Am (Samstag)Vormittag haben am Schulplatz in Neuruppin ungefähr 30 Menschen aus dem Umfeld des linksalternativen Jugendwohnprojektes Mittendrin an die brutale Tötung von Emil Wendland in der Nacht vom 1. Zum 2. Juli 1992 erinnert. Eine dreiköpfige Gruppe Naziskins hatten den auf einer Parkbank schlafenden Wohnungslosen vor 24 Jahren zunächst mit Schlägen und Tritten malträtiert. Dann wurde eine Bierflasche auf seinem Kopf zerschlagen und abschließend mit einem Messer auf ihn eingestochen. Wendland verstarb kurze Zeit später an inneren Blutungen.
Die Tat stellte lokal den Höhepunkt neonazistischer Exzesse Anfang der 1990er Jahre da. „Es gab nur wenige Tage ohne Meldungen in den Zeitungen von rechten Übergriffen, Anschlägen auf Asylsuchendenheime, Treffen von 200+ Nazis, rechten Parolen, Sprühereien“, wie das JWP Mittendrin in einem Aufruf zu dessen heutiger Gedenkkundgebung schrieb. Trotzdem geriet der brutale Gewaltakt über die Jahre lang ins Abseits der Lokalgeschichte. Bereits seit 1993 wurde die Tat nicht mehr in der Statistik des Innenministeriums zu Todesopfern extrem rechter Gewalt geführt. Ein offizielles Andenken an den Getöteten blieb jahrelang aus. Erst die Aufarbeitung der jüngsten Geschichte Neuruppins durch das JWP Mittendrin führte zur Schaffung eines kleinen Ortes der Erinnerung in der Nähe des Schulplatzes. Durch Recherchen des Moses Mendelsohn Zentrums in den ehemaligen Prozessakten zum Verfahren gegen die damaligen Täter wurden 2015 zudem auch eindeutige Belege für einen Gewaltakt mit extrem rechter Motivation gefunden. Das Bundesinnenministerium ergänzte daraufhin seine Statistik. Emil Wendland wurde somit auch offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.
Neuruppin zählt auch heute noch zu den Hauptaktionsräumen des neonazistischen Milieus im Land Brandenburg. Im vergangenen Jahr veranstalteten lokale Neonazis eine Großdemonstration zum Tag der so genannten „deutschen Zukunft“. Gestern (Freitag) versammelten sich Sympathisant_innen der neonazistischen „Freien Kräfte Neuruppin – Osthavelland“, um den Tod von Emil Wendland für propagandistische Zwecke zu missbrauchen. Die Tötung des Wohnungslosen wurde als „subkulturelle Perspektivlosigkeit“ relativiert und neonazistische Weltanschauungsmuster als Grundlage für die Tat verleugnet.
Fotos von der Gedenkkundgebung des JWP Mittendrin: hier
Fotos von der Neonazikundgebung am Freitag: hier
Autor: Shaun
An Aktionen des rechten „Bürgerbündnisses Deutschland“ gegen eine Podiumsveranstaltung der SPD zum Thema Flucht und Integration haben sich am Dienstagabend ungefähr 30 Personen beteiligt. Die Aktivist_innen hatten sich dazu aufgeteilt und an verschiedenen Punkten am und im Tagungsgebäude Störmanöver durchgeführt. Zunächst hatten sich u.a. mehrere Personen am Eingangsbereich postiert, darunter einer mit einer Lenin-Maske vermummter Störer sowie ein Mann, der Flugblätter der extrem rechten „Jungen Freiheit“ verteilte. Wenig später versammelten sich dann ungefähr zwölf Anhänger_innen des „Bürgerbündnisses Havelland“ sowie mehrere später zugestoßene Sympathisant_innen aus dem Landkreis Oberhavel vor dem Veranstaltungsort und demonstrierten mit Schildern und Bannern gegen den auf dem Podium der SPD Veranstaltung erwarteten Justizminister Heiko Maas (SPD) und gegen eine vermeintliche „Asylflut“. Des Weiteren zeigten bekannten Aktivist_innen von „Asylhütte in Potsdam? Kannste Knicken“ und „Asylhütte in Ketzin? Kannste Knicken“ ein Banner der so genannten „Einprozent-Kampagne“, dass sich ebenfalls explizit gegen den Minister richtete. An der Veranstaltung selber nahmen ungefähr zehn weitere Störer_innen teil, die der PEGIDA Havelland und der extrem rechten „Identitären Bewegung“ zuzuordnen waren. Diese waren offenbar einem Aufruf auf der Socialmedia-Seite des rechten „Bürgerbündnisses Deutschland“ gefolgt, in dem sich fast alle vor genannten Vereinigungen zusammengeschlossen hatten. Als Anführer dieser vermeintlich „besorgten Bürger_innen“ gilt der Landiner Nico Tews, der ebenfalls kurzzeitig anwesend war. Trotz der teilweise lautstarken Störmanöver ließen sich jedoch weder die Gäste der SPD Veranstaltung, noch Justizminister Maas, der hauptsächlich angefeindet wurde, beirren. Statt „lauf Heiko lauf“, dem für die Störaktion ausgegebenen Motto des „Bürgerbündnisses“ mit Bezugnahme auf eine ähnliche Vorgehensweise „besorgter Bürger_innen“ am 1. Mai 2016 in Zwickau, hieß es dann eher „Lebewohl“ für die unverbesserlichen Störer_innen. Nach dem diese mehrfach Redebeiträge lautstark gestört hatten, wurden sie des Saales verwiesen. Eine Eskalation der Lage, ähnlich wie bei der Stadtverordnetenversammlung im Februar 2015 in Nauen blieb aus. Auch weil die Mehrheit der anwesenden Teilnehmer_innen, es waren ungefähr 100 Menschne gekommen, offenbar tatsächlich deshalb da waren, um sachlich zu diskutieren. Nun versuchten einige offensichtliche Sympathisant_innen des „Bürgerbündnisses“ und eine bekannte Person der „Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg“ durch Wortergreifung intellektuell in die Diskussion, die auf dem Podium übrigens hauptsächlich zwischen SPD Politikern, Vertretern des Landkreises und einer Vertreterin einer Willkommensinitiative geführt wurde, einzugreifen. Insbesondere Bundesjustizminister Maas, Hauptgast der Veranstaltung in Dallgow ließ es sich, hochmotiviert, daraufhin nicht nehmen, selber die am Abend entgegengebrachten Vorurteile zu entkräften und sich als dialogbereiten, kompetenten und letztendlich auch selbstbewussten Ansprechpartner für die Herausforderungen unserer Zeit anzubieten. Damit war die Verunsicherungsstrategie des „Bürgerbündnisses“ und seiner Kompagnons endgültig gescheitert.
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Eine Kundgebung von ungefähr 90 Funktionären und Sympathisant_innen der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“ in Neuruppin wurde am frühen Abend von ungefähr 15 Gegendemonstrant_innen lautstark gestört. Einem AfD-Gegner gelang es dabei anscheinend auch die Stromzufuhr für die Lautsprecheranlage zu kappen, so dass zeitweise keine Redebeiträge mehr möglich waren. Daraufhin schritt die Bereitschaftspolizei ein. Die Gegendemonstrant_innen wurden abgedrängt. Eine Person wurde kurzzeitig in Gewahrsam genommen.
An der offiziellen Gegenkundgebung von „Neurupppin bleibt bunt“ beteiligten sich ungefähr 100 Menschen. Diese fand weiträumig, u.a. durch Absperrgitter und Polizeisperren getrennt von der Versammlung der AfD statt. Mit einem bunten Programm aus Redebeiträgen und vor allem viel Musik gelang es dem zivilgesellschaftlichen Aktionsbündnis wieder Flüchtlinge und Neuruppiner Bürger_innen zusammenzubringen.
Die AfD und ihre Redner, darunter die Landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz und Alexander Gauland, versuchten hingegen wieder Ängste vor dem Islam und Flüchtlingen zu schüren. Zu deren aufmerksamen Zuhörer_innen gehörten auch am Montagabend wieder Abgesandte der lokalen NPD bzw. der neonazistischen „Freien Kräfte Neuruppin“ sowie des rechten „Bürgerbündnisses Havelland“. Letzt genannte präsentierten sich u.a. mit offenbar selbstangefertigten Bannern auf denen flüchtlings- und EU-feindliche Parolen aufgesprüht waren.
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Im neonazistischen Milieu zeichnet sich momentan wieder eine deutliche Hinwendung zu aggressiv kämpferischen Aktionsformen ab. Während der parlamentarische Raum der extremen Rechten, insbesondere auf Landesebene, immer mehr durch die AfD eingenommen wird und der NPD in Mecklenburg-Vorpommern bei den kommenden Wahlen am 4. September 2016 gar der Rauswurf aus dem Schweriner Landtag droht, scheint sich der militante Teil der Szene immer weiter vom vor allem nationaldemokratisch geprägten Konzept des „Kampfes um die Parlamente“ zu entfernen und stattdessen zum „Kampf um die Straße“ zurückzukehren. Eine Entwicklung die vor allem die neonazistische Kleinpartei „Der III. Weg“ begünstigt. Diese ist zum einen bestrebt in aggressiven PEGIDA-ähnlichen Bewegungen Fuß zu fassen und gleichzeitig sowohl aktionsorientierten, freien Kräften als auch straff organisierten Neonazis eine neue Heimat zu geben. Die Teilnehmer_innenzahlen bei den entsprechenden neonazistischen Veranstaltungen zum 1. Mai untermauern diesen Trend.
Bundesweit größter Neonaziaufmarsch am 1.Mai 2016 in Plauen
Zwar führte die NPD immerhin sechs Veranstaltungen in vier Bundesländern durch, kam aber bei ihrer meist besuchten Versammlung in Schwerin gerade einmal auf 400 Versammlungsteilnehmer_innen. In Bochum (Nordrhein-Westfalen) sollen es 180, in Wurzen (Sachsen) ungefähr 80 und bei drei Kundgebungen in Berlin jeweils um die 50 gewesen sein. Auch die Partei DIE RECHTE kam bei ihrem zentralen Aufmarsch zum 1. Mai in Erfurt (Thüringen) lediglich auf ca. 200 Personen. Die mit Abstand größte Neonazi-Versammlung zum Tag der Arbeit fand hingegen in Plauen (Sachsen) statt. Dem Aufruf des III. Weges zur „Arbeiterkampfdemo“ waren bis zu 1.000 Neonazis, darunter auch größere Personengruppen aus Brandenburg gefolgt.
Brandenburger Neonazis zog es zum III. Weg
Der größte Teil der Brandenburger Versammlungsteilnehmer_innen war aus den kreisfreien Städten Potsdam, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) sowie aus den Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Oder-Spree und Uckermark angereist. Viele dieser Personen hatten sich bereits schon in den Vormonaten an Versammlungen der Partei in Brandenburg beteiligt. Strukturell ist der III. Weg im Land allerdings noch weitgehend unterentwickelt. Lediglich zwei aktive Stützpunkte konnte die Partei hier erst entwickeln. Allerdings wohnt mit Matthias Fischer, der parteiintern auch als „Gebietsleiter Mitte“ fungiert, einer der wichtigsten Funktionäre der Partei in Brandenburg. Nach dem in den ersten Zeit vor allem der Mittelmärker Maik Eminger den Parteiausbau im Land forcierte, rückt nun offenbar immer mehr Fischer in den Vordergrund bzw. tritt als Hauptredner bei Veranstaltungen auf. Zudem haben Versammlungen des dritten Weges in Brandenburg im ersten Halbjahr 2016, im Vergleich zu den letzten sechs Monaten im Jahr 2015 wieder zukommen. Am 9. April gab es sogar in Beelitz und Brück, beides Orte im Landkreis Potsdam-Mittelmark, zwei Mobilisierungsveranstaltungen für den Aufmarsch am 1. Mai in Plauen. Bis auf die üblichen Kader, zogen diese Versammlungen jedoch keine weiteren Interessenten. Umso bemerkenswerter ist es dann, dass neben den bekannten Funktionären und Sympathisant_innen des III. Weges auch eigentlich NPD-nahe freie Kräfte aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin und Havelland nach Plauen reisten. Selbst der nationaldemokratische Neuruppiner Stadtverordnete Dave Trick zog die Versammlung des III. Weges offenbar den Veranstaltungen seiner eigenen Partei in den viel näher liegenden Städten Schwerin, Berlin und Wurzen vor. Mit der Reise von Autonomen Nationalisten aus dem Raum Wittstock/Dosse nach Plauen war hingegen schon vorher gerechnet worden. Schließlich hatte eine im Norden Brandenburgs aktive neonazistische Aktionsgruppe explizit für eine Teilnahme im „schwarzen Block“ des Plauener Aufmarsches geworben. Insgesamt waren aus Brandenburg übrigens ungefähr 30–40 Personen nach Plauen gereist. Dagegen waren in Schwerin, Berlin und Wurzen lediglich jeweils eine Hand voll Brandenburger Neonazis anwesend. Zum Aufmarsch ins Mecklenburgische waren insbesondere „Freie Kräfte“ aus dem Landkreis Prignitz gereist. An der Versammlung in Wurzen nahmen u.a. der Stellvertretende NPD Landesvorsitzende Ronny Zasowk und der nationaldemokratische Stadt- und Kreisrat André Schär aus Bad Belzig (Landkreis Potsdam-Mittelmark) teil. In Berlin beteiligten sich NPD Sympathisant_innen aus den Landkreisen Barnim und Oder-Spree an den Kundgebungen zum 1. Mai. Damit nahmen die meisten Brandenburger Neonazis, die am 1. Mai an Versammlungen teilnehmen wollten, den für sie, wird von den für sie nicht relevanten Aufzügen in Bochum und Erfurt abgesehen, längsten Weg in Kauf.
Erlebniswelt 1. Mai
Eine Rolle für die weite Reise ins sächsische Plauen dürfte dabei auch der Erlebnisfaktor bzw. der wortwörtliche „Kampf um die Straße“ gespielt haben.
Bereits beim letztjährigen Aufmarsch des dritten Weges zum 1. Mai in Saalfeld (Thüringen) hatten Neonazis einen so genannten schwarzen Block gebildet und im späteren Verlauf der Versammlung versucht in dieser Formation Polizeiketten zu durchbrechen. Daraufhin war die Situation eskaliert. Die Polizei schritt ein, schoss sogar mit Tränengas-Kartuschen.
Ähnlich die Situation in diesem Jahr in Plauen. Abermals formierte sich ein „schwarzer Block“, abermals wurde versucht Polizeiketten zu durchbrechen und abermals eskalierte die Lage. Die Neonazis warfen mit Pyrotechnik und Flaschen, die Polizei antwortete mit Pfefferspray und Wasserwerfereinsatz.
Fotos der neonazistischen Versammlungen:
1. Mai in Plauen: Presseservice Rathenow
1. Mai in Schwerin: AST Westmecklenburg und Ney Sommerfeld
1. Mai in Berlin: Theo Schneider und Neuköllnbild
Die Rathenower Polizei hat am frühen Dienstagabend ein bürgerbündniskritisches Großplakat vom Kulturzentrum am Märkischen Platz entfernt und beschlagnahmt. Auf dem hochformatigen Transparent war dem Wortführer des „Bürgerbündnisses Havelland“ als „Kayser von Rathenow“ ironisch „gehuldigt“ worden. Der wirkliche Kaiser, der während seiner Redebeiträge auf den Bündler-Versammlungen gerne Menschen persönlich angreift, diffamiert und beleidigt, zeigte jedoch wenig Humor und machte stattdessen den Erdogan. Ähnlich, wie der berüchtigte türkische Staatschef im Fall Böhmermann, erkannte der Rathenower Bürgerbündnis-Führer in dem Plakat offenbar eine Art Majestätsbeleidigung und erstattete noch vor Ort Anzeige bei der Polizei, die dann anschließend auch einschritt.
Die heutige Versammlung der „Bündler“ verlief hingegen weitgehend belanglos. Zur Kundgebung auf dem Märkischen Platz fanden sich ungefähr 100 Personen aus dem brandenburgischen Havelland sowie den sachsen-anhaltinischen Landkreisen Stendal und Jerichower Land ein. Die Redebeiträge waren, wie üblich, recht vulgär und behandelten, neben den immer wiederkehrenden Diffamierungen und Beleidigungen von Einzelpersonen, die TTIP Verhandlungen zwischen den USA und der EU sowie typische Reichsbürger-Themen.
Am anschließenden „Abendspaziergang“ durch die Stadt beteiligten sich dann noch ungefähr 60 Versammlungsteilnehmer_innen.
Weitere Veranstaltungen des „Bürgerbündnisses“ wird es in Rathenow, gemäß einer als Postwurfsendung zugestellten „Visitenkarte“, am 10. und 24. Mai sowie am 7. und 21. Juni geben.
Fotos:
Eine „Antifaschistische Glitzer Aktion“ hat am Mittwochabend in Nauen gegen eine Versammlung von NPD und „Freien Kräften“ demonstriert. An dem kreativen Protest gegen die jährliche Neonazikundgebung beteiligten sich ungefähr 60 Menschen. Sie forderten u.a. „Party statt Patriotismus“, schwenkten pinke Fahnen, warfen Glitzer-Staub und tanzten zu Trash-Musik aus den 1990er Jahren. Damit hatten sie die volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen, während die Neonazis mit ihrer immer gleichen Choreografie: stramm stehen, Banner zeigen und wahlweise sich von Wagner oder der Tonbandansage berieseln zu lassen, den Party-Menschen auf der andere Seite wenig entgegenzusetzen hatten. Entsprechend gering wurde auch deren Versammlung frequentiert. Weniger als 25 Neonazis aus dem Havelland und dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin hatten sich demzufolge am frühen Abend in Nauen eingefunden.
Toleranzfest deplatziert Neonazi-Kundgebung
Neben den Protesten in Hör- und Sichtweite gab es mit dem „Toleranzfest“ in der Gartenstraße auch noch eine weitere Veranstaltung, die sich gegen die alljährlichen neonazistischen Versammlungen zum 20. April richtete. Das bunte Programm aus Familienfest und Bühnenmusik wurde von mehreren hundert Menschen wahrgenommen und begeisterte vom frühen Nachmittag bis zum späteren Abend. Auch der Bürgermeister, Vertreter_innen des Landkreises und der regionalen Politik nahmen am Toleranzfest teil. Organisiert wurde die Veranstaltung aber hauptsächlich von der lokalen Zivilgesellschaft, insbesondere dem Humanistischen Freidenkerbund Havelland eV und dem Mikado eV. Das Fest findet seit 2012 statt und hat seitdem die neonazistische Kundgebung aus der Stadtmitte verdrängt.
Vorgebliches Erinnern an Bombardierung
Die Neonazis, die sich 2010 und 2011 noch in bester Lage präsentieren konnten, blieb so nur noch der etwas abgelegene Gedenkstein in der Nähe des Friedhofs für ihr vermeintliches Gedenken. Intension der jährlichen Versammlung zum 20. April soll nämlich vorgeblich die Erinnerung an die Bombardierung Nauens im zweiten Weltkrieg sein. Entsprechend gestaltete Banner und Tonbandansagen sollten dieses Ansinnen auch am Mittwochabend untermauern. Allerdings hat der 20. April für Neonazis noch eine andere Bedeutung. Es ist nämlich der Geburtstag von Adolf Hitler. Ein Datum das bereits zu Lebzeiten des NS Verbrechers mit pompösen Aufmärschen begangen wurde. Auch für Neonazis gehört es seit Jahrzehnten zur festen Tradition an diesem Tag an Hitler zu erinnern. Um die Tangierung von Strafgesetzen zu vermeiden, werden derartige Festivitäten aber kaum noch in der Öffentlichkeit durchgeführt. Ein neonazistischer Aufmarsch am 20. April steht deshalb stets unter dem Verdacht als Ersatzveranstaltung für die „Geburtstagsfeierlichkeiten“, zumindest aber als Provokation mit diesem Hintergrund, zu dienen.
Organisierte Neonazistrukturen
Die feste Tradition der Neonazis sich permanent in Nauen zu positionieren hatte in der jüngsten Vergangenheit übrigens auch noch weitere, fatalere Auswirkungen. In der havelländischen Kleinstadt hat sich nämlich ein gut organisiertes neonazistisches Milieu entwickelt, das im vergangenen Jahr durch gezielte Stör-Aktionen, provokative Versammlungen und letztendlich gezielte Anschläge ein Klima der Angst erzeugt hatte. Stadtverordnete sowie mutmaßliche politische Gegner_innen sollten eingeschüchtert und Flüchtlinge erst gar nicht in die Stadt gelassen werden. Höhepunkt der Eskalation war der Brandanschlag auf die als Notunterkunft für Asylsuchende gedachte Sporthalle im Nauener Gewerbegebiet. Damit war dann anscheinend auch das Maß voll. Die Polizei konnte im März diesen Jahres mehrere Tatverdächtige dingfest machen. Der mutmaßliche Haupttäter, der Nauener NPD Stadtverordnete Maik Schneider, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Schneider hatte nachweislich übrigens auch sehr enge Kontakte zu den „Freien Kräften Neuruppin / Osthavelland“, nahm von 2010 bis 2013 regelmäßig an deren Versammlungen zum 20. April teil und führte viele Aktionen des vergangenes Jahres gemeinsam, mindestens aber im Einklang mit Personen aus dieser Vereinigung durch. Diese Zusammenarbeit zwischen NPD und „Freien Nationalen Strukturen“ setzte sich auch am Mittwochabend weiter fort. An der Kundgebung der „Freien Kräften Neuruppin / Osthavelland“ beteiligten sich beispielsweise so auch nationaldemokratische Kommunalpolitiker aus Brieselang (Landkreis Havelland) und Neuruppin (Landkreis Ostprignitz-Ruppin).
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Unter dem Motto: “Solidarisch, demokratisch, vielfältig leben – den Sozialstaat gegen AfD-Wildwuchs verteidigen!” haben am Montagabend ungefähr 250 Menschen in Neuruppin gegen eine Kundgebung der „Alternative für Deutschland“ protestiert. Die rechtspopulistische Partei hatte zuvor, nach Veranstaltungen im Februar und im März, eine dritte Versammlung auf dem Schulplatz angekündigt gehabt. Diesem Aufruf folgten ungefähr 100 Personen aus den brandenburgischen Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Prignitz und Havelland – nur unwesentlich mehr als bei den beiden vergangenen Kundgebungen.
Höcke bei AfD Kundgebung
Hauptredner der AfD-Versammlung war der umstrittene Fraktionsvorsitzende der „Alternative für Deutschland“ im thüringischen Landtag, Björn Höcke. Er gilt als Vertreter extrem Rechter Positionen innerhalb seiner Partei. Während seines Redebeitrages verzichtete Höcke jedoch weitgehend auf all zu offen rechte Statements. Er stellte die AfD vielmehr als eine Partei eines vermeintlichen neuen Typus vor. Aus seiner Sicht sei sie weder „Rechts“ oder „Links“ zu verordnen, noch „Oben“ oder „Unten“. Die AfD soll aber künftig auf jeden Fall – und das unmissverständlich – eine deutsche Partei sein. Dieser vermeintlich „neue“ deutsche Parteientypus, der dann doch eher an bereits bekannte extrem rechte Organisationen erinnert, will sich, so Höcke, vor allem mit sozialen Themen positionieren. Sozial handeln bedeutet für ihn aber nicht etwa ein stärkeres Engagement für mehr soziale Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft, sondern – und hier nähert er sich ebenso extrem rechten Vereinigungen an – in erster Linie eine Sicherung des Wohlstandes vor allem gegen Flüchtlinge durch nationale Abschottung.
Bunt und solidarisch
Die Anhänger_innen derartiger Thesen, zu denen heute wieder der Neuruppiner NPD Ortsverband sowie erstmals auch Vertreter zweier rechter „Bürgerbündnisse“ aus dem Havelland gesellten, blieben jedoch einmal mehr weitgehend unter sich. Die deutliche Mehrheit in der Stadt scheint hinter dem weltoffenen Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ zu stehen, das sich auch heute wieder mit einem vielseitigen Programm mit Musikern und Rednern präsentierte. Weiterhin waren an der Häusern rund um den Schulplatz mehrere bunte Transparente angebracht worden. Höhepunkt war jedoch das gemeinsame Tanzen der Neuruppiner Bürger_innen mit den in der Stadt untergebrachten Flüchtlingen, das gleichzeitig zu einem Statement dafür wurde, dass „sozial“ eben auch ohne „national“ geht.
Gauland für nächste AfD-Kundgebung angekündigt
Trotz der momentan eher geringen Chancen auf politischen Erfolg in der Fontanestadt will die AfD aber auf weitere Versammlungen in Neuruppin nicht verzichten. Für den Montag, den 23. Mai 2016, hatte sie noch am Montagabend die nächste Veranstaltung angekündigt. Dann soll der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland anreisen.
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Mit einer Gaypride durch Neu- und Altstadt ist am frühen Sonntagnachmittag die erste Refugee-LGBTI-Conference in Brandenburg an der Havel zu Ende gegangen. Die Veranstaltung richtete sich vor allem an geflüchtete Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Intersexual. Ihnen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich besser kennen zu lernen, sich zu vernetzen und sich gemeinsam für die Wahrnehmung ihrer Rechte zu engagieren. An der Gaypride beteiligten sich bis zu 200 Menschen.
Die Konferenz selber begann bereits am Freitagabend in den Räumen der Jugendkulturfabrik eV (JUKUFA) mit einem Konzertabend. Am Samstag folgte ein Workshop-Tag mit Beratungen, Netzwerktreffen und einem Selbstverteidigungskurs. 70 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet nahmen daran teil. Die meisten Teilnehmer_innen waren Flüchtlinge aus osteuropäischen Staaten, die sowohl in ihrer Heimat, als auch in einigen Flüchtlingsunterkünften in der Bundesrepublik Repressalien durch homophobe Personen ausgesetzt sind.
Maßgeblich unterstützt wurden die Refugee-LGTBI-Conference und die Gaypride, außer durch die bereits erwähnte JUKUFA, vor allem durch die Partei DIE.LINKE. Deren Bundestagsabgeordneter Harald Petzold hielt auch die Eröffnungsrede und trug das Fronttransparent mit. Weiterhin unterstützen noch die Aidshilfe Potsdam, der AStA der Universität Potsdam, der Migrationsbeirat Potsdam und viele andere lokale Vereine und Organisationen die Konferenz.
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Ungefähr 20 Funktionäre und Sympathisant_innen der neonazistischen Partei des III. Weges veranstalteten am Samstagnachmittag Kundgebungen in Beelitz und Brück (Landkreis Potsdam-Mittelmark). Neben der üblichen NS-ähnlichen Pathetik und ausländerfeindlichen Hetzreden, wurde dabei auch für einen bundesweiten Neonaziaufmarsch dieser Organisation am 1. Mai 2016 in Plauen (Vogtlandkreis, Sachsen) geworben.
Gegen die die beiden Neonazi-Versammlungen positionierte sich vor allem in Brück die regionale Zivilgesellschaft. An einer Gegenveranstaltung, bei der lautstark gegen die neonazistische Kundgebung protestiert wurde, beteiligten sich ungefähr 30 Menschen. In Beelitz wurde hingegen nicht zu Protesten aufgerufen. Dennoch protestierten mehrere Bürger_innen spontan am Rande gegen die Veranstaltung des III. Weges. Zudem gibt es in der Spargelstadt eine Initiative „Beelitz hilft“, die sich ehrenamtlich bei der Betreuung der 90 im Ort lebenden Flüchtlinge engagiert.
Fotos aus Beelitz
Fotos aus Brück
Auch das Interesse an Versammlungen der PEGIDA Havelland in Schönwalde-Glien lässt immer weiter nach. Kamen bei der ersten Veranstaltung im Januar 2016 noch ungefähr 200 und bei der zweiten im Februar noch immerhin 150, waren es bei der dritten am Freitagabend lediglich 90 Teilnehmer_innen. Und neben den Leuten gehen den Veranstalter_innen anscheind auch die Themen aus. Eine Islamisierung Schönwaldes ist immer noch nicht erkennbar und die Flüchtlingszahlen sind auch rückläufig. Lediglich an Einzelpersonen aus Politik und Presse scheint es für die Redner_innen noch lohnenswert zu sein sich persönlich abzuarbeiten.
Bemerkenswert ist auch, dass das neonazistische Milieu langsam das Interesse an derartige Versammlungen zu verlieren scheint. Lediglich eine kleine Abordnung einer lokalen Kamerdschaft erschien so während des Aufzuges mit ihren schwarz-weiß-roten Fahnen. Und von der NPD ließ sich auch nur der NPD Landratskandidat Frank Kittler blicken. Darüber hinaus wurde auf einem Plakat zur Wahl der rechtspopulistischen AfD aufgerufen.
An der Gegenveranstaltung nahmen hingegen wieder deutlich mehr Menschen teil. Ungefähr 150 Personen hatten sich hier zusammengefunden. Auch dort gab es Redebeiträge, u.a. von den Landratskandidaten Martin Gorholt (SPD) und Harald Petzold (LINKE). Die Landratskandidatin Petra Budke von den Grünen war ebenfalls bei der Gegenversammlung anwesend. Neben den dortigen Protesten versuchten Einzelne auch am Rande der PEGIDA-Veranstaltung ihr Missfallen über deren Kundgebung zum Ausdruck zu bringen. Dabei wurde u.a. auch eine Antifa-Fahne gezeigt.
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