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Vom Pick-Up-Seminar zu den Identitären

Der 20-jährige Robert Timm als Teilnehmer eines "Pick-Up"-Seminars (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm als Teil­nehmer eines “Pick-Up”-Seminars (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Robert Timm erzählt 2016 von seiner "linken" Vergangenheit (Screenshot Youtube)
Robert Timm erzählt 2016 von sein­er “linken” Ver­gan­gen­heit (Screen­shot Youtube)

INFORIOT Der in Cot­tbus lebende Robert Timm ist Anführer der extrem recht­en “Iden­titären Bewe­gung Berlin-Bran­den­burg”. Sehr gern berichtet der Architek­turstu­dent darüber, wie er den Weg in die Rei­hen der “Iden­titären Bewe­gung” gefun­den habe. In einem Inter­view mit dem öster­re­ichis­chen “Iden­titären” Mar­tin Sell­ner erk­lärt er 2016 beispiel­sweise, dass er in Berlin in einem linkslib­eralen Eltern­haus aufgewach­sen sei. Er habe an “Mul­ti-Kul­ti” geglaubt, sei in linken Kreisen unter­wegs gewe­sen. Auch an Anti-Nazi-Protesten habe er teilgenom­men und sog­ar zwei Mal an Demon­stra­tio­nen zum “rev­o­lu­tionären ersten Mai in Kreuzberg”. Doch dann, so erzählt es Timm, sei er mit der “Real­ität” kon­fron­tiert wor­den. Als “link­er Aktivist” habe er ein­se­hen müssen, dass “Mul­ti­kul­ti und Links-Sein” Fehler seien.
Linke Illu­sio­nen — dann Aufwachen — dann “iden­titär­er Aktivis­mus”: Robert Timms Biogra­phie ist nicht so ger­adlin­ig, wie er sie darstellt. Tat­säch­lich war Robert Timm zwis­chen­zeitlich in der “Pick-Up-Szene” aktiv — also in Kreisen, die alles andere als “links” sind. Als “Pick-Up”-Szene wer­den Zusam­men­schlüsse von Män­nern beze­ich­net, deren Ziel es ist, über die Anwen­dung psy­chol­o­gis­ch­er Tricks Frauen “ver­führen” zu ler­nen. Dazu gehört unver­mei­d­bar der sex­is­tis­che Anspruch, dass “der” Mann über “die” Frau bes­tim­men solle — in Extrem­fällen wer­den in der “Pick-Up”-Szene sog­ar Verge­wal­ti­gun­gen legitimiert.
2013 erschien ein Doku­men­tarfilm mit dem Titel “Die Ver­führungskün­stler” (Trail­er hier, Face­bookpräsenz), der unter anderem Robert Timm in der Zeit der Drehar­beit­en im Jahr 2011 porträtiert. Schon der damals 20-jährige Timm ist offenkundig kein “link­er Aktivist”, son­dern damit beschäftigt zu ler­nen, wie man “Frauen flachlegt”.
Inszenierung des "Identitären"-Funktionärs Robert Timm 2017
Insze­nierung des “Identitären”-Funktionärs Robert Timm 2017

Der 20-jährige Robert Timm im Gespräch mit seiner Mutter (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm im Gespräch mit sein­er Mut­ter (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Der 20-jährige Robert Timm (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Der 20-jährige Robert Timm (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Der 20-jährige Robert Timm (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Wie man sich Frauen zur Beute macht, lässt sich Timm bei Sem­i­naren und auf Ver­anstal­tun­gen wie der “Pick Up Con” beib­rin­gen. Im Film stellt er die Ent­deck­ung von “Pick Up” als biografis­chen Ein­schnitt dar — zuvor habe er kein soziales Renomee gehabt und keine sex­uellen Erfahrun­gen gemacht: “Ich habe mich vorher nichts getraut. Vorher hat­te ich null Erfahrun­gen mit Mäd­chen. Nichts nen­nenswertes, kein Kuss, kein gar nichts. Fre­unde auch eher wenig. Und dann kam Pick Up und alles hat sich zum Guten gewendet.”
Selb­stver­ständlich haben viele Men­schen Prob­leme im Umgang mit anderen Men­schen, vor allem Her­anwach­sende, ger­ade auch Bere­ich der Sex­u­al­ität. Bemerkenswert ist nur, dass Timm sich entsch­ied, zu ver­suchen, diese Prob­leme über den Besuch von “Pick-Up”-Seminaren zu lösen. Der Blick auf Frauen in der “Pick Up Szene” ist eben ein­schlägig — sie gel­ten als Objekt, sollen durch eine möglichst masku­line Selb­st­präsen­ta­tion des Mannes über­wältigt wer­den. Der Mann soll Jäger sein und möglichst viel Beute machen. “Pick Up” ist ein Euphemis­mus für psy­chis­che und physis­che Manip­u­la­tion­stech­niken, die männliche Durch­set­zungs­fähigkeit und Dom­i­nanz stärken sollen.
Im Film wird die Radikalisierung von Robert Timm abge­bildet. Anfangs sieht man einen ein­samen jun­gen Mann, der bei seinen Eltern wohnt. Die Mut­ter begrüßt beim Heimkom­men die Hauskatzen deut­lich her­zlich­er als ihren eige­nen Sohn, der im Kinderz­im­mer hockt und nur gefragt wird, ob er die Woh­nung gesaugt habe. Es entste­ht der Ein­druck, dass der schüchterne Timm nach Wegen sucht, selb­st­be­wusster zu werden.
Wenig später hat Timm die Hal­tung und das Vok­ab­u­lar von “Pick Up” über­nom­men. Stolz und fast arro­gant referiert er, dass ein dom­i­nan­ter Mann ein “Alpha” sei und der durch “Pick Up” erre­ichte Sex als “FC” (“Fuck Close”) beze­ich­net wird. Andere Film­pro­tag­o­nis­ten äußern im Ver­lauf der Doku­men­ta­tion in Anbe­tra­cht des frauen­feindlichen Men­schen­bilds im “Pick Up” dur­chaus Skru­pel. Robert Timm hat hinge­gen vor allem Bedenken, wenn die “Pick-Up”-Sprüche zu flach oder die über­teuerten “Pick-Up”-Seminare zu kom­merziell sind.
Der Blick auf die alten Fil­mauf­nah­men zeigt: Die Selb­st­präsen­ta­tion von Robert Timm als geläutertem Linken ist so nicht richtig. Sollte er sich “links” gefühlt haben, dann vor sein­er Zeit in der “Pick-Up”-Szene. Sein biografis­ch­er Bruch läge dann in der Hin­wen­dung zum “Pick Up” (so, wie er es im Film selb­st schildert). In den jün­geren Inter­views hinge­gen erzählt er von ein­er Abwen­dung von der “Multi-Kulti”-Linken hin zur Erken­nt­nis ein­er über­wälti­gend neg­a­tiv­en “Multi-Kulti”-Realität, die ihn schließlich zu den “Iden­titären” brachte. Das Zwis­chen­stück “Pick Up” lässt er aus. Dabei fol­gt der Weg von den sex­is­tis­chen Sem­i­naren zu den “Iden­titären” ein­er inneren Logik: die män­ner­bündis­che, kämpferische Selb­stin­sze­nierung der “Iden­tiären Bewe­gung” und ihre antifem­i­nis­tis­chen Inhalte sind in hohem Maß übere­in­stim­mend mit den in der “Pick-Up”-Szene ver­bre­it­eten Ansichten.
Kontinuität des Sexismus in aktuellen Twitter-Nachrichten von Robert Timm: "Kritik" über Äußeres und Porno-Anspielungen
Kon­ti­nu­ität des Sex­is­mus in aktuellen Twit­ter-Nachricht­en von Robert Timm: “Kri­tik” über Äußeres und Porno-Anspielungen
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Antifaschismus

Guck mal, wer da rumsteht

Cottbusser Neonazihools bei Spiel in Babelsberg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pascal Hohm und Robert Timm
Cot­tbusser Neon­az­i­hools bei Spiel in Babels­berg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm. Foto: Jüdis­ches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus.

INFORIOT Über die jüng­sten anti­semi­tis­chen und neon­azis­tis­chen Krawalle beim Fußball­spiel von Energie Cot­tbus bei Babels­berg 03 in Pots­dam ist schon einiges berichtet wor­den, aber sicher­lich noch nicht genug. Hier soll ein Detail nachge­tra­gen werden.
Cottbusser Neonazihools bei Spiel in Babelsberg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pascal Hohm und Robert Timm
Cot­tbusser Neon­az­i­hools bei Spiel in Babels­berg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm. Foto: Jüdis­ches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus.

Im Cot­tbusser Gäste­block beim Spiel am ver­gan­genen Fre­itag (28. April) standen zwei namentlich bekan­nte recht­sradikale Aktivis­ten, die sich son­st darum bemühen, öffentlich nicht in der Nähe von Neon­azis posi­tion­iert zu sein. Einige am Sam­stag aufgenommene und hier doku­men­tierte Fotos zeigen Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm in unmit­tel­bar­er Nähe der ver­mummten Cot­tbusser Neon­azi-Hooli­gans. Aus just diesem Block erfol­gten die anti­semi­tis­chen und neon­azis­tis­chen Het­z­parolen sowie der Ver­such des Spielfeld zu stürmen.
Robert Timm bei “Identitären”-Demonstration im Juni 2016 in Berlin

Robert Timm fungiert seit einiger Zeit als Sprech­er der “Iden­titären Bewe­gung” in Berlin und Bran­den­burg. Timm stammt aus Berlin und ist für ein Architek­turstudi­um nach Cot­tbus gezo­gen. Offen­bar hat er dort auch eine Lei­den­schaft für Fußball neu- oder wieder­ent­deckt. Aus der neon­azis­tis­chen Fußball­fan­szene in Cot­tbus wer­den seit eini­gen Monat­en auch “Identitären”-Parolen wie “Defend Europe” aufge­grif­f­en und zu “Defend Cot­tbus” abge­wan­delt. Die “Iden­titären” behaupten von sich, keine Berührungspunk­te zum Neon­azis­mus zu haben.
So präsen­tiert sich Robert Timm bei Insta­gram (Screen­shot)

 Jean-Pascal Hohm bei "Identitären"-Demonstration im Juni 2016 in Berlin
Jean-Pas­cal Hohm bei “Identitären”-Demonstration im Juni 2016 in Berlin

Jean-Pas­cal Hohm hinge­gen ist Aktivist der AfD-Jugen­dor­gan­i­sa­tion “Junge Alter­na­tive” (JA) im Land Bran­den­burg. Zeitweilig war er der Lan­desvor­sitzende der JA. Zurzeit wird er auf der Ver­band­shome­page als Beisitzer im Lan­desvor­stand aufge­führt, gle­ichzeit­ig ist er Beisitzer im Kreisvor­stand der AfD in Tel­tow-Fläming. Auf der Web­seite der Land­tags­frak­tion der AfD Bran­den­burg wird er als Mitar­beit­er des Ver­anstal­tungsref­er­enten gelis­tet. Nicht zulet­zt war Hohm Mitor­gan­isator zahlre­ich­er flüchtlings­feindlich­er Demon­stra­tio­nen im Land Brandenburg.
So präsentiert sich Jean-Pascal Hohm bei Facebook (Screenshot)
So präsen­tiert sich Jean-Pas­cal Hohm bei Face­book (Screen­shot)

So nah, wie Timm und Hohm räum­lich im Gäste­block beieinan­der ste­hen, darf man ver­muten, das die bei­den das Spiel gemein­sam besucht haben oder sich zumin­d­est dort getrof­fen haben. Öffentlich behauptet die “Junge Alter­na­tive” genau wie ihre Mut­ter­partei, keine Zusam­me­nar­beit mit der vom Ver­fas­sungss­chutz beobachteten “Iden­titären Bewe­gung” zu betreiben. Tat­säch­lich find­et auf vie­len Ebe­nen ein Aus­tausch und ein Zusam­men­wirken statt. Hohm selb­st war schon Teil­nehmer bei “Identitären”-Aktionen und präsen­tierte sich auf Face­book in T‑Shirts dieser Organisation.
Cottbusser Neonazihools bei Spiel in Babelsberg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pascal Hohm und Robert Timm
Cot­tbusser Neon­az­i­hools bei Spiel in Babels­berg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm. Foto: Jüdis­ches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus.

Beim “Jüdis­chen Forum für Demokratie und gegen Anti­semitismus” sind weit­ere Bilder und ein Video zum The­ma zu find­en. Weit­ere Fotos gibt es unter anderem hier.
Inforiot