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Die Krise des Kapitals in Zeiten der Pandemie

Die Ein­schränkun­gen des alltäglichen Lebens, der Ökonomie, let­ztlich aller zwis­chen­men­schlichen Beziehun­gen hat ein bish­er ein­ma­liges und ungekan­ntes Aus­maß angenom­men. Bed­ingt durch die Bedro­hung durch das neue Virus SARS-CoV­‑2 hat es einen glob­alen Shut­down gegeben, eine nahezu kom­plette Stil­l­le­gung aller Gesellschaften. In unter­schiedlichem nationalen Aus­maß star­ben hun­dert­tausende Men­schen. Die Fernse­hauf­nah­men aus Nordi­tal­ien, die zeigten, wie Mil­itär­laster Ver­stor­bene abtrans­portieren mussten, ste­hen bis heute sinnbildlich für die Gefahren dieser weltweit­en Pan­demie mit mit­tler­weile über fünf Mil­lio­nen diag­nos­tizierten Erkrank­ten (WHO, Stand: 24.05.2020, 02:00 CEST).Jede Gesellschaft würde unter diesen Bedin­gun­gen lei­den, doch gibt es spez­i­fis­che Fol­gen, die nur in waren­pro­duzieren­den Gesellschaften oder, anders gesagt, im Kap­i­tal­is­mus auftreten.

Diese gilt es hier näher zu beleucht­en und von den nicht-kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaften zu unter­schei­den. In kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaften pro­duzieren voneinan­der unab­hängige Privatproduzenten*innen für den Markt, während sie die bei ihnen beschäftigten Arbeiter*innen aus­beuten. Alle Waren, die sie pro­duzieren, müssen sich im Aus­tausch mit Geld erst als gesellschaftlich notwendig erweisen. Erst wenn sie wirk­lich verkauft wer­den, gilt die Arbeit, die ihre Her­stel­lung erforderte, als wertvoll. Das heißt: erst nach­dem die Dinge hergestellt wur­den, stellt sich her­aus, ob es für sie ein gesellschaftlich­es Bedürf­nis gibt- genauer gesagt- ein zahlungs­fähiges gesellschaftlich­es Bedürf­nis. Die Tren­nung eines Großteils der Men­schheit (Arbeiter*innen) von ihren Pro­duk­tion­s­mit­teln und der Besitz ebendieser von weni­gen (Kapitalist*innen) bedeutet für Erstere ihre Arbeit­skraft an Let­ztere zu verkaufen. Arbeiter*innen bekom­men aber nicht alle Arbeit  bezahlt, son­dern nur den Teil, den sie benöti­gen, um sich selb­st zu repro­duzieren (Leben­shal­tungskosten, Essen, Wohnen usw.). Dieser vari­iert zu jed­er Zeit und Gesellschaft. Pro­duziert wird über­haupt nur, wenn für Kapitalist*innen Aus­beu­tung möglich ist und sie sich einen Prof­it aneignen können.

Wenn dieses Sys­tem, dass schon in „nor­malen“ Zeit­en mit vie­len Ungerechtigkeit­en, Umweltzer­störung, Krieg und Elend ver­bun­den ist, nun in die Krise kommt, nimmt auch diese eine spez­i­fis­che Form an. Kön­nen oder dür­fen keine Waren pro­duziert und verkauft oder Dien­ste nicht ange­boten wer­den, wird die Pro­duk­tion eingestellt. Dies hat den Arbeit­splatzver­lust von Mil­lio­nen Men­schen zur Folge, die zu den vie­len Unbeschäftigten hinzukom­men, kein Geld mehr ver­di­enen und somit ihr täglich­es Über­leben nicht länger gewährleis­ten kön­nen. Auch wenn es in vie­len west­lichen Gesellschaften erkämpfte Sozial­sys­teme gibt, ste­hen diese längst nicht  allen zur Ver­fü­gun­gen und sind in den meis­ten Län­dern der Erde nicht vorhan­den. Klar, auch mit der Krise gibt es für alle genü­gend Essen, Woh­nun­gen, Autos usw., doch die Ver­fü­gungsmöglichkeit­en darüber wer­den für viele schla­gar­tig verklein­ert bzw. ver­schwinden. Dies ist spez­i­fisch für den Kap­i­tal­is­mus. In ein­er bedürfnisori­en­tierten Pro­duk­tion­sweise wür­den ein­fach alle weit­er ernährt und u.a. mit Wohn­raum und Nahrungsmit­teln ver­sorgt wer­den. Eine möglicher­weise entste­hende Knap­pheit (z.B. bei Desin­fek­tion­s­mit­teln, Masken, Klopa­pi­er, usw.) würde nicht bedeuten, ein­fach den Meistzahlen­den alles auszuhändi­gen, son­dern es den jew­eils Betrof­fe­nen zur Ver­fü­gung zu stellen.Da alle Län­der heute mit ihren Wirtschaft­sräu­men in ein­er Konkur­renz  zueinan­der ste­hen, schaf­fen sie Gren­zen gegeneinan­der oder wirtschaftliche Bin­nen­räume wie die EU. Doch auch dann gibt es EU-Außen­gren­zen. Men­schen, die ver­suchen auf­grund vielfältiger Gründe wie Krieg, Umweltzer­störung, schlechter Sozialver­hält­nisse oder Lebens­be­din­gun­gen, etc. aus einem Land in ein anderes zu fliehen, wer­den davon abge­hal­ten, wegges­per­rt oder in Lager ver­frachtet. Ger­ade in Zeit­en ein­er glob­alen Pan­demie zieht dies entsprechend hohe Infek­tion­srat­en nach sich, egal ob in Elend­slagern wie Moria oder dem Geflüchteten­heim nebe­nan. Viele Men­schen in enge Räum­lichkeit­en zu stopfen, ent­behrt spätestens jet­zt jeglich­er Ver­nun­ft. Doch nicht nur Geflüchtete sind von diesem Unsinn betrof­fen. So sind u.a. auch Arbeiter*innen, die sich in einem Schlacht­be­trieb bzw. den dazuge­höri­gen Wohn­heimen mit Coro­na infiziert haben, von dieser Fahrläs­sigkeit betroffen.

In manchem Kranken­haus scheint das Prof­it­streben und nicht ein unaus­ge­feil­ter Pan­demieplan für hohe Ansteck­ungsrat­en unter Patient*innen und Mitarbeiter*innen ver­ant­wortlich zu sein. Auch in ein­er nichtkap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft würde gear­beit­et wer­den, jedoch nicht unter sor­glos­er Gefährdung der Mitar­bei­t­en­den. Unter kap­i­tal­is­tis­chen Bedin­gun­gen, lässt sich all­ge­mein fes­thal­ten, spitzt sich auch eine Krise wie eine Pan­demie noch weit­er zu. Nicht die Abstand­sregeln oder die fehlende Kita-Betreu­ung wer­den auf Dauer den Aus­gang der Krise bes­tim­men. Fraglich bleibt eher wie lange noch ein Schutz von Risiko­grup­pen gegen ein Weg­brechen ökonomis­ch­er Poten­zen aufrecht erhal­ten wer­den kann. Schon kom­men vor allem Neolib­erale mit  ganz unter­schiedlichen Parteibüch­ern um die Ecke und stellen  wirtschaft­spoli­tis­che Erwä­gun­gen vor die Gesund­heit viel­er Mil­lio­nen Men­schen. Und dies obwohl nicht ein­mal gek­lärt ist, welche Spät­fol­gen Coro­na-Infek­tio­nen nach sich ziehen.

Und das dicke Ende kommt erst nach der Krise, da wer­den dann nach bekan­nter Manier die Unternehmer*innen durch mehr Aus­beu­tung, weniger Bezahlung oder Ent­las­sun­gen ihrer Angestell­ten ver­suchen ihre Ver­luste wieder auszu­gle­ichen. Weit­er­hin wird der Staat genau da den Rot­s­tift anset­zen, wo es am nötig­sten ist. Der Staat wird ‑wie gewohnt- in der Jugend­hil­fe sparen, bei sozialen und kul­turellen Ein­rich­tun­gen das Bud­get kürzen und am Ende wer­den von der Krise, die Men­schen am meis­tens getrof­fen sein, welche es schon davor waren.

Auch die sich im Augen­blick ins Astronomis­che ver­schulden­den Staat­en wer­den dann ten­den­ziell für die weniger Vergüteten die Steuern erhöhen. Die Maß­nah­men gegen die Pademie müssen im Auge behal­ten wer­den. Die bish­er in Deutsch­land zweifel­los erfol­gre­iche Bekämp­fung der Pan­demie muss per­ma­nent neu in Frage gestellt und disku­tiert wer­den. Die Aus­set­zung und Beschnei­dung der Bewe­gungs- und Ver­samm­lungs­frei­heit darf nicht zum Selb­stzweck wer­den, unter Wahrung von Abstands- und Hygien­eregeln muss öffentliche Mei­n­ungsäußerung unbe­d­ingt erlaubt sein. Nicht wenige Regierun­gen wer­den die Pan­demie auch nutzen, um oppo­si­tionelle Grup­pen zu krim­i­nal­isieren. Autoritäre Maß­nah­men, die im Zusam­men­hang mit der Pan­demie ver­hängt wer­den, wer­den wahrschein­lich auch danach noch beste­hen. Dem kön­nen wir nur mit Sol­i­dar­ität und Entschlossen­heit begeg­nen. Nicht Repres­sion und Überwachung sind geeignete Maß­nah­men zur Pan­demiebekämp­fung. In ein­er befre­it­en Gesellschaft würde nach den Bedürfnis­sen der Men­schen pro­duziert und Ver­hält­nisse geschaf­fen, in denen Men­schen Abstand­sregelun­gen ein­hal­ten kön­nen und deren Bedürfnis­be­friedi­gung pri­or­itär ist. Der Kap­i­tal­is­mus ist nicht das Ende der Geschichte, auch ger­ade das zeigt diese Krise!

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