3. Juli 2020 · Quelle: EAP (Emanzipatorische Antifa Potsdam)

Die Krise des Kapitals in Zeiten der Pandemie

Jede Gesellschaft würde unter diesen Bedingungen leiden, doch gibt es spezifische Folgen, die nur in warenproduzierenden Gesellschaften oder, anders gesagt, im Kapitalismus auftreten.

Die Ein­schränkun­gen des alltäglichen Lebens, der Ökonomie, let­ztlich aller zwis­chen­men­schlichen Beziehun­gen hat ein bish­er ein­ma­liges und ungekan­ntes Aus­maß angenom­men. Bed­ingt durch die Bedro­hung durch das neue Virus SARS-CoV­‑2 hat es einen glob­alen Shut­down gegeben, eine nahezu kom­plette Stil­l­le­gung aller Gesellschaften. In unter­schiedlichem nationalen Aus­maß star­ben hun­dert­tausende Men­schen. Die Fernse­hauf­nah­men aus Nordi­tal­ien, die zeigten, wie Mil­itär­laster Ver­stor­bene abtrans­portieren mussten, ste­hen bis heute sinnbildlich für die Gefahren dieser weltweit­en Pan­demie mit mit­tler­weile über fünf Mil­lio­nen diag­nos­tizierten Erkrank­ten (WHO, Stand: 24.05.2020, 02:00 CEST).Jede Gesellschaft würde unter diesen Bedin­gun­gen lei­den, doch gibt es spez­i­fis­che Fol­gen, die nur in waren­pro­duzieren­den Gesellschaften oder, anders gesagt, im Kap­i­tal­is­mus auftreten.

Diese gilt es hier näher zu beleucht­en und von den nicht-kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaften zu unter­schei­den. In kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaften pro­duzieren voneinan­der unab­hängige Privatproduzenten*innen für den Markt, während sie die bei ihnen beschäftigten Arbeiter*innen aus­beuten. Alle Waren, die sie pro­duzieren, müssen sich im Aus­tausch mit Geld erst als gesellschaftlich notwendig erweisen. Erst wenn sie wirk­lich verkauft wer­den, gilt die Arbeit, die ihre Her­stel­lung erforderte, als wertvoll. Das heißt: erst nach­dem die Dinge hergestellt wur­den, stellt sich her­aus, ob es für sie ein gesellschaftlich­es Bedürf­nis gibt- genauer gesagt- ein zahlungs­fähiges gesellschaftlich­es Bedürf­nis. Die Tren­nung eines Großteils der Men­schheit (Arbeiter*innen) von ihren Pro­duk­tion­s­mit­teln und der Besitz ebendieser von weni­gen (Kapitalist*innen) bedeutet für Erstere ihre Arbeit­skraft an Let­ztere zu verkaufen. Arbeiter*innen bekom­men aber nicht alle Arbeit  bezahlt, son­dern nur den Teil, den sie benöti­gen, um sich selb­st zu repro­duzieren (Leben­shal­tungskosten, Essen, Wohnen usw.). Dieser vari­iert zu jed­er Zeit und Gesellschaft. Pro­duziert wird über­haupt nur, wenn für Kapitalist*innen Aus­beu­tung möglich ist und sie sich einen Prof­it aneignen können.

Wenn dieses Sys­tem, dass schon in „nor­malen“ Zeit­en mit vie­len Ungerechtigkeit­en, Umweltzer­störung, Krieg und Elend ver­bun­den ist, nun in die Krise kommt, nimmt auch diese eine spez­i­fis­che Form an. Kön­nen oder dür­fen keine Waren pro­duziert und verkauft oder Dien­ste nicht ange­boten wer­den, wird die Pro­duk­tion eingestellt. Dies hat den Arbeit­splatzver­lust von Mil­lio­nen Men­schen zur Folge, die zu den vie­len Unbeschäftigten hinzukom­men, kein Geld mehr ver­di­enen und somit ihr täglich­es Über­leben nicht länger gewährleis­ten kön­nen. Auch wenn es in vie­len west­lichen Gesellschaften erkämpfte Sozial­sys­teme gibt, ste­hen diese längst nicht  allen zur Ver­fü­gun­gen und sind in den meis­ten Län­dern der Erde nicht vorhan­den. Klar, auch mit der Krise gibt es für alle genü­gend Essen, Woh­nun­gen, Autos usw., doch die Ver­fü­gungsmöglichkeit­en darüber wer­den für viele schla­gar­tig verklein­ert bzw. ver­schwinden. Dies ist spez­i­fisch für den Kap­i­tal­is­mus. In ein­er bedürfnisori­en­tierten Pro­duk­tion­sweise wür­den ein­fach alle weit­er ernährt und u.a. mit Wohn­raum und Nahrungsmit­teln ver­sorgt wer­den. Eine möglicher­weise entste­hende Knap­pheit (z.B. bei Desin­fek­tion­s­mit­teln, Masken, Klopa­pi­er, usw.) würde nicht bedeuten, ein­fach den Meistzahlen­den alles auszuhändi­gen, son­dern es den jew­eils Betrof­fe­nen zur Ver­fü­gung zu stellen.Da alle Län­der heute mit ihren Wirtschaft­sräu­men in ein­er Konkur­renz  zueinan­der ste­hen, schaf­fen sie Gren­zen gegeneinan­der oder wirtschaftliche Bin­nen­räume wie die EU. Doch auch dann gibt es EU-Außen­gren­zen. Men­schen, die ver­suchen auf­grund vielfältiger Gründe wie Krieg, Umweltzer­störung, schlechter Sozialver­hält­nisse oder Lebens­be­din­gun­gen, etc. aus einem Land in ein anderes zu fliehen, wer­den davon abge­hal­ten, wegges­per­rt oder in Lager ver­frachtet. Ger­ade in Zeit­en ein­er glob­alen Pan­demie zieht dies entsprechend hohe Infek­tion­srat­en nach sich, egal ob in Elend­slagern wie Moria oder dem Geflüchteten­heim nebe­nan. Viele Men­schen in enge Räum­lichkeit­en zu stopfen, ent­behrt spätestens jet­zt jeglich­er Ver­nun­ft. Doch nicht nur Geflüchtete sind von diesem Unsinn betrof­fen. So sind u.a. auch Arbeiter*innen, die sich in einem Schlacht­be­trieb bzw. den dazuge­höri­gen Wohn­heimen mit Coro­na infiziert haben, von dieser Fahrläs­sigkeit betroffen.

In manchem Kranken­haus scheint das Prof­it­streben und nicht ein unaus­ge­feil­ter Pan­demieplan für hohe Ansteck­ungsrat­en unter Patient*innen und Mitarbeiter*innen ver­ant­wortlich zu sein. Auch in ein­er nichtkap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft würde gear­beit­et wer­den, jedoch nicht unter sor­glos­er Gefährdung der Mitar­bei­t­en­den. Unter kap­i­tal­is­tis­chen Bedin­gun­gen, lässt sich all­ge­mein fes­thal­ten, spitzt sich auch eine Krise wie eine Pan­demie noch weit­er zu. Nicht die Abstand­sregeln oder die fehlende Kita-Betreu­ung wer­den auf Dauer den Aus­gang der Krise bes­tim­men. Fraglich bleibt eher wie lange noch ein Schutz von Risiko­grup­pen gegen ein Weg­brechen ökonomis­ch­er Poten­zen aufrecht erhal­ten wer­den kann. Schon kom­men vor allem Neolib­erale mit  ganz unter­schiedlichen Parteibüch­ern um die Ecke und stellen  wirtschaft­spoli­tis­che Erwä­gun­gen vor die Gesund­heit viel­er Mil­lio­nen Men­schen. Und dies obwohl nicht ein­mal gek­lärt ist, welche Spät­fol­gen Coro­na-Infek­tio­nen nach sich ziehen.

Und das dicke Ende kommt erst nach der Krise, da wer­den dann nach bekan­nter Manier die Unternehmer*innen durch mehr Aus­beu­tung, weniger Bezahlung oder Ent­las­sun­gen ihrer Angestell­ten ver­suchen ihre Ver­luste wieder auszu­gle­ichen. Weit­er­hin wird der Staat genau da den Rot­s­tift anset­zen, wo es am nötig­sten ist. Der Staat wird ‑wie gewohnt- in der Jugend­hil­fe sparen, bei sozialen und kul­turellen Ein­rich­tun­gen das Bud­get kürzen und am Ende wer­den von der Krise, die Men­schen am meis­tens getrof­fen sein, welche es schon davor waren.

Auch die sich im Augen­blick ins Astronomis­che ver­schulden­den Staat­en wer­den dann ten­den­ziell für die weniger Vergüteten die Steuern erhöhen. Die Maß­nah­men gegen die Pademie müssen im Auge behal­ten wer­den. Die bish­er in Deutsch­land zweifel­los erfol­gre­iche Bekämp­fung der Pan­demie muss per­ma­nent neu in Frage gestellt und disku­tiert wer­den. Die Aus­set­zung und Beschnei­dung der Bewe­gungs- und Ver­samm­lungs­frei­heit darf nicht zum Selb­stzweck wer­den, unter Wahrung von Abstands- und Hygien­eregeln muss öffentliche Mei­n­ungsäußerung unbe­d­ingt erlaubt sein. Nicht wenige Regierun­gen wer­den die Pan­demie auch nutzen, um oppo­si­tionelle Grup­pen zu krim­i­nal­isieren. Autoritäre Maß­nah­men, die im Zusam­men­hang mit der Pan­demie ver­hängt wer­den, wer­den wahrschein­lich auch danach noch beste­hen. Dem kön­nen wir nur mit Sol­i­dar­ität und Entschlossen­heit begeg­nen. Nicht Repres­sion und Überwachung sind geeignete Maß­nah­men zur Pan­demiebekämp­fung. In ein­er befre­it­en Gesellschaft würde nach den Bedürfnis­sen der Men­schen pro­duziert und Ver­hält­nisse geschaf­fen, in denen Men­schen Abstand­sregelun­gen ein­hal­ten kön­nen und deren Bedürfnis­be­friedi­gung pri­or­itär ist. Der Kap­i­tal­is­mus ist nicht das Ende der Geschichte, auch ger­ade das zeigt diese Krise!

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