Vom 17. bis zum 19. April waren Veranstaltungen zum 75. Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück geplant, die im Zuge der Corona-Maßnahmen nun abgesagt wurden. Dabei sollte nicht nur das Gedenken an lesbische NS-Opfer thematisiert werden, sondern auch erneut die umstrittene „Gedenkkugel” niedergelegt werden.
„Das offizielle Gedenken an lesbische Frauen ist längst überfällig!“, sagt Irmes Schwager, die sich in der Initiative Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich engagiert. Die Initiative legt den Fokus auf das Gedenken und Erinnern an lesbische Frauen*, die von den Nationalsozialisten inhaftiert und ermordet wurden. In Kooperation mit der französischen Gruppe Mémoires en chantier wollten sie zum 75. Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück gemeinsam in einem Raum die beiden Ausstellungen „Die Gedenkkugel: Chronik einer Sichtbarkeit – Die Verfolgung lesbischer Frauen in der NS-Zeit und die Bedeutung des Gedenkens“ und „Constellations brisées“ präsentieren. Aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus wurde die Veranstaltung in der Mahn- und Gedenkstätte abgesagt.
Kampf um die Anerkennung lesbischen Gedenkens
Lebenswege nachzeichnen und sichtbar machen: Diesen Ansatz verfolgen die Aktivist*innen von Mémoires en chantier mit ihrem Projekt „Constellations brisées“. Die Multimediaausstellung soll mithilfe digitaler Karten Aufschluss über den Widerstand, die Liebe und Freundschaften unsichtbar gewordener, lesbischer Frauen aus ganz Europa geben. Anhand der Biografien der nach Ravensbrück deportierten KZ-Insassinnen Marguerite Chabiron, Suzanne Leclézio und Yvonne Zeigel, die französische Widerstandskämpfer*innen waren, sowie der beiden deutschen Lesben Elsa Conrad und Henny Schermann wollte die Gruppe ihre Arbeit in der Mahn- und Gedenkstätte vorstellen. Doch auch wenn die Ausstellungseröffnung bis auf Weiteres verschoben wurde, sind die Porträts von Chabiron, Conrad und Schermann bereits online zugänglich. Unabhängig davon, betont Suzette Robichon, eine Aktivistin der Gruppe: „Es bleibt für uns unglaublich wichtig, nach Ravensbrück zu kommen“.
Um eine offizielle Anerkennung lesbischen Gedenkens kämpft die Initiative Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich. 2015 legte die Initiative zum ersten Mal eine Gedenkkugel für die lesbischen Opfer des NS-Regimes auf dem Gelände des ehemaligen KZ Ravensbrück nieder. Diese wurde aber von der Leitung wieder entfernt, weil der Vorgang nicht offiziell genehmigt war. „Es wurde versucht, etwas zum Schweigen zu bringen, was spricht!“, erinnert sich Irmes Schwager.
Über die Art und Weise, wie lesbischer NS-Opfer gedacht werden soll, wird schon seit den 80er-Jahren gestritten. Denn nach dem Strafrecht des NS-Staats wurden allein Männer aufgrund homosexueller Handlungen kriminalisiert und dafür ins KZ gebracht. Eine vergleichbare strafrechtliche Verfolgung lesbischer Frauen gab es zumindest in Deutschland nicht. Doch wie aus der leider immer noch sehr lückenhaften Forschung zum Thema hervorgeht, galten Lesben als „entartet“ oder „verrückt“. Sie wurden aus anderen Gründen denunziert, verfolgt und ermordet. Auch standen in den Lagern lesbische Handlungen unter Strafe.
Dennoch stellt sich die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück bislang quer, der Kugel einen festen Platz zu geben. Auch der LSVD Brandenburg zog 2018 seinen Antrag auf Unterstützung zurück. Am Jahrestag der Befreiung sollte deswegen die Kugel erneut in Ravensbrück niedergelegt werden. Die Absage bedeutet leider einen weiteren Rückschlag für die Frauen* der Initiative. Doch auch wenn unklar ist, was die Zukunft bringen wird und ob die Kugel jemals einen festen Platz in der Gedenkstätte bekommt: die Aktivist*innen werden unermüdlich für die Anerkennung und Sichtbarmachung lesbischen Gedenkens kämpfen.