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Ein Zeitzeugengespräch mit Dr. Hans Keilson

Es waren etwa 45 BesucherIn­nen, die sich am Vor­mit­tag des 08.10.2007 in
einem kleinen Saal des “Schloss­es” in Bad Freien­walde einfanden,
ges­pan­nt auf die Erzäh­lun­gen eines fast hun­dertjähri­gen Mannes. Doch
diese Erzäh­lun­gen gestal­teten sich weitaus anders, als von den meisten
erwartet. Dr. Hans Keil­son stellte als erstes fest, dass er nicht aus
den Nieder­lan­den angereist wäre um einen Vor­trag zu hal­ten, son­dern dass
er da sei, um mit den BesucherIn­nen zu reden und durch Gespräche und
Diskus­sio­nen auch seine eigene Lebens­geschichte ver­mit­teln würde.
Trotz­dem beka­men die Gäste, größ­ten­teils vom Bad Freien­walder Gymnasium
aber (als “Ehren­gast”) auch der Bürg­er­meis­ter Ralf Lehmann, einen kurzen
Ein­blick über die Per­son “Hans Keil­son”. Dieser ist 1909 in Bad
Freien­walde in ein­er jüdis­chen Fam­i­lie geboren. Mitte der zwanziger
Jahre, kurz vor seinem Abitur, hat­te er seine ersten Begeg­nun­gen mit
Anti­semitismus. Doch ver­suchte er dies hin­ter sich zu lassen als er 1928
nach Berlin ging um Medi­zin zu studieren. Als er sein Studi­um 1934
been­dete, war es den Juden allerd­ings ver­boten jegliche medizinische
Berufe auszuüben. Zwei Jahre lebte Hans Keil­son noch in Deutsch­land, bis
er es nicht mehr aushielt. Er durfte seine nicht-jüdische
Lebens­ge­fährtin nicht heirat­en, auf­grund der “Nürn­berg­er Rassengesetze”,
er hat­te keinen Beruf und die Büch­er die er schrieb wur­den verboten.
1936 flo­hen seine Lebens­ge­fährtin und er schließlich in die Niederlande.
Hier tauchte er unter und lebte als “Dok­tor vaan Der­lin­den”. Er bekam,
während der deutschen Besatzungszeit, das Ange­bot in ein­er illegalen
Unter­grun­dor­gan­i­sa­tion mitzuar­beit­en, die sich damit beschäftige
trau­ma­tisierte, jüdis­che Waisenkinder, die von nieder­ländis­chen Familien
aufgenom­men wor­den waren, zu betreuen. Er willigte ein und arbeit­ete so
jahre­lang. 1939 holte er kurzzeit­ig seine Eltern in die Niederlande,
doch da er der Mei­n­ung war, sie kön­nten mit ihrer Aus­reiseer­laub­nis nach
Palästi­na zu sein­er Schwest­er auswan­dern, beschloss er sie nicht bei
sich aufzunehmen. Diese Entschei­dung wurde ihm jedoch zum Verhängnis.
Seine Eltern kamen in einem Konzen­tra­tionslager ums Leben. Heute lebt er
mit sein­er zweit­en Frau in der Nähe von Ams­ter­damm und ist noch immer
als der älteste Psy­cho­an­a­lytik­er der Welt aktiv. 

Dies war nur ein kurz­er Ein­blick in seine Biogra­phie (kom­plett
nachzule­sen in dem Buch “Das Leben geht weit­er” von Hans Keilson),
men­sch kon­nte aber im laufe von Gesprächen und Diskus­sio­nen noch viel
mehr Einzel­heit­en erfahren. Hans Keil­son war aber selb­st sehr
inter­essiert an der per­sön­lichen Sichtweise der BesucherIn­nen, bezogen
auf Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukun­ft. So wurde über The­men wie die
Entwick­lung des Recht­sex­trem­is­mus in Bad Freien­walde, die Zukunft
Deutsch­lands, die Tak­tiken und Mit­tel von Hitler und der Interaktion
zwis­chen Deutsch­land und Polen disku­tiert. Keil­son begrün­dete sein
Inter­esse mit der Aus­sage: “Sie alle sind Zeu­gen, Zeu­gen der eigenen
Zeit!” Und so wurde auch dem Bürg­er­meis­ter ein­mal mehr deut­lich gemacht,
dass Recht­sex­trem­is­mus ein zunehmendes Prob­lem in Bad Freienwalde
darstellt. Eine junge Frau berichtete, dass sie Angst hätte mit ihrer
kleinen Tochter durch die Straßen zu gehen, weil sie nie wisse wie die
Nazis auf sie reagieren wür­den. Eine Lehrerin des Gym­na­si­ums äußerte
sich insofern, dass es erschreck­end sei, dass dieses The­ma so
gle­ichgültig behan­delt wird und auch mehrere Jugendliche gaben an, dass
das Prob­lem immer schlim­mer wird und dass die Gle­ichgültigkeit der
Gesellschaft trau­rig sei. Auch der Anti­semitismus wurde the­ma­tisiert und
die ver­schiede­nen Def­i­n­i­tio­nen Hans Keil­sons waren inter­es­sant. Er
sagte, er spreche bewusst nicht von Juden, son­dern Antisemitismus
beste­ht aus Ver­fol­gern und Ver­fol­gten. Außer­dem sei Antisemitismus
nichts anderes als die Pro­jek­tion der eige­nen, unbe­wältigten Probleme
auf einen Sün­den­bock. In diesem Fall auf den Juden. Auf die Frage hin,
ob er durch seine Erleb­nisse mit dem Nazi-Deutsch­land nicht einen
unglaublichen Hass auf die Deutschen habe, antwortete er nicht direkt.
Er sagte nur, er sei tief­trau­rig darüber, dass Men­schen zu so etwas
fähig waren. 

Neben­bei bekam men­sch auch inter­es­sante geschichtliche Fak­ten dargelegt.
So wurde die die NSDAP durch einen Mann namens Joseph Schön­felder in Bad
Freien­walde man­i­festiert, vor dem Rathaus hat­te einst Göbbels feurige
Reden gehal­ten und Adolf Hitler per­sön­lich schritt im März 1945 noch
durch das Bad Freien­walder “Schloss”.

Nach zwei Stun­den wurde das Gespräch schließlich been­det, obwohl noch
längst nicht alle The­men aus­geschöpft waren. Zum Abschluss gab Hans
Keil­son seinen BesucherIn­nen noch fol­gende Worte, der Titel eines seiner
Büch­er, mit auf den Weg: “Das Leben geht weiter!”

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Landrat soll sich gegen gekürzte Asylbewerberleistungen einsetzen

BELZIG Die Ver­min­derung der Sozialleis­tun­gen für Asyl­suchende hat kür­zlich den Kreistag Pots­dam-Mit­tel­mark beschäftigt. Lan­drat Lothar Koch (SPD) ist beauf­tragt wor­den, per­so­n­en­spez­i­fis­che Lösun­gen für ein halbes Dutzend Betrof­fene zu find­en. Außer­dem wird sich der Auss­chuss für Soziales und Bil­dung mit der Prob­lematik befassen. 

Nach ein­er Ende August in Kraft getrete­nen Änderung des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes erhal­ten Flüchtlinge ab sofort erst nach vier, statt bish­er nach drei Jahren den monatlichen Satz eines Hartz-IV-Empfängers. Bis dahin müssen sie mit 67 Prozent der Summe auskom­men. Für einen Erwach­se­nen sind das monatlich 224 Euro, Flüchtlingskindern ste­hen zwis­chen 132 und 178 Euro zum Leben zu. 

Entschei­dung über sechs Einzelfälle 

Auch Asyl­suchende, die auf­grund ihrer Aufen­thalts­dauer von mehr als 36 Monat­en schon die höhere Zuwen­dung erhiel­ten, soll­ten zurück­gestuft wer­den. Zwis­chen Hav­el und Fläming sind 69 Per­so­n­en betrof­fen, darunter 16 Kinder. Auf­grund der damit ver­bun­de­nen sozialen Härte hat­te das Amt für Soziales und Wohnen mit der Umset­zung der Regelung gezögert und let­ztlich den Ermessensspiel­raum hin­sichtlich der anzuerken­nen­der Fris­ten zugun­sten von 63 Flüchtlin­gen aus­gelegt. Sie erhal­ten weit­er den vollen Satz. Sechs Betrof­fene fan­den aber keinen Platz im Ermessen. Für sie hätte es ein­er poli­tis­chen Entschei­dung bedurft, zu der der Aus­län­der­beauf­tragte Kees Berk­ouw­er per Tis­chvor­lage angeregt hat­te. Für das Par­la­ment ad hoc eine offen­bar zu große Verantwortung. 

Die Mehrheit der Abge­ord­neten sprach sich zwar frak­tion­süber­greifend für die Behand­lung des Eilantrags aus, den der CDU-Abge­ord­nete Claus-Peter Martensen in den Sozialauss­chuss ver­weisen wollte. “Die Sit­u­a­tion ist beschä­mend genug, da erübrigt sich jed­er weit­ere Kom­men­tar, hier geht es um Men­schen­würde …”, zürnte der bünd­nis­grüne Abge­ord­nete Eber­hard Aden­städt. Auch die Linke, die das Anliegen let­ztlich für den laut Geschäft­sor­d­nung nicht antrags­berechtigten Beauf­tragten über­nom­men hat­te, ver­wen­dete sich für eine schnelle Klärung der sechs Einzelfälle. 

Dass die Vor­lage let­ztlich doch den von Claus-Peter Martensen favorisierten Weg ging, lag vor allem am Auftreten von Thomas Schulz. Der zuständi­ge Fach­di­en­stleit­er im Lan­drat­samt Belzig hat “erhe­bliche rechtliche Bedenken” geäußert und angekündigt, ein entsprechen­des Votum anfecht­en zu lassen. “Es geht hier um ein Bun­des­ge­setz und Asyl­be­wer­ber haben nun mal einen anderen Sta­tus in unser­er Gesellschaft”, sagte er. 

Im Gegen­satz zu ihrer Frak­tion, die prinzip­iell hin­ter dem Antrag stand, fühlte sich Astrit Rabi­now­itsch (Die Linke) als Vor­sitzende des Fachauss­chuss­es “total über­gan­gen”. Eine Vor­lage für den Lan­drat: “Die Recht­sauf­fas­sung ist ausleg­bar, sich unvor­bere­it­et damit zu beschäfti­gen, ist aber nicht gut. Wenn Herr Berk­ouw­er damit zu uns gekom­men wäre”, sug­gerierte der Ver­wal­tungschef, “hät­ten wir sich­er eine Lösung gefun­den.” Nun­mehr ist Lothar Koch per Beschluss mit der Suche danach beauf­tragt. “Ich bin kein Behör­den­we­sen”, kom­men­tierte indes Kees Berk­ouw­er die Debat­te und den Beschluss. Er gehe davon aus, dass ein Gesetz, das dem Gemein­wohl dienen soll, sich aber gemein auswirkt, geän­dert wer­den müsse. 

In Pots­dam keine Einschnitte 

Die Stadt Pots­dam hat die Bun­desvor­gabe ignori­ert. Die 80 betrof­fe­nen Asyl­be­wer­ber, die zwis­chen 36 und 48 Monate in der Lan­deshaupt­stadt leben, erhal­ten weit­er­hin den unge­minderten Satz. Die Beige­ord­nete für Soziales, Elona Müller, begrün­dete dies mit dem notwendi­gen Erhalt der Lebens- und Haushalt­s­pla­nung und ein­er besseren sozialen Integration-

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Rechtsextreme verteilten Nazi-CDs vor Schulen an Kinder

Anger­münde — CDs mit recht­sex­tremen Inhal­ten hat die Polizei in Anger­münde sichergestellt. Die CDs mit den Auf­schriften „Mor­gen­röte oder Abend­däm­merung“ und „Nation­al­buch der Deutschen Jugend“ seien in der ver­gan­genen Woche von bis­lang unbekan­nten Tätern vor allem an Schulen verteilt wor­den, teilte die Polizei gestern mit. Sechs CDs seien bis­lang beschlagnahmt wor­den. Es han­dele sich um recht­sradikale, frem­den­feindliche und jugendge­fährdende Inhalte, die mehrere Straftat­en darstellen. Es seien entsprechende Anzeigen erstat­tet wor­den, hieß es. Die Polizei geht davon aus, dass weit­ere CDs bere­its im Umlauf sind. Sie forderte die Eltern auf, aufmerk­sam zu prüfen, ob ihre Kinder solche Ton­träger mit nach Hause gebracht haben. Sollte dies der Fall sein, sei die Polizei darüber zu informieren. Die Kinder müssten vor der­ar­tigem Gedankengut geschützt werden.

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Brücke mit rechten Symbolen beschmiert

Prem­nitz (Havel­land) Rechte Sym­bole wur­den der Polizei am Mon­tag von der Stein­bo­gen­brücke in der Hein­rich-Heine-Straße gemeldet. Unbekan­nte hat­ten im Bere­ich des Fußweges über die Brücke drei Hak­enkreuze und einen recht­en Schriftzug ange­bracht. Schmier­ereien fan­den sich auch auf einem Fin­d­ling an einem Wohn­haus in der Liebigstraße. Die Polizei nahm Anzeige auf und leit­ete Ermit­tlun­gen zu den Urhe­bern ein. Um die Besei­t­i­gung der Schmier­ereien küm­merte sich die Stadtverwaltung. 

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Pass im Schuh

Bere­its in der Nacht zu Sam­stag ver­suchte ein junger Mann aus Ghana mit einem frem­den Ausweis nach Deutsch­land einzureisen. Bei der Kon­trolle eines Taxis am Gren­züber­gang Frank­furt (Oder) Stadt­brücke legten die bei­den Fahrgäste den Beamten deutsche Per­son­alausweise vor. Bei der Über­prü­fung stell­ten sowohl der pol­nis­che, als auch der deutsche Gren­z­er fest, dass ein­er der bei­den Män­ner nicht mit dem Licht­bild auf dem von ihm vorgelegten Ausweis iden­tisch ist. Der 32-jährige Ghanaer wurde daraufhin vom pol­nis­chen Gren­zschutz festgenommen. 

Nach ein­er kurzen Befra­gung des Tax­i­fahrers rück­te der Begleit­er des Festgenom­men ins Visi­er der Bun­de­spolizis­ten. Der gebür­tige Südafrikan­er gab an, sein Begleit­er sei ein Bekan­nter aus Aachen, der ihn gebeten hätte, ihn aus Polen abzu­holen. Der bei der anschließen­den Durch­suchung im Schuh des Mannes ent­deck­te ghanais­che Reisep­a­ss, der offen­sichtlich seinem Begleit­er gehörte, über­führte ihn jedoch der Lüge. Der 47-jährige erhielt eine Strafanzeige wegen Bei­hil­fe zur uner­laubten Ein­reise und zum Ausweismissbrauch. 

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Protest gegen Militär-Studiengang

(Hen­ri Kramer) Sanssouci — Am Ende war den Stu­den­ten und Lehrkräften des neuen Mas­ter-Stu­di­en­gangs „Mil­itär­sozi­olo­gie“ die Stim­mung bei der Eröff­nungs­feier „ver­dor­ben“. Dies sagte gestern Bern­hard Kroen­er, Dekan an der philosophis­chen Fakultät der Uni­ver­sität Pots­dam – und Ver­ant­wortlich­er für Lehre und Forschung an dem neuen Stu­di­en­gang. Kurz zuvor hat­te sich Kroen­er über eine Stunde lang mit rund 40 Protestieren­den vor seinem Büro stre­it­en müssen. Seine Geg­n­er stammten zum Großteil aus der linken Szene der Stadt und wur­den von Lutz Boede ange­führt, dem Geschäfts­führer der Frak­tion Die Andere. Ihr Mot­to für den Tag: „Bun­deswehr raus aus der Uni!“ 

Der neue Stu­di­en­gang ist im deutschen Sprachraum ein­ma­lig. Dabei sollen Prob­leme rund um das Mil­itär aus gesellschaftswis­senschaftlich­er Per­spek­tive gedeutet wer­den. Boede erk­lärte: „Wir sind nicht gegen den Stu­di­en­gang an sich, weil es wichtig ist zu erforschen, wie Mil­itär in die Gesellschaft hinein­wirkt.“ Allerd­ings sei es nicht hin­nehm­bar, dass die Bun­deswehr ein Part­ner für den Stu­di­en­gang sei – und sog­ar Dozen­ten stelle. „Hier gibt es eine Ver­mis­chung von Inter­essen.“ Der Stu­di­en­gang wird unter anderem vom Sozial­wis­senschaftlichen Insti­tut der Bun­deswehr in Straus­berg getra­gen. Dieses ori­en­tiere sich am Erken­nt­nis­be­darf des Bun­desvertei­di­gungsmin­is­teri­ums und der Bun­deswehr. „Wis­senschaft muss aber kri­tisch sein, so ist sie ein Anhängsel der Bun­deswehr“, so Boede. 

Dem wider­sprach Kroen­er vehe­ment. Die Protestieren­den wür­den mit ihrer Aktion einen großen „Popanz“ auf­bauen. Es sei bere­its seit Jahren üblich, dass Mitar­beit­er der Bun­deswehr auch an der Uni lehren dürften. „Mit den neuen Stu­di­en­gang haben wir nur organ­isatorisch zusam­menge­fasst, was längst schon existierte.“ Zudem werde die Uni­ver­sität von der Bun­deswehr nicht finanziell unter­stützt. Allerd­ings kön­nten ohne die frei­willige Unter­stützung der Dozen­ten mehrere Sem­i­nare nicht stat­tfind­en. Dabei achte die Uni darauf und sei es auch „guter wis­senschaftlich­er Brauch“, dass sich alle Dozen­ten „ordentlich“ vorstellen und ihre Hin­ter­gründe benen­nen wür­den. Den Vor­wurf, dass es nicht so sei, hat­ten einzelne Teil­nehmer des Protests erhoben. So dauerte die laut­starke Diskus­sion rund eine Stunde, die durch den Auftritt von Protest-Clowns unter­brochen wurde. Kurz darauf spielte Lutz Boede Marschmusik mit einem trag­baren Kas­set­ten­deck. Alles blieb friedlich.

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Zweites Sozialforum in Deutschland

Ver­anstal­ter:

Jour­nal­istIn­nen-Kollek­tiv “Krise und Kri­tik” und die pol­nis­che Redak­tion der “Le Monde Diplomatique” 

Thema:

Soziale Kämpfte in Ost€pa und grenzüberschreitende
Gewerkschafts-Zusammenarbeit 

Themenbereich:

Ein anderes Europa ist möglich 

Beschreibung:

Das Jour­nal­istIn­nen-Kollek­tiv “Krise und Kri­tik” und die pol­nis­che Redak­tion der “Le Monde Diplo­ma­tique” ver­ste­hen Jour­nal­is­mus als “ein­greifend­es Denken”. Deshalb möcht­en wir sozialen Wider­stand und eine gren­züber­schre­i­t­ende Zusam­me­nar­beit von Gew­erkschaf­terIn­nen in Europa inten­siv unterstützen. 

Das Sem­i­nar hat zum Ziel AktivistIn­nen aus Polen, Frankre­ich der Schweiz und Deutsch­land zusam­men­zubrin­gen um einen Aus­tausch an Erfahrun­gen und Ideen zu ermöglichen. Das Sem­i­nar ist hand­lung­sori­en­tiert und wen­det sich deshalb expliz­it an Per­so­n­en die Inter­esse an ein­er €päis­chen
Zusam­me­nar­beit inner­halb ein­er bre­it­en sozialen Bewe­gung gegen diene­olib­erale Glob­al­isierung haben. Die jew­eilige Mit­glied­schaft in ein­er Gew­erkschaft ist dabei sekundär. Das Sem­i­nar beste­ht aus zwei Teilen. 

Der erste Teil bet­rifft die Dynamik sozialer Kämpfe in Ost€pa. Am Beispiel Polens sollen die dor­ti­gen Arbeit­skämpfe aus der Sicht der jew­eili­gen Akteure vorgestellt wer­den. Wir geben einen Überblick über die
Entwick­lung der Gew­erkschaft Sol­i­darność seit den 80er Jahren bis heute und analysieren die sozioökonomis­che Sit­u­a­tion Polens im Hin­blick auf ihre Bedeu­tung für Arbei­t­erIn­nen und Kämpfe in Europa. Dazu
wer­den der Chefredak­teur der pol­nis­chen Le Monde Diplo­ma­tique Prze­mysław Wiel­go­sz sprechen sowie pol­nis­che GewerkschafterInnen. 

Einen Ein­blick in die Prax­is regionale Zusam­me­nar­beit gibt uns Boże­na Pierz­gal­s­ka von der NSZZ Sol­i­darność (Region Zie­longórs­ki). Wie
schwierig es ist ein bre­ites Wider­stands­bünd­nis aufzubauen wer­den Bogusław Ziętek, der Vor­sitzende der Gew­erkschaft WZZ Sier­pień 80 sowie Ewa Groszews­ka und Ane­ta Jer­s­ka vom Komi­tee zur Unter­stützung und zum Schutz von Repres­sion betrof­fen­er Arbeit­er (KPi­ORP)
erzählen. Über die Streik­be­we­gung der Kranken­schwest­er berichtet dage­gen die Vor­sitzende der Kranken­schwest­ergew­erkschaft (OZZPiP) Doro­ta Gardias
sowie ihre Kol­legin­nen Jan­i­na Zaraś und Krysty­na Ciem­nik. Jarosław Urbańs­ki von der lib­ertären Inic­jaty­wa Pra­cown­icza (IP) stellt seine Erfahrun­gen bei den Arbeit­skämpfen der IP vor. 

In einem zweit­en Teil wollen wir AktivistIn­nen aus West€pa vorstellen, ihre Arbeitss­chw­er­punk­te und Her­aus­forderun­gen. Hier wollen wir uns mit André Fad­da (CGT St. Nazaire) der Prob­lematik aus­ländis­ch­er Sub­un­ternehmer in Europa (Fall Alstom), den Auswirkun­gen und Möglichkeit­en des EU-Rechts mit Mar­tin Beck­mann (IG Met­all), der Bolkestein-Richtlin­ie sowie den Aus­sicht­en von Streik­maß­nah­men im Kon­text der Finanzwirtschaft und Hedge-Fonds (Fall Reconvili­er in der Schweiz) mit Denise Chervet (Come­dia) zuwen­den. Alain Baron (Sud PTT) und Jean-Pierre Lacaze (Sud PTT) erzählen uns über die Ver­suche das Streikrecht in Frankre­ich einzuschränken und
bericht­en über dor­tige Arbeitskämpfe. 

Anschließend wollen wir gemein­sam über Per­spek­tiv­en und Möglichkeit­en gren­züber­schre­i­t­en­der Aktio­nen in Europa nachdenken. 

Teil­nehmerIn­nen / Rede­beiträge von fol­gen­den AktivistInnen: 

Erster Teil 

Boże­na Pierz­gal­s­ka (NSZZ Sol­i­darność, Polen)

Ane­ta Jer­s­ka und Ewa Groszews­ka »Komi­tee zur Unter­stützung und zum Schutz
von Repres­sion betrof­fen­er Arbeit­er« (KPi­ORP, Polen)

Bogusław Ziętek (Gew­erkschaft “WZZ Sier­pień 80, Polen)

Jarosław Urbańs­ki (Gew­erkschaft Inic­jaty­wa Pra­cown­icza, Polen)

Doro­ta Gar­dias, Jan­i­na Zaraś und Krysty­na Ciem­ni­ak (OZZPiP, Polen)

Prze­mysław Wiel­go­sz (Le Monde Diplo­ma­tique, Polen) 

Zweit­er Teil 

André Fad­da (CGT St. Nazaire, Frankreich)

Alain Baron (Gew­erkschaft Sud-PTT, Frankreich)

Denise Chervet (Gew­erkschaft COMEDIA, Schweiz)

Mar­tin Beck­mann (IG Met­all, Deutschland)


Sam­stag 20.10.2007

Sem­i­nar ins­ge­samt 4h (zwei mal 2h)

Rede­beiträge von ca. 20 Minuten

Pro­gram­men­twurf des Seminars: 

09:00–09:20

Prze­mysław Wiel­go­sz (Le Monde Diplo­ma­tique, Polen)

Die Krise der pol­nis­chen Arbeiterbewegung 

09:20–09:40

Ane­ta Jer­s­ka und Ewa Groszews­ka (KPi­ORP, Polen)

Soziale Bewe­gun­gen und Arbeit­skämpfe in Polen. Die Erfahrun­gen des KPiORP. 

Pause 

10:00–10:20

Doro­ta Gar­dias Jan­i­na Zaraś und Krysty­na Ciemniak
(OZZPiP, Polen)

Der Streik der Krankenschwestern 

10:20–10:40

Boże­na Pierz­gal­s­ka (NSZZ Sol­i­darność, Polen)

Regionale Zusam­me­nar­beit

11:00–11:20

Bogusław Ziętek (WZZ Sier­pień 80, Polen) 

Der Streik in der Zeche Budryk und die Möglichkeit­en von Wider­stand im Neoliberalismus 

11:20–11:40

Jarosław Urbańs­ki (Inic­jaty­wa Pra­cown­icza, Polen)

Tesco, Impel – Per­spek­tiv­en inter­na­tionaler Solidarität 

Pause 

12:00–12:20

André Fad­da (CGT St. Nazaire, Frankreich)

Aus­ländis­che Sub­un­ternehmer und der Streik bei Alstom in St. Nazaire 

12:20–12:40

Alain Baron und Jean-Pierre Lacaze (Sud-PTT, Frankreich)

Inter­na­tionale Sol­i­dar­ität am Beispiel des Streiks bei France Télé­com und MobilCom 

13:00–14:00 Mittagspause 

14:00–14:20

Mar­tin Beck­mann (IG Met­all, Deutschland)

Die Europäis­che Per­spek­tive von Gewerkschaftsarbeit 

14:20–14:40

Denise Chervet (COMEDIA, Schweiz)

Der Streik bei Fil­trona und die Per­spek­tiv­en des Wider­standes in der Schweiz 

14:00

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Potsdam: Bundeswehr raus aus der Uni!

(von Indy­media)
Dieses Semes­ter startet an der Uni Pots­dam der neue Mas­ter­stu­di­en­gang “Mil­i­tary Stud­ies” unter Beteili­gung des Mil­itärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) und des Sozial­wis­senschaftlichen Insi­tutes (SOWI) der Bun­deswehr. Diese Form der Koop­er­a­tion und der Stu­di­en­gang sind bish­er ein­ma­lig in Deutschland.

Die “feier­liche” Begrüßung der Studienanfänger_innen und Eröff­nung des Stu­di­en­ganges wurde gestern erfol­gre­ich gestört.

Der neue Stu­di­en­gang set­zt sich aus Mil­itärgeschichte und Mil­itär­sozi­olo­gie zusam­men, wobei das Insti­tut der Sozi­olo­gie der Uni Pots­dam mit dem SOWI und das Insti­tut für Geschichte mit dem MGFA zusammenarbeiten.
Bewor­ben wurde der Stu­di­en­gang mit den ein­lei­t­en­den Worten:

“Mit dem Zusam­men­bruch der bipo­laren Wel­tord­nung und ein­er sich erhe­blich beschle­u­ni­gen­den Glob­al­isierung haben sich die Par­a­dig­men inter­na­tionaler Poli­tik grund­sät­zlich verän­dert. Krieg und Bürg­erkrieg, Unruhen und eth­nisch-religiöse Kon­flik­te haben an Umfang und Aus­maß erhe­blich zugenom­men, der inter­na­tionale Ter­ror­is­mus mit den Anschlä­gen vom 11. Sep­tem­ber 2001 eine neue Dimen­sion erre­icht. Der­ar­tige Ereignisse und Entwick­lun­gen haben mit­tler­weile auch unmit­tel­bare Fol­gen für die Gesellschaften Europas. Sie führen nicht nur zu ein­er stark verän­derten Wahrnehmung bewaffneter Kon­flik­te und organ­isiert­er Gewalt in der deutschen Bevölkerung, son­dern auch zu einem glob­alen Engage­ment deutsch­er Streitkräfte.”

Schaut men­sch sich die Seite des Stu­di­en­gangs an (www.militarystudies.de) wird sicht­bar, dass die meis­ten Lehren­den aus den Bun­deswehrin­sti­tuten kom­men. Der neue Stu­di­en­gang ist zwar ein­ma­lig in Deutsch­land, darf aber nicht darüber hin­weg täuschen, das es an sehr vie­len Unis Lehrbeau­tragte aus Bun­deswehrin­si­tuten gibt, somit sollte men­sch genau schauen, wie die Sit­u­a­tion an der eige­nen Uni aussieht.

Die Koop­er­a­tion in Pots­dam mit dem MGFA und dem Insti­tut für Geschichte gibt es lei­der schon seit vie­len Jahren, ohne dass dies wirk­lich Kri­tik her­vorgerufen hat. Es hat sich gezeigt, dass neben den bun­deswehrtyp­is­chen Inhal­ten auch kri­tis­che Forschung möglich ist. So wird es wahrschein­lich auch mit Mil­itär­sozi­olo­gie und dem neuen Mas­ter­stu­di­en­gang wer­den. Natür­lich macht es das nicht bess­er und gehört zur Strate­gie, ein­er­seits sich dadurch weniger angreif­bar zu machen, und andr­er­seits Bundeswehrwissenschaftler_innen in der Uni zu ver­ankern, die sich als “haupt­säch­lich” Sozial- und
Geschichtswissenschaftler_innen aus­geben, entwed­er sehr neben­bei und ganz kurz erwäh­nen, für wen sie da im Auf­trag lehren, oder dies ein­fach gar nicht benen­nen, um dann weit­erz­u­fahren in ihren Analy­sen über Sicher­heit­spoli­tik, Soziologie/Geschichte des Krieges, Ter­ror­is­mus, sol­datis­che Moti­va­tion­ssteigerung, Meinungsforschung,…

Dieser weit­ere Zugang zu zivilen Bere­ichen ermöglicht ein­er­seits den Bun­deswehrin­sti­tuten einen besseren Ruf ihrer “Wahrheit­spro­duk­tion”, andr­er­seits bietet direk­ter Kon­takt bessere Chan­cen für Anwerbung.

Im Rah­men der Trans­for­ma­tion des Mil­itärs und der mil­itärischen Ein­sätze wird ein neues Pro­fil erar­beit­et, das großen Bedarf an Akademiker_innen hat, die sich in ihren Forschun­gen um gesellschaftliche Akzep­tanz der Bun­deswehr sor­gen, aber auch selb­st die Kom­pe­ten­zen haben, um z.B. mit NGO´s usw. zusam­me­nar­beit­en zu kön­nen. Let­ztlich also dem Bild der “human­itären” Ein­sätze bess­er entsprechen. So schreibt das SOWI:

„Große Bedeu­tung für den Erfolg des Stu­di­en­gangs in den näch­sten Jahren wird den stu­di­en­be­glei­t­en­den Prak­ti­ka am SWIn­st­Bw und in anderen Dien­st­stellen zukom­men.(…) Nicht zulet­zt mit Blick auf die anste­hende Über­prü­fung durch den Wis­senschaft­srat ist die Beteili­gung des SWIn­st­Bw an diesem bun­desweit ein­ma­li­gen und inno­v­a­tiv­en Stu­di­en­gang „Mil­i­tary Stud­ies“ von großer Bedeu­tung. Sie unter­stre­icht die hohe, anerkan­nte wis­senschaftliche Exper­tise des Insti­tuts und ist gle­icher­maßen Aus­druck der fach­wis­senschaftlichen Ver­net­zung des Insti­tuts in der Wissenschaftslandschaft.“
(SOWI-Jahres­bericht 2006, S.24)

Im sel­ben Text ste­ht auch die ein­deutige Stel­lung­nahme, was unter dieser Form von Wis­senschaft ver­standen wird:
„Das Sozial­wis­senschaftliche Insti­tut ist Teil ein­er Bun­deswehr in der Trans­for­ma­tion und im Ein­satz. (…) Haup­tauf­gaben des Sozialwis­senschaftlichen Insti­tuts sind die ange­wandte streitkräftebezoge­ne sozial­wis­senschaftliche For­schung und die dazu erforder­liche mil­itär­sozi­ol­o­gis­che Grundlagen­forschung.Die Forschung umfasst die Analy­seebe­nen „Inter­na­tionales Sys­tem“, „Nationales Sys­tem und Gesellschaft“, „mil­itärische
Organ­i­sa­tion“, „Sol­dat als Indi­vidu­um“. In diesem Rah­men ist die Forschungs­pla­nung des Insti­tuts nicht frei, son­dern ori­en­tiert sich über­wiegend am Erken­nt­nis- und Unter­stützungs­be­darf des Bun­desministeriums der Vertei­di­gung und der Bun­deswehr.“ (Jahresbe­richt des SOWI 2006, S.5 und 29)

Die Seite der Uni Pots­dam beruft sich auf die “mögliche kri­tis­che Forschung”, den Erhalt der “bedro­ht­en Sozi­olo­gie” und verkauft sich somit an die ressourcenre­ichen “Koop­er­a­tionspart­ner”. Trau­rig ist v.a., dass von stu­den­tis­chen Gremien, wie der Fach­schaft Sozi­olo­gie oder dem AStA bish­er keine Öffentlichkeit geschaf­fen wurde, und es so möglich war, alles ver­traglich abzu­sich­ern und erst einen Monat vor offiziellem Beginn des Stu­di­en­ganges die ersten Ankündi­gungsplakate zu ent­deck­en waren. Let­ztlich wird es an der Studieren­den­schaft hän­gen, ob der Lehrbe­trieb ein­fach so ablaufen kann- wie auch bish­er in Mil­itärgeschichte geschehn- oder ob Protest sicht­bar wird und bleibt.

Fre­itag fand die offizielle Ein­führung des Stu­di­en­ganges statt. Zahlre­iche Uni­formträger kamen ange­fahren- auch im Bun­deswehrauto- um die bish­er 15 Studienanfänger_innen zu begrüßen.Dies kon­nte erfol­gre­ich gestört wer­den, ein net­ter Bericht über die Störak­tion find­et sich bei https://inforiot.de?topic=news&article_id=13090
Am Mon­tag wird der Lehrbe­trieb dann los­gehn, das Vor­lesungsverze­ich­nis, Lehrende und alles weit­ere find­et sich auf www.militarystudies.de
Gön­nen wir ihnen keine Ruhe! Nicht in Pots­dam und nicht ander­swo! Bun­deswehr raus-überall! 

Kon­takt: nomilitarystudies@web.de

Infos über Anwer­bung an Arbeitsämtern 

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Es darf weiter gefesselt werden

Das Ver­wal­tungs­gericht Frank­furt (Oder) hat die Klage ein­er jun­gen Keni­aner­in abgewiesen. Sie war in der Zeit von Sep­tem­ber bis Novem­ber 2003 in ein­er speziellen Zelle der Abschiebe­haft Eisen­hüt­ten­stadt — teil­weise stun­den­lang — an Armen, Beinen und Bauch gefes­selt wor­den. Gegen­stand des Ver­fahrens waren zwei Fes­selun­gen am ersten und zweit­en Okto­ber 2003. Am ersten Tag war die Kla­gende 5 Stun­den und 15 Minuten, dann noch ein­mal 9 Stun­den und 45 Minuten in ein­er speziellen Zelle der Haf­tanstalt auf dem Boden gefes­selt gewesen.

Das Gericht sah die Maß­nah­men allerd­ings als notwendig an. Es habe die Gefahr bestanden, dass sich die Keni­aner­in selb­st ver­let­zen oder Mobil­iar beschädi­gen kön­nte, hieß es zur Begrün­dung des späten Urteils. Für das Anstaltsper­son­al habe es keine andere Möglichkeit gegeben, die Frau zu beruhi­gen, stellte das Gericht fest. Da sie zuvor bere­its einen Schaum­stoff­ball in Brand geset­zt und mit der Toi­let­ten­spülung ihre Zelle über­schwemmt habe, seien die einge­set­zten Maß­nah­men notwendig und angemessen gewesen.
Die Klägerin sel­ber, die Keni­aner­in Alice Kamau, nahm nicht an der Ver­hand­lung teil, sie war bere­its im Dezem­ber 2003 abgeschoben wor­den. Zuvor hat­te sie ihre Erleb­nisse während der Abschiebe­haft in ein­dringlichen Briefen beschrieben. Dort schreibt sie: „Sie fes­seln deine Beine, deine Arme und deinen Bauch. Die Gurte wer­den ange­zo­gen. So dass du deinen Arme und Beine nicht mehr fühlst. Manch­mal kon­trol­liert eine Schwest­er, ob die Gurte noch fest genug sind. Du bleib­st in dieser Posi­tion für vier Stun­den und dann kom­men sie und fes­seln dich erneut, nun aber mit dem Gesicht nach oben.” Dabei habe sie teil­weise auf dem kalten Boden gelegen.
Für die Anwältin der Klägerin, Antje Kla­mann, ist eine solche Ver­fahrensweise nach wie vor nicht hin­nehm­bar. Zwar sei die Anwen­dung von Zwang im Abschiebe­haftvol­lzugs­ge­setz grund­sät­zlich erlaubt, allerd­ings müssten solcher­art tief gehen­den Ein­griffe im Gesetz geson­dert aufge­führt wer­den. Darüber hin­aus ver­stoße die stun­den­lange Fes­selung in Abschiebe­haft gegen das Ver­hält­nis­mäßigkeits­ge­bot und den Artikel 1 des Grundge­set­zes. Nur: Richter Bölicke fol­gte, nach­dem er noch während des Prozess­es die Men­schen­würde berührt sah, in seinem jet­zt vor­liegen­den Urteil dieser Argu­men­ta­tion nicht.

Der Leit­er der Abschiebe­haftein­rich­tung, Regierungs­di­rek­tor Dr. Bock erläuterte vor Gericht die Vorge­hensweise bei Fix­ierun­gen. Er ges­tand einem Prozess­bericht zufolge ein: „Schön ist das nicht”. Dass Frau Kamau suizidge­fährdet und damit haf­tun­fähig gewe­sen sei, verneinte er, obwohl diese mehrfach ver­sucht hat­te sich etwas anzu­tun und beispiel­sweise Sham­poo getrunk­en hatte.
Die Fes­selung von Alice Kamau in Eisen­hüt­ten­stadt ist kein Einzelfall. Ein­er Unter­suchung des Europäis­chen Antifolterkomi­tees vor zwei Jahren zufolge, wur­den auch noch 2004 in vierzehn Fällen und 2005 in fünf Fällen Men­schen in Eisen­hüt­ten­stadt am Boden über Stun­den fix­iert. Auch in anderen Abschiebe­haf­tanstal­ten gibt es der­ar­tige Ein­rich­tun­gen. In der Abschiebe­haf­tanstalt Büren in Nieder­sach­sen und in Ham­burg­er Gefäng­nis­sen existieren, laut EU-Antifolterkomi­tee, ähn­liche Fes­selungsvor­rich­tun­gen. In der Abschiebe­haftabteilung des Ham­burg Unter­suchungs-Gefäng­niss­es sei die dor­tige „schwere Beruhi­gungszelle“ (SBZ) wed­er mit ein­er Gegen­sprechan­lage, noch mit ein­er Videoüberwachung aus­ges­tat­tet. Das Antifolterkomi­tee beze­ich­nete diesen Zus­tand als inakzeptabel.

Die Vorge­hensweisen des Per­son­als inner­halb von Haf­tanstal­ten und die Fes­selung von Insassen bleiben in der Regel der Öffentlichkeit unbekannt.

Tim Zülch (Freier Journalist)

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Uniformverbot für Neonazi-Nachwuchs

(Alexan­der Fröh­lich) Das Innen­min­is­teri­um unter­sagt der Heimat­treuen Deutschen Jugend das Tra­gen ihrer Uni­for­men. Damit rückt ein Ver­bot der recht­sex­tremen Nach­wuch­sor­gan­i­sa­tion näher. Experten hal­ten sie für eine Nach­fol­gerin der ver­bote­nen Wiking-Jugend 

Schlechte Nachricht­en für die braune Kinder­stube: Das Bun­desin­nen­min­is­teri­um hat der paramil­itärischen Nach­wuch­sor­gan­i­sa­tion Heimat­treue Deutsche Jugend (HDJ) ihre Uni­for­men ver­boten. Dies bestätigte eine Min­is­teri­umssprecherin der taz. Auch die Jus­tiz ermit­telt. Damit rückt ein Ver­bot der recht­sex­tremen Truppe näher. 

Recht­sex­trem­is­mu­s­ex­perten wie der Poli­tik­wis­senschaftler Gideon Botsch vom Pots­damer Moses-Mendelssohn-Zen­trum drän­gen auf diesen Schritt. “Das Bun­desmin­is­teri­um sollte ern­sthaft prüfen, die HDJ zu ver­bi­eten”, sagte Botsch der taz. Es gebe Anhalt­spunk­te, dass der Vere­in ein Nach­fol­ger der Wik­ing-Jugend sei. Diese hat­te das Innen­min­is­teri­um 1994 “wegen ihrer Wesensver­wandtschaft mit der NSDAP und der Hitler-Jugend” ver­boten, eben­so die Bil­dung von Ersatzorganisationen. 

Die HDJ erzieht Kinder und Jugendliche in Zelt­lagern mit mil­itärischem Drill und ide­ol­o­gis­ch­er Schu­lung zu stram­men Recht­sex­trem­is­ten. Mehrere Män­ner der Organ­i­sa­tion waren Anfang Juni als “Ein­heit Preußen” in Vere­in­suni­form durch die Kle­in­stadt Oranien­burg in Bran­den­burg marschiert. Auch rang­ho­he NPD-Funk­tionäre mis­chen bei der HDJ mit. Nach Angaben des Berlin­er Ver­fas­sungss­chutzes hat der Vere­in 100 Mit­glieder. In die Camps kom­men — wie beim Pfin­gst­tr­e­f­fen 2006 — bis zu 350 Per­so­n­en, vor allem Minderjährige. 

Trotz­dem weigerte sich das Bun­desin­nen­min­is­teri­um bis zum Juni dieses Jahres, für die HDJ zuständig zu sein. Begrün­dung: Der Vere­in sei for­mal bun­desweit nicht aktiv. Nun rud­ert das Min­is­teri­um zurück. Zu kein­er Zeit sei eine Zuständigkeit für die HDJ in Abrede gestellt wor­den. Der Vere­in sei in mehr als einem Bun­des­land tätig.

Offen­bar hat­te das Min­is­teri­um Anlauf­schwierigkeit­en. “Ich habe den Ein­druck, dass die HDJ von vie­len Beobachtern unter­schätzt wor­den ist”, erk­lärt Poli­tologe Botsch. Die Organ­i­sa­tion hat jedoch selb­st dafür gesorgt, dass sich dies geän­dert hat. 

Mitte Sep­tem­ber gab es Haus­durch­suchun­gen in Berlin, Dres­den und Oranien­burg. Die Staat­san­waltschaft Neu­rup­pin wirft neun Neon­azis wegen des Auf­marschs in Oranien­burg vor, gegen das Uni­for­mver­bot ver­stoßen zu haben. Das Ver­samm­lungs­ge­setz ver­bi­etet es, öffentlich Uni­for­men “als Aus­druck ein­er gemein­samen poli­tis­chen Gesin­nung zu tragen”. 

Die HDJ ver­suchte dies zu umge­hen, indem sie sich auf einen Zusatz für Ver­bände berief, “die sich vor­wiegend der Jugendpflege wid­men” — wie beispiel­sweise die Pfadfind­er. Als die Heimat­treuen eine Aus­nahme vom Uni­for­mver­bot beantragten, ver­wehrte ihnen dies das Innen­min­is­teri­um. “Die Anträge der HDJ sind abgelehnt wor­den, weil eine Gesamtschau der Aktiv­itäten ergibt, dass die poli­tis­che gegenüber der jugendpflegerischen Betä­ti­gung über­wiegt”, sagte eine Sprecherin der taz. Die Entschei­dung sei aber noch nicht recht­skräftig, die HDJ kann dage­gen klagen. 

Weil die Sit­u­a­tion noch unsich­er ist, scheut das Innen­min­is­teri­um klare Aus­sage zu einem möglichen Ver­bot. Experten glauben, dass das Min­is­teri­um die eigene Strate­gie gegen die recht­sex­treme Truppe nicht gefährden will. Doch der poli­tis­che Druck wächst. So fordert auch Berlins Innense­n­a­tor Ehrhart Kört­ing (SPD) ein Ver­fahren gegen die HDJ. Für die NPD wäre das ein schw­er­er Schlag, so Kört­ing, weil “wir ihr den Nach­wuchs verbieten”.

Inforiot