INFORIOT — Das nunmehr dritte Jahr in Folge hat die AfD am 1. Mai in der südbrandenburgischen Großstadt Cottbus demonstriert. 2018 und 2019 stand die rechtsextreme Sozialdemagogie im Vordergrund („Sozial ohne rot zu werden“) – diesmal wurde gegen „Corona“-Wahnsinn mobil gemacht.
Rund 90 AfDler-AnhängerInnen und andere Rechtsextreme waren zu den Aktionen zusammengekommen. Um mit dem derzeitig eingeschränkten Versammlungsrecht umzugehen, wurden fünf Kundgebungen an Orten in der Cottbuser Altstadt ausgerichtet, die von 15 bis 17 Uhr stattfanden. Anmelderin war die AfDlerin Monique Buder, die auch für das rechtsextreme Bündnis „Zukunft Heimat“ in Erscheinung tritt und bis vor kurzem als Stadtverordnete in der hiesigen AfD-Fraktion Mitglied war.
Eigentümliche Werbung
Zu den Aktionen war eigentümlicher Weise fast ausschließlich und sehr kurzfristig auf internen Kanälen geworben worden. Ein Flyer, der in Whatsapp-Gruppen kursierte, erinnerte optisch entfernt an „Zukunft Heimat“-Werbezettel, doch weder dieser Name noch das AfD-Logo waren abgebildet. Durch diese hastige Mobilisierung kam nur der engere Kreis des regionalen und Brandenburger AfD-Milieus zusammen.
Kalbitz trinkt Bier
Stargast bei den Aktionen war der durch seine Neonaziaktivitäten bundesweit bekannte brandenburgische Landesvorsitzende Andreas Kalbitz. Leger plauderte er mit seinen AnhängerInnen, trank Bier, begrüßte Bekannte demonstrativ mit Handschlag. Fast niemand unter den Teilnehmenden trug Mundschutz, auf das Halten von Abstand wurde kaum geachtet. Neben Kalbitz nahmen weitere Mitglieder der Potsdamer AfD-Landtagsfraktion an den Aktionen teil: Christoph Berndt, Lars Schieske und Daniel Münschke – allesamt durch ihre „Zukunft Heimat“-Aktivitäten bekannt. Auch dabei war der AfD-Bundestagsabgeordnete und Studentenverbindungsmann Steffen Kotré.
Antisemitische Reden
In den Reden, die gehalten wurden, wurde durchgängig verschwörungstheoretisch gegen den „Corona-Wahnsinn“ und angebliche Interessen des Microsoft-Gründers Bill Gates gewettert. Die Pandemie wurde heruntergespielt und Schutzmaßnahmen gegen Corona als Herrschafts- und Profiterzielungs-Instrumente dargestellt. Die damit einhergehenden Einschränkungen der Grundrechte war allenfalls ein Anlass, keineswegs aber der Kern der AfD-Agitation in Cottbus.
Ein Redner warnte vor Menschen „wie George Soros, die da glauben, im Hintergrund ihre Fäden spinnen zu müssen“. Er war sich sicher: „Womit wir es zu tun haben, ist eine elitäre Clique, die im Hintergrund glaubt, uns seit Jahrtausenden verarschen zu können.“
Das ist antisemitische Diktion wie aus dem Lehrbuch und darf bei einer Veranstaltung einer Partei wie der brandenburgischen AfD wohl kaum überraschen. Allerdings ist der Widerspruch zu öffentlichen Bekundungen der Partei zu Corona augenfällig. Mit Verve hatte die AfD-Landtagsfraktion noch vor wenigen Wochen die Corona-Maßnahmen der Landesregierung als unzureichend kritisiert. Brandenburg sei Schlusslicht bei den Schulschließungen gewesen, hatte Kalbitz der Landesregierung vorgeworfen. Auch sei der Grenzverkehr nach Polen nicht konsequent genug eingeschränkt worden, hieß es damals aus der Fraktion. Landes- und auch Bundesregierung hätten „schon viel früher“ auf die Bedrohungslage reagieren müssen. Die AfD in Brandenburg verfolgt in ihrer Corona-Politik einen widersprüchlichen Schlingerkurs: Nach innen rechtsextreme Verschwörungsriecherei – nach außen pseudosachliche Kritik an den praktischen Maßnahmen der Regierung.
Neofaschist Hohm tritt wieder im AfD-Kontext in Erscheinung
Bemerkenswert ist, dass als Redner in Cottbus Jean-Pascal Hohm in Erscheinung trat. Der Rechtsextreme ist seit Jahren in der Brandenburger AfD aktiv und hat in verschiedenen Positionen als Ehrenamtler und bezahlt für die Partei gearbeitet. Mehrmals schon wurde er von seiner Partei aus Posten entfernt, nachdem immer neue Belege für seine eindeutig rechtsextremen Aktivitäten öffentlich bekannt und kritisiert wurden. So hatte er unter anderem an einer Reise zu italienischen Neofaschisten teilgenommen, woraufhin er – so wurde offiziell verlautbart – seinen Posten im Vorstand der Cottbuser AfD aufgab. Mit seinem jetzigen Auftritt in Cottbus steht also fest: Da ist er mal wieder.
DGB-Banner zerstört
Vor der Kundgebung auf dem Platz am Stadtbrunnen wurde ein dort aufgehängtes Banner des „Deutschen Gewerkschaftsbundes“ heruntergerissen und auf den Boden geworfen.
Bei den Kundgebungen flatterte unter anderem eine Fahne der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“. Unter den Teilnehmenden waren zudem einige Personen aus der Neonazi-Szene von Cottbus. Unterwegs war auch der „Identitären“-Aktivist und ehemalige Landtagsfraktionsmitarbeiter Paul Meyer.
Hinweise auf Spannungen in der AfD Cottbus
Während die Brandenburger AfD-Landesspitze die Kundgebungen unterstützte, scheint es in den Niederungen der lokalen AfD leichte Bedenken gegen die Demonstrationspolitik und die verschwörungstheoretischen Positionen des „Flügel“-treuen Landesverbandes zu geben. Auf der Facebookseite der AfD Cottbus wurden die Aktionen weder beworben noch erwähnt. Ein Cottbuser AfD-Mitglied vermerkte spitz, dass auch die 1.-Mai-Demonstrationen der Vorjahre nicht von der Cottbuser AfD, sondern vom Nachbarkreisverband Spree-Neiße organisiert worden seien.