Hintergrund war die zu erwartende und jetzt eingetretene Totalität des Spektakels um den Geburtstag eines absolutistischen Monarchen, deren Sinn darin besteht, den in der Moderne orientierungslos umherirrenden Menschen eine Identifikationsfläche zu schaffen und TouristInnen nach Potsdam zu locken.
Das Handeln und Wirken des Fritz soll in einen emanzipatorischen Kontext gestellt werden. Dagegen wollen wir mit unseren Veranstaltungen und Aktionen die „preußischen Tugenden“ als das entlarven was sie sind: autoritärer Gesellschaftskitt, der den Grundstein für den deutschen Sonderweg legte und bekanntermaßen im NS mündete. Weiterhin soll aufgezeigt werden, wie die jeweilige Machtelite (seien es Nationalsozialisten, die realexistierenden Sozialisten in der DDR als auch aufrechte Demokraten im wiedervereinigten Deutschland) versucht, die Geschichte für ihre Zwecke umzuschreiben.
Los ging das Preußen-Tantam mit dem typischen Veranstaltungsmarathon, welcher am 24. Januar 2012, dem 300. Geburtstag des Königs Friedrich II., seinen Höhepunkt erreichen soll. Hierzu wird es am Abend in der „historischen Innenstadt“ einen Festakt nach dem anderen geben. Neben dem üblichen Preußenkitsch versuchten die VeranstalterInnen dem sogenannten „Toleranzgedanken“ gerecht zu werden und einige moderne, alternative Künstlerinnen und Künstler einzuladen.
Nach dem ersten Schrecken über das Programm mit u.a. Dota Kehr (Kleingeldprinzessin) und Brezel Göring (Stereo Total) schrieb das sich in der Gründung befindende Bündnis einen Offenen Brief (im Anhang) an eben jene. Erleichtert nahm das Bündnis die Antworten und Website-Statements auf: Dota Kehr: „… Als ich zusagte, hat mich nur ein Veranstalter gefragt, ob ich am 24. Januar in Potsdam spielen würde. Als ich dann erfuhr, dass es um eine Veranstaltung in Zusammenhang mit Friedrich geht, hab ich gleich wieder abgesagt.” und “ICH SPIELE NICHT (!!!) IN POTSDAM. und auch sonst nicht für Despoten (…) und sowieso nicht zu Ehren von jemand, der mehrere Kriege an gefangen hat!“
„Hallo, ich bin Brezel Göring. Ich bin am 24. sowieso nicht mit dabei. Grüße, Brezel”
Lara Werner vom Bündnis „Fuck off Fritz“ kommentiert die Absagen folgendermaßen: „Ich bin froh, dass Dota und Brezel Rückgrat bewiesen haben und ihre Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt haben. Es tut gut zu wissen, dass wir mit unserer Ablehnung des Preußenquatsches nicht so allein sind, wie es hier in Potsdam oft den Anschein hat.“
Zwei Punkte sind bei dieser Geschichte besonders zu betonen. Zum einen das provinzielle Theater um einen König, der heute wegen Verbrechen an der Menschlichkeit vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal stehen würde. Fast alle relevanten gesellschaftlichen Akteure stört dieser Umstand überhaupt nicht. Das Spektakel muss weitergehen. Glücklicherweise wird außerhalb Potsdams die preußische Geschichte in einem größeren Kontext gesehen und so werden wir am 24. Januar nur staatlich bezahlte Akteure und kuriose Akteure wie Michael Gebühr erleben. Dieser ist der Sohn des „bekannten“ Otto Gebühr, welcher von 1920–1942 als Schauspieler 15mal Friedrich II. verkörperte. Also keine Berührungsängste mit den grausamsten und unmenschlichsten Verbrechern der Weltgeschichte hatte. Fast schon traditionell räumt das Filmmuseum Potsdam diesem Nazi, seiner Geschichte und den Anekdoten seines Sohnes einen großen Raum in der aktuellen Sonderausstellung ein.
Zum anderen spricht das Vorgehen der OrganisatorInnen der „Festakte“ Bände. Statt deutlich klar zu stellen, in welchem Kontext prominente, linke KünstlerInnen auftreten sollen, wird verschämt eine Veranstaltungsanfrage gestellt. Hier scheint ein Bewusstsein für die tatsächliche Sichtweise auf Friedrich II. außerhalb Brandenburgs vorhanden zu sein. Für uns ist klar, dass diese Erkenntnisse am 24. Januar nicht ausgesprochen werden und Potsdam wieder mal in seinem „Preußisch Disneyland“-Spektakel versinkt. Nicht für Potsdam, sondern für eine Gesellschaft mit klarem Bewusstsein und für ein lebenswerteres Dasein für alle werden wir dies nicht stillschweigend ertragen.
Bündnis „Fuck off Fritz“