Unbekannte haben in der Nacht zu Mittwoch mehrere Häuserwände in Brandenburg an der Havel mit rechtsradikalen Parolen beschmiert. Im Bereich diverser Wohnblöcke und Mehrfamilienhäuser nahe der Straßen “Am Hauptbahnhof” und “Kleine Gartenstraße” wurden entliche Nationalismus und Nazi-Parolen mit schwarzer Farbe und Schablonen auf Häuserwände gesprüht. Hinweise nimmt die Kripo Brandenburg unter der Telefonnummer (03381) 560–0 entgegen.
Jahr: 2008
Erfolgreiche Streetparade in Bernau
Am 12. Juli fand unter dem Motto “Keine Stimme den Nazis”, im Rahmen der gleichnamigen Kampagne, eine Straßenparade in Bernau statt. Mit 3 bunten Wagen zog die Parade vom Busbahnhof durch die Stadt. Gegen 17 Uhr ging der Umzug in ein Straßenfest in der Innenstadt über. Ingesamt nahmen rund 300 Menschen an den Veranstaltungen teil. Organisiert wurden die Aktionen vom Jugendtreff Dosto, der Antifaschistischen Aktion Bernau, dem Subtival 1260 e.V. und der Ak Antifa Potsdam, mit Unterstützung des Bernauer Netzwerkes für Toleranz und Weltoffenheit.
Im folgendem ein paar Impressionen.
Zum letzten Schultag vor den Sommerferien, dem traditionellen Tag der
Zeugnisvergabe, erklärt SARAH BENKE, Sprecherin der GRÜNEN JUGEND Brandenburg:
„Schluss mit willkürlicher Notenvergabe, die nur scheinbare Objektivität vorgaukelt!
Zahlreiche Studien der letzten Jahre belegen, dass das Zustandekommen von
Zeugnisnoten anhand subjektiver Kriterien erfolgt und deshalb äußerst kritisch
betrachtet werden muss. Ziffernnoten machen keinerlei Aussagen über individuelle
Lernerfolge und sind jedes Jahr aufs neue der Auslöser für die Stigmatisierung
einzelner SchülerInnen. Sie erzeugen größte Ängste bei Kindern und Jugendlichen und
sind die Ursache für sinnloses Sitzenbleiben und Abgeschultwerden.
Die GRÜNE JUGEND Brandenburg fordert eine sofortige Abschaffung der traditionellen
Notenvergabe. Wir kritisieren das krampfhafte Festhalten an einer stupiden Praxis,
welche die Bewertung von komplexen Lernerfolgen auf eine einzige Note innerhalb der
Ziffernskala von 1 bis 6 beschränkt. Sie ignoriert den Anspruch auf individuelle
Lernerfolgsbeurteilung und ignoriert die Heterogenität von SchülerInnen in einer
Lerngruppe.
Wir sehen in regelmäßig geführten Lerntagebüchern und Entwicklungsberichten eine
adäquate und deutlich nivauvollere Alternative zu der herkömmlichen Notenvergabe.
Wir befürworten das Verfahren, SchülerInnen in regelmäßigen Abständen über ihre
Leistungsstände aufzuklären. Dies soll in Form von Lernentwicklungsgesprächen
stattfinden, in denen individuelle Stärken und Schwächen besprochen werden.
Die GRÜNE JUGEND Brandenburg fordert alle SchülerInnen auf, die Praxis der
Notenvergabe mit ihren LehrerInnen zu diskutieren und sich über die Ungerechtigkeit
eines Verfahrens im Klaren zu werden, welches demotivierend und selektierend wirkt,
sowie einen destruktiven Konkurrenzkampf fördert. Lasst die Zeugnisse fliegen und
eure LehrerInnen nachsitzen!“
Unternehmer zieht Neonazis ab
Der sächsische Unternehmer Mirko Schüring hat die von ihm als Wachschutz engagierten Neonazis vom Baggersee im südbrandenburgischen Zeischa bei Bad Liebenwerda (Landkreis Elbe-Elster) am Wochenende abgezogen. Das sagte Liebenwerdas Bürgermeister Thomas Richter (CDU) am Dienstag auf Anfrage. Seit Anfang Juli hatten die von Schüring zum Schutz seines Betriebsgeländes angeheuerten NPD-Wachmänner die Badegäste vom Strand vertrieben, nachdem auf seinem Gelände mehrmals eingebrochen worden war. Die laut Medienberichten aus dem sächsischen Pirna stammenden Neonazis hatten mehrere Tage lang mit Schlauchbooten am See patrouilliert und den Strand kontrolliert.
Badegäste konnten in den vergangenen beiden Wochen nur das Waldbad nutzen. Seit DDR-Zeiten war das Schwimmen in dem Baggersee erlaubt. An heißen Sommertagen nutzten mehrere tausend Menschen die Strände. Unternehmer Schüring hatte zwischenzeitlich die Verträge und die Absprachen mit der Stadt, wonach dort gebadet werden dürfe, gekündigt.
Am vergangenen Samstag fand in Bernau eine Straßenparade unter dem Motto „Keine Stimme den Nazis“ statt. Veranstaltet wurde diese u.a. durch den Jugendtreff Dosto und die Antifaschistische Aktion Bernau, mit Unterstützung des Netzwerkes für Toleranz und Weltoffenheit. Mit drei bunt geschmückten Musikwagen zog die Parade vom Bahnhof durch die Straßen von Bernau und mündete in einem Fest in der Innenstadt. Neben einem ausgewogenen Musikprogramm, gab es Stände verschiedener Initiativen, die Informationsmaterial gegen Nazis verteilten. Insgesamt nahmen rund 300 Menschen an den Veranstaltungen teil. Am Abend sollte das Fest im Jugendtreff Dosto mit einer Party ausklingen. Doch wegen versuchten Angriffen von Neonazis auf Besucher_innen der Party und einem großen Polizeiaufgebot war es kaum möglich den Abend zu genießen.
Gegen 20.30 Uhr versammelte sich eine Gruppe von 10 – 15 gewaltbereiten Neonazis und versuchte von der Breitscheidstraße auf das Gelände des Kulturhofes, wo sich auch der Jugendtreff Dosto befindet, zu gelangen. Trotz einer schnellen Präsenz der Polizei, wodurch zwar das Betreten des Kulturhofes durch die Nazis verhindert wurde, kam es zu einer länger andauernden Konfrontation zwischen Nazis, Polizei und Besucher_innen.
Dabei wurde die Polizei durch die Nazis mehrfach tätlich angegriffen. Außerdem wurde wiederholt der Hitlergruß gezeigt, sowie Polizei und Besucher_innen beledigt und bedroht. Auf Grund des aggressiven und gewalttätigen Auftretens der Nazis musste damit gerechnet werden, dass diese einen erneuten Angriff versuchen würden. Trotz mehrfacher Aufforderung der Veranstalteter_innen, die Nazis des Platzes zu verweisen, um weitere Provokationen zu unterbinden, schien die Polizei nicht gewillt wirkungsvoll zu handeln. Etwa zwei Stunden später kam es zu einer zweiten Ansammlung. Noch fahrlässiger als beim ersten versuchten Angriff und trotz wiederholten Hinweisen durch die Veranstalter_innen, reagierte die Polizei nicht auf das erneute Erscheinen der Nazis. Wie auch beim ersten Angriff, bedrohten diese die Anwesenden und versuchten mit Gewalt auf das Gelände zu gelangen. Wieder ließ die Polizei die Nazis unbehelligt gehen.
Wir, der Jugendtreff Dosto und die Antifaschistische Aktion Bernau, kritisieren, dass die Polizei die gewalttätigen Nazis nicht in Gewahrsam genommen, geschweige denn Personalien aufgenommen hat, um die Besucher_innen vor Übergriffen zu schützen. Stattdessen versuchten sie die Veranstaltung im Dosto offensichtlich zu unterbinden indem sie wegen angeblicher „Gefahrenabwehr“, so die Begründung der Polizei, Besucher_innen der Party den Zugang auf das Gelände verwehrte.
Kein Bock auf Nazis!
In den letzten Tagen wurden tausende Exemplare der aktuellen Publikation der Initiative “Kein Bock auf Nazis” in Briefkästen, auf Veranstaltungen und vor Schulen in Rathenow und Premnitz verteilt.
Hintergrund der Aktion, die im Rahmen der Kampagne “Keine Stimme den Nazis” durchgeführt wurde, sind die am 28. September 2008 im Land Brandenburg stattfindenden Kommunalwahlen.
Hierzu wird auch die (neo)nazistische NPD Kandidaten für die Kreis — und Kommunalparlamente aufstellen, deren Ziel es sein wird als gewählte Volksvertreter das rassistische, antisemitische und völkische Parteiprogramm in allgemeinverbindliche Gesetze und Verordnungen zu manifestieren.
Im Internet und auf Flugblättern hat der für das Westhavelland zuständige NPD Kreisverband Havel Nuthe bereits angekündigt, zur Wahl des in Rathenow sitzenden Kreistages anzutreten und ist diesbezüglich bemüht ein bürgerliches Image zu kreieren um sich in der so genannten “Mitte der Gesellschaften” zu etablieren.
Die Kampagnen “Kein Bock auf Nazis” und “Keine Stimme den Nazis” bieten dagegen ein Blick hinter die Kulissen, entzaubern so die menschenverachtende Ideologie der NPD sowie die unrühmliche Biografie der führenden Parteisoldaten und appellieren somit an die Vernunft der Wähler.
28. September 2008 — Deine Stimme gegen Nazis!
Julia S.-Verfahren eingestellt
(Henri Kramer)
Im so genannten „Julia S.“-Verfahren ist das Verfahren gegen den mutmaßlichen Haupttäter Patrick B. drei Jahre nach der Tat vom Potsdamer Landgericht eingestellt worden. Das sagte Frank Thiemann, der Sprecher des Gerichts, den PNN – und betonte: „Dies ist kein Freispruch.“
Der Fall „Julia S.“ hatte im Sommer 2005 für Bestürzung gesorgt, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen versuchten Mordes von Linksextremen an einem Neonazi. Linke hatten den immer noch in der rechten Szene aktiven Benjamin Oe. aus Fahrland vor dem Café Heider zusammengeschlagen. Mit Julia S. saß eine der Verdächtigen fünf Monate lang in Untersuchungshaft, es gab Proteste in der linken Szene. Sie wurde später zusammen mit anderen am Potsdamer Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Maximal wurden Bewährungsstrafen verhängt. Allerdings hob der Bundesgerichtshof das Urteil gegen Patrick B. in diesem Jahr auf, weil die Beweisführung des Potsdamer Gerichts einer rechtlichen Überprüfung „nicht stand“ halte und ein „Rechtsfehler“ vorliege.
Die Einstellung sei allerdings nicht mangels Beweisen, sondern vor allem wegen der langen Verfahrensdauer vorgenommen worden, sagte Thiemann. Dadurch sei die zu erwartende Strafe nur noch gering, „unabhängig von der Wahrscheinlichkeit der Verurteilung.“
Im Zweifel für die Angeklagten
Prenzlau (ipr) Zwei Männer aus Schwedt sind gestern vor dem Amtsgericht Prenzlau vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen freigesprochen worden.
Sylvio K. (30) und Bernd T. (44) war vorgeworfen worden in den frühen Morgenstunden des 15. Julis 2007 auf dem Parkplatz gegenüber der Gaststätte “Zum Schwan”, mehrfach „Heil Hitler!“ gebrüllt und dazu mehrfach den „Hitlergruß“ gezeigt zu haben. Der gelernte Gärtner Bernd T. wurde in Handschellen vorgeführt, weil er zum ersten Gerichtstermin am 3. Juni nicht erschienen war und der Strafrichter daraufhin einen Haftbefehl erlassen hatte.
Beide Angeklagten bestritten die Tat und lieferten vor Gericht eine durchaus plausible Erklärung, dass da jemand im Laternenlicht, ein Winken zu einem Fenster im 3. Stock und den Gruß „Hi“ zu einem „Hitlergruß“ und dem Ausruf „Heil Hitler!“ umgedeutet haben müsse.
Dieser jemand war ein Polizeibeamter, der in der Nacht allein mit dem Streifenwagen in der Fußgängerzone der Friedrichstraße unterwegs war. Er wollte aus 40 Metern bei geschlossenem Fenster eindeutig erkannt haben, das die stark alkoholisierten Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Delikte begangen haben. Der Beamte war schlecht vorbereitet. Er antwortete auf die Fragen des Richters unpräzise und verwickelte sich in Widersprüche, die er damit konterte, dass er immer wieder auf das von ihm geschriebene Protokoll verwies.
Der Staatsanwalt sah die Schuld der Angeklagten durch die Aussage des Polizeibeamten als erwiesen an und forderte in seinem Plädoyer für beide Angeklagten, die vorher noch nie mit dem Paragrafen 86a in Berührung gekommen waren, eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro. Die beiden Verteidiger forderten für ihre Mandanten einen Freispruch.
Diesem Urteil schloss sich der Richter an. Er vermisste bei den Angeklagten eine Motivlage. Er beurteilte die Erklärung des Polizeibeamten als widersprüchlich und verzichtete auf die Würdigung der Aussage zweier Zeuginnen, die die Version der Angeklagten stützten.
Er fand, hier stehe Aussage gegen Aussage. Deshalb sei im Zweifelsfall zugunsten der Angeklagten zu entscheiden.
Beschleunigt in den Knast
Prenzlau (gegenrede.info) Am Mittwoch wurde ein 31-jähriger Templiner vor dem Amtsgericht Prenzlau in einem beschleunigten Verfahren zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Angeklagt worden war der Mann wegen Vollrausch in Verbindung mit Bedrohung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Das Gericht hielt es für erwiesen, dass Daniel B. sich am Abend des 21. Juni diesen Jahres mutwillig betrunken und danach in den Morgenstunden auf dem Heimweg in der Fürstenberger Straße in Templin mehrfach „Sieg Heil“ gegrölt hatte. Es schenkte den Aussagen eines 21-jährigen Abiturienten Glauben, der Daniel B. wegen des „Sieg Heil“ Gegröles zur Rede stellen wollte, dass der ihn daraufhin mit Worten wie „Ich werde dich fertig machen!“, „Ich bringe dich um!“ „Ich steche dich ab!“ bedroht habe.
Der bullige Daniel B. sprach von einem Filmriss. Er konnte sich an die Vorkommnisse in der Nacht nicht erinnern. Er wusste nur, dass der Abiturient ihn bis zu seinem Grundstück in den Ahornweg verfolgt hatte, und er sich von ihm bedroht fühlte.
Ein Polizeibeamter, der in dieser Nacht von dem Abiturienten zur Hilfe gerufen worden war, erklärte vor Gericht, dass er bei dem Angeklagten einen Atemalkoholgehalt von 2,39 Promille festgestellt habe. Er berichtete, dass es bei der anschließenden Blutentnahme im Krankenhaus zu weiteren „Sieg Heil“ Rufen im Beisein des Arztes gekommen sei, für die sich Daniel B. bei den anwesenden Polizisten sofort wieder entschuldigt habe.
Der Staatsanwalt verwies in seinem Plädoyer auf das Strafregister des heute 32-jährigen Angeklagten, das seit 1995 insgesamt 10 Verurteilungen wegen „Gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung“, „unerlaubten Waffenbesitzes“ und „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufweist. Er zeigte Verständnis dafür, dass Daniel B. wegen der Schwangerschaft seiner Freundin und der Geburt des Kindes eine nach der letzten Verurteilung angekündigt Alkoholtherapie verschoben hatte. Er billigte aber nicht, dass er sie nach der Geburt des Kindes nicht nachgeholt hat.
Weil sich Daniel B. zum Tatzeitpunkt nur auf Bewährung in Freiheit befand und er nach Auffassung des Staatsanwaltes nicht bereit ist, die Chancen zu nutzen, die er von den Gerichten immer wieder erhalten hatte, forderte er eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung.
Der Verteidiger stimmte der Argumentation und dem geforderten Strafmaß des Staatsanwaltes zu. Er war aber der Meinung, dass es für Daniel B. sinnvoller wäre, die Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen und mit einer Therapieauflage zu versehen. Er fürchte, dass die Staatsanwaltschaft den Widerruf der bisherigen Bewährung beantragen werde und so aus sechs Monaten schnell 18 werden würden.
Dem konnte das Gericht nicht folgen. Der Strafrichter sah keinen Spielraum mehr für eine weitere Bewährungsstrafe und verurteilte den Angeklagten zu sechs Monaten Freiheitsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
“Durchaus etwas erreicht”
Ferdinand Ngninkeleji kam vor fünf Jahren als Flüchtling von Kamerun nach Deutschland. Seitdem ist er Mitglied der Flüchtlingsinitiative Brandenburg (FIB), die sich seit 1998 für die Rechte von Asylbewerbern einsetzt.
Konnte die Arbeit der FIB in den vergangenen Jahren die Situation der Asylbewerber verbessern?
In einigen Städten haben wir durchaus etwas erreicht. Die Asylbewerber in Cottbus und in Potsdam erhalten beispielsweise jetzt keine Gutscheine mehr, mit denen sie nur in bestimmten Supermärkten einkaufen gehen konnten. Dank unserer Arbeit bekommt ein Asylbewerber, der ein Jahr in einem Wohnheim gelebt hat, mittlerweile Bargeld ausbezahlt, darf ein Konto bei der Sparkasse einrichten und kann eine eigene Wohnung in der Stadt beantragen.
Gemeinsam mit The Voice hat die FIB vor Jahren die Anti-Residenzpflichtkampagne gegründet. Wie stehen die Chancen, dass das Verbot, den Landkreis ohne Urlaubsschein zu verlassen, abgeschafft wird?
Vor fünf Jahren hat es ständig polizeiliche Kontrollen von Schwarzen auf den Bahnhöfen, in den Zügen und in Berlin gegeben. Das war sehr schlimm. In der letzten Zeit ist es aber etwas besser geworden. Es gibt weniger Kontrollen, sie nicht mehr so intensiv wie vor fünf Jahren.
Wird die Residenzpflicht von den Beamten nicht mehr so ernst genommen?
Nein, es ist immer noch so, dass jemand, der die Residenzpflicht verletzt, bestraft wird. Durch die Beschränkung der Bewegungsfreiheit werden den Menschen allerlei Rechte beschnitten und auch die politische Betätigung erschwert. So hat zum Beispiel ein Freund von mir an einer Veranstaltung auf der Antikolonialen Konferenz in Berlin mitgewirkt. Er wohnt in Bahnsdorf und unterliegt dort der Residenzpflicht. Einen Monat nach der Veranstaltung bekam er einen Brief von der dortigen Ausländerbehörde, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er ohne Urlaubsschein in Berlin war und deshalb eine Strafe an den Landkreis bezahlen muss.
Wie hoch ist die Strafe wegen Residenzpflichtverletzung?
Das lässt sich nicht genau sagen, da dies im Ermessen der Behörde des jeweiligen Landkreises liegt. In Cottbus beispielsweise werden ungefähr 125 Euro verlangt, wenn jemand zum zweiten Mal erwischt wird, können es schon mal 500 Euro sein.
Was sind die größten Probleme, mit denen Asylbewerber nach wie vor konfrontiert sind?
Das Spezifische in Deutschland sind die Residenzpflicht und das Lagersystem. Das gibt es in dieser Art nirgendwo anders. Außerdem darf beispielsweise in Frankreich ein Asylbewerber studieren und arbeiten, was er in Deutschland nicht darf, und das macht die Situation hier sicherlich auch schlimmer als anderswo. In Parchim beispielsweise wohnen die Asylbewerber in einem abgelegenen Wald und haben keinen Kontakt mit den Dorfbewohnern. Sie leben völlig isoliert. Das hat zum einen schwere psychische Folgen, und außerdem wird den Menschen jede Möglichkeit genommen, in diesem Land einen Aufenthaltsstatus zu bekommen. Denn kaum ein Asylverfahren wird positiv bescheinigt. Die einzige Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu bekommen, besteht darin, eine deutsche Frau beziehungsweise einen deutschen Mann zu heiraten. Aber ein Asylbewerber, der im Wald leben muss, hat überhaupt keine Gelegenheit, jemanden kennen zu lernen.
Hat die Arbeit in Brandenburg irgendeinen Einfluss auf die dortige Bevölkerung gehabt?
Ich denke schon. Früher gab es kaum Kontakt zwischen Schwarzen und Weißen. Das hat sich ein wenig verändert. Durch unsere Arbeit konnten wir den Menschen zeigen, dass Asylbewerber keine Kriminellen sind und dass sie Deutschland nicht zerstören wollen, wie es Medien verbreitet haben.
Woran liegt es, dass die Arbeit der Flüchtlingsinitiativen nicht mehr so stark ist wie noch vor ein paar Jahren?
Jeder weiß, dass es derzeit weniger Asylbewerber gibt, seit die EU ihre Grenzkontrollen verschärft hat und die Flüchtlinge Europa kaum noch erreichen. Es ist aber auch so, dass viele Leute, die früher Asylbewerber waren und sich stark engagierten, heute eine Familie haben und einen Aufenthaltstitel, den sie verteidigen müssen. Dafür müssen sie arbeiten oder zur Schule gehen. Deswegen haben viele Leute keine Zeit mehr, sich zu engagieren.
Gibt es auch Flüchtlinge, die Deutschland wieder verlassen haben, weil sie hier keine Perspektive sahen?
Ja, aber das ist immer eine persönliche Entscheidung. Das Leben in Deutschland ist nicht schwieriger als woanders. Es gibt viele Leute, die in Deutschland gekämpft und viele Sachen erreicht haben. Es gibt aber auch viele, die es nicht geschafft oder Angst bekommen haben und weggegangen sind. Und dann gibt es natürlich noch viele Menschen, die das Land verlassen mussten, weil sie Probleme mit den Behörden hatten und vor der drohenden Abschiebung geflohen sind.
Die FIB hat auch sich auch immer wieder über die Zusammenarbeit mit deutschen antirassistischen Initiativen beklagt. Welche Probleme bestehen da?
Zum einen mussten sich viele Afrikaner immer wieder anhören, dass sie sexistisch seien. Wenn ein afrikanischer Mann einer Frau Komplimente für ihr Aussehen macht, ist das für viele Deutsche schon ein Grund, von Sexismus zu sprechen und den Mann, der diese Komplimente macht, zu isolieren. Das ist nicht in Ordnung. Unsere Partner in der antirassistischen Arbeit wollen nicht wissen, wie unsere Kindheit war und welchen kulturellen Hintergrund wir haben. Sie wollen, dass wir uns wie Europäer benehmen und uns sogar vorschreiben, was wir essen sollen. Viele deutsche Aktivisten bei den Grenzcamps sind vegetarisch. Aber die meisten Afrikaner essen Fleisch. Trotzdem machen die deutschen Aktivisten immer nur Salat, Salat, Salat. Und sie wollen nicht, dass wir Fleisch zubereiten. Aber das geht nicht, wir müssen uns gegenseitig respektieren.
Gibt es auch politische Differenzen?
Ja. Wir werden häufig dafür kritisiert, dass wir uns nicht kritisch gegenüber unseren Herkunftsländern äußern. Aber die Leute müssen verstehen, dass es für einen Asylbewerber aus Afrika ungleich gefährlicher ist als für einen Deutschen, die offizielle Politik des Herkunftslands zu kritisieren. Die Leute, die hierher kommen, hatten häufig große Probleme in ihren Ländern und haben Angst.
Wie sieht die derzeitige politische Arbeit der FIB aus?
Wir bereiten gerade ein Grenzcamp mit anderen antirassistischen Gruppen in Hamburg vor. Außerdem machen wir eine Heimtour, bei der wir andere Asylbewerber, die in Lagern wohnen, auf unsere Gruppe aufmerksam machen und sie dafür gewinnen wollen, etwas gegen ihre Situation zu unternehmen. Außerdem hat die FIB seit drei Jahren eine eigene Fußballmannschaft, mit der wir praktische Integrationsarbeit leisten. Am Wochenende haben wir in Dessau bei einem Fußballturnier den dritten Platz belegt. Beim Antifa-Cup in Berlin holten wir sogar den Pokal.
War auch ein Talentscout der deutschen Nationalmannschaft dabei?
Unsere Aufgabe war es lediglich zu spielen, daher weiß ich nicht, ob jemand da war. Bei Interesse können sich die Leute aber gerne an uns wenden.
Würden Sie denn für die deutsche Nationalmannschaft spielen?
Das ist eine schwierige Frage. Ich bin schon zu alt für eine Karriere als professioneller Fußballer. Aber ich hätte mich wahrscheinlich für Kamerun entschieden.