Kategorien
Antifaschismus

Pure NS-Ideologie

INFORIOT Der Cot­tbusser Recht­san­walt Olaf Klemke vertei­digt im Münch­en­er NSU-Prozess bekan­ntlich den Angeklagten Ralf Wohlleben. Zum Wohlleben-Vertei­di­gung­steam gehören dazu das ehe­ma­lige NPD-Mit­glied Nicole Schnei­ders, der ehe­ma­lige “Wiking-Jugend”-Anführer Wol­fram Nahrath und aushil­f­sweise auch der (eben­falls in Cot­tbus ansäßige) Neon­azi Maik Bunzel.
Klemke, Schnei­ders und Nahrath haben am Mittwoch (25. Jan­u­ar) im Prozess einen Beweisantrag gestellt, der vor neon­azis­tis­ch­er Ide­olo­gie trieft. Ein Sachver­ständi­ger möge bestellt wer­den, so der Antrag, um festzustellen, dass das deutsche Volk dabei sei, auszuster­ben. Schuld seien Zuwan­derung und Geburten­rate. Bei Wohlleben wurde einst ein Feuerzeug gefun­den, auf dem die Parole “Volk­stod stop­pen” gedruckt war. Laut Beweisantrag sei diese Parole nicht als “aus­län­der­feindlich” zu werten, son­dern nichts als die Wahrheit:
Sich für den Erhalt seines Volkes […] einzuset­zen ist nicht nur ver­fas­sungsrechtlich garantiert son­dern erlaubt es auch, sich gegen das allmäh­liche Ver­schwinden seines Volkes und sich dabei auch gegen einen massen­haften Zuzug von Nicht­deutschen zu wen­den. Dies ist wed­er „ras­sis­tisch”, auch nicht „insti­tu­tionell ras­sis­tisch”, was immer diese poli­tis­chen Totschlag­be­griffe auch bein­hal­ten mögen, son­dern fol­gt zwan­g­los jen­er ver­fas­sungs­gemäßen Pflicht zur Iden­titätswahrung. […] Aus der Parole „Volk­stod stop­pen” kann nach alle­dem nicht auf eine aus­län­der­feindliche Ein­stel­lung des Her­rn Wohlleben geschlossen wer­den, schon gar nicht auf einen auf Tötung von Aus­län­dern gerichteten Hass.
Die Rede vom “Volk­stod” ist eines der zen­tralen Schlag­wörter im derzeit­i­gen mil­i­tan­ten Neon­azis­mus. Die entsprechende “Volkstod”-Kampagne wurde von den bran­den­bur­gis­chen “Spreelichtern” ges­tartet. Der 2012 ver­bote­nen Grup­pierung stand aus­gerech­net der Cot­tbusser Anwalt und Wohlleben-Aushil­fsvertei­di­ger Maik Bun­zel nahe — unter anderem als Musik­er für das Neon­azipro­jekt “Has­s­ge­sang”.
So deut­lich wie mit dem aktuellen Beweisantrag hat die Vertei­d­i­ung im NSU-Prozess bish­er sel­ten erken­nen lassen, dass sie selb­st neon­azis­tis­chem Gedankengut nach­hängt. Der Beweisantrag wurde im Gerichtssaal von Olaf Klemke vor­ge­tra­gen. Aus Protest gegen diese Pro­pa­gan­da ver­ließen etliche Nebenklage-Vertreter*innen den Ver­hand­lungssaal.
Neben­klägervertreterin Seda Basay-Yildiz kom­men­tierte: „Logis­che Kon­se­quenz dessen, was in diesem Antrag vertreten wird, ist die mil­lio­nen­fache Vertrei­bung von Men­schen aus Deutsch­land – oder ihre Ermor­dung, wie es der NSU getan hat.“

So präsenitert sich Olaf Klemke auf seiner Homepage. Screenshot: olaf-klemke.de
So präsen­tiert sich Olaf Klemke auf sein­er Home­page. Screen­shot: olaf-klemke.de

Dass aus­gerech­net der Cot­tbusser Klemke den Antrag im Gericht vorstellte und mit­trug, ist insofern inter­es­sant, als das dieser sich im Gegen­satz zu den anderen Wohlleben-Verteidiger*innen bish­er nicht als Neon­azi ver­standen wis­sen wollte. Im Inter­view mit der “Lausitzer Rund­schau” betonte Klemke 2013, dass er jedes Man­dat annehme, und darum eben auch Rechte vertei­di­ge. Ein Sze­nean­walt sei er deshalb nicht: “Ich lehne diese Zuschrei­bung ab.” Auch mit dem Begriff “Neon­azi” habe er Prob­leme: “Weil alles, was sich rechts von CDU/CSU bewegt, gle­ich als Neon­azi beze­ich­net wird. Ich habe in meinem Leben aber sel­ten echte Neon­azis getrof­fen.” Sich selb­st ver­ste­he Klemke als “Patri­oten”.
Kategorien
Antifaschismus

Das Doppelspiel des Spreelichter-Netzwerks in Südbrandenburg

Im Ver­gle­ich zu anderen ost­deutschen Städten ist es der recht­en Szene in Cot­tbus in den let­zten zwei Jahren nicht gelun­gen, einen Pegi­da-Ableger zu etablieren. Umso mehr sind jet­zt viele von dem mar­tialis­chen recht­en Auf­marsch am Fre­itag den 13. Jan­u­ar 2017 über­rascht und fordern Aufk­lärung. Dazu soll im Fol­gen­den beige­tra­gen werden.
Aufmarsch am 13. Januar in CottbusWas ist passiert?
Am Fre­itag ver­sam­meln sich kurz vor 22 Uhr etwa 120 Per­so­n­en vor dem Landgericht Cot­tbus. Sie sind ein­heitlich schwarz gek­lei­det, tra­gen Stur­m­masken und führen ein Ban­ner mit der Auf­schrift „Cot­tbus vertei­di­gen!“ mit sich. Die Ver­mummten ziehen von der Gerichtsstraße über die Sandow­er Straße und den Alt­markt in die Einkauf­s­meile Sprem­berg­er Straße. Der Marsch führt direkt an der Syn­a­goge am Schloßkirch­platz vor­bei. An der Spitze des Zugs sind während des Auf­marsches rote Ben­gal­fack­eln entzündet.
Gerufen wer­den die Parolen „Hier marschiert die deutsche Jugend“, „Wider­stand“ und „Nafris raus“, Fly­er mit der Über­schrift „Cot­tbus Nafrifrei“ auf den Boden gewor­fen. Es gibt eine Ord­ner­struk­tur und mehrere Per­so­n­en, die fil­men. Am Sprem­berg­er Turm teilt sich der Zug auf und die Neon­azis ver­schwinden in Autos. Die Polizei wird von Anwohner­In­nen alarmiert und kann im Umfeld nur drei Per­so­n­en im Alter von 39 bis 41 Jahren fest­stellen, die sie der recht­sex­tremen Szene zuordnet.
Wer steckt hin­ter dem Aufmarsch?
Durch die Ver­mum­mung, die fehlende Anmel­dung und den Verzicht auf Fah­nen ist nicht offen­sichtlich, wer hin­ter dem Auf­marsch steckt. Das inter­na­tionale Recht­saußen­por­tal „Bre­it­bart News“ schreibt schlicht von „masked Ger­mans“, aber etwas genauer darf es schon sein. Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Schröter (SPD), die Polizei und diverse Lokalme­di­en haben sich hier bere­its ver­sucht. Die Inter­pre­ta­tio­nen gehen — richtiger­weise — in Rich­tung Iden­titäre, Spreelichter und die rechte Fußball­fan­szene von Energie Cot­tbus. In der Lausitzer Rund­schau leg­en sich „Szeneken­ner“ allerd­ings ander­weit­ig fest:
„Mit­glieder der vor Jahren ver­bote­nen Neon­azi­gruppe ‚Spreelichter‘ als Urhe­ber der jüng­sten Aktion in Cot­tbus hal­ten Szeneken­ner für unwahrschein­lich, eben­so eine Verbindung zur neurecht­en ‚Iden­titären Bewe­gung‘, die oft mit dem Begriff ‚vertei­di­gen‘ operiert. Diese zahlen­mäßig sehr kleine, eher intellek­tuelle Gruppe hat­te bish­er ihre Aktio­nen immer mit einem klaren öffentlichen Beken­nt­nis ver­bun­den. Ende August 2016 hissten sie Ban­ner am Bran­den­burg­er Tor. Ver­mummte, anonyme Ver­samm­lun­gen passen, so die Ein­schätzung aus Sicher­heit­skreisen, nicht zum Selb­stver­ständ­nis der Gruppe.“
Der Marsch in der SpremEin Ein­druck ergibt sich bei der Betra­ch­tung der Veröf­fentlichun­gen zu dem Auf­marsch. Die ersten Bilder wer­den von dem Nutzer „cb_nafrifrei“ um 23:30 bei reddit.de online gestellt. Um 23:49 wird auf der Face­book­seite von „Ost­thürin­gen unzen­siert“ exk­lu­siv ein Video veröf­fentlicht, das auf Höhe der ADAC-Geschäftsstelle in der Sprem­berg­er Straße aufgenom­men wurde. Um 00:24 veröf­fentlicht der User „down_my_couch“ ein Video auf Twit­ter, mit einem Blick­winkel aus Rich­tung der Syn­a­goge am Schloßkirch­platz. Der Kom­men­tar „Weiß wer, wie viele das waren?“ soll den Ein­druck erweck­en, dass der User ein Unbeteiligter ist. Dieses Mate­r­i­al wird am näch­sten Mor­gen über rechte Twit­ter- und Face­book-Accounts weit­er­ver­bre­it­et, etwa „Asyl­hütte in Pots­dam — Kannste knick­en!“, „Hei­de­nau zeigt wie’s geht“ und „Asyl­hütte in Ket­zin — Kannste knicken!“.

Chronologie der Berichte über den Marsch
Chronolo­gie der Berichte über den Marsch

Die zeitliche Nähe und die exk­lu­sive Veröf­fentlichung der Bilder und Videos von Grup­pen aus anderen Städten und Regio­nen leg­en den Schluss nahe, dass dahin­ter eine über­re­gion­al ver­net­zte Struk­tur steckt. Im extrem recht­en Spek­trum von Cot­tbus kom­men dafür die NPD und das ver­botene Spreelichter-Net­zw­erk in Frage. Weil die NPD Cot­tbus sich erst rel­a­tiv spät auf ihrer Face­book­seite äußerte, und sich außer­dem von der Aktion wenig begeis­tert zeigte, kann sie wohl aus­geschlossen werden.
Bericht von Black Legion
Bericht von Black Legion

Inter­es­sant ist, dass auf der Face­book­seite des neon­azis­tis­chen Mod­e­la­bels „Black Legion“ am Sam­stag eben­falls Bilder vom Auf­marsch an der Oberkirche und am Sprem­berg­er Turm veröf­fentlicht wur­den, die bis dahin nicht im Umlauf waren. Die Mode­marke wird von einem Neon­azi ver­trieben, der sich bei Face­book „Tom Rausch“ nen­nt. In Cot­tbus läuft der Verkauf über den neon­azis­tis­chen „Dev­ils Right Hand Store“ von Mar­tin Sei­del. Auf sein­er Face­book­seite beken­nt sich Rausch zum Spreelichter-Net­zw­erk und zeigt seine Ablehnung gegenüber dem „Staatskon­strukt“ NPD. Der Post zum Auf­marsch auf der Face­book­seite von „Black Legion“ wird gelöscht, kurz nach­dem er bei „Laut gegen Nazis“ the­ma­tisiert wird. Auf der pri­vat­en Face­book­seite von Rausch ist er weit­er­hin sichtbar.
Tom Rausch posiert mit Defend Cottbus
Tom Rausch posiert mit Defend Cottbus

„Defend Cot­tbus“ – Das Mot­to für den Ausnahmezustand
Der Spruch auf dem Front­trans­par­ent „Vertei­digt Cot­tbus!“ ist die deutsche Über­set­zung von „Defend Cot­tbus“. Aufk­le­ber mit diesem Slo­gan wer­den mas­siv seit Juli 2016 in Cot­tbus und Umge­bung verklebt. Auch im Zusam­men­hang mit dem Über­fall auf den Club Chekov am 23. Sep­tem­ber 2016 taucht­en die Aufk­le­ber auf. Ent­wor­fen und ver­bre­it­et wer­den diese maßge­blich über eine Struk­tur, die sich auf Insta­gram mit dem Pro­fil „Unser_Ursprung“ präsen­tiert. Die dort oft erst­mals veröf­fentlicht­en Grafiken wer­den sowohl von Anhän­gerIn­nen der Iden­titären als auch von zahlre­ichen Neon­azis für ihre Social-Media-Pro­file ver­wen­det. Auch „Tom Rausch“ posiert auf sein­er Face­book­seite mit einem „Defend Cot­tbus“ Aufkleber.
 Marcel Forstmeier vor dem Kanzleramt
Mar­cel Forstmeier vor dem Kanzleramt

Fotos auf Unser_Ursprung
Fotos auf Unser_Ursprung

Posting von Unser_Ursprung
Post­ing von Unser_Ursprung

Die Art der Ver­net­zung, der grafis­che Stil und die ver­wen­dete Sprache des Pro­fils „Unser_Ursprung“ lassen auf den Grafikde­sign­er Mar­cel Forstmeier schließen. Der Lübbe­nauer war bis zum Ver­bot 2012 ein Organ­isator und Kopf des Spreelichter-Net­zw­erks. Forstmeier hat am 21. Dezem­ber 2016 vor dem Kan­zler­amt in Berlin die neurechte Kundge­bung von „Ein Prozent“ (unter den Teil­nehmern Alexan­der Gauland, Björn Höcke und Götz Kubitschek) abfo­tografiert. Ein Bild aus sein­er Posi­tion wurde später auch auf der Insta­gram-Seite von „Unser_Ursprung“ veröf­fentlicht. Auf einem Bild sind beim genauen Blick seine Hände wiederzuerkennen.
Der Cot­tbusser Masken-Auf­marsch ist Teil ein­er Kam­pagne, um Cot­tbuser Neon­azis in eine Art Kampf­modus zu ver­set­zen – die Marke „Defend Cot­tbus“ beziehungsweise „Vertei­di­ge Cot­tbus“ soll als Kürzel dieser Kam­pagne etabliert wer­den. Ein Resul­tat: in den let­zten Monat­en wur­den immer wieder Per­so­n­en, die nicht ins rechte Welt­bild passen, ange­grif­f­en. Gle­ichzeit­ig wer­den Straftat­en durch ver­meintliche Aus­län­der oder Flüchtlinge beson­ders stark aus­geschlachtet, um der ras­sis­tis­chen Para­noia Nahrung zu geben. Para­dox­er­weise freut sich der Twit­ter-User „down_my_couch“ über die erhöhte Polizeipräsenz, obwohl sich diese vor allem gegen ihn und seine Kam­er­aden richtet.
Bürg­er­lichkeit und Straßenterror
Die Neon­azis fahren nicht nur eine Strate­gie des Straßen­ter­rors zur Ein­schüchterung poli­tis­ch­er Geg­ner­In­nen in Cot­tbus, son­dern zudem eine Art Kuschelkurs mit „Zukun­ft Heimat e.V.“ im Spree­wald. Dieser Vere­in hat seit Ende 2015 gegen die Unter­bringung von Flüchtlin­gen mobil gemacht. Mit 500 Teil­nehmern am 31. Okto­ber 2015 in Lübbe­nau richtete der Vere­in eine der größten recht­en Demon­stra­tio­nen  in Bran­den­burg der let­zten Jahre aus.
Anne Haberstroh bei der Identitären-Blockade-Aktion in Berlin
Anne Haber­stroh bei der Iden­titären-Block­ade-Aktion in Berlin

Mar­cel Forstmeier und das Spreelichter-Net­zw­erk ver­suchte sich bei diesen asylfeindlichen Demon­stra­tio­nen zwar im Hin­ter­grund zu hal­ten. Eine Nähe gibt es den­noch. Seit­dem dieser Zusam­men­hang öffentlich gemacht wurde, führt der Vere­in Aktions­for­men wie Fahrrad­ko­r­sos für Rad­wege und ähn­liche The­men durch. Auf diese Weise wollen die Vere­insvor­sitzen­den Christoph Berndt, Anne Haber­stroh und der AfD-Bürg­er­meis­terkan­di­dat Mar­i­an von Stürmer ver­mut­lich das Brandze­ichen ein­er für das neon­azis­tis­che Spek­trum offe­nen Organ­i­sa­tion loswer­den. Dass die Verbindung zu Mar­cel Forstmeier und dem Spreelichter-Net­zw­erk anhält, zeigt das gemein­same Auftreten von Neon­azi Forstmeier und Zukun­ft-Heimat-Vor­sitzen­der Haber­stroh im Umfeld der Block­ade der CDU-Zen­trale in Berlin durch Mit­glieder der Iden­titären am 21. Dezem­ber 2016.
Robert Timm auf Twitter zum Marsch in Cottbus
Robert Timm auf Twit­ter zum Marsch in Cottbus

Während Mar­cel Forstmeier den Polizeiein­satz abfilmte, stand Anne Haber­stroh am Rand und beobachtete die Szener­ie. Bere­its im Sep­tem­ber 2016 besucht­en die bei­den eine Ver­anstal­tung des recht­en Com­pact-Mag­a­zins in Berlin. Auf dem Podi­um saß neben Jür­gen Elsäss­er, Götz Kubitschek und Mar­tin Sell­ner auch der Iden­titären-Aktivist Robert Timm. Dieser studiert und wohnt in Cot­tbus und hat sich über seinen Twit­ter­ac­count „Schinkel_IB“ pos­i­tiv zum Cot­tbusser Masken-Auf­marsch geäußert. Dass er und andere iden­titäre Struk­turen an der Organ­i­sa­tion und Durch­führung direkt beteiligt waren, lässt sich bish­er nicht feststellen.
Faz­it
Die Frage, ob der Nazi­auf­marsch am 13. Jan­u­ar 2017 auf das Kon­to rechter Fußball­fans, der Spreelichter oder der Iden­titären geht, führt in die Irre. Zwis­chen diesen Struk­turen der recht­en Szene gibt es zu große ide­ol­o­gis­che und per­son­elle Über­schnei­dun­gen. Sie arbeit­en zusam­men, weil das aktuelle poli­tis­che Kli­ma ihnen Erfolge ver­spricht. Vor allem die „Spreelichter“ und die Anführer der Gruppe „Infer­no Cot­tbus“ sind schon seit Beginn ihres Beste­hens sehr stark ver­bun­den. Trotz Sta­dion­ver­botes bes­timmt „Infer­no“ immer noch maßge­blich die Stim­mung in der Fan­szene des FC Energie. Der Rück­griff von Forstmeier und dem Spreelichter-Net­zw­erk auf Sym­bole und The­men der Iden­titären bietet ihnen die Möglichkeit, in anderem Gewand die bis zu ihrem Ver­bot ver­fol­gte Strate­gie eines pop­kul­turell ver­mark­teten Faschis­mus fortzuset­zen. Um ein möglichst bre­ites Spek­trum zu erre­ichen und eine möglichst große Wirkung zu erzie­len, chang­ieren sie dabei zwis­chen sehr unter­schiedlichen Aktionsformen.
Kategorien
Antifaschismus

Auffallende Ähnlichkeiten

Selt­same Allianzen haben sich dem Anschein nach im Süden Bran­den­burgs gebildet. Gegen den “Aus­tausch des Volkes” gehen dort “besorgte Bürg­er” gemein­sam mit der AfD auf die Straße. Mit dabei sind auch Neon­azis aus dem Umfeld der ver­bote­nen “Spreelichter”. “Zukun­ft Heimat” heißt die Ini­tia­tive, die mobil macht gegen Flüchtlinge. Bei ein­er Demon­stra­tion vom “Zukun­ft Heimat” am 31. Okto­ber in der Spree­wald­stadt Lübbe­nau kamen 900 Per­so­n­en zusam­men. Bei ein­er zweit­en Aktion am 5. Dezem­ber in Lübben waren es 500.
Ihren Ursprung hat “Zukun­ft Heimat” in ein­er Bürg­erini­tia­tive aus dem Dorf Zützen. Die Ini­tia­tive „Pro Zützen“ hat­te im Som­mer die Unter­bringun­gen von 100 Flüchtlin­gen in dem 350-Ein­wohn­er-Dorf kri­tisiert, aber nicht grund­sät­zlich abgelehnt. Zützen ist ein Ort­steil der Stadt Golßen im Dahme-Spree­wald. Eine Demon­stra­tion fand am 30. Juni unter dem Mot­to “Demokratie wagen” statt. Nach eige­nen Angaben ver­sam­melten sich über 100 Men­schen auf dem Mark­t­platz in Golßen. Zu den Forderun­gen gehörte der Ruf nach ” mehr Bürg­er­beteili­gung” und die dezen­trale Unter­bringung von Flüchtlingen.

Zukunft Heimat in Lübbenau mit AfDler Andreas Kalbitz in der ersten Reihe
Zukun­ft Heimat in Lübbe­nau mit AfDler Andreas Kalb­itz in der ersten Reihe

Aus “Pro Zützen” hat sich mit­tler­weile “Zukun­ft Heimat” entwick­elt. Es han­delt sich um einen Anfang August gegrün­de­ten, einge­tra­ge­nen Vere­in.  Vor­sitzende sind Christoph Berndt, haupt­beru­flich an der Berlin­er Char­ité, und Anne Haber­stroh, Friseurin in Golßen. Weit­ere Aktive wie Alexan­dra Hentsch und Lars Köh­ler kom­men eben­falls aus Golßen.
Bürgerlicher Frontmann: Christoph Berndt, Vorsitzender von "Zukunft Heimat" arbeitet in der Charite Berlin
Bürg­er­lich­er Front­mann: Christoph Berndt, Vor­sitzen­der von “Zukun­ft Heimat” arbeit­et in der Charite Berlin

“Zukun­ft Heimat” ist wesentlich radikaler als “Pro Zützen”. “Gegen die Auflö­sung unseres Volkes” gelte es “Wider­stand zu leis­ten”, heißt es in schar­fem Ton auf der Home­page. Von den “Block­parteien” dürfe man dabei nichts erwarten. Auf der Face­book­seite wird verkün­det, dass man mit dem “Unge­hor­sam des deutschen Staatsvolkes” die “vater­land­slosen Gesellen in der Regierung und Medi­en” besiegen wer­den könne.
Offenkundig nicht zu den “Block­parteien” wird von “Zukun­ft Heimat” die AfD gezählt. Deren Land­tagsab­ge­ord­neter Andreas Kalb­itz durfte bei der Demon­stra­tion in Lübbe­nau in der ersten Rei­he laufen und eine Rede hal­ten. Der Burschen­schaftler Kalb­itz ist in sein­er Partei am äußer­sten recht­en Rand posi­tion­iert, wie ver­schiedene Berichte bele­gen. Als die AfD dann am 7. Novem­ber zu ein­er Großdemon­stra­tion in Berlin aufrief, war auch “Zukun­ft Heimat” mit dabei. Für den kom­menden Don­ner­stag (16.12.) ruft indes der AfD-Jugend­funk­tionär Jean-Pas­cal Hohm zu ein­er weit­eren Demon­stra­tion auf. Das Mot­to des Auf­marsches in Zossen: “Für die Zukun­ft unser­er Heimat”. Unter­stützung bei der Face­book-Mobil­isierung kommt wenig über­raschend von “Zukun­ft Heimat” selb­st. Das ist reich­lich viel Parteinähe, für ein “Bürg­er­bünd­nis”, das offen­sichtlich eigentlich über­parteilich wirken will.
"Zukunft Heimat" bei AfD-Demonstration im November in Berlin
“Zukun­ft Heimat” bei AfD-Demon­stra­tion im Novem­ber in Berlin

Auch Neon­azis aus dem Net­zw­erk der 2012 als “Wider­stand­be­we­gung Süd­bran­den­burg” ver­bote­nen “Spreelichter” waren bei den “Zukun­ft Heimat”-Demonstrationen dabei. Unmit­tel­bar vor der Aktion in Lübben tru­gen Neon­azis Protest­plakate mit der Auf­schrift „Schnau­ze voll“. Das berichteten die Pots­damer Neuesten Nachricht­en (PNN). Mit­ten in dieser Gruppe war, so die PNN, der ehe­ma­lige Spreelichter-Anführer Mar­cel Forstmeier. Während der Demo saß Forstmeier dann bei einem Bäck­er, zusam­men mit zwei weit­eren Per­so­n­en, eine dazu in einem Organ­isatoren-T-Shirt, heißt es bei der PNN. Andere Neon­azis, die zum Umfeld der Spreelichter gezählt wer­den, waren im Aufzug, macht­en Fotos. Der Ein­druck, der so entste­hen kann: Die Neon­azis sind in die Organ­i­sa­tion wom­öglich einge­bun­den, ver­suchen dies aber zu tarnen.
Demo von AfD-Jugendfunktionär in Zossen wird von "Zukunft Heimat" unterstützt
Demo von AfD-Jugend­funk­tionär in Zossen wird von “Zukun­ft Heimat” unterstützt

Auch stilis­tisch und rhetorisch ähneln manche Äußerun­gen von “Zukun­ft Heimat” denen der früheren “Spreelichter”. Vor allem über soziale Medi­en wie Face­book, Twit­ter und YouTube wurde schnell damit begonnen, Inhalte gegen den „Volk­saus­tausch“ zu ver­bre­it­en — nicht unähn­lich zu den War­nun­gen der “Spreelichter”, die noch einen “Volk­stod” befürchteten. Die stilis­tis­che Ähn­lichkeit der schwül­sti­gen Videos und die Auf­machung der Kam­pag­nen­seit­en zu den alten Spreelichter-Pro­jek­ten sind teils frap­pierend. Die Schrif­tart, mit der das Front-Trans­par­ent der Lübbe­nau-Demo beschrieben war, tauchte auch auf eine Inter­netwer­be­grafik für die Demo auf — und wurde Jahre zuvor von den “Spreelichtern” selb­st benutzt.
Ähnliche Schriftart: links "Spreelichter"-Propaganda, rechts "Zukunft Heimat"-Grafik
Ähn­liche Schrif­tart: links “Spreelichter”-Propaganda, rechts “Zukun­ft Heimat”-Grafik

Die Ver­net­zung von “Zukun­ft Heimat” mit extrem recht­en Per­so­n­en und Grup­pen wird am Twit­terkanal des Vere­ins sicht­bar. Auch Beiträge eines „Den­nisKo­ern­er“ wer­den dort immer wieder geteilt. Bei ihm han­delt es sich um eine Per­son, die seit 2009 in hoher Fre­quenz zum „Volk­stod“, zum „Volk­saus­tausch“ und zu net­zpoli­tis­chen The­men postet. Es wäre keine son­der­lich steile These, wenn man “Den­nisKo­ern­er” zum Spreelichter-Umfeld zählen würde.
Marcel Forstemeier bei einer "Spreelichter"-Aktion vor mehreren Jahren
Mar­cel Forstmeier als Red­ner bei ein­er “Spreelichter”-Aktion vor mehreren Jahren

Nach ihrem Ver­bot veröf­fentlicht­en die “Spreelichter” einen Strate­gi­etext zu ihrer “Unsterblichen”-Kampagne, den man als Blau­pause für das lesen kann, was nun möglicher­weise im Spree­wald umge­set­zt wer­den soll: Als Neon­azis im sozialen Nahraum mit­mis­chen bei Anti­flüchtling­sprotesten, sich dabei aber nicht erkennbar geben. Das The­ma “Volk­stod” beziehungsweise die “Über­flüs­sigkeit eigen­ständi­ger Völk­er” müsse in die gesellschaftliche Debat­te gebracht wer­den, hieß es damals.  Volk­snähe und Kon­takt zu “ganz nor­malen” Men­schen solle aufge­baut wer­den und dafür könne man aus dem Hin­ter­grund agieren:
Strategiepapier der "Spreelichter"-Kampagne "Die Unsterblichen"
Strate­giepa­pi­er der “Spreelichter”- Kam­pagne “Die Unsterblichen”

Schon jet­zt sind viele als UNSTERBLICHE unter­wegs, die zuvor nie mit poli­tis­chem Aktivis­mus in Berührung kamen. Es sind ganz nor­male Arbeit­er, Stu­den­ten, junge Eltern sowie deren Fre­unde und Bekan­nte (…). Weil dieses Anliegen so viel wichtiger als jede Detailpoli­tik, weil es die Grund­vo­raus­set­zung für zukün­ftige Poli­tik über­haupt ist, führen UNSTERBLICHE wed­er Wahlkampf- noch son­stige detailpoli­tis­che Ver­anstal­tun­gen durch, tra­gen keine Szeneklam­ot­ten’ und geben sich keine Grup­pen­na­men. Für die UNSTERBLICHEN ist klar: Poli­tis­che Inhalte sind wichtig, viele The­men sind wichtig, Pro­pa­gan­da ist wichtig. Und all diesen Anliegen wer­den sie im passenden Rah­men gerecht – aber nicht als UNSTERBLICHE, son­dern auf poli­tis­chen Ver­anstal­tun­gen oder mit Wort und Tat im Fam­i­lien- und Fre­un­deskreis. Die UNSTERBLICHEN machen friedlich auf den dro­hen­den Volk­stod aufmerk­sam – nicht weniger, aber auch nicht mehr.”

Die hier beschriebene Allianz von „besorgten Bürg­ern“, der AfD und Neon­azis hat den Effekt, dass sie für ihre Demon­stra­tio­nen rel­a­tiv viele Men­schen mobil­isieren kön­nen und die Öffentlichkeit­sar­beit pro­fes­sionell abgewick­elt wird. Die „Spreelichter“ gal­ten bis zu ihrem Ver­bot in der Naziszene als beson­ders radikal. Mit ihrer offe­nen anti­demokratis­chen Hal­tung (“Die Demokrat­en brin­gen uns den Volk­stod”) über­trafen sie sog­ar die NPD. Die Kam­pag­nenkom­pe­tenz ist noch vorhan­den — nun aber ist der Ton gemäßigter, entsprechend den vor Jahren angestell­ten strate­gis­chen Überlegungen.

Social-Media-Auftritt von "Zukunft Heimat: Erkennbar Rechtsextreme als Follower
Social-Media-Auftritt von “Zukun­ft Heimat: Erkennbar Recht­sex­treme in der Abo-Liste

Propagandist "DennisKoerner" wirbt, "Zukunft Heimat" teilt
Pro­pa­gan­dist “Den­nisKo­ern­er” wirbt, “Zukun­ft Heimat” teilt

Die bei den “Zukun­ft Heimat”-Aktionen Begriffe „Volk­saus­tausch“ und “#gren­zen­dicht” ver­weisen indes auch auf die Kam­pag­nen der “Iden­titären Bewe­gung”. Diese völkisch-neurechte Organ­i­sa­tion hat für 2016 eine Kam­pagne in Bran­den­burg angekündigt — Kon­tak­te beste­hen offen­bar ohne­hin. Der Twit­ter-User Den­nisKörn­er veröf­fentlicht Grafiken und Bilder unter dem Iden­titären-Slo­gan „Der große Aus­tausch“, die eben­falls den Grafiken von “Heimat Zukun­ft” ähneln. Auf der Demo in Lübben wurde außer­dem für die Ini­tia­tive “ein­prozent” gewor­ben, aus dem neurecht­en Spek­trum des “Insti­tut für Staat­spoli­tik” kommt. Bei ebendiesem Insti­tut sorgte kür­zlich mit Björn Höcke ein weit­er­er AfD-Recht­saußen durch eine offen ras­sis­tis­che Rede für Aufmerksamkeit.
Wohin sich “Zukun­ft Heimat” entwick­eln wird, scheint derzeit offen. Die offene Nähe zur AfD und die selt­samen Kreuzpunk­te mit Neon­azis und ein neurechts inspiri­erten Rhetorik kön­nte ein Mod­ell­pro­jekt für flüchtlings­feindliche Mobil­isierun­gen sein, deren Bedeu­tung über den Spree­wald hin­aus­ge­ht: Lokale Ver­ankerung durch etablierte Per­sön­lichkeit­en aus der Gegend, ein par­la­men­tarisch­er Arm durch die AfD, dazu Neon­azis in nicht allzu großer Ferne.
Inforiot