Pinnow — Mit dem Verschwinden des NPD Weblogs “Nationales Netztagebuches” und der Entsorgung des gesamten Archivs geht der Webgemeinde eine Quelle nationalsozialistischer Unbedarftheit verloren. Begleitet von ausgiebigen antisemitischen Tiraden, lieferte das Weblog doch immer interessante Aspekte über die Entwicklung der NPD im Barnim und der Uckermark. (Teil 2)
Im August 2008 wurde der NPD-Ortsbereich in Schwedt (Uckermark) reaktiviert. Auf der Versammlung in Schwedt wurde Mike Neumann von 15 der anwesenden Schwedter NPD-Mitgliedern zum Vorsitzenden des Ortsbereiches gewählt. Als Ziel wurde ausgegeben, in den nächsten Jahren einen eigenen Kreisverband Uckermark aufzubauen. Etwa in dieser Zeit verlor Mike Sandow seinen Posten als Kreisvorsitzender. Marco Rohde, bisheriger Organisationsleiter, übernahm das Amt. Erkennbar war das an einer Impressumsänderung im „Nationalen Netztagebuch“.
In den frühen Morgenstunden des 26.08.2008 vernichtete ein brennender Carport in Biesenthal den Fuhrpark der Familie Sandow fast vollständig. Zwei PKWs und zwei Fahrräder wurden Opfer der Flammen, zwei Kinderfahrräder erheblich beschädigt, hieß es im „Nationalen Netztagebuch“. Die NPD spricht von Bombenanschlägen, die Polizei ging von Brandstiftung aus und bemerkte in ihrer Pressemitteilung: „Für das angrenzende Wohnhaus und die darin befindlichen Personen bestand keine Gefährdung.“
Am Nachmittag desselben Tages kam es in Biesenthal zu einer Solidaritätsdemonstration von 150–200 Anhängern der NPD, DVU und freien Kräfte. Der NPD Bundesvorsitzende Udo Voigt und der NPD-Landesvorsitzende Klaus Beier waren ebenfalls herbeigeeilt.
Im September wurde bekannt, dass ein ehemaliges Stasigebäude in Biesenthal, das zuletzt als Asylbewerberheim genutzt wurde, die Begehrlichkeit der NPD geweckt hatte. Mittlerweile ist klar, dass Gebäude und Gelände von einer Devasta GmbH in Gründung gepachtet worden sind. Geschäftsführer dieser Firma ist der Ex NPD-BUM Chef Mike Sandow.
Kreistagswahlen
Die NPD hatte entgegen der Einschätzung des Verfassungsschutzes doch die Absicht in der Uckermark zur Kreistagswahl am 28. September antreten. Die Partei hatte kurzfristig Unterstützer-Unterschriften in Prenzlau, Schwedt, Angermünde und Templin gesammelt und alle notwendigen Unterlagen rechtzeitig eingereicht.
Am 27. September 2008 feierte man in Templin einen Tag vor dem Urnengang ein Demokratiefest als eine Reaktion auf die Ermordung des Arbeitslosen Bernd K. durch zwei Templiner Rechtsextremisten. Auf diesem Fest zeigte sich der NPD-Kandidat für den Wahlkreis Templin, Stefan Schulz, mit Angehörigen einer neuen Kameradschaft, den „Hatecore Warriors Uckermark“. In dieser Gruppe „Autonomer Nationalisten“ waren teilweise auch rechte Schläger aus Templin eingebunden.
Bei den Kreistagswahlen in der Uckermark erreichte die NPD vier Prozent der Stimmen und erhielt zwei Abgeordnetenmandate. Gewählt wurden die 72-jährige Irmgard Hack aus Uhlenhof und der 22-jährige Schwedter Andy Kucharzewsky.
Im Barnim wurde Mike Sandow in die Stadtverordnetenversammlung von Biesenthal und auf der DVU-Liste in den Barnimer Kreistag gewählt. Seine erste Anfrage in der Stadtverordnetenversammlung galt konsequenter Weise auch dem Zustand des Erich-Mühsam-Weges. Das ist die Zugangsstraße zum ehemaligen Stasikomplex, den die Devasta GmbH i. G. gepachtet hat.
Im Nordosten der Uckermark, in Gebieten mit dem Zuzug polnischer Bürger, die meist in Stettin arbeiten und hier kostengünstigen Wohnraum finden, erreichte die NPD im Durchschnitt acht Prozent. Es gab Dörfer mit 36 Prozent (Wollin) und 19,6 Prozent (Bagemühl). Dem Rechtsextremisten Christoph Ziese gelang es ohne Probleme zum Wahlvorstand im Wahllokal von Wollin (Gemeinde Randowtal) ernannt zu werden.
Für die Uckermark lässt sich sagen, dass die jungen Männer aus dem Kameradschaftsumfeld jeden Flecken zwei Mal anfuhren und dort Wahlwerbung verteilten, die gegen den Zuzug von polnischen Bürgern agitierte: „Zunehmend findet besonders in den grenznahen Regionen zu Polen ein gezielter Bevölkerungsaustausch statt, indem jungen deutschen Arbeitslosen angeraten wird, in die westlichen Bundesländer oder gar ins Ausland zu gehen, um Arbeit zu bekommen, gleichzeitig werden vorwiegend polnische Arbeitssuchende in diesen Gebieten angesiedelt.“ So erklärte sich auch das NPD-Wahlplakat mit der Aufschrift „Wir bleiben hier!“
Scheinsiege
Im Oktober startete die NPD Barnim-Uckermark eine Mitglieder-Werbekampagne. Sie schöpfte Hoffnung aus den Ergebnissen bei den Brandenburgischen Kommunalwahlen.
Am 28. Oktober fand die konstituierende Sitzung des Kreistages des Landkreises Uckermark statt. Die 72-jährige NPD-Abgeordnete Irmgard Hack hatte als an Lebensjahren älteste Kreistagsabgeordnete die Aufgabe, den Kreistag zu eröffnen und ihn bis zur Wahl des oder der neuen Vorsitzenden zu leiten. Es gelang ihr nicht, eine politische Rede zu halten, und sie verzichtete unter Protest auf die Eröffnung.
Christoph Ziese schien während der Sitzung einiges zu tun gehabt zu haben. Er rannte rum, hatte standig sein Handy am Ohr und versuchte sogar mit Politikern von die Linke ins Gespräch zu kommen. Neben den Schwedter NPDlern waren einige junge Rechtsextremisten aus Wollin erschienen: Steven Geißler, Christian Karstädt, Erik Linke. Dazu die „Hatecore Warriors“ Franziska Samborski, Nadine Neise und Kevin Müller. Es ging das Gerücht um, dass die rechten KammeradINNen ein Transparent mit der Aufschrift „Linken Terror stoppen“ vorbereitet hatten.
Viel zu feiern — wenig zu lachen
Am 13. Dezember feierten etwas 25 Nazis aus Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg eine vorgezogene Wintersonnenwendfeier in den Räumen eines Prenzlauer Sportvereins. Für den Garten von Frau Hack war es den Rechten wohl zu kalt. Vielleicht wollte man auch der Polizeipräsenz aus dem Wege gehen, denn Frau Hack meldet Veranstaltungen auf ihrem Grundstück als Brauchtumsfeiern beim Ordnungsamt an. In diesem Fall war der Raum unter dem Vorwand “Weihnachtsfeier” angemietet worden. Da die alkoholischen Getränke den Kameraden nicht reichten, wollte sich ein Penkuner Nazi bei einer Nachbarveranstaltung bedienen, was für Streit sorgte und die Polizei auf den Plan rief, die dann die rechte Veranstaltung beendete.
Am 21. Dezember 2008 ließ es ein Autor des “Nationalen Netztagebuches” noch einmal richtig krachen. Stinkig, weil die Polizei eine Wintersonnenwendfeier von 70 Personen in Althüttendorf (Barnim) wegen eines Keltenkreuzes auf dem Feuerholzhaufen gesprengt hatte, wurde sie von den Nazis verspottet und diffamiert. “Übrigens … während den Repressionsmaßnahmen gegen die Feiernden hatte der Triebtäter Werner K. im Nachbarort Joachimsthal alle Möglichkeiten seine Triebe auszuleben. Seine Dauerbewachung wurde in dieser Zeit abgezogen.”, wurde in dem Erlebnisaufsatz über die Polizeiaktion in Althüttendorf fälschlicher Weise behauptet.
Jedenfalls war seit Jahresbeginn 2009 der Erlebnisaufsatz über Althüttendorf aus dem “Nationalen Netztagebuch” verschwunden. Stattdessen empfing man den Weltnetzbetrachter so richtig undeutsch: “Not Found. Sorry, but you are looking for something that isn’t here.”, getreu dem Motto des NN: “Wenn Lüge Wahrheit ist, wird Aufklärung zur Pflicht”.