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Arbeit & Soziales Law & Order

Glaubt bloß nicht, dass wir heulen!“

INFORIOT Etwa 70 Unterstützer_innen und Sympathisant_innen hat­ten sich am son­ni­gen Dien­stag­mor­gen vor dem Amts­gericht Pots­dam ver­sam­melt. Sie bekun­de­ten ihre Sol­i­dar­ität mit den Beschuldigten eines gle­ichzeit­ig stat­tfind­e­nen Prozess­es: Gegen 15 Per­so­n­en wurde wegen der Stift­straßen-Beset­zung 2011 ver­han­delt. Draußen gab es Kaf­fee, Kuchen und gute Laune — trotz des großen Polizeiaufge­bots. In drei Grup­pen soll­ten sich die Beschuldigten in einem über­vollen Gerichtssaal dem Vor­wurf des Haus­friedens­bruch stellen.

2011: “Eigen­nutzungs­be­darf” für Haus behauptet, dann fol­gte der Verkauf

Hin­ter­grund war die Beset­zung und die kurz darauf fol­gende Räu­mung eines Haus­es im Dezem­ber 2011.Nur kurze Zeit später wurde die Immo­bilie durch die Eigen­tümerin Lafim (“Lan­desauss­chuss für innere Mis­sion”) gewinnbrin­gend verkauft, obwohl als ein Grund für die Räu­mung, ein Eigenutzungs­be­darf, angegeben wor­den war. Die Lafim, die sich in der Öffentlichkeit gern als “sozial engagiert” darstellt, hat­te Anzeige erstat­tet, um die im Haus Angetrof­fe­nen zu krim­i­nal­isieren. Im Prozess erk­lärten die Angeklagten, sie sähen eine Haus­be­set­zung nicht als Straftat an, son­dern lediglich als ein bewusstes Über­schre­it­en von geset­zten Grenzen.

Die Stadt­poli­tik Pots­dams zog und zieht sich aus der Affäre: Man sei ein­flus­s­los. Gle­ichzeit­ig wur­den jedoch auch keine Lösungsan­sätze vorgelegt oder Raum für alter­na­tive Wohn- und Lebensen­twürfe geschaffen.

Ver­fahren wegen Form­fehlern eingestellt

Der heutige Prozesstag endete mit ein­er Ein­stel­lung auf­grund von Form­fehlern, die bei der Strafantrag­stel­lung seit­ens der Lafim gemacht wor­den waren.

Wie schon vor zwei Jahren prangerte der The­menkom­plex „Stift­straße“ die Mieten­poli­tik der Stadt an und zeigte, dass sich Oppo­si­tion regt und dass sozialer Druck nicht durch Leug­nen der Prob­leme gelöst wer­den kann.

Beschuldigte: “Wir lassen uns unser Engage­ment nicht nehmen!”

Dazu aus ein­er Erk­lärung der Betrof­fe­nen: „Nicht die Außenseiter_innen, die mit solchen Aktio­nen in der Öffentlichkeit auftreten sind eine Gefahr für die Men­schen­rechte. Son­dern ein stark­er und autoritär­er Staat mit ein­er ‘law-and-order’ Ide­olo­gie, welch­er so weit rechts ste­ht, dass Rechtsterrorist_innen über viele Jahre hin­weg geschützt und gefördert wer­den, ist eine der größten Gefahren. […] Wir lassen uns unser Engage­ment nicht nehmen und erk­lären unsere Sol­i­dar­ität mit allen beset­zten Häusern und den Haus­be­set­zun­gen, die noch kom­men mögen, den Kämpfen von Mieter_innengemeinschaften und den Men­schen, die durch ein Aufzeigen von Missstän­den eine Verän­derung der herrschen­den Ver­hält­nisse her­beiführen wollen.“

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Antifaschismus

Erinnerung an getöteten Obdachlosen

Unter dem Mot­to: „ Nie­mand ist vergessen!“ erin­nerten gestern Abend in Neu­rup­pin unge­fähr 40 Men­schen, darunter viele Mit­glieder und Fre­unde des JWP Mit­ten­drin e.V. sowie des Aktions­bünd­niss­es „Neu­rup­pin bleibt bunt“, an den Tod von Emil Wend­land. Der Obdachlose wurde am 1. Juli 1992 in ein­er Grün­fläche am alten Gym­na­si­um von mehreren Neon­azis ange­grif­f­en, mis­shan­delt und erstochen.

Gegen das Vergessen

In einem ersten Rede­beitrag von zwei Vertreterin­nen des JWP Mit­ten­drin e.V. wurde ver­sucht sich der Per­son Emil Wend­land anzunäh­ern und die let­zten Stun­den seines Lebens zu rekon­stru­ieren. Doch die Erin­nerung an ihm ist nur in Frag­menten erhal­ten, selb­st sein Tod scheint nicht abschließend aufgek­lärt zu sein. Lediglich zwei, der bis zu sieben Täter, wur­den wegen „Totschlag“ oder „gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung“ verurteilt, so die Vertreterin­nen des JWP Mit­ten­drin.
Den­noch will sich der Vere­in nicht mit der Erin­nerungslücke zu diesem düsteren Kapi­tel der Neu­rup­pin­er Stadt­geschichte abfind­en. Zwar wurde die Forderung nach Umbe­nen­nung ein­er Straße zum Gedenken an Emil Wend­land von der Stadt abgelehnt, im let­zten Jahr jedoch auf Betreiben des JWP Mit­ten­drin eine Gedenk­tafel am Tatort errichtet. Auf ihr ist übri­gens auch ver­merkt, dass Neon­azis für den Tod des Obdachlosen ver­ant­wortlich waren. Ein wichtiges Detail, denn Emil Wend­land wird von den Behör­den nicht als „Opfer rechter Gewalt“ anerkan­nt. Entsprechend forderten die bei­den Vertreterin­nen des JWP Mit­ten­drin wieder­holt die Auf­nahme in die entsprechen­den Sta­tis­tiken und somit ein Ende der Bagatel­lisierung der Tat.

Kein Einzelfall

Denn die Tötun­gen von Obdachlosen sind keine drama­tis­chen Einzelfälle, wie ein Vertreter der Antifa West­bran­den­burg in einem weit­eren Rede­beitrag dar­legte. Neun woh­nungslose Men­schen wur­den allein im Land Bran­den­burg aus sozial­dar­win­is­tis­ch­er Moti­va­tion umge­bracht. In der öffentlichen Erin­nerungskul­tur erfährt dies jedoch kaum Beach­tung, so der Antifa-Vertreter weit­er, denn „im Gegen­satz zu Opfern, welche aus ras­sis­tis­chen oder poli­tis­chen Motiv­en ermordet wur­den, haben sie keine Com­mu­ni­ty“. Um so wichtiger erscheint auch die in diesem Rede­beitrag geforderte Anerken­nung Emil Wend­lands als „Opfer neon­azis­tis­ch­er Gewalt“. Staat, Poli­tik und Behör­den sollen sich nicht mehr vor ihrer Ver­ant­wor­tung im Umgang mit dem Neon­azis­mus drück­en kön­nen, so der Vertreter der Antifa West­bran­den­burg. Und den Mördern soll nicht der Erfolg gegön­nt sein, eine Exis­tenz spur­los ver­nichtet zu haben.

Kranznieder­legun­gen als Zeichen der Erinnerung

Anschließend wur­den zwei Kränze zur Erin­nerung an den gewalt­samen Tod von Emil Wend­land neben der Gedenk­tafel nieder­legt und nach ein­er Schweigeminute die Kundge­bung beendet.

weit­ere Fotos: hier

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