Potsdamer_innen gewinnen G8 Schmerzensgeldprozess
Vor vier Jahren traf sich in Heiligendamm hinter Zäunen und Beton, streng bewacht, eine Auswahl an Regierungschefs der „führenden Industriestaaten“ des kapitalistischen Systems.
Diese hatten sich verabredet, um einmal mehr über die Weltwirtschaft und über die Köpfe nicht geladener Menschen hinweg zu verhandeln.
Gegen diese Art von Zwang formierten globalisierungskritische Bewegungen und Einzelpersonen Widerstand, um im Juni 2007 öffentlich Kritik an Ausbeutung und Unterdrückung im Rahmen der kapitalistischen Globalisierung zu äußern. An den Protesten beteiligten sich auch viele Potsdamer_innen.
Die Kritiker_innen fanden sich vor Ort mit einem unverhältnismäßigen Einsatz von Polizei und Militär konfrontiert. Den schon im Vorfeld durchgeführten Hausdurchsuchungen(1), Demonstrationsverboten, Ein- und Ausreisesperren schlossen sich viele Verhaftungen, Prügelexzesse von Polizist_innen und ein Einsatz von Bundeswehr-Tornados an.
Nach dem Gipfel wurden angewendete sicherheitspolitische Maßnahmen durch Kriminalisierung der Protestierenden gerechtfertigt, um die Legitimität des Widerstandes zu untergraben. Doch auch das Verfahren von zwei Potsdamer_innen beweist einmal mehr die Unverhältnis- und Unrechtmäßigkeit der eingesetzten Mittel. Denn bereits vom Verwaltungsgericht Schwerin wurden Arrest, Behandlung im Gewahrsam und Platzverweis als rechtswidrig verurteilt. Nun liegt diesen beiden auch ein Anerkenntnisurteil des Landgerichtes Rostock vor, was ihnen Schmerzensgeld aufgrund der rechtswidrigen Behandlung zuschreibt.
Am Morgen des 7.Juni 2007 wurden die beiden Potsdamer_Innen anlässlich des Protests gegen den G8- Gipfel in einem Wald nahe dem Camp Wichmannsdorf zusammen mit über 200 weiteren Genoss_innen verhaftet. Im Rahmen der sog. „Ingewahrsamnahme“ wurden die Protestler_innen in Käfige gesperrt, darunter ca. ein dutzend Potsdamer_innen. Die Stahlkäfige waren ca. 5 x 6 m groß mit nacktem Betonboden und laut damaligen öffentlichen Polizeiaussagen für 20 Menschen geeignet. Jedoch sperrte die Staatsmacht über 50 Menschen in solche. Während des Aufenthalts waren die Betroffenen mit Kabelbindern gefesselt, erhielten unzureichend Verpflegung und es wurde verweigert, mit Anwälten zu telefonieren. Für Einige endete diese Tortur erst nach mehr als zwanzig Stunden.
In den darauf folgenden Jahren versuchten nur wenige Betroffene in langwierigen Prozessen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit und Wiedergutmachung einzuklagen. Dies ist mit dem Urteil natürlich nur zum Teil gelungen. Besonders hervorzuheben ist jedoch auch das neueste Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, was eine 5tägige Ingewahrsamnahme als rechtswidrige Einschränkung der Persönlichkeitsrechte und Versammlungsfreiheit einstufte.(2)
Menschen werden durch Willkür des Staates eingeschüchtert, traumatisiert und dadurch wird zukünftig die Teilnahme an Demonstrationen erschwert, wenn nicht gleich unmöglich gemacht. Protest gegen die Vertreter_Innen der Macht war, ist und bleibt ein legitimes Mittel im Kampf für eine gleichberechtigte und freie Gesellschaft.
Anmerkungen:
Für weitere Augenzeug_innenberichte empfehlen wir das Buch „Feindbild Demonstrant: Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes“, Hrsg.: Republikanischer Anwältinnen- u. Anwälteverein
(1) Die Hausdurchsuchungen wurden im Nachhinein vom Bundesgerichtshof für rechtswidrig erklärt. http://de.indymedia.org/2011/05/307177.shtml
(2) http://de.indymedia.org/2011/12/321112.shtml
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[a] antifaschistische linke potsdam | www.antifa-potsdam.de | www.aalp.de