versuchen an Menschen dazu bei, dass das besiegte Deutschland Profiteur_in der eigenen Verbrechen werden konnte. Aus Kriegsproduktion wurde Zivilproduktion, aus NS-Täter_inen wurden Würdenträger_innen der BRD und nicht selten wurden die zuvor in der Verwaltung des NS-Regimes tätigen Beamt_innen nun mit Fragen der „Wiedergutmachung“ betraut. „Entschädigt“ wurden dort vor allem ehemalige Nazis durch hohe Pensionen. Durch diese speziellen wirtschaftlichen Voraussetzungen, durch die im Zuge des kalten Krieges eingestellten Reparationszahlungen an die Sowjetunion sowie die Stärkung der BRD als antikommunistisches Bollwerk durch die Westmächte, wurde die BRD allmählich wieder zu einer Wirtschaftsmacht.
Halten und Ausbauen konnte sie diesen Status in den letzten Dekaden vor allem durch eine aggressive Wirtschaftspolitik: die deutsche Volksgemeinschaft kennt keine Klassen sondern nur den Standort Deutschland! Die kaum vorhandene Bereitschaft zum Arbeitskampf und die bereitwillige Akzeptanz zu Verzicht und Selbstausbeutung beflügelte die deutsche Wirtschaft und besiegelte gleichzeitig den Niedergang der Volkswirtschaften an der Peripherie Europas. Durch europäische Wirtschaftsabkommen konnten diese durch deutsche„Billigexporte“ zerstört werden. So konnte Deutschland auf Grund der mit ausgelösten Eurokrise seine Hegemonialbestrebungen und politische Vormachtstellung in Europa etablieren. Nach deutschem Diktat soll nun gespart werden, bei Verstoß gegen die aufgezwungenen Bestimmungen bleiben weitere Rettungsschirme aus, die eine Rettung ohnehin fragwürdig erscheinen lassen. Nun sollen “faule Südländer“ mehr schuften, später Rente beziehen, weniger verschwenden und überhaupt schlechter Leben: Agenda 2010 hoch 10 für ganz Europa.
Schlussstrichemntalität & Einopferung
Der ständige Versuch der BRD, einen Schlussstrich unter ihre NS-Vergangenheit zu ziehen, wurde trauriger weise durch ein Urteil des internationalen Gerichtshof in Den Haag vom 3. Februar 2012 Beistand geleistet.
Deutschlands Intention, mit Verweis auf die eigene Immunität, nie wieder von NS-Opfern belangt zu werden, wurde statt gegeben. Hintergrund war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Überlebenden des Massakers von Distomo und dem NS-Rechtsnachfolgestaat Deutschland. Deutsche SS-Soldaten ermordeten am 10. Juni 1944 im griechischen Dorf Distomo 218 Menschen. Im Jahr 2000 verurteilte der Oberste Gerichtshof in Athen Deutschland auf 28 Millionen Schadensersatz. Das Urteil wurde jedoch nie vollstreckt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte Distomo gar zu einem „Kriegsschicksal“ und bagatellisierte somit das geplante Massaker und die systematische Vernichtung von Menschen. Möglich wurde die Nicht-Vollstreckung des Athener Urteils durch den Druck, den die Wirtschaftsmacht Deutschland auf Griechenland ausübte. So drohte man damals mit Nicht-Aufnahme in den Euro, mit wirtschaftlicher Isolation also. Mit Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ) versuchte sich die BRD 2000 bereits endgültig von der Last der Vergangenheit zu befreien und einen Schlussstrich zu ziehen. Entschädigungszahlungen wurden nur auf Druck der Opfer und in Form von Almosen gewährt. Für die Opfer stellte dies eine erneute Demütigung dar, indem sie Anträge stellen und ihren Opferstatus beweisen mussten, der ohnehin nur bestimmten „Opferkategorien“ wie Zwangsarbeit zuerkannt wurde.
Während jeder Versuch der Opfer des deutschen Vernichtungskriegs Entschädigung zu erlangen mit massiven Widerstand konfrontiert wurde, ist Deutschland auf symbolischer Ebene schon weiter. Da sind sie die Opfer, diejenigen die bedauert werden müssen. Die Antitotalitarismusdoktrin, die nach der Wende zu neuen Ehren gekommene, leicht altbackene und wissenschaftlich längst überholte Gleichsetzung von „rot“ und „braun“, von Auschwitz und realsozialistischer Repression liefert hier das ideologische Grundgerüst. Die Behauptung, die Barbarei des Nationalsozialismus und die Regime Der DDR und UdSSR seien wesensgleich gewesen, dient dabei sowohl dem Ableugnen deutscher Schuld, als auch den Versuch jeden Ansatz sozialer Emanzipation bzw. Befreiung schon im Vorhinein zu diskreditieren.
War Brandenburg einst eines der ostdeutschen Bundesländer, in dem der staatliche Antitotalitarismus weniger aggressiv auftrat als z.B. in Sachsen, hat sich auch hier mittlerweile vieles zu Negativen gewendet. Seit dem Antritt der rot-Roten Landesregierung entwickelt sich Potsdam zum „Hot-Spot“ der antitotalitären Staatsdoktrin, die Akzeptanz der antitotalitären Staatsdoktrin ist der Preis den die PDS-Nachfolge Partei für ihr Teilhaben-dürfen an der Brandenburger Elendsverwaltung bereit war zu zahlen.
Nur einige Beispiele: In der Gedenkstätte für das SMERSCH/KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße wütet mit höchster Unterstützung seitens der Landesregierung ein rechter Mob gegen die Gedenkstättenleiterin, die versucht, das Handeln der sowjetischen Repressionsorgane in SBZ und DDR in historische Kontexte und Kausalitäten einzubetten und die nicht das Märchen erzählt, die ‘Russen wären aus purer Bosheit hergekommen um deutsche Kinder zu fressen’.
In der Lindenstraße wird das „Lindenhotel“, im 3. Reich u.a. Sitz des Erbgesundheitsgerichtes und Untersuchungsgefängnis des Volksgerichtshofes, nach 1945 Haftanstalt des NKWD und der Staatssicherheit zur antitotalitären Mustergedenkstätte ausgebaut.
Am 30. Januar 2013 (sic!) wird der Kulturausschuss der Stadt Potsdam, einer Stadt in der Straßen nach Kriegsverbrecher_innen wie Henning von Treskow benannt sind, es ablehnen eine Straße nach dem Potsdamer Widerstandskämpfer und KZ-Überlebenden Otto Wiesner zu benennen, dieser hätte sich in der DDR „schuldig gemacht“.
In der Nähe des Nauener Tores residiert eine „Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur“, deren Ziel es u.a. ist, die antitotalitäre Lüge in Schulen und Bildungseinrichtungen als alleingültige Wahrheit zu propagieren.
Unsere Aufgabe ist und bleibt, die vorherrschende Gedenkpolitik zu hinterfragen und zu kritisieren. Es darf kein Vergessen geben, denn dies ist die Erlaubnis zur Wiederholung! Zu vergeben ist das Anliegen, das genau das falsche Signal sendet: Auch kommende Generationen müssen sich der deutschen Vergangenheit bewusst sein, damit sich Auschwitz nicht wiederholt!
Deutschland war, ist und bleibt Feindesland!
Gegen das falsche Gedenken!
auschwitzgedenkenpotsdam.blogsport.eu
Redebeitrag der [a] Antifaschistischen Linken Potsdam:
Über ein halbes Jahrhundert ist mittlerweile die Befreiung des größten Konzentrationslagers Auschwitz her. Alle, die wir hier stehen haben unser Wissen darüber aus Büchern, dem Internet oder Filmen. Einige wenige hatten noch das Privileg aus erster Hand, von Zeitzeug_innen, über die Ereignisse damals informiert zu werden. Doch das ist bald vorbei. Augenzeug_innen der Verbrechen Nazideutschlands und seiner Verbündeten wird es schon in wenigen Jahren nicht mehr geben. Doch wer soll dann Zeugnis ablegen, wer soll mahnen, wer soll Verantwortung übernehmen?
Über Jahrzehnte haben die Betroffenen der Naziherrschaft Aufklärungsarbeit geleistet, haben ihre persönlichen Geschichten erzählt und haben somit die Zeit nach Ihnen vorbereitet. ‑getrieben von der Angst vor dem Vergessen und der Verantwortung gegenüber den Ermordeten. UNSER OPFER UNSER KAMPF, GEGEN FASCHISMUS UND KRIEG, DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG UND ZUR VERPFLICHTUNG lautet die Inschrift dieses Mahnmals, die uns erinnern soll, dass es nun an uns ist das Gedenken wach zu halten und zu mahnen, Ihre Geschichten und Gedanken an andere weiterzugeben.
Der offizielle Gedenkdiskurs zeigt deutlich die Notwendigkeit politischer Interventionen auf. So wurde z.B. nach immerhin über 60 Jahren im letzten Jahr ein Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin fertig gestellt, doch schon einen Tag danach hetzte der deutsche Innenminister aus Angst vor einer steigenden Immigration wieder gegen sie. Auch die Auseinandersetzung der Behörden und vor allem ihre Verstrickung in Terror und Morde des NSU lassen keinen Zweifel an der politischen Ausrichtung Deutschlands.
Die in den 90er Jahren entstandene Terrorgruppe zeigt beispielhaft wie über Jahrzehnte rechte Strukturen durch den Staat unbeachtet blieben oder sogar gefördert wurden. Dies hatte zur Folge, dass in einigen Regionen z.B. in Sachsen, Mecklenburg aber auch im Großraum Dortmund Nazis über lange Zeit eine Hegemonie politisch, kulturell und auf der Straße aufbauen konnten. Antifaschistische Interventionen, vor allem die Erfolgreichen, werden hingegen bis heute kriminalisiert. Die §129a Verfahren gegen antifaschistische Gruppen in den 90er Jahren, aber auch heute noch gegen Antifas, sind Sinnbild für eine Gesellschaft die sich von Anfang an gegen einen Auseinandersetzung mit seiner Nazivergangenheit gewehrt hat. Wenn heute Firmen oder verschiedene Ministerien bezüglich ihrer Geschichte in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts forschen lassen ist dies zwar löblich doch auch schon 60 Jahre überfällig.
Daher muss eine antifaschistische Bewegung das Gedenken an die Opfer und Betroffenen der Nazibarbarei immer mit einer gesellschaftlichen Intervention gegen Nazismus und seine Ursachen verbinden.
Und diese liegen in der kapitalistischen Gesellschaft und Ihren Ausschlussmechanismen. Gerade deshalb reichen Versatzstücke nazistischen Gedankengutes wie Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und Nationalismus bis weit in die bürgerliche Gesellschaft hinein.
Somit muss eine antifaschistische Bewegung auch in Zukunft sich an dem Ziel messen lassen nicht nur Nazis zu bekämpfen sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern.
Gedenken an die Toten von damals, Nazis unmöglich machen, Analyse von und Intervention gegen die bestehenden Verhältnisse! Antifa heißt Angriff!