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Vom Pick-Up-Seminar zu den Identitären

Der 20-jährige Robert Timm als Teilnehmer eines "Pick-Up"-Seminars (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm als Teil­nehmer eines “Pick-Up”-Seminars (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Robert Timm erzählt 2016 von seiner "linken" Vergangenheit (Screenshot Youtube)
Robert Timm erzählt 2016 von sein­er “linken” Ver­gan­gen­heit (Screen­shot Youtube)

INFORIOT Der in Cot­tbus lebende Robert Timm ist Anführer der extrem recht­en “Iden­titären Bewe­gung Berlin-Bran­den­burg”. Sehr gern berichtet der Architek­turstu­dent darüber, wie er den Weg in die Rei­hen der “Iden­titären Bewe­gung” gefun­den habe. In einem Inter­view mit dem öster­re­ichis­chen “Iden­titären” Mar­tin Sell­ner erk­lärt er 2016 beispiel­sweise, dass er in Berlin in einem linkslib­eralen Eltern­haus aufgewach­sen sei. Er habe an “Mul­ti-Kul­ti” geglaubt, sei in linken Kreisen unter­wegs gewe­sen. Auch an Anti-Nazi-Protesten habe er teilgenom­men und sog­ar zwei Mal an Demon­stra­tio­nen zum “rev­o­lu­tionären ersten Mai in Kreuzberg”. Doch dann, so erzählt es Timm, sei er mit der “Real­ität” kon­fron­tiert wor­den. Als “link­er Aktivist” habe er ein­se­hen müssen, dass “Mul­ti­kul­ti und Links-Sein” Fehler seien.
Linke Illu­sio­nen — dann Aufwachen — dann “iden­titär­er Aktivis­mus”: Robert Timms Biogra­phie ist nicht so ger­adlin­ig, wie er sie darstellt. Tat­säch­lich war Robert Timm zwis­chen­zeitlich in der “Pick-Up-Szene” aktiv — also in Kreisen, die alles andere als “links” sind. Als “Pick-Up”-Szene wer­den Zusam­men­schlüsse von Män­nern beze­ich­net, deren Ziel es ist, über die Anwen­dung psy­chol­o­gis­ch­er Tricks Frauen “ver­führen” zu ler­nen. Dazu gehört unver­mei­d­bar der sex­is­tis­che Anspruch, dass “der” Mann über “die” Frau bes­tim­men solle — in Extrem­fällen wer­den in der “Pick-Up”-Szene sog­ar Verge­wal­ti­gun­gen legitimiert.
2013 erschien ein Doku­men­tarfilm mit dem Titel “Die Ver­führungskün­stler” (Trail­er hier, Face­bookpräsenz), der unter anderem Robert Timm in der Zeit der Drehar­beit­en im Jahr 2011 porträtiert. Schon der damals 20-jährige Timm ist offenkundig kein “link­er Aktivist”, son­dern damit beschäftigt zu ler­nen, wie man “Frauen flachlegt”.
Inszenierung des "Identitären"-Funktionärs Robert Timm 2017
Insze­nierung des “Identitären”-Funktionärs Robert Timm 2017

Der 20-jährige Robert Timm im Gespräch mit seiner Mutter (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm im Gespräch mit sein­er Mut­ter (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Der 20-jährige Robert Timm (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Der 20-jährige Robert Timm (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Der 20-jährige Robert Timm (Still aus "Die Verführungskünstler")
Der 20-jährige Robert Timm (Still aus “Die Verführungskünstler”)

Wie man sich Frauen zur Beute macht, lässt sich Timm bei Sem­i­naren und auf Ver­anstal­tun­gen wie der “Pick Up Con” beib­rin­gen. Im Film stellt er die Ent­deck­ung von “Pick Up” als biografis­chen Ein­schnitt dar — zuvor habe er kein soziales Renomee gehabt und keine sex­uellen Erfahrun­gen gemacht: “Ich habe mich vorher nichts getraut. Vorher hat­te ich null Erfahrun­gen mit Mäd­chen. Nichts nen­nenswertes, kein Kuss, kein gar nichts. Fre­unde auch eher wenig. Und dann kam Pick Up und alles hat sich zum Guten gewendet.”
Selb­stver­ständlich haben viele Men­schen Prob­leme im Umgang mit anderen Men­schen, vor allem Her­anwach­sende, ger­ade auch Bere­ich der Sex­u­al­ität. Bemerkenswert ist nur, dass Timm sich entsch­ied, zu ver­suchen, diese Prob­leme über den Besuch von “Pick-Up”-Seminaren zu lösen. Der Blick auf Frauen in der “Pick Up Szene” ist eben ein­schlägig — sie gel­ten als Objekt, sollen durch eine möglichst masku­line Selb­st­präsen­ta­tion des Mannes über­wältigt wer­den. Der Mann soll Jäger sein und möglichst viel Beute machen. “Pick Up” ist ein Euphemis­mus für psy­chis­che und physis­che Manip­u­la­tion­stech­niken, die männliche Durch­set­zungs­fähigkeit und Dom­i­nanz stärken sollen.
Im Film wird die Radikalisierung von Robert Timm abge­bildet. Anfangs sieht man einen ein­samen jun­gen Mann, der bei seinen Eltern wohnt. Die Mut­ter begrüßt beim Heimkom­men die Hauskatzen deut­lich her­zlich­er als ihren eige­nen Sohn, der im Kinderz­im­mer hockt und nur gefragt wird, ob er die Woh­nung gesaugt habe. Es entste­ht der Ein­druck, dass der schüchterne Timm nach Wegen sucht, selb­st­be­wusster zu werden.
Wenig später hat Timm die Hal­tung und das Vok­ab­u­lar von “Pick Up” über­nom­men. Stolz und fast arro­gant referiert er, dass ein dom­i­nan­ter Mann ein “Alpha” sei und der durch “Pick Up” erre­ichte Sex als “FC” (“Fuck Close”) beze­ich­net wird. Andere Film­pro­tag­o­nis­ten äußern im Ver­lauf der Doku­men­ta­tion in Anbe­tra­cht des frauen­feindlichen Men­schen­bilds im “Pick Up” dur­chaus Skru­pel. Robert Timm hat hinge­gen vor allem Bedenken, wenn die “Pick-Up”-Sprüche zu flach oder die über­teuerten “Pick-Up”-Seminare zu kom­merziell sind.
Der Blick auf die alten Fil­mauf­nah­men zeigt: Die Selb­st­präsen­ta­tion von Robert Timm als geläutertem Linken ist so nicht richtig. Sollte er sich “links” gefühlt haben, dann vor sein­er Zeit in der “Pick-Up”-Szene. Sein biografis­ch­er Bruch läge dann in der Hin­wen­dung zum “Pick Up” (so, wie er es im Film selb­st schildert). In den jün­geren Inter­views hinge­gen erzählt er von ein­er Abwen­dung von der “Multi-Kulti”-Linken hin zur Erken­nt­nis ein­er über­wälti­gend neg­a­tiv­en “Multi-Kulti”-Realität, die ihn schließlich zu den “Iden­titären” brachte. Das Zwis­chen­stück “Pick Up” lässt er aus. Dabei fol­gt der Weg von den sex­is­tis­chen Sem­i­naren zu den “Iden­titären” ein­er inneren Logik: die män­ner­bündis­che, kämpferische Selb­stin­sze­nierung der “Iden­tiären Bewe­gung” und ihre antifem­i­nis­tis­chen Inhalte sind in hohem Maß übere­in­stim­mend mit den in der “Pick-Up”-Szene ver­bre­it­eten Ansichten.
Kontinuität des Sexismus in aktuellen Twitter-Nachrichten von Robert Timm: "Kritik" über Äußeres und Porno-Anspielungen
Kon­ti­nu­ität des Sex­is­mus in aktuellen Twit­ter-Nachricht­en von Robert Timm: “Kri­tik” über Äußeres und Porno-Anspielungen
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Antifaschismus

Guck mal, wer da rumsteht

Cottbusser Neonazihools bei Spiel in Babelsberg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pascal Hohm und Robert Timm
Cot­tbusser Neon­az­i­hools bei Spiel in Babels­berg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm. Foto: Jüdis­ches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus.

INFORIOT Über die jüng­sten anti­semi­tis­chen und neon­azis­tis­chen Krawalle beim Fußball­spiel von Energie Cot­tbus bei Babels­berg 03 in Pots­dam ist schon einiges berichtet wor­den, aber sicher­lich noch nicht genug. Hier soll ein Detail nachge­tra­gen werden.
Cottbusser Neonazihools bei Spiel in Babelsberg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pascal Hohm und Robert Timm
Cot­tbusser Neon­az­i­hools bei Spiel in Babels­berg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm. Foto: Jüdis­ches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus.

Im Cot­tbusser Gäste­block beim Spiel am ver­gan­genen Fre­itag (28. April) standen zwei namentlich bekan­nte recht­sradikale Aktivis­ten, die sich son­st darum bemühen, öffentlich nicht in der Nähe von Neon­azis posi­tion­iert zu sein. Einige am Sam­stag aufgenommene und hier doku­men­tierte Fotos zeigen Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm in unmit­tel­bar­er Nähe der ver­mummten Cot­tbusser Neon­azi-Hooli­gans. Aus just diesem Block erfol­gten die anti­semi­tis­chen und neon­azis­tis­chen Het­z­parolen sowie der Ver­such des Spielfeld zu stürmen.
Robert Timm bei “Identitären”-Demonstration im Juni 2016 in Berlin

Robert Timm fungiert seit einiger Zeit als Sprech­er der “Iden­titären Bewe­gung” in Berlin und Bran­den­burg. Timm stammt aus Berlin und ist für ein Architek­turstudi­um nach Cot­tbus gezo­gen. Offen­bar hat er dort auch eine Lei­den­schaft für Fußball neu- oder wieder­ent­deckt. Aus der neon­azis­tis­chen Fußball­fan­szene in Cot­tbus wer­den seit eini­gen Monat­en auch “Identitären”-Parolen wie “Defend Europe” aufge­grif­f­en und zu “Defend Cot­tbus” abge­wan­delt. Die “Iden­titären” behaupten von sich, keine Berührungspunk­te zum Neon­azis­mus zu haben.
So präsen­tiert sich Robert Timm bei Insta­gram (Screen­shot)

 Jean-Pascal Hohm bei "Identitären"-Demonstration im Juni 2016 in Berlin
Jean-Pas­cal Hohm bei “Identitären”-Demonstration im Juni 2016 in Berlin

Jean-Pas­cal Hohm hinge­gen ist Aktivist der AfD-Jugen­dor­gan­i­sa­tion “Junge Alter­na­tive” (JA) im Land Bran­den­burg. Zeitweilig war er der Lan­desvor­sitzende der JA. Zurzeit wird er auf der Ver­band­shome­page als Beisitzer im Lan­desvor­stand aufge­führt, gle­ichzeit­ig ist er Beisitzer im Kreisvor­stand der AfD in Tel­tow-Fläming. Auf der Web­seite der Land­tags­frak­tion der AfD Bran­den­burg wird er als Mitar­beit­er des Ver­anstal­tungsref­er­enten gelis­tet. Nicht zulet­zt war Hohm Mitor­gan­isator zahlre­ich­er flüchtlings­feindlich­er Demon­stra­tio­nen im Land Brandenburg.
So präsentiert sich Jean-Pascal Hohm bei Facebook (Screenshot)
So präsen­tiert sich Jean-Pas­cal Hohm bei Face­book (Screen­shot)

So nah, wie Timm und Hohm räum­lich im Gäste­block beieinan­der ste­hen, darf man ver­muten, das die bei­den das Spiel gemein­sam besucht haben oder sich zumin­d­est dort getrof­fen haben. Öffentlich behauptet die “Junge Alter­na­tive” genau wie ihre Mut­ter­partei, keine Zusam­me­nar­beit mit der vom Ver­fas­sungss­chutz beobachteten “Iden­titären Bewe­gung” zu betreiben. Tat­säch­lich find­et auf vie­len Ebe­nen ein Aus­tausch und ein Zusam­men­wirken statt. Hohm selb­st war schon Teil­nehmer bei “Identitären”-Aktionen und präsen­tierte sich auf Face­book in T‑Shirts dieser Organisation.
Cottbusser Neonazihools bei Spiel in Babelsberg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pascal Hohm und Robert Timm
Cot­tbusser Neon­az­i­hools bei Spiel in Babels­berg am 28. April 2017. Eingekreist: Jean-Pas­cal Hohm und Robert Timm. Foto: Jüdis­ches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus.

Beim “Jüdis­chen Forum für Demokratie und gegen Anti­semitismus” sind weit­ere Bilder und ein Video zum The­ma zu find­en. Weit­ere Fotos gibt es unter anderem hier.
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Antifaschismus

Das Doppelspiel des Spreelichter-Netzwerks in Südbrandenburg

Im Ver­gle­ich zu anderen ost­deutschen Städten ist es der recht­en Szene in Cot­tbus in den let­zten zwei Jahren nicht gelun­gen, einen Pegi­da-Ableger zu etablieren. Umso mehr sind jet­zt viele von dem mar­tialis­chen recht­en Auf­marsch am Fre­itag den 13. Jan­u­ar 2017 über­rascht und fordern Aufk­lärung. Dazu soll im Fol­gen­den beige­tra­gen werden.
Aufmarsch am 13. Januar in CottbusWas ist passiert?
Am Fre­itag ver­sam­meln sich kurz vor 22 Uhr etwa 120 Per­so­n­en vor dem Landgericht Cot­tbus. Sie sind ein­heitlich schwarz gek­lei­det, tra­gen Stur­m­masken und führen ein Ban­ner mit der Auf­schrift „Cot­tbus vertei­di­gen!“ mit sich. Die Ver­mummten ziehen von der Gerichtsstraße über die Sandow­er Straße und den Alt­markt in die Einkauf­s­meile Sprem­berg­er Straße. Der Marsch führt direkt an der Syn­a­goge am Schloßkirch­platz vor­bei. An der Spitze des Zugs sind während des Auf­marsches rote Ben­gal­fack­eln entzündet.
Gerufen wer­den die Parolen „Hier marschiert die deutsche Jugend“, „Wider­stand“ und „Nafris raus“, Fly­er mit der Über­schrift „Cot­tbus Nafrifrei“ auf den Boden gewor­fen. Es gibt eine Ord­ner­struk­tur und mehrere Per­so­n­en, die fil­men. Am Sprem­berg­er Turm teilt sich der Zug auf und die Neon­azis ver­schwinden in Autos. Die Polizei wird von Anwohner­In­nen alarmiert und kann im Umfeld nur drei Per­so­n­en im Alter von 39 bis 41 Jahren fest­stellen, die sie der recht­sex­tremen Szene zuordnet.
Wer steckt hin­ter dem Aufmarsch?
Durch die Ver­mum­mung, die fehlende Anmel­dung und den Verzicht auf Fah­nen ist nicht offen­sichtlich, wer hin­ter dem Auf­marsch steckt. Das inter­na­tionale Recht­saußen­por­tal „Bre­it­bart News“ schreibt schlicht von „masked Ger­mans“, aber etwas genauer darf es schon sein. Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Schröter (SPD), die Polizei und diverse Lokalme­di­en haben sich hier bere­its ver­sucht. Die Inter­pre­ta­tio­nen gehen — richtiger­weise — in Rich­tung Iden­titäre, Spreelichter und die rechte Fußball­fan­szene von Energie Cot­tbus. In der Lausitzer Rund­schau leg­en sich „Szeneken­ner“ allerd­ings ander­weit­ig fest:
„Mit­glieder der vor Jahren ver­bote­nen Neon­azi­gruppe ‚Spreelichter‘ als Urhe­ber der jüng­sten Aktion in Cot­tbus hal­ten Szeneken­ner für unwahrschein­lich, eben­so eine Verbindung zur neurecht­en ‚Iden­titären Bewe­gung‘, die oft mit dem Begriff ‚vertei­di­gen‘ operiert. Diese zahlen­mäßig sehr kleine, eher intellek­tuelle Gruppe hat­te bish­er ihre Aktio­nen immer mit einem klaren öffentlichen Beken­nt­nis ver­bun­den. Ende August 2016 hissten sie Ban­ner am Bran­den­burg­er Tor. Ver­mummte, anonyme Ver­samm­lun­gen passen, so die Ein­schätzung aus Sicher­heit­skreisen, nicht zum Selb­stver­ständ­nis der Gruppe.“
Der Marsch in der SpremEin Ein­druck ergibt sich bei der Betra­ch­tung der Veröf­fentlichun­gen zu dem Auf­marsch. Die ersten Bilder wer­den von dem Nutzer „cb_nafrifrei“ um 23:30 bei reddit.de online gestellt. Um 23:49 wird auf der Face­book­seite von „Ost­thürin­gen unzen­siert“ exk­lu­siv ein Video veröf­fentlicht, das auf Höhe der ADAC-Geschäftsstelle in der Sprem­berg­er Straße aufgenom­men wurde. Um 00:24 veröf­fentlicht der User „down_my_couch“ ein Video auf Twit­ter, mit einem Blick­winkel aus Rich­tung der Syn­a­goge am Schloßkirch­platz. Der Kom­men­tar „Weiß wer, wie viele das waren?“ soll den Ein­druck erweck­en, dass der User ein Unbeteiligter ist. Dieses Mate­r­i­al wird am näch­sten Mor­gen über rechte Twit­ter- und Face­book-Accounts weit­er­ver­bre­it­et, etwa „Asyl­hütte in Pots­dam — Kannste knick­en!“, „Hei­de­nau zeigt wie’s geht“ und „Asyl­hütte in Ket­zin — Kannste knicken!“.

Chronologie der Berichte über den Marsch
Chronolo­gie der Berichte über den Marsch

Die zeitliche Nähe und die exk­lu­sive Veröf­fentlichung der Bilder und Videos von Grup­pen aus anderen Städten und Regio­nen leg­en den Schluss nahe, dass dahin­ter eine über­re­gion­al ver­net­zte Struk­tur steckt. Im extrem recht­en Spek­trum von Cot­tbus kom­men dafür die NPD und das ver­botene Spreelichter-Net­zw­erk in Frage. Weil die NPD Cot­tbus sich erst rel­a­tiv spät auf ihrer Face­book­seite äußerte, und sich außer­dem von der Aktion wenig begeis­tert zeigte, kann sie wohl aus­geschlossen werden.
Bericht von Black Legion
Bericht von Black Legion

Inter­es­sant ist, dass auf der Face­book­seite des neon­azis­tis­chen Mod­e­la­bels „Black Legion“ am Sam­stag eben­falls Bilder vom Auf­marsch an der Oberkirche und am Sprem­berg­er Turm veröf­fentlicht wur­den, die bis dahin nicht im Umlauf waren. Die Mode­marke wird von einem Neon­azi ver­trieben, der sich bei Face­book „Tom Rausch“ nen­nt. In Cot­tbus läuft der Verkauf über den neon­azis­tis­chen „Dev­ils Right Hand Store“ von Mar­tin Sei­del. Auf sein­er Face­book­seite beken­nt sich Rausch zum Spreelichter-Net­zw­erk und zeigt seine Ablehnung gegenüber dem „Staatskon­strukt“ NPD. Der Post zum Auf­marsch auf der Face­book­seite von „Black Legion“ wird gelöscht, kurz nach­dem er bei „Laut gegen Nazis“ the­ma­tisiert wird. Auf der pri­vat­en Face­book­seite von Rausch ist er weit­er­hin sichtbar.
Tom Rausch posiert mit Defend Cottbus
Tom Rausch posiert mit Defend Cottbus

„Defend Cot­tbus“ – Das Mot­to für den Ausnahmezustand
Der Spruch auf dem Front­trans­par­ent „Vertei­digt Cot­tbus!“ ist die deutsche Über­set­zung von „Defend Cot­tbus“. Aufk­le­ber mit diesem Slo­gan wer­den mas­siv seit Juli 2016 in Cot­tbus und Umge­bung verklebt. Auch im Zusam­men­hang mit dem Über­fall auf den Club Chekov am 23. Sep­tem­ber 2016 taucht­en die Aufk­le­ber auf. Ent­wor­fen und ver­bre­it­et wer­den diese maßge­blich über eine Struk­tur, die sich auf Insta­gram mit dem Pro­fil „Unser_Ursprung“ präsen­tiert. Die dort oft erst­mals veröf­fentlicht­en Grafiken wer­den sowohl von Anhän­gerIn­nen der Iden­titären als auch von zahlre­ichen Neon­azis für ihre Social-Media-Pro­file ver­wen­det. Auch „Tom Rausch“ posiert auf sein­er Face­book­seite mit einem „Defend Cot­tbus“ Aufkleber.
 Marcel Forstmeier vor dem Kanzleramt
Mar­cel Forstmeier vor dem Kanzleramt

Fotos auf Unser_Ursprung
Fotos auf Unser_Ursprung

Posting von Unser_Ursprung
Post­ing von Unser_Ursprung

Die Art der Ver­net­zung, der grafis­che Stil und die ver­wen­dete Sprache des Pro­fils „Unser_Ursprung“ lassen auf den Grafikde­sign­er Mar­cel Forstmeier schließen. Der Lübbe­nauer war bis zum Ver­bot 2012 ein Organ­isator und Kopf des Spreelichter-Net­zw­erks. Forstmeier hat am 21. Dezem­ber 2016 vor dem Kan­zler­amt in Berlin die neurechte Kundge­bung von „Ein Prozent“ (unter den Teil­nehmern Alexan­der Gauland, Björn Höcke und Götz Kubitschek) abfo­tografiert. Ein Bild aus sein­er Posi­tion wurde später auch auf der Insta­gram-Seite von „Unser_Ursprung“ veröf­fentlicht. Auf einem Bild sind beim genauen Blick seine Hände wiederzuerkennen.
Der Cot­tbusser Masken-Auf­marsch ist Teil ein­er Kam­pagne, um Cot­tbuser Neon­azis in eine Art Kampf­modus zu ver­set­zen – die Marke „Defend Cot­tbus“ beziehungsweise „Vertei­di­ge Cot­tbus“ soll als Kürzel dieser Kam­pagne etabliert wer­den. Ein Resul­tat: in den let­zten Monat­en wur­den immer wieder Per­so­n­en, die nicht ins rechte Welt­bild passen, ange­grif­f­en. Gle­ichzeit­ig wer­den Straftat­en durch ver­meintliche Aus­län­der oder Flüchtlinge beson­ders stark aus­geschlachtet, um der ras­sis­tis­chen Para­noia Nahrung zu geben. Para­dox­er­weise freut sich der Twit­ter-User „down_my_couch“ über die erhöhte Polizeipräsenz, obwohl sich diese vor allem gegen ihn und seine Kam­er­aden richtet.
Bürg­er­lichkeit und Straßenterror
Die Neon­azis fahren nicht nur eine Strate­gie des Straßen­ter­rors zur Ein­schüchterung poli­tis­ch­er Geg­ner­In­nen in Cot­tbus, son­dern zudem eine Art Kuschelkurs mit „Zukun­ft Heimat e.V.“ im Spree­wald. Dieser Vere­in hat seit Ende 2015 gegen die Unter­bringung von Flüchtlin­gen mobil gemacht. Mit 500 Teil­nehmern am 31. Okto­ber 2015 in Lübbe­nau richtete der Vere­in eine der größten recht­en Demon­stra­tio­nen  in Bran­den­burg der let­zten Jahre aus.
Anne Haberstroh bei der Identitären-Blockade-Aktion in Berlin
Anne Haber­stroh bei der Iden­titären-Block­ade-Aktion in Berlin

Mar­cel Forstmeier und das Spreelichter-Net­zw­erk ver­suchte sich bei diesen asylfeindlichen Demon­stra­tio­nen zwar im Hin­ter­grund zu hal­ten. Eine Nähe gibt es den­noch. Seit­dem dieser Zusam­men­hang öffentlich gemacht wurde, führt der Vere­in Aktions­for­men wie Fahrrad­ko­r­sos für Rad­wege und ähn­liche The­men durch. Auf diese Weise wollen die Vere­insvor­sitzen­den Christoph Berndt, Anne Haber­stroh und der AfD-Bürg­er­meis­terkan­di­dat Mar­i­an von Stürmer ver­mut­lich das Brandze­ichen ein­er für das neon­azis­tis­che Spek­trum offe­nen Organ­i­sa­tion loswer­den. Dass die Verbindung zu Mar­cel Forstmeier und dem Spreelichter-Net­zw­erk anhält, zeigt das gemein­same Auftreten von Neon­azi Forstmeier und Zukun­ft-Heimat-Vor­sitzen­der Haber­stroh im Umfeld der Block­ade der CDU-Zen­trale in Berlin durch Mit­glieder der Iden­titären am 21. Dezem­ber 2016.
Robert Timm auf Twitter zum Marsch in Cottbus
Robert Timm auf Twit­ter zum Marsch in Cottbus

Während Mar­cel Forstmeier den Polizeiein­satz abfilmte, stand Anne Haber­stroh am Rand und beobachtete die Szener­ie. Bere­its im Sep­tem­ber 2016 besucht­en die bei­den eine Ver­anstal­tung des recht­en Com­pact-Mag­a­zins in Berlin. Auf dem Podi­um saß neben Jür­gen Elsäss­er, Götz Kubitschek und Mar­tin Sell­ner auch der Iden­titären-Aktivist Robert Timm. Dieser studiert und wohnt in Cot­tbus und hat sich über seinen Twit­ter­ac­count „Schinkel_IB“ pos­i­tiv zum Cot­tbusser Masken-Auf­marsch geäußert. Dass er und andere iden­titäre Struk­turen an der Organ­i­sa­tion und Durch­führung direkt beteiligt waren, lässt sich bish­er nicht feststellen.
Faz­it
Die Frage, ob der Nazi­auf­marsch am 13. Jan­u­ar 2017 auf das Kon­to rechter Fußball­fans, der Spreelichter oder der Iden­titären geht, führt in die Irre. Zwis­chen diesen Struk­turen der recht­en Szene gibt es zu große ide­ol­o­gis­che und per­son­elle Über­schnei­dun­gen. Sie arbeit­en zusam­men, weil das aktuelle poli­tis­che Kli­ma ihnen Erfolge ver­spricht. Vor allem die „Spreelichter“ und die Anführer der Gruppe „Infer­no Cot­tbus“ sind schon seit Beginn ihres Beste­hens sehr stark ver­bun­den. Trotz Sta­dion­ver­botes bes­timmt „Infer­no“ immer noch maßge­blich die Stim­mung in der Fan­szene des FC Energie. Der Rück­griff von Forstmeier und dem Spreelichter-Net­zw­erk auf Sym­bole und The­men der Iden­titären bietet ihnen die Möglichkeit, in anderem Gewand die bis zu ihrem Ver­bot ver­fol­gte Strate­gie eines pop­kul­turell ver­mark­teten Faschis­mus fortzuset­zen. Um ein möglichst bre­ites Spek­trum zu erre­ichen und eine möglichst große Wirkung zu erzie­len, chang­ieren sie dabei zwis­chen sehr unter­schiedlichen Aktionsformen.
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