NIEDERLEHME — Rechtsgerichtete und ausländerfeindliche Parolen wurden Donnerstagabend lautstark vor einem Niederlehmer Einkaufsmarkt gegrölt. Bei den Tätern handelt es sich um drei junge Männer im Alter zwischen 17 und 21 Jahren. Alle standen unter erheblichem Einfluss von Alkohol. Polizeibeamte nahmen zwei volljährige Gröler vorläufig in Gewahrsam. Der jüngste Täter wurde seinen Eltern übergeben. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei zu dem Tathergang dauern an.
Autor: redax
Wieder Schill-out in Bernau
Am Donnerstag den 22.08. kündigte Herr Ronald Barnabas Schill sein Kommen mittels großer Plakate in Bernau an. Geplant war eigentlich, zusammen mit Herrn Dirk Weßlau, Nr.1 der PRO-Partei in Brandenburg, Reden an die
interessierte Bevölkerung zum Wahlkampfauftakt zu halten.
Herr Weßlau, ein Bernauer Zahnarzt, hatte allerdings schon bei allen vorhergehenden Aktionen der Partei in Bernau mit Problemen zu kämpfen. Seine erste Veranstaltung, mit dem Ziel einen Ortsverband zu gründen, hat er leider
abgebrochen, scheinbar wollte er die vielen jungen Menschen nicht in den Reihen seiner Partei sehen, da auch bei allen folgenden Veranstaltungen viele Menschen anwesend waren die, irgendwie dann doch nicht in die Partei
eintreten wollten, hatte er wohl doch ein bißchen Muffensausen bekommen.
Gestern wurde der Marktplatz in Bernau schon um 15.00 Uhr abgebaut, die Marktverkäufer mussten den Vorbereitungen der Schill-Jünger weichen. Im Rathaus wurden Polizeikameras aufgebaut, in der ganzen Stadt Polizisten verteilt, im ganzen waren laut Polizeiangaben 119 Polizisten im Einsatz.
Dazu gab es in Vorbereitung der Ereignisse bereits am frühen Nachmittag eine Hausdurchsuchung in einer Privatwohnung und eine In-Gewahrsam-Nahme zur
Gefahrenabwehr. Allerdings brachte leider auch die Hausdurchsuchung nicht die verschwundenen 60 Schill-Plakate zum Vorschein.
Soweit war also der Martplatz vorbereitet, und gegen 16.30 Uhr fanden sich auch ca.300 Menschen auf dem Marktplatz ein um Senator Schill würdig zu begrüßen. Der Zucht-und-Ordnungs-Experte verspätete sich unhöflicherweise um
glatte eineinhalb Stunden. Da hatten all die interessierten Menschen wenigstens genug Zeit sich gegenseitig kennenzulernen, so wurden in der “Fascho-Ecke”
einige neue Gesichter entdeckt, und interessante Gespräche mit den wartenden Schill(d)bürger-Ordnern geführt, es ist erstaunlich das einige ihr eigenes Parteiprogramm noch nicht gelesen hatten, da sollten Dirki und Barnabas doch
nochmal durchgreifen. Als der Senator endlich mit einem Privatflugzeug gelandet war, wurde er von der Menge lautstark begrüßt. Die Begeisterung war
so groß und hielt auch während der Reden der beiden an, so das leider nichts zu verstehen war. Dafür schwenkten viele Plakate mit mutmachenden Sprüchen wie “Sozialhilfeempfänger abschieben”, “Todesstrafe ab 14”, “Frauen an den
Herd”, “Arbeitsplätze schaffen”, “Autobahnen bauen”, “Kiffer ins Arbeitslager”. So wurden allen Umstehenden doch die überzeugenden Inhalte der
PRO-Partei nahegebracht. Andere schwenkten allerdings Schilder auf denen Bernau zur “Schill-out-Zone” erklärt wurde. Herr Weßlau redete sich zum Schluß richtig warm und sprach von Wahlkreisgewinnen und 25% schaffen, das
wird die Zukunft ja sicher nicht zeigen. Von der fröhlichen Menge unüberhörbar begleitet zogen sie dann aber irgendwann auch wieder ab.
Die Polizei nahm kurz vor Ende der Veranstaltung doch noch vier Personen fest, ihre lautstarke Begeisterung war wohl zu groß und bedrohte die arischen Öhrchen der Schillianer, so lernten sie und ihre Jubelinstrumente kurzzeitig
die komfortablen Arrestzellen der Hussittenstadt kennen.
Soweit war es eine spaßige und erfolgreiche Aktion, Herr Weßlau konnte wieder seine glatte Politikerfratze nicht wahren, brüllte wütend alberne Sachen herum, die 30 Schillianer und interessierte Faschisten wirkten bei der Menge der Protestanten sehr verloren, so bleibt auch diesmal:
Schill-out! Bernau bleibt sauber! Keinen Fußbreit den Anzugfaschisten! Zahnarztbohrer zu Pflugscharen! Schillianer ärgern macht Spaß!
Antifa Bernau
(Inforiot) Im obigen Text wurden von uns sinnerhaltend einige Formulierungen abgeändert. Im Original steht der Text hier.
Zum Weiterlesen:
Schill verpasste seinen Auftritt am gleichen Tag in Frankfurt/Oder (GRAB, 23.08.)
Ärger um Schill-Besuch in Bernau — 26-jähriger wegen Plakatdiebstahl festgenommen (MoPo, 23.08.)
Ronald Schill lädt sich selbst in Bernauer Polizeiwache ein — Innenministerium prüft, ob es den Besuch gestatten muss (Berliner Zeitung, 22.08.)
Schillpartei-Plakate in Brandenburg zerstört / Anzeige erstattet (Berliner Zeitung, 20.08.)
Einen allgemeinen Überblick zu den Aktivitäten der Schillpartei im Land Brandenburg (und auch den vielfältigen Gegenaktionen) bekommst Du hier.
Anti-Schill-Aktivist festgenommen
Am 22.08.2002 beehrte Schill die Brandenburger Kleinstadt Bernau mit einem Besuch. Organisiert hatte die Kundgebung der in Bernau ansässige Zahnarzt Dirk Wesslau, der den Wahlkampf der Schill-Partei im Osten koordiniert. Gleichzeitig ist er deren Spitzenkandidat in Brandenburg und Direkkandidat im örttlichen Wahlkreis.
Eineinhalb Stunden vor Beginn der Kundgebung umstellten etwa 10 PolizistInnen das Haus von Thomas J. Ihm wurde eröffnet das er festgenommen sei, ein Haftbefehl lag nicht vor, eine Begründung wurde nicht gegeben. Drei
Kriminalbeamte erbrachten dann einen Hausdurchsuchungs-Befehl und durchstöberten dann die Wohnung nach Schill-Wahlplakaten. Dabei durchsuchten sie auch rechtswidrig die Räume der MitbewohnerInnen von Thomas J. Danach
wurde Thomas J. in die Bernauer Wache verbracht, wo er die nächsten fünf Stunden im Vorbeugegewahrsam zubringen durfte. Vorgeworfen wird ihm ausserdem der Diebstahl von insgesamt 60 Wahlplakaten der Schill-Partei die er in zwei
Nächten im gesamten Stadtgebiet entfernt haben soll. Natürlich gab es bei der Kundgebung trotzdem heftige Proteste, auch wenn die Kundgebung nicht völlig verhindert werden konnte. Ein Bericht darüber hier.
Zum Weiterlesen:
Ärger um Schill-Besuch in Bernau — 26-jähriger wegen Plakatdiebstahl festgenommen (MoPo, 23.08.)
Ronald Schill lädt sich selbst in Bernauer Polizeiwache ein — Innenministerium prüft, ob es den Besuch gestatten muss (Berliner Zeitung, 22.08.)
Schillpartei-Plakate in Brandenburg zerstört / Anzeige erstattet (Berliner Zeitung, 20.08.)
Einen allgemeinen Überblick zu den Aktivitäten der Schillpartei im Land Brandenburg (und auch den vielfältigen Gegenaktionen) bekommst Du hier.
(Inforiot) Der folgende Text behandelt Eindrücke, Gedanken, und Verbesserungsvorschläge über und für das Crossover Summer Camp, dass vor ein paar Wochen in Cottbus stattfand. Der Artikel stammt von Indymedia, ein Blick dort hin lohnt sich, um die Kommentare der LeserInnen anzuschauen. Der/die AutorIn ist unter der Mailadresse piratenutopie@uni.de zu erreichen. Andere Berichte vom Camp sind bei Inforiot einzusehen: Überblick über die Aktionen des Summercamps
Auswertung zum Crossover Camp in Cottbus
Eine Woche crossover campen sind vorbei & ich zurück mit vielen, widersprüchlichen Eindrücken, schönen Erfahrungen, Kritiken und Ideen, viele interessante Gespräche am Rande, trotz Versuchen zu experimentieren nervige (Mammut-)Plenas … und trotzdem keine Handlungsfähigkeit. Enttäuschung über meine eigene Passivität, Rollenzuschreibungen von außen, insgesamt aber auch viel Lust, sich in den crossover Prozess einzuklinken, beim nächsten Mal mehr Akzente Richtung hierarchiearmer Camporganisierung usw. zu setzen … ok, let s go!
Grundsätzliche Eindrücke und Atmosphäre
Weitestgehend angenehme Atmosphäre, eine schöne Diskussionskultur mit erfreulicher Abwesenheit von dominantem Redeverhalten — gegenüber Jena und Strassbourg wurde das summercamp von vielen positiv abgegrenzt. Einige Menschen meinten, sich im Gegensatz zur stark sexistisch aufgeladenen Atmosphäre in Strassbourg (Mackertum, Glotzen) sicher(er) zu fühlen, z.B. keine Angst zu haben, nackt herum zu laufen (es gab allerdings auch Menschen, die das verneinten). Neben der überschaubaren Größe des Camps ist ein Grund dafür sicher auch eine gewisse “Vorsortierung”, d.h. aufgrund der Themenschwerpunkte wie Antisexismus & Gender bestimmte Gruppen (Teile von Antifa-Zusammenhängen, Altautonome) gar nicht erst aufkreuzten. Zum einen wurde das Camp so stärker zu einem antisexistischen Freiraum, zum anderen fehlten so Menschen, mit denen Auseinandersetzung über (Anti-)Sexismus wichtig wäre. Schön war, dass die Männerdominanz gebrochen werden konnte … viele Frauen, relativ viele lesbische Wesen und insgesamt eine höhere Sichtbarkeit queeriger Menschen als auf anderen linxradikalen Events.
Organisierung des Camps
Bürokratisierung statt Selbstorganisierung
Ich war ziemlich genervt von der Durchstrukturierung, Vorgaben über Workshop- bzw. Aktionstage, die einfach so gesetzt wurden — das wirkte intransparent & erschlagend. Der Hinweis, dass Leute ja immer noch was eigenes, eigene Arbeitskreise machen könnten täuscht einfach über die Wirklichkeit hinweg, dass Selbstorganisierung nicht einfach da ist, sondern gezielt gefördert werden muss … mit Freiräumen, Open Space und Plattformen. Für mich hat das ganz deutlich der als “holiday” definierte Mittwoch ohne Programm gezeigt, der extrem abhängerig war und eben nicht “automatisch” dazu geführt hat, dass ganz viele Menschen die Campgestaltung selbst in die Hand nehmen. Neben aller Strukturkritik hatte ich auch das Gefühl, dass es vielen eher um privates Camping mit radikalem Vorzeichen ging denn um die aktive Gestaltung eines Freiraumes. Wahnsinnig zeitfressende und bürokratisierte Abstimmungsprozesse (“Sind alle dafür, die Gruppe zu teilen?”) zu Verfahrensfragen in Plena, Workshops oder Arbeitsgruppen fand ich extrem nervig, abschreckend … all das führte während dessen sichtbar dazu, dass viele Leute die Lust verloren, weggingen. Das Durchsetzen von Kleingruppen bei dem Workshop zu Antisexistischer Praxis am Freitag war z.B. sehr anstrengend. An dieser Stelle wurde auch offensichtlich, wie viel geiler & effektiver ein Open Space gewesen wäre. Auch war wieder spürbar, dass kein Bewusstsein darüber besteht, für was Plenas und große Runden sinnvoll sind, z.B. das Transparentmachen, wo es welche Infos gibt. In der Camppraxis wurden dann aber immer diese Infos selbst ausführlichst erörtert & das Plenum dadurch aufgebläht. Wo es z.B. Brot abzuholen gibt ist nur für die interessant, die darauf Bock haben, d.h. wichtig ist zu wissen, wo ich die Infos dazu bekommen kann.
Verbesserungsvorschläge:
Open Space als Strukturmodell: d.h. es ist selbstverständlich, dass Menschen, die einen neuen Themenstrang spannend finden, einfach gehen (können), sich ständig neue Kleingruppen bilden, wieder zusammen kommen, Crossovers entstehen usw. An einem zentralen Ort gibt es Infowände, die Transparenz darüber herstellen, wo was geht, und Möglichkeiten bieten, neue AKs anzukündigen, Protokolle gelaufener Workshops einzusehen. So eine Struktur für ein nächstes Camp (vielleicht auch nur für zwei, drei Tage) fände ich schön.
Crossovers fördern: Dass es kaum Verknüpfungen zwischen einzelnen Workshops gab, lag m.E. auch an dem statischen Modell isolierter Arbeitskreise selbst. Open Space und kleinere Querschnittplena könnten da helfen. Eine konkrete Idee von mir: Zwei oder mehr Arbeitskreise verabreden sich zum gemeinsamen Treffen. Dort bilden sich dann Tuschelrunden mit je einer Person aus jedem Arbeitskreis, die sich austauschen (entweder allgemein oder zu konkreten Fragestellungen). Vorteil: Gleichberechtigtere Redesituation, weniger Monologe und sehr intensiver Infoaustausch in kurzer Zeit. Diese Methode bietet sich auch innerhalb von größeren AKs als Alternative zu Austauschplena nach Kleingruppenphase an.
Plattformen schaffen: Möglichkeiten und Ressourcen zur Verfügung stellen, die einladen, sich selbst zu organisieren, aktiv zu werden, z.B. Direct Action Zelt, offene Presseplatform, Campradio und. ‑Zeitung, Computerecke …
Entscheidungsfindung und (In-)Transparenz
Aus meiner Sicht gab es einige Intransparenzen in der Planung, z.B. war nie bekannt, wer wo welches Organisationsmodell diskutierte. Bei der Vorstellung auf dem Auftaktplenum war klar, dass daran grundsätzlich nichts mehr zu rütteln war, auch wenn das Ganze immer als Vorschlag umschrieben wurde. Gut fand ich, dass sich auf dem Camp selbst um Transparenz bemüht wurde, d.h. meines Wissens alle (Vorbereitungs-)Treffen angekündigt wurden. Schön fand ich auch die Idee, mit Fish Bowl zu experimentieren, auch wenn ich den Einsatz der Methode nicht gelungen fand, was u.a. einfach am Mangel an Erfahrung damit liegen mag. Ein paar Punkte dazu: Fish Bowl ist nicht einfach ein Ersatz für das Plenum aller. Die Kombination von Bezugsgruppen und Fish Bowl macht Sinn für Situationen, wo konkrete Entscheidungen zu treffen sind oder es darum geht, dass autonome Teil- bzw. Aktionsgruppen sich koordinieren. Aktionsgruppen hat es aber nie gegeben, was ich sehr schade fand. Große Runden, bürokratische Abstimmungsprozesse … all das förderte Dominanz und schon aufgrund Dauerkopfschmerzen war es extrem anstrengend für mich, dabei zu bleiben. Bezeichnend ist, dass stundenlangem Zerlabern kaum Handlungsfähigkeit gegenüber stand, mehrere Tage gebraucht wurde, um zu entscheiden, ob Presse auf s Camp darf oder nicht. überrascht war ich, dass Ideen zur überwindung der Dominanz von Riesenplenas im Gespräch sehr gut ankamen, schade, dass es keine praktischen Konsequenzen gab oder diese gepusht wurden.
Verbesserungsvorschläge:
Plenum entmachten — Handlungsfähigkeit und Autonomie fördern: Weg vom Plenum aller, Orientierung auf autonome Teilgruppen, Betroffenenstrukturen. Statt das Plenum wichtig zu machen eine Praxis entwickeln, Prozesse direkt durchsetzen … Handeln statt Zerlabern, dass dann transpa
rent machen. Das Plenum dient dann nur noch zum Bereitstellen von Informationen bzw. dem Formulieren von Fragestellungen für anstehende Entscheidungen. Wichtig sind Infowände, die genau erklären, wo es welche Anlaufstellen gibt, möglichst an einem Ort, den alle sowieso besuchen … Plenumszelt, Küche, Klo usw.
Transparente Vorbereitung: Für das nächste Camp gibt es eine offene Gruppe oder AG, die im Vorfeld Ideen und Methoden entwickelt, wie sich das Camp organisieren kann … mit offenen Treffen und Transparenz im Internet usw. Auch ansonsten fände ich es super, statt einer Zentrale viele, aufgaben-/themenbasierte Vorbereitungsgruppen zu haben.
Transparente Vordiskussionen: Fragen wie z.B. der Umgang mit Presse können im Vorfeld von Arbeitsgruppen oder über Diskussionsforen diskutiert werden, die dann einen Vorschlag ins Camp hinein tragen.
Direct Action
1.1 Workshop zu DA
Sonntag gab es einen Workshop zu “Direct Action, Dekonstruktion und Gender” mit etwa 20 Leuten. Die Einführung bildete zu einen ein theoretischer Teil Zweigeschlechtlichkeit, Sexismen und diskursiver Herrschaft … entlang der Frage, wie Zweigeschlechtlichkeit und sexistische Rollen immer wieder reproduziert werden. Wichtig dafür war eine moderne Herrschaftskritik, da patriarchale Verhältnisse nicht von oben (“den Herrschenden” usw.) durchgesetzt werden, sondern über Diskurse, die sich überall in Gesellschaft und unseren Köpfen wieder finden und deren Fortbestehen wir alle Teil haben. Zum anderen gab es die Vorstellung von Direkter Aktion als Mittel, Normalität zu durchbrechen und so Raum zu öffnen für die Vermittlung antisexistischer Positionen, Entwürfen einer Welt nach den Geschlechtern usw. Es ging darum zu zeigen, dass Kritik an Zweigeschlechtlichkeit und sexistischen Normen nicht zwingend ein rein akademischer Diskurs bleiben muss. über bunte Aktionen und die Kunst der Vermittlung (Flugblätter, Transpis, verstecktes Theater, Fakes, Blockaden usw.) können auch radikale, komplexe Inhalte transportiert und zu Denkanstössen werden. Die Herausforderung liegt gerade in der Verknüpfung von widerständigen Aktionen, Kritiken und Gegenbildern zur patriarchalen, (hetero-)sexistischen Normalität.
Daran anschließend bildeten sich drei Kleingruppen, eine zu Homophobie und Rassismus, eine zur Planung konkreter Aktionen und eine dritte, die eher einen theoretischen Zugang zur Frage suchte, was Ansatzpunkte und Praxen wären, die Geschlecht hinterfragen usw. Dabei ging es u.a. um die Inszenierung von Geschlecht über Kleidung, Körpersprache und Bewegungen und Möglichkeiten, Zuordnungen in Frage zu stellen … z.B. mittels Cross-Dressing. Während dessen wurden in der umsetzungsorientierten Kleingruppe zwei Aktionsideen näher ins Auge gefasst, die am Montag dann ansatzweise umgesetzt wurden. Zum einen Queer shopping … ein Pärchen, z.B. eine Frau und ein als Frau inszenierter Typ gehen einkaufen, lassen sich über Nagellack, BHs beraten. Zwei weitere, “normal” wirkende Personen folgen, versuchen Gespräche anzuzetteln, stellen Nachfragen. Zum anderen verstecktes Theater zu geschlechtsspezifischem Spielzeug … Ein voll bepackter Einkaufswagen, oben drauf Barbie und Kriegsspielzeug. Eine Person fragt nach, warum mensch denn Barbie kaufe, wo diese doch für frauenfeindliche Klischees stehe; weitere Menschen mischen sich ein in der Hoffnung, die Situation auf unbeteiligte Konsumentis auszuweiten.
Am Montag bewegten sich dann mehrere kleine und größere Gruppen in die Innenstadt. Bei H&M wurden Herren und Damenwäsche massenweise vertauscht … irgendwann dann der Rausschmiss durch das Personal, dabei wenig Vermittlung (es gab ein Flugi), obwohl gerade an dieser Stelle viel möglich gewesen wäre, offensives Eingehen auf die repressive Maßnahme (“Aha, sind die hier doch nicht so modern … immer noch klare Zweiteilungen, wie?”). Das queer shopping haderte daran, dass die zwei “unbeteiligten” Personen fast immer mit dem Pärchen in Verbindung gebracht wurde, da alle “alternativ” aussahen — eine bessere Verkleidung wäre nötig gewesen. Zur Barbieaktion: Obwohl die geplante Aktion nie zu stande kam (weil keine Kassensituation mit Blockademöglichkeit), entstanden spontan einige lustige Situationen in der Spielzeugabteilung. Auf die Nachfrage, ob es auch weibliche Actionfiguren gäbe kam von einem Verkäufi die Antwort, dass es da nur eine Barbie mit Pony gäbe …
Mein Eindruck insgesamt: Hoher Funfaktor bei den Aktionen, aber kaum bis keine Vermittlung. Die Konfusion, die durch das Vertauschen von geschlechtsspezfischer Kleidung oder durch halbnackte Menschen in Läden entstanden ist, ist nicht genutzt worden, um inhaltlich zu vermitteln, Diskussionen zu starten, so dass kaum klar geworden sein dürfte, warum wir uns so verhalten, das Bild verrückter Jugendlicher übrig blieb. Nach der Rückfahrt im Camp war ich dementsprechend unzufrieden, niedergeschlagen. Gründe dafür waren aus meiner Wahrnehmung die fehlende Verankerung von Direkter Aktion, praktischer Erfahrungen und wenig Reflexion über die Ziele und Inhalte von Widerständigkeit. Dazu kam eine schlechte Vorbereitung: Die queer shoppis fanden sich z.B. erst zwei Stunden vor der Aktion zusammen. Leider gab es weder Auswertung, noch einen weiteren Prozess. Mehr Zeit und bessere Infrastruktur hätte meine Motivation erheblich erhöht. Richtig gut fand ich dagegen, dass es überhaupt den Versuch gab, direkte Aktionen zu Antisexismus und Dekonstruktion von Geschlecht umzusetzen … vielleicht ist das für viele ein Kick, mehr in diese Richtung auszuprobieren.
Verbesserungsvorschläge:
Direct Action Infopoint: Es geht nicht darum, im Vorfeld einfach konsumierbare Aktionen für andere zu planen, sondern Plattformen zu schaffen, Möglichkeiten für Menschen und Gruppen, ihre eigenen Aktionen zu entwickeln und umzusetzen. Konkrete Ideen von mir wäre ein Direct-Action-Zelt mit Infrastruktur (Computer, Drucker), Materialien, Infostand und Infowand mit Aktionsideen usw. Von hier aus könnten sich immer wieder Arbeitskreise oder Gruppen für konkrete Aktionen zusammen finden.
Innere Sicherheit auf dem Camp
Grenzkontrollen
Ich selber habe mehrere Schichten am Eingang des Camps verbracht — wobei mir einiges übel aufgestossen ist: Immer wieder wurden Leute, die nicht szenig aussahen abgewiesen, weg geschickt, manchen wurden einfach nur abschreckende Geschichten über das Camp erzählt (“Das hier ist was für schwul-lesbische Leute”). Ein Mensch aus Berlin ohne gelabelte Klamotten wurde bei der Ankunft mehrmals gefragt, was er denn hier wolle — dass ist abschreckend und daneben. Bei unbedarften Neueinsteigis dürfte das nicht gerade die Lust wecken, sich auf Bewegungszusammenhänge einzulassen. Ähnlich scheiße fand ich den Wirbel um zwei nicht-deutsche Personen, die einfach nur jemenschen auf dem Camp besuchen wollten. Das zog sich weiter bis dahin, das Menschen angepöbelt wurden, weil sie zu einer Party auf dem Camp zwei Motorradfahris rein gelassen hatten, die sie nicht kannten. Von Offenheit gegenüber neuen Leuten und interessierten “Normalis” war wenig zu spüren.
Das ist für mich einfach die Denklogik von Polizei, Türstehis vor Discos usw. — hier besteht kein struktureller Unterschied zu rassistischen BGS-Kontrollen. Ich habe Menschen (leider zu wenige und auch nicht so offensiv) darauf hingewiesen, fand es krass, dass dieser Ausschluss- und somit Herrschaftsmechanismus überhaupt nicht wahrgenommen oder sogar verteidigt wurde (“Wir sind so was wie eine Camppolizei”). Das ist der herrschende Sicherheitsdiskurs! Die Angst vor sexistischem, diskriminierendem Verhalten, übergriffen usw. kann kein Argument sei
n, unbekannte Menschen abzuweisen. Ginge es darum, müßten ALLE Campteilis vorher genau “durchgecheckt” werden — denn linksradikal codierte Klamotten sind wohl kaum Indiz für antisexistisches Verhalten. Daneben macht die Fixierung auf die “richtigen” Dresscodes es VS-Spitzeln oder Nazi-Auskundschaftis sehr leicht, aufs Camp zu kommen. Und mit solchen Argumentationen hätte mensch auch das Aufstellen von Kameras legitimieren können.
Ein offenes Aufklären über den Charakter des Camps, damit die Menschen selber entscheiden können, habe ich nur selten erlebt . Obwohl gerade das nach meiner Erfahrung bei vielen zu der Erkenntnis geführt hat, dass das summercamp nicht ihr Ding ist … mit massenhaftem Besuch war also nicht zu rechnen. Hier wäre ein Infoflugi hilfreich gewesen — mehrere Interessierte fragten so etwas an. Im Nachhinein bin ich enttäuscht von mir, dass ich meine Kritik nicht auf dem Camp stärker eingebracht habe, z.B. als Verbesserung des Schutzkonzeptes oder Workshop zu Herrschaft(skritik) auf dem Camp, Alternativen dazu usw. Keine Grenzkontrollen, keine TürsteherInnen!
Verbesserungsvorschläge:
Direkte Intervention statt Grenzkontrollen: Statt Polizeistrukturen ist das Achten auf “unliebsame” Personen die Aufgabe aller. Auf Menschen, bei denen Unsicherheit besteht, zugehen, Gespräche anfangen — der direkte, persönliche Kontakt wird am ehesten dazu führen, dass gespieltes Verhalten auffliegt. Auf dem Camp Workshops zu “Zivis enttarnen” anbieten.
Schutzkonzept überdenken: Im Nachhinein hatte ich viele Gespräche mit Campteilis und anderen (Leuten, die in Strassbourg waren) dazu, die ähnliche Probleme mit dem Schutzkonzept hatten, keine “Wichtig”-Struktur haben wollen. Viele Fragen tun sich für mich auf, z.B. ob die Annahme eine Nazi-Angriffs auf ein linksradikales Camp mit 200 Leuten nicht sehr unwahrscheinlich war (bisher gab es so etwas nicht, und gerade ein fettes Camp mit vielen Leuten ist nicht gerade einladend für Angriffe), ob das nicht stark an den herrschenden Sicherheitsdiskurs angelehnt ist, der auch ständig Feindbilder produziert, um Polizei, Knäste usw. zu rechtfertigen. Bisher fehlt mir noch eine klar umrissene Alternative, wichtig finde ich, Handlungsfähigkeit der Menschen und Bezugsgruppen zu stärken, d.h. Wissen über Selbstverteidigung, Schutzmöglichkeiten und Notfallmaßnahmen (Brandsätze löschen usw.) zu vermitteln. Für alles weitere hoffe ich auf konstruktive Diskussionen.
Sexismus
Antisexistische Praxis auf dem Camp
Ich fand es gut, eine Anlaufstelle für Betroffene sexualisierter übergriffe zu haben, als Signal für Menschen, dass es Leute gibt, die sich zutrauen, Hilfe und Unterstützung zu bieten — ohne dass erst ein übergriff passiert sein muss. Krass fand ich allerdings, dass darüber hinaus keine Interventionsformen benannt wurden. An keiner Stelle wurde an die Verantwortung aller Campteilis appelliert oder Möglichkeiten direkter Intervention benannt, alltägliche Sexismen wie dominantes Redeverhalten, Mackertum, Anmache oder Spannen anzugehen. So wirkte es wie eine Stellvertretistruktur mit klarer Zuständigkeit, an die Verantwortung abgeschoben werden kann.
Schade fand ich auch, dass ausschließlich Worst-Cases diskutiert wurden — zum einen sind niedrigschwellige Sexismen gerade der Rahmen für sexualisierte übergriffe, zum anderen bietet die Verkürzung Möglichkeiten, sich selbst vom Feindbild Vergewaltiger abzugrenzen und eigene diskrimierende Verhaltensweisen auszublenden. Die Idee, TäterInnen über Nacht im Schutzzelt zu “internieren” erinnerte mich übrigens stark an polizeilichen Gewahrsam — auch an dieser Stelle war der Diskurs identisch mit der Herrschaftsstruktur Polizei.
Rauswurf
Am Freitag wurde ein Typ vom Camp geschmissen. Zwei Frauen (die mit ihm zusammen gewohnt hatten) hatten dessen Rauswurf gefordert, mit der Begründung von sexistischem Verhalten des Typen in der Vergangenheit. Dieses wurde von ihm im Gespräch mit Leuten der Ansprechstruktur auch nicht geleugnet, wobei nie klar benannt worden ist, was genau passiert ist.* Bei mir haben sich im Verlauf einige Kritiken angesammelt, gerade auch im Austausch mit anderen Campteilis, die auch so ihre Probleme mit dem Vorgang hatten. Gründe für mein Schweigen sind Angst und Unsicherheiten.
Die Personen, die den Vorwurf äußerten, waren meines Wissens nach keine unmittelbar Betroffenen — das Definitionsrecht der betroffenen Person traf für diesen konkreten Fall also gar nicht zu, obwohl sich die Ansprechstruktur dementsprechend verhalten hat (Rauswurf ohne Möglichkeit zur Diskussion im Vorfeld). Zudem bezog sich der Vorwurf nicht auf einen übergriff auf dem Camp, sondern auf seine Vergangenheit. Damit soll nichts schön geredet werden, zu mindestens ist aber die Frage zu stellen, ob Menschen nicht auch in der Lage sind, sich zu verändern. Zumal mir der konkrete Vorwurf von unterschiedlicher Seite (den Frauen, Leuten von der Ansprechstruktur) ganz anders berichtet wurde .… von sexistischem Verhalten in Beziehungen bis zu Vergewaltigung. Dass im Plenum dann “Täter-Biographie” als Begründung ausreichte und die reibungslose Durchsetzung des Rauswurfs auch noch abgefeiert wurde fand ich irgendwie schräg.
Dieser Fall ist nie diskutiert worden. Deshalb fand ich es scheiße, dass die Anlaufstelle eigenmächtig für das gesamte Camp gehandelt hat, ohne dabei wenigstens Transparenz herzustellen, die Möglichkeit einer Diskussion zu bieten, wie im Plenum “verabschiedet” — hier sind Absprachen gebrochen worden. All das verweist insgesamt auf die Unzulänglichkeit von Verregelungen und auf die Notwendigkeit sozialer Prozesse. (Intersanter Text dazu, der in allen linken Medien per Sexismusvorwurf wegzensiert wurde: www.projektwerkstatt.de)
*Hier geht es nicht darum, detaillierte Beschreibungen einzufordern. Ein konkreter Tatvorwurf sollte aber schon benannt werden. Wenn der Vorwurf von Sexismus selbst bereits ausreicht, um Menschen auszuschließen fände ich das eine erschreckende Entwicklung.
Persönliche Filme
Kaum Einbringen in Prozesse auf dem Camp
Der DA-Workshop am Sonntag war eigentlich ein schwungvoller Einstieg, auch wenn die Umsetzung am Montag für mich unbefriedigend war. Mittwoch hab ich mich von der abhängerigen Stimmung anstecken lassen, hab mich genervt immer mehr aus plenaren Prozessen raus gezogen … all das wurde mir immer gleichgültiger, was ich krass fand und nicht der Umgang ist, den ich mir wünsche. Viel geredet habe ich mit anderen über Kritiken am Camp und Verbesserungsvorschlägen. Enttäuscht und verärgert bin ich jetzt, wie wenig ich & mein Umfeld sich mit ihren Kritiken und konstruktiven Ideen eingebracht haben, obwohl ich dabei sehr genaue Vorstellungen hatte. Vom offensiven Anstossen von Prozessen, Einbringen von Organisierung von unten oder Versuchen, kleinere Veränderungen zu bewirken, war nichts zu spüren. Viel wäre möglich gewesen … z.B. kurze Statements im Plenum und dann (Reflexions-)AKs zu hierarchiearmer, unbürokratische Camporganisierung ohne Riesenplena usw., alternativen Schutzkonzepten oder antisexistischer Praxis auf dem Camp.
Klar ist, dass ich mein Verhalten nicht mit der Passivität bzw. fehlenden Unterstützung anderer rechtfertigen kann. Ich fühlte mich allein gelassen … definitiv fehlte mir die Unterstützung von anderen, um mit Ängsten umzugehen, Ansagen in Plenas zu machen usw. Irgendwie gab es so gar keinen gemeinsamen Prozess (Ausnahme: Infostand, Wahl) unter uns (Leute aus der Organisierung von unten Debatte). Und es war für m
ich nicht sonderlich aufbauend, immer wieder zu merken, in der Rolle des Initiators zu stecken, dass ich jedes Nachbereitungstreffen, jeden AK selber hätte ankündigen müssen, damit irgend etwas läuft. Mein “Aussetzen” ist zwar kein Umgang mit dem Problem, aber irgendwie verständlich. All das endete mit dem Desaster, dass trotz Wissens sich niemensch für die Verteilung der 500 Macht Nix! verantwortlich gefühlt (ich eingeschlossen) hat, deren Verbleib ungewiss ist. Kotz! Keine Lust mehr, als selbstbezogene Lästerrunde zu verbleiben, die sich aus den Prozessen raus zieht … ich hätte dass auf dem Camp aufbrechen sollen, scheiße. Nun, Lerneffekt fürs nächste Mal; ansonsten hoffe ich auf einen Austausch dazu mit anderen Menschen beim OVU-Treffen usw.
Machtnetze angreifen? Fehlende Crossovers …
Herrschaftskritik mit Ausblendungen: Sowohl in den Texten zur Selbstdarstellung, der Conference und dem Camp in Cottbus dominierte die Dreierauswahl Sexismus, Rassismus und Antisemitismus (manchmal auch Kapitalismus). Das ist zwar besser als in vielen altlinken Kreisen und greift Ein-Punkt-Logiken zum Teil an, fördert aber auch die Bildung neuer Hauptwidersprüche (“Triple Opression”). Vom Anspruch umfassender Analyse gegen Herrschaft ist das weit entfernt: Krüppel, behindert definierte Menschen werden zumindest erwähnt. Die durchgehende Unterdrückung von Kindern (In Form von Entmündigung, Diskriminierung, Erziehung, Gewalt) existiert aber auch in der Crossover Debatte nicht — so wie diese krassen Dominanzverhältnisse überall in linker Debatte kaum sichtbar sind. Auch Psychatrisierung von Menschen fehlt weitestgehend.
Keine praktischen Perspektiven: Es gibt kaum Debatten um Widerstand, überlegungen zur Praxis … von Organisierungsformen, Hierarchieabbau, Direkten Aktionen, Freiräumen usw. Teilweise konnte dies auf dem Camp zumindest in puncto Aktionen durchbrochen werden, wobei es schon klare Trennungen gab (Instrumentalisierung von Direct Action Zusammenhängen).
Ich hoffe, dass das hier als konstruktive Kritiken verstanden werden, in denen ich mich selbst immer auch einschließe, und jetzt natürlich auf produktiven Austausch und Debatten.
Mehr Bewegung, mehr Crossovers, mehr Widerständigkeit!
WITTSTOCK Die Stimmung hatte sich gebessert. “Wir ziehen alle an einem Strang”, betonte Eike Lancelle, Staatssekretär des Brandenburgischen Innenministeriums: “Wenn es sein muss, auch fünf Jahre lang.” Er hatte am Mittwoch zur zweiten großen Runde ins Wittstocker Rathaus eingeladen. Das Schwerpunktthema: Aussiedler und ihre Integration. Zweites Thema: Rechtsextremismus. “Es tut sich was”, sagte Lancelle. Entwarnung wollte jedoch noch niemand geben.
Die verstärkte Polizeipräsenz werde beibehalten, sicherte Lancelle zu. Das hatte er schon bei der ersten Runde nach dem Verbrechen in Alt Daber betont. Doch inzwischen hätten Wittstock, Landkreis und das Aktionsbündnis um Superintendent Heinz-Joachim Lohmann gute Arbeit geleistet. Konkret wurde Lancelle beim Aussiedlerberater: Weil es Lew Sinner in seinem Büro im Wittstocker Rathaus an Ausstattung mangelt, will er 500 Euro bereit stellen. Weitere 500 Euro sollen über das brandenburgische “Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit” kommen. Auch dessen Vorsitzender Dr. Rolf Wischnath, Ausländerbeauftragte Almuth Berger und weitere Vertreter der Ministerien waren aus Potsdam gekommen.
Landrat Christian Gilde und der Kreisaussiedlerbeauftragte Michael Möbius wurden für das vorgelegte “Handlungskonzept” gelobt. Es soll im September in den Kreistag gehen. Demnach nimmt der Kreis jährlich 200 Aussiedler auf. Dabei gibt es Aufnahmequoten. So hätte Neuruppin rund 28 Prozent, Wittstock 11 Prozent aufnehmen sollen. Da es in der Dosse-Stadt mehr Leerstand gab, kamen auch mehr Menschen. So fanden in Neuruppin 1999 insgesamt 84 Aussiedler eine neue Heimat, 2000 waren es 30, im vergangenen Jahr 3 Personen. Wittstock (mit Alt Daber) nahm 1999 insgesamt 73 Aussiedler auf, 2000 waren es 50, im vergangenen Jahr sogar 103 Personen.
Das werde sich ändern, so der Kreisaussiedlerbeauftragte Michael Möbius. Die Aufnahmezahlen gehen zurück, es soll anders verteilt werden. Übergangslösungen wie das Heim in Alt Daber wird es nicht mehr geben. Zudem wird ein “Netzwerk” bei der Integration helfen. Am 19. September soll es im großen Wittstocker Rathaussaal gegründet werden.
Der Vorschlag, für erwachsene Aussiedler eine Begegnungsstätte zu schaffen, fand in der großen Runde Zustimmung. Räume in der Rote-Mühle-Siedlung könnten genutzt werden. Befürchtungen, damit die Integration zu behindern, wurden nicht geteilt. “Die Aussiedler laden gerne ein”, meinte Landrat Gilde. Die Schwellenangst, das Angebot offener Türen anderer Einrichtungen zu nutzen, sei dagegen hoch. Das Jugendproblem soll im Blick gehalten werden. Bürgermeister Lutz Scheidemann machte jedoch klar, dass die Stadt die Stelle eines Jugendpflegers nicht finanzieren könne. Zusagen für finanzielle Unterstützung gab es von den Vertretern aus Potsdam jedoch nicht.
Die Fortschritte in Wittstock wurden in der Runde positiv eingeschätzt. Jetzt müsse intensiv weiter gearbeitet werden, hieß es. “Das Problem liegt Mitten in der Gesellschaft”, so Ausländerbeauftragte Almut Berger. Vor allem die Wittstocker selbst müssten mehr Farbe bekennen.
Eine “88” und was sie bedeutet
MÜHLENBECK Seit etwa drei Jahren gibt es die “Arbeitsgruppe gegen Gewalt und für ein friedliches Mühlenbeck”, in der Bernhard Hasse als Vorstand fungiert, seit er Pfarrer im Ort ist. Zu ihrer jüngsten Zusammenkunft am Mittwochabend hatte die Gruppe Nico Scuteri vom Mobilen Beratungsteam eingeladen, der eine Einführung in die Zeichen und Symbole der rechtsextremen Szene gab.
Der Rechtsextremismus, so erläuterte Scuteri, sei zwar nicht ausschließlich, aber vor allem ein Jugendproblem und habe in den 90er Jahren zugenommen. Außer den bekannten Merkmalen wie “Glatze” und “Springerstiefel mit Stahlkappen” gebe es weitaus mehr Zeichen, an denen man Jugendliche mit rechtsextremen Neigungen erkennen könne.
Eine wesentliche Rolle spiele die Musik als Identifikationsmerkmal. Sie habe Eingang gefunden sowohl in die Techno- als auch in die Rock- und Popkultur. 1998 gab es 70 Bands, die in ganz Deutschland etwa 130 Konzerte gaben; 2001 habe man 100 Bands und 150 Konzerte registriert.
“Nazi-Bravo” wirbt mit “Reichsfahne”
Das Wesentliche dieser Musik und ihrer Texte ist, dass sie zu Tod und Volksverhetzung aufrufe. Organisiert würden solche Treffen unter dem Mantel privater Feiern, durch das in England gedruckte Blatt “Blood & Honour” oder durch Internet-Mitteilungen. Gleichzeitig gebe es die in Schweden gedruckte Zeitschrift “Rock-Nord” mit unverfänglichen Titelfotos, aber einer “Reichsfahne” oben in der Ecke. Man nenne sie deshalb “Nazi-Bravo”.
Das Hakenkreuz, so erfuhren die Zuhörer, würde in vielerlei Formen variiert, sodass es für den Laien nicht gleich erkennbar sei — wenn es zum Beispiel rautenförmig, als Negativdruck gestaltet oder stilisiert ein großes “N” umkreise. Auch eine schwarze Sonne ersetze das Hakenkreuz.
Für Brandenburg gebe es zum Beispiel das Gau-Dreieck als Aufnäher, ehemals ein Kennzeichen vom “Bund deutscher Mädels”. Groß ist die Anzahl der Buttons, Anstecker und Gürtelschnallen, wobei viele Symbole heidnischen Ursprungs sind.
Heidnische Symbole spielen eine Rolle
Eine große Rolle spiele zum Beispiel die nordische Mythologie, aus der auch das keltische Kreuz, der Thorhammer, die Lebens- oder Madr-Rune entnommen seien — Zeichen, die Kraft und Selbstaufopferung, Kampfbereitschaft und Siegeswillen symbolisieren.
Eine besondere Bedeutung haben bestimmte Zahlen: Eine von Lorbeer umrankte “88” bedeutet anhand der Stellung der Anfangsbuchstaben im Alphabet “Heil Hitler”. Hinter “14 Words” verbirgt sich abgekürzt die “arische Verteidigung” — und “198” steht für “Sieg heil!”.
Ebenfalls kennzeichnend sind bestimmte, zumeist englische und amerikanische Bekleidungsmarken. Dazu gehören “Doc Martins”-Schuhe oder “New Balance”-Lederturnschuhe, wobei weiße Schnürsenkel noch besondere Symbolkraft haben. Ein T‑Shirt mit der Aufschrift “Consdaple” enthält das codierte Kennzeichen NSDAP.
Und da sich die rechtsextremen Jugendlichen nicht etwa als Täter, sondern mehr als Opfer fühlen, tragen sie Aufschriften wie “Blue Ribbon for Free Speech” oder eine blaue Schleife am Revers, die die freie Meinungsäußerung symbolisieren soll.
Potsdam Mit der Gewahrsamnahme von vier Personen zur Verhinderung weiterer Straftaten endete ein Polizeieinsatz am Donnerstagabend im Wohngebiet Schlaatz. Bürger hatten sich gegen 21.35 Uhr über ruhestörenden Lärm und Hitler-Rufe, die aus einer Wohnung drangen, beschwert. Die Polizei traf in der Wohnung vier männliche alkoholisierte Potsdamer (18 bis 27) an und stellte Musik-CDs mit rechtem Inhalt und die Musikanlage sicher. Es wurden Anzeigen wegen des Verdacht der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufgenommen.
Achtun: Die Radtour fällt aus!
Gegen den vor kurzem gestarteten Gentech-Freilandversuch bei Lentzke (Ostprignitz-Ruppin) werden wir, die Initiativgruppe gegen Gentech (IgG), mit einer Radwanderung protestieren.
Am Sonntag, dem 25. August starten wir um 11 Uhr auf dem Neuruppiner Schulplatz und fahren von dort aus laut und bunt nach Lentzke. Dort nehmen wir das Versuchsfeld in Augenschein und machen in der Nähe ein Picknick sowie eine Diskussionsrunde.
Wer bei der Radtour mitmachen will, ist dazu herzlich eingeladen. Kontakt zur IgG könnt ihr über die E‑Mail-Adresse igg-neuruppin@gmx.net aufnehmen.
Hintergrundinfos über den Freilandversuch in Lentzke gibt es hier.
Applaus für Beckstein im Spreewald
Günther Beckstein als Hardliner und Provokateur: Auf den 58jährigen Juristen ist Verlass. Der Spruch über dem Torbogen, durch den er an diesem Abend in den vollen Wappensaal marschiert, könnte seine eigen Lebensmaxime beschreiben “Wilhelm wird doch Wilhelm bleiben; obgleich selben aufzureiben, sich die halbe Welt bestrebt. Wilhelm lebt.”
Aus den wilhelminischen Tugenden schöpft Beckstein seine Kraft. Und seine Popularität. Einem wie ihm nehmen die Lübbener ab, dass ihm Ordnung, Fleiß, Rechtstreue und Charakterfestigkeit etwas bedeuten. Der CSU-Mann lässt
sich nicht verbiegen, nicht im Wahlkampf, nicht im Osten, wenn er für den CDU-Kandidaten und Cottbuser Ex-Polizeipräsidenten Jürgen Lüth die Werbetrommel rührt. Beckstein gibt nicht nur den “schwarzen Sheriff”, er ist es. Das macht ihn für Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zum idealen Gegenpol zu Otto Schily.
Beckstein ist der Garant für einen harten Kurs in der inneren Sicherheit. Er will die Bundeswehr zur Gefahrenabwehr, und zum Objektschutz Staatsinneren einsetzen, will Schwerkriminelle, bei denen sich erst während der Haft herausstelle, wie “gefährlich sie sind”, ohne dass sie eine weitere Straftat begangen haben, auf Lebenszeit wegschließen können, und er will von allen Sex-Straftätern und Ex-Häftlingen den genetischen Fingerabdruck nehmen lassen. Zudem fordert er, Volkszugehörigkeit und Konfession von
Ausländern systematisch zu erfassen und radikalisierte islamische Vereine zu verbieten. “Ein Ausländer, der nicht Toleranz aufruft, sondern zur Gewalt, kann nicht den Segen des Rechtsstaates haben”, sagt er. Applaus im Saal.
Als bayrischer Innenminister hat Beckstein in Fragen der Asyl- und Sicherheitspolitik schon mehr als einmal bewiesen, dass er Entscheidungen knallhart durchdrückt: Trotz der Proteste und gegen rechtliche Bedenken des Gerichts schob er den damals 14-jährigen, in Deutschland geborenen Serienstraftäter Mehmet ohne Eltern in die Türkei ab. Noch heute ist Beckstein überzeugt, obwohl Mehmet in zwischen zurückkehren durfte, dass das richtig gewesen ist. Bei Mehmet, erklärt er, seien alle Resozialisierungsversuche gescheitert. Hunderttausende habe Mehmet den Staat gekostet. “Es kann nicht sein, dass wir dem, der sich wie wild gebärdet, das Geld hinterherwerfen, während wir den Anständigen sagen müssen, wir haben kein Geld für euch. Umgekehrt müsste das sein” ruft er in den Saal – und bekommt erneut Applaus.
Das Prinzip Becksteins, mit markigen Worten Angst und Instinkte anzusprechen, funktioniert auch im Osten. Je deftiger er in Lübben wettert, desto mehr Beifall erntet er dort. Beckstein kommt ohne geschliffene Rhetorik aus, die sich im Grundsätzlichen verliert. Er, der Bierzelt-Atmosphäre liebt, spricht, wie ihm der Mund gewachsen ist. “Wir haben Hunderttausende, die nicht integriert sind”, erklärt er und schimpft: “Da muss man doch, bevor man neue Leute ins Land holt, erst diese Leute besser integrieren”, zumaI bei vier Millionen Arbeitslosen und bevorstehenden EU-Osterweiterung. Beifall. Oder: “Wer Wände besprüht, putzt und zahlt,” Erneut Applaus. Nur ab und an regt sich Kritik. Den hemdsärmeligen Franken bringt das nicht aus der Fassung. Er freut sich gar, dass so viele Jugendliche an diesem Abend den Weg zu ihm, gefunden haben, wenn vielleicht auch nur aus “Spaß an der Opposition”.
Bedenken, die Bürger äußern, wie dass er den “gläsernen Menschen” schaffen wolle, die Grundrechte einzuschränken gedenke oder unter ihm ein Verdächtiger seine Unschuld wohl erst beweisen müsse statt umgekehrt — das alles wischt Beckstein genauso vom Tisch wie den Einwand eines Lübbeners, der mahnt: “Jeder, ob im NS-Regime oder in der DDR, sagte: Wer sich in unser System fügt, kann freiheitlich leben. Was aber tun Sie, um die zu Demokratie zu stärken?”
Beckstein zieht sich da auf sein Vertrauen in den Rechtsstaat zurück. Und kontert mit Sätzen wie: “Alles, was ich vorgeschlagen habe, ist juristisch völlig unbedenklich” oder “Die Freiheit ist nicht schrankenlos. Wir dürfen den Datenschutz nicht so weit treiben, dass er den Täter schützt.”
Günther Beckstein hält, was von ihm zu erwarten ist. Sein Unionskollege Jürgen Lüth wollte, dass er “klar macht, dass Sicherheit die Grundvoraussetzung für Wachstum ist”. Zuhörer Peter Jung und Katharina Färber wollten indes nur sehen, wie sich Beckstein verkauft. Beckstein hält sich da an Wilhelm: Er bleibt in Lübben, was er ist, so sehr sich einige auch an ihm reiben. Und er lebt. In den Köpfen vieler auch in Ostdeutschland.
BERLIN/SPREMBERG. Die fünf Iraker, die am Dienstag in der irakischen Botschaft in Berlin-Zehlendorf zwei Geiseln genommen hatten, kamen aus dem Asylbewerberheim in Spremberg. Dies hat gestern eine Sprecherin des Landkreises Spree-Neiße bestätigt. Die Männer sind zwischen 32 und 43 Jahre alt und haben ohne Familie in dem Heim gewohnt. Die Staatsanwaltschaft in Berlin führte die Iraker noch am Dienstagabend dem Haftrichter vor. Kurz zuvor, gegen 19.45 Uhr, hatte ein Sondereinsatzkommando die Iraker überwältigt. Sie waren am Nachmittag in die Botschaft gestürmt und hatten Reizgas eingesetzt. Zwei Botschaftsbesucher wurden dabei verletzt. Den Botschaftssekretär und seinen Stellvertreter hatten die Männer gefesselt und mehrere Stunden gefangen gehalten. Die Motive der Tat seien noch nicht geklärt, sagte gestern Ariane Faust von der Staatsanwaltschaft Berlin. Die Iraker müssen sich für Geiselnahme, gefährliche Körperverletzung, dem gemeinschaftlichen Angriff auf Vertreter ausländischer Staaten und Hausfriedensbruch verantworten. Möglicherweise hat ein sechster Iraker aus Hamburg die Geiselnahme gemeinsam mit seinen Landsleuten im Spremberger Asylbewerberheim geplant. Dem Vernehmen nach soll sich der Mann auffällig häufig in das Gästebuch des Heims eingetragen haben. Hintergründe und Tatmotive würden aber erst noch ermittelt, so Ariane Faust. Bei der Leitung des Asylbewerberheims in Spremberg sei die Bestürzung groß. “Die fünf Iraker sind nie auffällig gewesen ” , so die Sprecherin des Kreises Spree-Neiße. Vier der Iraker sind jedoch erst seit Mai 2002 in Spremberg untergebracht, der fünfte seit 2001. Die Asylverfahren aller fünf Iraker laufen noch. Mit einem Verfahren beschäftige sich das Verwaltungsgericht. Nach Angaben aus dem Potsdamer Innenministerium leben derzeit 203 Iraker in Brandenburg. Bei 94 von ihnen sei das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen.