Der Prozess gegen Wittstocker Nazis vor dem Neuruppiner Amtsgericht endete heute mit drei Verurteilungen und einem Freispruch. Nach insgesamt vier Verhandlungstagen sah es das Gericht als erwiesen an, dass sich die Brüder Dennis und Daniel E. sowie der Neustrelitzer Karsten S. der “gemeinschaftlichen versuchten gefährlichen Körperverletzung” und des Hausfriedensbruches schuldig gemacht haben.
Zur Erinnerung: Unter dem Ruf “Wo ist der Neger” war im Mai 2001 eine Gruppe Neonazis in eine Wohnung eingedrungen, in der sich ein dunkelhäutiger Jugendlicher und sein Freund — der Wohnungsinhaber — aufhielten. Zuvor hatten sie in der darunter liegenden Wohnung gefeiert und Nazimusik (u.a. “Herrenrasse” von “Macht und Ehre”) gehört. Der Dunkelhäutige flüchtete sich aus Angst auf den Balkon, versuchte herabzuklettern, stürzte dabei aus dem dritten Stock und zog sich Verletzungen zu, wegen der er mehrere Tage im Krankenhaus verbringen musste. Der Wohnungsinhaber wurde verprügelt.
Karsten S. wurde zu einem Jahr und einem Monat Gefängnis verurteilt — sein Verteidiger Wolfram Narath (ehemaliger Chef der “Wiking Jugend”, er war u.a. auch Anwalt im Prozess wegen der tödlichen Gubener Hetzjagd) hatte sich in seinem Plädoyer erdreistet, Freispruch zu fordern. Auch die Verteidiger von Sven K. und Dennis E. plädierten auf Freispruch. Dennis E.(Jahrgang 1979) und Daniel E. (Jahrgang 1978) wurden zu eineinhalb bzw. eineinviertel Jahren verurteilt. Die Strafen wurden allesamt nicht zur Bewährung ausgesetzt. Der Richter begründete dies zum einen u.a. mit den einschlägigen Vorstrafen der Angeklagten, zum anderen bezog er sich auf einen Sonderparagraphen, der Bewährungsstrafen auschließt, wenn dadurch sinngemäß formuliert “das öffentliche Vertrauen in die Rechtsprechung beeinträchtigt werden könnte”. Der vierte Angeklagte, Sven K. (Jahrgang 1978), wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Staatsanwalt Clement und die beiden Nebenklagevertreter hatten für ihn zwei Jahre und vier Monate Gefängnis ohne Bewährung gefordert. Sie gingen davon aus, dass Sven K. am Tatort war und sich auch am Verprügeln des Wohnungsinhaber beteiligte, aber von den Mitangeklagten gedeckt würde. Dass die Verurteilten in Revision gehen werden bzw. Berufung einlegen werden ist unbedingt zu erwarten. Die erneute Verhandlung würde dann vor dem Neuruppiner Landgericht stattfinden.
Leider versäumte es der Richter, ausreichend auf die rassistische Motivation der Täter einzugehen. Es war lediglich davon die Rede, dass den Angeklagten “die Hautfarbe des Geschädigten nicht passte”, der ideologische Hintergrund der Neonazis wurde unzureichend beleuchtet.
Wie bei den vorhergehenden Prozessterminen war das Publikum wieder mit Nazis gespickt, die sich erneut gründlich daneben benahmen. Einer versuchte zu Beginn im Treppenhaus des Amtsgerichtes zu filmen, das wurde ihm aber relativ schnell von einem Justizangestellten untersagt.
Hintergrundinformationen:
21.03.02
Dritter Prozesstag
15.3.02
Zweiter Prozesstag
06.03.02
Erster, gescheiterter Verhandlungstag
25.02.02
Pressemitteilung der Opferperspektive zum Prozess
11.11.01
Erster, separater Prozess gegen Haupttäter Dennis S.
20.03.02
Verstärkte Nazi-Aktivitäten in Wittstock
07.03.02
Nazis marschierten wieder durch Wittstock