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So päpstlich wie der Papst

Alles, was auf Erden ist, soll unterge­hen.
Aber mit dir will ich meinen Bund aufricht­en, und du sollst in die Arche gehen […]“
(Gott zu Noah, 1. Mose 6,13–18 )

Die Arche Noah ist ein schwimm­för­miger Kas­ten. Laut bib­lis­ch­er Über­liefer­ung baute sie der „Patri­arch“ Noah nach Gottes Plä­nen. Als sie fer­tig war, schar­rte Noah paarungswilliges Geti­er und seine eigene Fam­i­lie zusam­men und ret­tete sie vor der von Gott gesandten Sinflut.

An diese Geschichte glauben nicht wenige Men­schen. Zum Beispiel eine Gruppe katholis­ch­er Christ_innen aus Pots­dam, die 1986 auch eine Arche errichteten. Dies­mal war es aber kein schwimm­fähiger Kas­ten son­dern eine „Bil­dungsini­tia­tive“ der Peter und Paul-Gemeinde zu Pots­dam. „Das the­ma­tis­che Gespräch soll angeregt wer­den und ist aus­drück­lich erwün­scht“ [1], so die Ini­tia­tive auf ihrer Home­page. Anhand der Auswahl religiös­er The­men möcht­en sie den „authen­tis­chen“ Glauben der Kirche ver­mit­teln und reflek­tieren. Auch über andere Überzeu­gun­gen soll disku­tiert wer­den. Die „Arche“ ver­mit­telt aber noch weit mehr als das. Neben religiösen The­men wer­den auch Referent_innen zum The­ma Gen­der Main­stream­ing (17.5.11), zum schulis­chen Sex­u­alkun­de­un­ter­richt (7.6.11) sowie zu Thi­lo Sar­razins The­sen (5.7.11) ein­ge­laden. In diesem the­ma­tis­chen Rah­men geben sich streng katholis­che Christ_innen, homo­phobe Sexist_innen, Abtreibungsgegner_innen und Rechtspopulist_innen die H
and.

Der Schlüs­sel passt nun mal eben nur ins Schloss.“
(Prof. Han­na-Bar­bara Gerl-Falkovitz)

Bei ein­er Ver­anstal­tung der Arche im Mai erk­lärte die Pro­fes­sorin Han­na-Bar­bara Gerl-Falkovitz, dass gle­ichgeschlechtliche Paare nicht lieben kön­nen. „Die guck­en sich ja nicht mal an ‘dabei’“ und wären ohne­hin nicht in der Lage die Erfül­lung zu erlan­gen, die ein het­ero­sex­uelles Paar beim Sex erzielt. Das gle­iche gelte für Selb­st­be­friedi­gung. Das eigentliche The­ma des Abends war „Gen­der Main­stream­ing. Wesenskern und Anspruch ein­er Ide­olo­gie“, so der Titel. Ein Großteil der Ver­anstal­tung drehte sich jedoch um „die Homo­sex­uellen“. In Stammtis­chmanier äußerte sich ein Zuschauer: ‘In den islamis­chen Län­dern weiß man wenig­stens, wie man mit Schwulen umge­ht. Umbrin­gen muss man sie ja nicht gle­ich aber bestrafen schon.’ Es ging zwar ein leis­es Raunen durch die Masse aber eine Posi­tion­ierung zu dieser men­schen­ver­ach­t­en­den Aus­sage blieb sowohl von der Ref­er­entin als auch von „Arche“-Mitgliedern aus.

Kein Wun­der, denn die Ref­er­entin Gerl-Falkovitz selb­st ist Mit­glied des wis­senschaftlichen Beirates vom „Deutschen Insti­tut für Jugend und Gesellschaft“. ‘Das DIJG unter­stützt ins­beson­dere Men­schen, die unter ihrer Homo­sex­u­al­ität lei­den’ [2], schreibt das Insti­tut über sich selb­st. In ein­er „Repar­a­tivther­a­pie“ soll eine Verän­derung hin zur Entwick­lung eines „het­ero­sex­uellen Poten­tials“ erzielt wer­den. Die Mitarbeiter_innen gehen davon aus, dass Homo- sowie Trans­sex­u­al­ität in jedem Fall psy­chis­che Krankheit­en und somit auch heil­bar sind. Der wis­senschaftlich anmu­tende Inter­ne­tauftritt des DIJG ist voll von homo- und trans­pho­ben Äußerun­gen. Beiratsmit­glied Han­na-Bar­bara Gerl-Falkovitz bekam in der „Arche“ ein Podi­um, um ihre im Kern men­schen­ver­ach­t­en­den Ansicht­en zu ver­bre­it­en und das lei­der auch weit­ge­hend kritiklos.

Die Schaf­fung des ’neuen Men­schen’ durch Gen­der Main­stream­ing […] ist eine fol­gen­schwere Mis­sach­tung der gottgegebe­nen Ord­nung“
(Inge M. Thürkauf) [3]

Auch die Schaus­pielerin Inge M. Thürkauf sprach in der „Arche“. Sie referierte zum Werk ihres ver­stor­be­nen Mannes Max Thürkauf, ein für seine tech­nikkri­tis­che Hal­tung bekan­nter Natur­wis­senschaftler. Inge M. Thürkauf befasst sich vor allem mit dem von ihr so beze­ich­neten ‘Dik­tum von Gen­der Main­stream­ing’. ‘Völ­lig dem gesun­den Men­schen­ver­stand zu wider’ läuft für sie die Idee, dass das soziale Geschlecht zu großen Teilen sozial­isiert, statt ange­boren (bzw. von Gott gegeben) ist. [4]

Ein viel größeres Podi­um als die „Arche“ bot ihr 2008 die „Anti Zen­sur Koali­tion“ (kurz AZK). Die AZK lädt pseudowis­senschatliche Verschwörungstheoretiker_innen bis hin zu Holo­caust-Leugn­er_in­nen zu ihren Ver­anstal­tun­gen vor ein beachtlich­es Pub­likum und stellt die Reden im Inter­net frei zur Ver­fü­gung. Inge M. Thürkauf het­zte hier vor einem bre­it­en Pub­likum gegen Homo- und Trans­sex­uelle und erk­lärte sämtliche Gen­derthe­o­rien und ‑prax­en als eine Attacke gegen alles, was als „natür­lich“ oder „nor­mal“ gilt und ins­beson­dere als einen Angriff gegen die tra­di­tionellen Werte der Fam­i­lie [5]. In Zeitungsar­tikeln kri­tisiert sie, dass der Begriff Homo­pho­bie densel­ben Stel­len­wert hat wie Ras­sis­mus oder Anti­semitismus. Die “Arche” scheint diese Äußerun­gen entwed­er nicht zu ken­nen oder es war den Organ­isieren­den ein­fach egal, ein weit­eres Mal eine sex­is­tis­che und zu tief­st homo­phobe Ref­er­entin ein­ge­laden zu haben.

Vor dem „Gen­deris­mus“ warnte auch Pfar­rer Fran­cois Reckinger im Juni bei seinem Auftritt in der „Arche“. Der schulis­che Sex­u­alkun­de­un­ter­richt nehme den Kindern viel zu früh ihre natür­liche Scham und die Schule sei zu ein­er Pro­pa­gan­dav­er­anstal­tung für Kon­domkam­pag­nen gewor­den. Diese näm­lich hält Reckinger für den wahren Grund für die Aus­bre­itung von AIDS. Im Gegen­satz zur Ehe seien Kon­dome ein „löchriger Schutz“ vor der Krankheit. Alles absurde Äußerun­gen, die unkom­men­tiert ste­hen blieben. Das The­ma Homo­sex­u­al­ität dürfe sein­er Ansicht nach im Sex­u­alkun­de­un­ter­richt zwar ange­sprochen wer­den, jegliche Wer­tung solle jedoch den Ethik­lehrkräften über­lassen bleiben. Für den Pfar­rer ist Homo­sex­u­al­ität ‘[…] eine schwere Sünde gegen Gott und die von ihm gegebene Schöpfungsordnung’[6]

Sar­razins The­sen — auf­bere­it­et für die Gemeinde

Auch Burkhard Willim­sky, Vor­sitzen­der der recht­spop­ulis­tis­chen Partei „Die Frei­heit“ in Steglitz-Zehlen­dorf, durfte in der Chronik der „Arche“-Referent_innen nicht fehlen. Im Juli referierte er dort zur Fragestel­lung „Schafft Deutsch­land sich wirk­lich ab?“ über die The­sen Sar­razins. Er gab Sar­razins pseudowis­senschaftliche Sta­tis­tiken und Mod­ell­rech­nun­gen wieder und erläuterte ihre Richtigkeit dem Pub­likum. Dem für ihn legit­i­men Wun­sch von Sar­razin, ‘[…]in 100 Jahren noch in einem Deutsch­land leben, in dem die Verkehrssprache Deutsch ist und die Men­schen sich als Deutsche fühlen, in einem Land, das seine kul­turelle und geistige Leis­tungs­fähigkeit bewahrt und weit­er­en­twick­elt hat, in einem Land, das einge­bet­tet ist in einem Europa der Vater­län­der […]‘ schließt sich Burkhard Willim­sky an.
Auf die Idee, einen Recht­spop­ulis­ten als Ref­er­enten zu laden, kann nur eine Gruppe kom­men, die diese Ansicht­en teilt. Die ras­sis­tis­chen Aus­sagen aus dem Pub­likum bestäti­gen diesen Eindruck.

Die Arche ist keineswegs nur ein Raum, in dem bei Kaf­fee und Kuchen über die Bibel oder die Son­ntagspredigt disku­tiert wird. Das Gesamt­bild der Ver­anstal­tung zeigt wie kon­ser­v­a­tiv, men­schen­ver­ach­t­end und ras­sis­tisch der Grundtenor ist. Die Ver­anstal­tun­gen wer­den vom Pub­likum nicht kri­tisch begleit­et son­dern mit Stammtis­ch­parolen untermahlt.

Die Ver­anstal­tun­gen sind öffentlich zugänglich, jede_r ist also aufgerufen, die Gemeinde zu besuchen und kri­tisch zu inter­ve­nieren!
Kein Platz für Homo‑,Transphobie und Ras­sis­mus!
Wir fordern eine sofor­tige Schließung der Arche!

[1] http://www.arche-potsdam.de/
[2] http://www.dijg.de/homosexualitaet/gesellschaft/stellungnahme-presseerklaerung-antidiskriminierungsbuero/
[3] http://wikimannia.org/Die_Geschichte_des_Genderismus
[4] und [5] http://schreibfreiheit.eu/2010/01/11/die
‑real­i­tat-von-gen­der-main­stream­ing/

[6] http://www.f‑reckinger.de/pdf-dateien/vortrag-auszug_gewissenszwang.pdf

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