INFORIOT — Verschiedenste Veranstaltungen fanden am vergangenem Wochenende in Brandenburg statt. Rechte Versammlungen in Leegebruch, Glöwen, Brück, Bad Belzig und Frankfurt/Oder bekamen deutlichen Gegenwind. Knapp 250 Antifaschist_innen nahmen an einer Gedenkdemonstration für Sven Beuter, der vor 20 Jahren von dem Neonazi Sascha Lücke totgeschlagen wurde, in Brandenburg an der Havel teil. In Lübben (Dahme-Spreewald) marschierten rund 350 RassistInnen und Neonazis für die “Zukunft für ihre Heimat”.
Brandenburg an der Havel — Kraftvolle Antifademo erinnert an Opfer Rechter Gewalt
Am heutigen Samstag den 20.02.2016 versammelten sich rund 250 Antifast*innen unter dem Motto “fighting for 20 years” in Brandenburg an der Havel, um dem vor 20 Jahren durch den Neonazi Sascha Lücke ermordeten Sven Beuter zu gedenken. Die aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt angereisten Teilnehmenden zogen vom Bahnhof der Stadt über den zentralen Marktplatz in das Stadtzentrum. In Redebeiträgen wurde der “Totschlag”, so das damalige juristische Urteil, in Beziehungen zu anderen Tötungsdelikten durch Neonazis gesetzt. Als Beispiele seien hier die angesprochenen Morde an Dieter Eich (Mai 2000) in Berlin-Buch oder Emil Wendland (Juli 1992) in Neuruppin genannt.
Von dort aus zog die Demonstration weiter zu Havelstraße 13, wo es eine Gedenkplatte für den an diesem Ort tödlich misshandelten Sven Beuter gibt. Dort wurden in Erinnerung an den Punk Kränze, Kerzen und zwei Flaschen Bier abgelegt, sowie eine Schweigeminute gehalten. Die Opferperspektive Brandenburg erinnerte dort in einem Redebeitrag daran, dass neonazistische Gewalt nicht nur tödliche Folgen hat, sondern darüber hinaus viele Menschen nach Übergriffen durch die erlittenen Verletzungen ein eingeschränktes und pflegebedürftiges Leben führen.
Abschließend zog die Demonstration zurück zum Bahnhof der Stadt um den anwesenden Antifaschist*innen eine fahrt nach Frankfurt (Oder) zu ermöglichen und das Gedenken mit aktuellen Kämpfen gegen neonazistische Strukturen zu verbinden. Aus diesem Grund wurde spontan auch auf einen geplanter Abstecher zum ehemaligen Wohnhaus von Sven Beuter verzichtet.
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Lübben — Zum dritten Mal fordern extreme Rechte aller Couleur eine Zukunft für ihre Heimat
In Lübben hingegen demonstrierte die Initiative “Zukunft Heimat”. “Für unsere Kinder, für uns, für unsere Heimat” sollte protestiert werden — tatsächlich ging es um die Hetze gegen Flüchtlinge. Am Marktplatz der Spreewaldstadt versammelten sich rund 350 Personen. Damit lag die Teilnehmer_innenzahl deutlich unter jener der letzten Auflagen, als im Januar rund 700 und im Dezember 2015 500 Personen in Lübben zusammen kamen. Zuvor, Ende Oktober, hatte “Zukunft Heimat” im nahen Lübbenau sogar 900 Personen mobilisiert und im Januar erneut 700.
Am jetzigen Samstag sprachen unter anderem Jörg Sobolewski von der Berliner Rechtsaußen-Burschenschaft Gothia, AfDler Jens-Birger Lange und Christoph Berndt von “Zukunft Heimat”. Nico Tews vom Rathenower “Bürgerbündnis Deutschland” warb für einen anstehenden Aufmarsch seiner Gruppe am 5. März in Rathenow. Zu Wort kam auch ein Vertreter des “Bürgerforum Südbrandenburg”, dass sich kürzlich im Zuge einer Serie rassistischer Kundgebungen in Bad Liebenwerda gegründet hat. Fast alle Redner betonten, dass die hier Versammelten lediglich “patriotisch” seien und ganz sicher nicht rassistisch. Währenddessen wehte die schwarz-weiß-rote Reichsfahne über dem Marktplatz. Die Reden wurden lediglich von einem etwa 20-minutigen “Spaziergang” durch die Stadt unterbrochen. Mehrere Redner griffen die Bezichtigung als Nazis und “Braune” durch Politiker_innen und Journalist_innen auf und bemühten sich diese ad absurdum zu führen. Lange, AfD Kreisvorsitzender im Landkreis Dahme-Spree, sah “die Braunen” eher bei den Rot-Grünen Parteien. Er selbst sei weder rechts, noch links, sondern gradlinig. Die verbale Negation half jedoch nichts, erneut befanden sich Neonazis unter den Demonstrationsteilnehmern. Die mögliche Zusammenarbeit der sich betont “bürgerlich” gebenden Initiative “Zukunft Heimat” mit Neonazis ist seit geraumer Zeit Thema verschiedener Medienberichte gewesen.1
Am Rande der Versammlung protestierten rund 20 Menschen. In der direkt benachbarten Paul-Gerhardt-Kirche fand zudem eine “Friedensandacht” statt, bei der Stellung gegen “Zukunft Heimat” bezogen wurde.2
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Frankfurt (Oder) — Deutsche und Polnische Neonazis gemeinsam gegen Geflüchtete
In Frankfurt (Oder) demonstrierten etwa 100 Neonazis gegen den sogenannten “Asylwahn”. Die Gruppierung “Frankfurt/Oder wehrt sich” rief erneut zur Demonstration in die Oderstadt auf. Bereits im vergangenen Jahr veranstalteten die RassistInnen um das Neonazipaar Peer und Franziska Koss hier Demonstrationen. Insgesamt sechs Mal gingen sie auf die Straße mit jeweils abnehmender TeilnehmerInnenzahl.
Wie bei nahezu allen Demonstrationen der Frankfurter war erneut die neonazistische Partei “Der III. Weg” maßgeblich an der Organisation, wie auch in Personenstärke beteiligt. Pascal Stolle, der inzwischen in Eisenhüttenstadt leben soll, war sodann auch der erste Redner an dem Tag auf dem Marktplatz. Björn Brusak, bekannter extrem rechter Liedermacher und Dauerredner auf den neonazistischen Veranstaltungen in Ostbrandenburg, leitete die Demonstration insgesamt. Nach dem Auftakt marschierten die Nazis, wohl aufgrund einer kurzfristigen Routenänderung, über den
Brunnenplatz zur Karl-Marx-Strasse, wo sie dann auf ihrer etwa 2km langen Route einmal quer durch die Innenstadt zogen. Mit “Wir sind das Volk” und “Wir sagen nein zum Asylantenheim” hetzten sie in gewohnter Weise gegen Geflüchtete. Als Novum kann die wohl erstmalige Beteiligung polnischer Neonazis an einem deutschen Neonaziaufmarsch gesehen werden. “Frankfurt/Oder wehrt sich” hatte bereits im Vorfeld die polnische Bevölkerung dazu aufgerufen ebenfalls gegen “Überfremdung” und “Geflüchtete” auf die Strasse zu gehen. Diesem Ruf folgten etwa 20 Neonazis aus der Nachbarstadt Slubice. Das es wie dort, wie auch im restlichen Teil Polens, vor allem aufgrund der strikten Ablehnung von Geflüchteten kaum Asylbewerber_innen gibt, ist da nebensächlich. Besonders kurios wirkte dann die mitgebrachte polnische Fahne zwischen den Deutschland- und Brandenburgfahnen. Noch dazu, dass diese falsch herum getragen wurde.
An den Gegenprotesten, die erneut vom Bündnis “Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)” in Zusammenarbeit mit der Stadt und anderen Initiativen organisiert wurden, beteiligten sich insgesamt etwa 200 Menschen. Auf der zentralen Kundgebung direkt vor dem Rathaus nur wenige Meter vom Auftaktort der Neonazidemonstration entfernt forderten u.a. der Oberbürgermeister Martin Wilke ein weltoffenes Frankfurt, welches Geflüchtete willkommen heißt und HetzerInnen die Stirn bietet.
Ein Großaufgebot der Polizei, u.a. mit Hunden und Hubschrauber vor Ort, verhinderte jegliche Blockadeversuche von Antifaschist_innen. Teilweise wirkten die Polizeikräfte jedoch auch unkoordiniert. So worden Antifaschist_innen nicht zu anderen Gegendemonstrant_innen durchgelassen und durch eine Polizeikette getrennt, obwohl die Nazis bereits ihre Versammlung beendet hatten und nicht mehr in unmittelbarer Nähe waren.
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