Nach dem gestern bereits die evangelische Kirche, unter Beteiligung von 200 Menschen, eine Gedenkzeremonie für die Opfer der heimtückischen Anschläge des so genannten „Islamischen Staates“ durchgeführt hatte, zog heute das flüchtlingsfeindliche „Bürgerbündnis Havelland“ mit einer eigenen Veranstaltung nach. An diesem so genannten Trauermarsch beteiligten sich ungefähr 180 Personen. Deutlich weniger als bei den Veranstaltungen an den drei voran gegangenen Dienstagen. Und klar aggressiver. Nach dem bereits bei den vorangegangenen Veranstaltungen gegen die vermeintliche „Lügenpresse“ gehetzt und seit letzter Woche konkret auch gegen einen bestimmten Fotojournalisten Stimmung gemacht wurde, eskalierte die Situation heute am Rande. Mehrere Personen umringten zunächst den Fotografen, dann griff einer nach dessen Technik und zerstörte einen Teil seiner Ausrüstung. Der mutmaßliche Täter wurde durch die Polizei gestellt und Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet.
Gegen den Marsch des „Bürgerbündnisses“ gab es auch heute keine Proteste. Lediglich am Märkischen Platz gab es eine Lichtinstallation, die darauf hinwies, dass Anschläge nicht nur in Frankreich stattfinden, sondern beispielsweise in Syrien alltäglich und somit Ursache für die Flucht nach Europa sind.
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Autor: Shaun
An einer von einem Kreistagsabgeordneten der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) angemeldeten Versammlung in Pritzwalk (Landkeis Prignitz) nahmen am Montagabend ungefähr 160 Menschen teil. Die Veranstaltung hatte das Motto „Gegen das Politikversagen“ und richtete sich überwiegend gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Die Kundgebung in der Marktstraße wurde zuvor sowohl vom AfD Kreisverband Prignitz, von einem „Prignitzer Bürgerzusammenschluss“ und der latent neonazistischen Internet-Initiative „Pritzwalk sagt NEIN zur Asylpolitik“ beworben. Zeitgleich zu der flüchtlingsfeindlichen Versammlung fand zwischen St. Nikolaikirche und Markt eine Gegenveranstaltung statt, an der insgesamt 100 Menschen teilnahmen.
Proteste in Hör- und Sichtweite
Zentraler Protestort war der Platz nördlich der Marktstraße, zwischen Stadtverwaltung und einem Kreditinstitut. Dort hatten sich ungefähr 50 Menschen versammelt und lautstark versucht, die AfD-Kundgebung auf der anderen Straßenseite mit Pfiffen und Rufen zu stören. Die Polizei hielt jedoch die Teilnehmer_innen beider Veranstaltungen weitgehend auf Distanz. Zwischen den konträren Versammlungen war ein Raum von 15 bis 20m in der Breite, der mit Gittern abgetrennt war. Dort hielten sich auch zusätzliche Beamt_innen der Bereitschaftspolizei, mit Blickrichtung Gegendemonstration, auf. Der Protest in Hör- und Sichtweite blieb allerdings friedlich.
Eine zweite Versammlung, die ebenfalls als Gegenkundgebung zur AfD-Versammlung gewertet werden kann, fand wenige Meter weiter in um die St. Nikolaikirche statt. Bei dieser Veranstaltung handelte es sich um ein Friedensgebet. Ungefähr 50 Menschen beteiligten sich daran.
AfD-Kundgebung mit flüchtlingsfeindlichem Charakter
Hintergrund der AfD-Versammlung soll die derzeitige „Asylpolitik” gewesen sein. Anmelder Thomas Schlaffke hatte der Lokalzeitung „Der Prignitzer“ gegenüber erwähnt, dass sich bei so genannten „Bürgerstammtischen“ seiner Partei einige Menschen nicht ausreichend über das Thema Asyl informiert sahen. Obwohl er als Kreistagsabgeordneter Zahlen und Fakten kenne, sei er trotzdem um eine Anmeldung zu einer Demonstration gebeten worden.
Die Gründe hierfür scheinen auf der Hand zu liegen. Flüchtlingsfeindliche Versammlungen sind momentan populär und versprechen künftige Wähler_innenstimmen. Momentan liegt die momentan nicht im Bundestag vertretende AfD, laut Forsa-Umfrage vom 11. November 2015, im Bundestrend bei stolzen 7 %, bei INSA sogar bei 10 % (Umfrage vom 9. November 2015).
Bei den letzten Kommunalwahlen im Mai 2014 holte die „Alternative für Deutschland“ im Landkreis Prignitz allerdings gerade einmal 1,0 % der gültigen Wähler_innenstimmen und lag damit sogar noch unter dem Landesdurchschnitt von 1,3 %. Für das Mandat von Thomas Schlaffke im Landkreis Prignitz reichte es also gerade so. Deshalb vielleicht zur Verstärkung, hatte die AfD am Montagabend mit Andreas Kalbitz und Steffen Königer auch zwei ihrer Landtagsabgeordneten zur Kundgebung nach Pritzwalk entsandt. Ihr Thema war vor allem die derzeitige Flüchtlingssituation.
Kalbitz, der eine Biografie in der extremen Rechten hat, beklagte vor allem die, seiner Meinung nach, „völlig unkontrollierte Zuwanderung“ und wandte sich gegen den Zuzug von Familienangehörigen von Flüchtlingen. Weiterhin schürte er Überfremdungsängste und warf den „Politikern“ im Allgemeinen den „Verrat am deutschen Volk“ vor. Speziell wurde aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in seiner Rede angegriffen. Weiterhin thematisierte Kalbitz den demografischen Wandel und präsentierte als einfaches Rezept, statt Ausländer ins Land zu holen, einfach mehr Kinder zu machen. Ähnlich argumentiert übrigens auch die extreme Rechte innerhalb ihrer so genannten „Volkstod“-Kampagne. Mit „Nazis“ wolle die AfD jedoch nichts zu tun haben. Diesbezüglich meinte Steffen Königer in seinem Redebeitrag, dass er hier, auf der Kundgebung, keine Verfassungsfeinde sehe. Diese vermutete er eher im Bundestag in Berlin. Die Schwarz-weiß-rote Reichsflagge, die auf der AfD Kundgebung wehte, war Königer anscheinend nicht aufgefallen. Er bejammerte stattdessen, dass gegen seine Partei immer wieder die „Nazikeule“ geschwungen werde. Dies beklagte auch der aus Neuruppin angereiste ehemalige Vorsitzender des Parteiverbandes Ostprignitz-Ruppin, Klaus Engelbertz, in seinem Redebeitrag. Er kritisierte vor allem die Gewerkschaften für deren vermeintlichen „Goebbels-Jargon“ und setzte die Antifa mit der „SA“ gleich. Zu dem deutlichen Anstieg von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte verlor er hingegen kein Wort.
Neonazis auf der AfD-Kundgebung
Trotz der scheinheiligen Distanzierungsversuche, scheinen die „Alternative für Deutschland“ und die extreme Rechte zumindest in der Beantwortung der Flüchtlingsfrage gemeinsame Schnittstellen zu haben. Auch gestern zog es so einige Sympathisant_innen des neonazistischen Milieus, es mögen zwischen 30 und 40 gewesen sein, zu der AfD-Kundgebung auf den Pritzwalker Marktplatz. Auch Neonazis aus lose organisierten Gruppen, wie den „Freien Kräften Prignitz“ oder den „Freien Kräften Wittstock/Dosse“ waren anwesend. Sie waren offenbar dem Aufruf der latent neonazistischen Internet-Initiative „Pritzwalk sagt NEIN zur Asylpolitik“ gefolgt. Eine deutliche Distanzierung der AfD zu dieser Seite gab es im Vorfeld nicht. Ebenso wenig erfolgte der Ausschluss der Neonazis von der Versammlung. Dies wäre übrigens ohne weiteres möglich gewesen, da der Kundgebungsort komplett mit Polizeigittern abgezäunt war und die Zugänge von Ordner_innen der Versammlung kontrolliert wurden. Stattdessen wurden einzelne Neonazis von den Ordnungskräften per Handschlag persönlich begrüßt.
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An der nunmehr dritten Versammlung des flüchtlingsfeindlichen „Bürgerbündnisses Rathenow“ haben sich wieder mehrere hundert Menschen beteiligt. Schätzungen gehen von ungefähr 400 Personen aus. Die Veranstaltung wurde erstmals auch als Demonstration durch einen Teil der Stadt durchgeführt. Während des Marsches durch die Goethestraße entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz auch Brandfackeln und verliehen dem Aufzug so den Charakter eines Fackelmarsches. Allerdings blieb die Anzahl der Versammlungsteilnehmer_innen, die dem neonazistischen Milieu zugeordnet werden konnten, relativ konstant bei ungefähr 50–60 Personen, also innerhalb der Versammlung deutlich in der Minderheit. Dennoch war wieder zu beobachten, dass diese Personenkreise die Veranstaltung benutzten um sich zu inszenieren. Weiterhin war die Steigerung einer aggressiven Grundstimmung bei einem Großteil der Versammlungsteilnehmer_innen deutlich spürbar. Eine Gegenveranstaltung gab es übrigens nicht. Das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ wollte jeglichen möglichen Konflikt aus dem Weg gehen. Stattdessen wurden an Straßenlampen Schilder angebracht, die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen entkräften sollten. Zudem wurde durch die Kirche ein Friedensgebet als Protest zur der Veranstaltung des Bürgerbündnisses angeboten. An diesem beteiligten sich ungefähr 30 Menschen. Den Versuch eines direkten Protestes gab es hingegen nur in der Berliner Straße, wo sich eine kleine Gruppe von ungefähr zehn alternativen bzw. antifaschistischen Jugendlichen gesammelt hatte.
Ton wird schärfer
Deutlich mehr Menschen standen hingegen wieder auf dem Märkischen Platz, wo ab 18.30 Uhr die Auftaktkundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ stattfand. Viele kamen auch wieder mit der Nationalflagge oder der Fahne des Landes Brandenburg. Akzeptiert wurde aber anscheinend auch revisionistisch anmutende Beflaggung des heute zur Republik Polen gehörenden Gebietes „Westpreußen“ sowie die seit den 2010er Jahren hauptsächlich von Gruppen der extremen Rechten genutzte, so genannte „Wirmer-Flagge“. Bisher sind die Veranstalter_innen offenbar um eine Geschlossenheit ihres „Volkes“ bemüht. Bemerkenswert ist diesbezüglich auch eine schleichende Radikalisierung in der Gestaltung der Reden. Nicht nur Ressentiments gegen Flüchtlinge werden immer wieder ausgiebig artikuliert, sondern auch Menschengruppen, die sich nicht dem kollektiven Rausch der Demagogen auf dem Märkischen Platz hingeben, als „Lügenpresse“ oder „Volksverräter“ verunglimpft. Dabei wird zum Teil auch nicht davor zurückgeschreckt bewusst Unwahrheiten zu verbreiten, um das „Volk“ anzustacheln. Die permanente Abwertung dieser Feindbilder, bei zunehmender Aggressivität wirkt, von außen betrachtet, immer bedrohlicher und könnte in Zukunft durchaus zu einer Senkung der Hemmschwelle zur Ausübung physischer Gewalt führen, zumal in den Reihen des „Bürgerbündnisses“ auch viele bekannte Gewalttäter mitlaufen.
Wieder einschlägige Neonazi-Ordner
Zum Teil waren beispielsweise bei der zweiten Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“ in der vergangenen Woche sogar gewalttätige und diesbezüglich vorbestrafte Neonazis, die zudem mehrfach an NPD Versammlungen teilnahmen, als Veranstaltungsordner eingesetzt. Zwar wurde die Parteinähe der Ordner durch den Sprecher des havelländischen „Bürgerbündnisses“, Nico Tews, in einem wohlwollenden Interview mit einer Lokalzeitung beharrlich bestritten, diese Personen aber andererseits bei der jüngsten Kundgebung auch nicht mehr aufgestellt. Dafür wurde auf andere, ebenfalls bekannte Neonazis zurückgegriffen. Beispielsweise auf Andy K., einem in den 2000er Jahren aktiven Sympathisanten des NPD Ortsbereiches Rathenow, der wegen Gewalt- und Propagandadelikten vorbelastet ist. Er und eine weitere Person aus dem neonazistischen Milieu sollen u.a. am 11. August 2005 einen 20-Jährigen in der Goethestraße mit einer Bierflasche gegen das Kinn geschlagen haben. Weiterhin war auch der Rathenower Neonazi Thomas L. als Ordner eingesetzt. L. gilt ebenfalls als NPD Sympathisant und nahm in der Vergangenheit an zahlreichen Versammlungen dieser Partei teil. Zu einer Kundgebung der NPD im Jahr 2008 in Premnitz erschien er sogar eindeutig in Parteikluft. Auf alten, damals öffentlich einsehbaren Bildern in einem sozialen Internetnetzwerk posierte er zu dem vor einer Fahne der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN). Heute tritt L. vor allem als „nationaler“ Liedermacher unter dem Pseudonym „TOitonicus“ auf.
Neonazis inszenierten Fackelmarsch
Neben den einschlägig bekannten Ordnern war auch wieder eine Gruppe von 50–60 weiteren Neonazis Teil der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“. Dabei handelte es sich vor allem um bekannte Akteure aus Rathenow, Premnitz, Nauen und Ketzin/Havel. Diese suchten auch heute wieder die Veranstaltung des „Bürgerbündnisses“ für sich zu vereinnahmen. Nach Beendigung der Kundgebung auf dem Märkischen Platz, mit Beginn des vom Veranstalter Christian Kaiser als „Abendspaziergang“ bezeichneten Demonstrationszuges durch die Goethestraße, die Nauener Straße, die Friesacker Straße sowie der Forststraße, entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz Brandfackeln und verliehen dem gesamten Aufzug so den Charakter eines „Fackelmarsches“.
NPD sucht Anschluss
Auch die NPD, insbesondere in Person des Rathenower Stadtverordneten und Kreistagsabgeordneten Michel Müller, war ebenfalls wieder auf der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ vertreten. Die Partei sucht offenbar nach wie vor eine Brücke zu den bürgerlichen Versammlungsteilnehmer_innen zu schlagen. In der Nacht von Montag zu Dienstag verteilten mehrere Sympathisant_innen der Partei auch Flyer im Stadtgebiet von Rathenow, auf denen u.a. das Konterfei Müllers und sowie flüchtlingsfeindliche bzw. rassistische Parolen abgedruckt waren.
Aktionsbündnis zog sich zurück
Nach dem bekannt wurde, dass sich das „Bürgerbündnis Havelland“ am Dienstagabend erneut auf dem Märkischen Platz sammeln und anschließend sogar als Demonstrationsblock durch die Stadt laufen würde, nahm das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ Abstand von der Ausrichtung einer eigenen Kundgebung mit „Herz statt Hetze“. Als Begründung wurde die Vermeidung einer „weitere(n) Polarisierung“ der Lager angegeben. Ein „Aufbau von Fronten“ sei „mit Sicherheit nicht der Weg zu Lösungen im Sinne eines Miteinanders in der Stadt Rathenow“, so das Aktionsbündnis weiter. Um sich dennoch zu positionieren versuchte „Rathenow zeigt Flagge“ das bürgerliche Publikum des „Bürgerbündnisses Havelland“ mit Fakten und Argumenten zu überzeugen. So wurden beispielsweise bereits am Nachmittag Pappschilder aufgehängt, auf dem jeweils ein Vorurteil und eine entsprechend sachliche Entkräftung abgedruckt waren. Nico Tews vom „Bürgerbündnis Havelland“ ging in seiner Hetzrede tatsächlich auch auf diese Plakate ein, tat sie jedoch als „Wisch“ und „Steuergeldverschwendung“ ab. Ähnlich fruchtlos blieb das Friedensgebet in der Lutherkirche, dass ebenfalls auch als Dialog angeboten wurde. Die „besorgten Bürger_innen“ zogen im Schein der Brandfackeln ohne Gesprächsinteresse an der Kirche vorbei. Immerhin wurde drinnen zumindest über eine künftige Verfahrensweise mit derartigen Veranstaltungen beraten und mögliche Optionen erörtert. Konkrete Gegenaktionen stehen aber momentan offenbar immer noch nicht zur Diskussion, obwohl die Aufgabe eines Standortes für direkte Gegenproteste indes von einigen Menschen als „Rückzug“ vor den Hetzern und ihren teilweise extrem rechten Anhang kritisiert wurde. Die Motivation für eventuelle Gegenveranstaltungen scheint in der Zivilgesellschaft momentan jedoch auch an dem Missverhältnis der Zahlen zu liegen. Zweimal wurde zu Gegenkundgebungen aufgerufen, zweimal war „Rathenow zeigt Flagge“, trotz für Rathenower Verhältnisse erheblichen Interesses, in der Minderheit. Am Dienstagabend sammelten sich zu dem auch nur ungefähr zehn alternative bzw. antifaschistische Jugendlichen für spontanen Protest in der Berliner Straße.
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An einem „Abendspaziergang“ in Rheinsberg (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) nahmen am gestrigen Abend ungefähr 130 Personen teil. Der deutlich von NPD und „freien Kräften“ aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Oberhavel und Havelland geprägte Aufzug richtete sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. An der Demonstration nahmen vereinzelt auch so genannte „besorgte“ Bürger_innen teil. An einer Gegenveranstaltung nahmen ebenfalls über 100 Menschen teil. Am Rande des Abendspaziergangs kam es zu einzelnen Störaktionen durch Gegendemonstrant_innen. Zu größeren Zwischenfällen kam es jedoch nicht. Die Polizei hielt beide Lager auf Abstand.
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Am Samstagvormittag veranstalteten Neonazis eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Wittstock/Dosse. Die Versammlung stand in Zusammenhang mit der Unterbringung weiterer Flüchtlinge im Stadtgebiet. Thematisch dazu planen Neonazis auch am 6. Dezember 2015 einen Fackelmarsch durch Wittstock/Dosse. An der heutigen neonazistischen Veranstaltung nahmen ungefähr 50 Personen aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Prignitz und Havelland teil. An einer Protestveranstaltung des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Wittstock bekennt Farbe“ in Hör- und Sichtweite beteiligten sich ungefähr 60 Menschen.
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An öffentlichen Versammlungen im Stadtgebiet von Velten (Landkreis Oberhavel) haben sich am frühen Abend insgesamt 300 Menschen beteiligt. Die Veranstaltungen bewegten sich im Kontext der bundesweit debattierten Kontroverse um die Aufnahme von Asylsuchenden. Am so genannten „1. Abendspaziergang für eine angemessene Asylpolitik“, der sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Velten richtete, beteiligten sich ungefähr 200 Personen. Diese Veranstaltung wurde im Vorfeld hauptsächlich durch die NPD-nahe Internetinitiative „Nein zum Heim in Oranienburg“, beworben und durch nationaldemokratische Parteifunktionäre protegiert. Das Design des Internetaufrufs für den Abendspaziergang sowie Konzept und Ablauf knüpften zudem sehr deutlich an ähnliche Versammlungen in Oranienburg und Zehdenick (ebenfalls Landkreis Oberhavel) an. Unter dem Motto: „ Herz statt Hetze! Velten ist anders, weltoffen, bunt!“ protestierte die „Initiativgruppe gegen Rassismus und Gewalt Velten“ mit ungefähr 100 Menschen gegen die flüchtlingsfeindliche Demonstration.
Abendspaziergang nach NPD Konzept
Der so genannte „Abendspaziergang“ begann indes auf dem Veltener Marktplatz mit einer Auftaktkundgebung. Dabei wurde recht schnell klar, dass die gesamte Versammlung auf einem komplett aus Oranienburg importierten Konzept basierte. In der Kreisstadt des Landkreises Oberhavel hatten so genannte „besorgte Bürger_innen“ bereits seit Dezember 2014 ähnliche Aufzüge durchgeführt. Die regionalen NPD und JN Strukturen hatten dabei stets entscheidenden organisatorischen Anteil, vermieden es jedoch offen für die nationaldemokratische Partei zu werben. Die Mobilisierung lief stattdessen über deren virtuelle Tarnseite „Nein zum Heim in Oranienburg“, auf der auch für Velten mobilisiert wurde. Entsprechend deutlich war der Einfluss der von NPD und JN auch dort zu spüren. Zwar mögen auf dem „1. Abendspaziergang“ in Velten mehrheitlich tatsächlich so genannte „besorgte“ und „verängstigte“ Bürger_innen gewesen sein, viele Ausdrucksmittel, wie Schilder und Banner, verdeutlichten jedoch einen ganz offensichtlichen Bezug zur Ideologie der extremen Rechten. „Überfremdung ist auch eine Form von Völkermord“ stand beispielsweise auf einem Pappschild geschrieben. Ein mitgeführtes großes Banner mit der Aufschrift „Asylbetrug macht uns arm“ entsprach nahezu exakt dem Werbematerial der NPD, bis auf das deren drei Buchstaben nicht enthalten waren. Des Weiteren beteiligten sich auch wieder mehrere Kommunalpolitiker der Partei, allen voran deren örtlicher Stadtverordneter Robert Wolinski an der Demonstration.
Darüber hinaus wurde der Abendspaziergang auch von einer Gruppe Neonazis aus dem Landkreis Havelland, um den verurteilten Terroristen Christopher H., unterstützt. H. wurde Anfang März 2005 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er eine Organisation namens „Freikorps Havelland“ aufgebaut, geleitet und in diesen Rahmen Brandanschläge auf Dönerstände und Asia-Imbisse durchgeführt haben soll.
Aus Berlin waren heute ebenfalls viele Personen nach Velten gereist. Ein „besorgter Bürger“ aus Marzahn-Hellersdorf ergriff bei der Abschlusskundgebung beispielsweise das Mikro und klagte sein Leid über die vermeintliche Überfremdung durch die Aufnahme von Flüchtlingen. Besonders übel stieß ihm dabei u.a. auf, dass „man heute nicht einmal mehr ‚Neger‘ sagen dürfe“.
Stadt bekennt sich gegen Rassismus
Für ein buntes und weltoffenes Velten traten hingegen heute die Bürger_innen ein, die sich am Abend an der evangelischen Kirche in der Viktoriastraße versammelt hatten. Diese Veranstaltung begann bereits eine Stunde vor dem „Abendspaziergang“ mit einem Friedensgebet. Später sprach dort auch Veltens Bürgermeisterin Ines Hübner. Sie begrüßte die Gegenveranstaltung und betonte das Velten „eine weltoffene Stadt ohne Rassismus“ sei.
Auf der Versammlung „Initiativgruppe gegen Rassismus und Gewalt Velten“ war heute weiterhin u.a. auch vom Kreisbrandmeister der Feuerwehr unterstützt, der heute demonstrativ Präsenz zeigte. Im Vorfeld war nämlich bekannt geworden das einer seiner Feuerwehrmänner nicht nur Flyer für die NPD verteilt, sondern auch den „Abendspaziergang“ angemeldet haben soll.
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An Versammlungen im Stadtgebiet von Rathenow nahmen heute mehrere hundert Menschen teil. Die Kundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ zog ungefähr 450 Versammlungsteilnehmer_innen, etwas weniger als letzte Woche. Die zivilgesellschaftliche Initiative „Rathenow zeigt Flagge“ zog mit ihrem Veranstaltungskonzept ungefähr 250 Menschen an, ebenfalls weniger als am vergangenen Dienstag. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. Für den nächsten Dienstag wurde seitens des „Bürgerbündnisses Havelland“ eine weitere Kundgebung mit Demonstration durch die Stadt angekündigt. „Rathenow zeigt Flagge“ wird wahrscheinlich ebenfalls wieder präsent sein. Eine genaue Aktionsform steht zur Stunde aber noch nicht fest.
Bürgerbündnis polarisiert weiter
Die 450 Sympathisanten des „Bürgerbündnisses Havelland“, darunter wieder ungefähr 50 Neonazis, hatten sich, wie in der vergangenen Woche, wieder ab 18.30 Uhr auf dem Märkischen Platz versammelt. Sich dort einzufinden wurde zuvor u.a. wie Veranstaltungsseite in einem sozialen Internetnetzwerk sowie gedruckten und als Postwurfsendung verteilten Flyern kommuniziert. Gemäß Statement des „Bürgerbündnisses“ ging es bei der massiven Werbeaktion vor allem darum, mehr Versammlungsteilnehmer_innen anzulocken als in der Vorwoche. Die Zahl von 500, wie in der vergangenen Woche, wurde jedoch heute nicht erreicht. Auch die Stimmung war deutlich weniger euphorisch. Lediglich wenn die Redner_innen Begriffe, wie „Lügenpresse“, „Volksverräter“, „Merkel muss weg“ und „Wir sind das Volk“, in ihren Beiträgen nutzten, war eine mitreißende Atmosphäre erlebbar. Als Redner_innen traten heute hauptsächlich Christian Kaiser und Nico Tews auf. Des Weiteren wendeten sich eine Frau namens Susanne sowie ein älterer Herr an das versammelte Volk. Erstmals wurden vom „Bürgerbündnis Havelland“ auch Forderungen an die Politik gerichtet. Diese hatten hauptsächlich mit dem Thema Asyl zu tun. Unter anderem wurde ein Limit bzw. eine Höchstzahl für die Aufnahme von Flüchtlingen gefordert. Ansonsten wurde sich auch wieder von Nazis distanziert, ohne dass sich die Veranstalter_innen aber tatsächlich an ihre Worte gebunden sahen.
Neonazis verteilten Flyer für Demo des „Bürgerbündnisses“
Für die heutige Versammlung hatten nämlich auch wieder bekannte Neonazis mobilisiert. Der Nauener Kommunalpolitiker Maik Schneider (NPD) hatte beispielsweise im Vorfeld auf seiner öffentlich einsehbaren Seite in einem sozialen Internetnetzwerk verkündet „die Rathenower“ wieder „unterstützen“ zu wollen. Bereits in der vergangenen Woche sei, seinen Angaben zu Folge, „ein kleiner Trupp der Nauner NPD“ vor Ort gewesen. Dieser hatte dort mehrere Banner mit rassistisch motivierten Parolen gezeigt. Die Aktion sollte nun offenbar nicht nur planmäßig wiederholt werden, sondern auch noch mehr Gesinnungsgenoss_innen anlocken. Schneider dazu auf seiner Seite: „Dass es diesmal noch mehr Bürger werden die gegen dieses asoziale System demonstrieren, haben wir im Vorfeld hundert von Briefkästen in Nauen mit Infomaterial versehen.“ Als Fotobeweis für die Verteilaktion präsentierte Maik Schneider mit Infoflyern des „Bürgerbündnisses“ bestückte Briefkästen. Sollten die Fotos und seine Angaben dazu authentisch sein, sind dies klare Indizien für eine Zusammenarbeit zwischen dem „Bürgerbündnis Havelland“ und der NPD.Tatsächlich nahm heute auch wieder eine Delegation Neonazis aus Nauen an der Kundgebung des „Bürgerbündnisses“ teil. Diese hatten sich vor den Redner_innen mit Bannern präsentiert, schwenkten Fahnen oder waren als Ordner eingesetzt.
Neonazis als Ordner
Rathenower Neonazis waren übrigens ebenfalls auf der Kundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ als Ordner erkenntlich, darunter der mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Peer D. Er saß mehrere Jahre in einer JVA ein, weil er sich u.a. mit weiteren Gesinnungsgenossen im Juni 2005 dazu verabredete, den Jugendclub in Premnitz anzuzünden. Des Weiteren hatte er 2008 einen Premnitzer Stadtverordneten der Linkspartei mit Reizgas angegriffen. Als Ordner wird D. offenbar trotzdem gerne genommen, nicht nur vom „Bürgerbündnis Havelland“. Auch bei Kundgebungen der NPD ist er öfter mit einer Ordnerbinde zu sehen.
„Rathenow zeigt Flagge“ sucht Dialog
Trotz des weiterhin sehr polarisierenden Charakters der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ sucht das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ weiter die Verständigung. Bewusst sei die Gestaltung der Kundgebung auf dem August-Bebel-Platz nicht als „Gegenveranstaltung“ beworben worden. Es würde weiter der Dialog gesucht. Vorurteile, Sorgen und Ängste, sollten, so die Veranstalter_innen, dadurch ausgeräumt werden. Es gab auf der Kundgebung auch die Möglichkeit, entsprechende Fragen oder Anregungen schriftlich und anonym zu stellen. An dem Motto: „Mein Rathenow, mit Herz statt Hetze“ hielt das Aktionsbündnis jedoch weiterhin fest, frei nach dem von Bürgermeister Ronald Seeger am heutigen Abend verwendeten Reim: „Mein Rathenow mit Herz und Verstand: bunt und tolerant“. Einfach über die andere Veranstaltung hinwegsehen und warten was da komme, wollten aber viele Menschen auch nicht. Vor allem junge Leute zeigten sich noch immer schockiert von der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ am vorhergehenden Dienstag. Eine junge Frau, die sich als Maria vom „Laut und bunt“-Jugendiniative vorstellte, meinte: „Was ich da gesehen habe, erinnerte mich an Szenen die ich nur aus Dokumentationen und Geschichtsbüchern kenne.“ Und für sie noch schlimmer: „…dass da drüben Menschen stehen, die einmal Freunde waren, meine Ansichten teilten und jetzt diesem Blödsinn zujubeln“.Der Ohnmacht ergeben wollte sich die junge Frau jedoch nicht, vielmehr sei es sehe jetzt an der Zeit „zu handeln“ und „ein Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit sowie gegen Rassismus und Fremdenhass zu setzen“.
Klare Trennlinie zwischen Versammlungen
Nach dem es in der vergangenen Woche zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Antifaschist_innen am Rande beider Veranstaltungen gekommen war, zeigte die Polizei heute massive Präsenz. Zwischen beiden Lager wurde nicht nur eine Polizeikette aufgestellt, sondern auch eine Sperre aus Fahrzeugen errichtet. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. Auch die verbale Auseinandersetzung war deutlich abgeschwächter als in der vergangenen Woche.
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In Rathenow wird es am kommenden Dienstag eine Neuauflage der Kundgebungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ und des Aktionsbündnisses „Rathenow zeigt Flagge“ geben. Hintergrund ist die auch bundesweit kontrovers diskutierte Flüchtlingspolitik. Für die Gegner von pauschalisierender Hetze gegen Flüchtlinge sei es zudem wichtig, am Dienstag wieder ein klares Zeichen gegen Ressentiments zu setzen.
Bürgerbündnis läutet zur zweiten Runde
Nach dem das „Bürgerbündnis Havelland“ am vergangenen Dienstag, aus dessen Sicht, erfolgreich gegen „die Islamisierung des Abendlandes“ und „unkontrollierter ´Zuwanderung“ sowie für die konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber“ protestiert hatte und dabei ungefähr 500 Sympathisant_innen auf dem Märkischen Platz versammelte, hatte Veranstalter Christian Kaiser noch am selben Abend die Fortsetzung der Veranstaltung angekündigt. Diese erneute Versammlung soll nun wieder an einem Dienstag, genauer gesagt am 3. November 2015, zur gleichen Zeit und am gleichen Ort stattfinden. In einem sozialen Internetnetzwerk wird bereits dafür ausführlich geworben. Des Weiteren ließ das „Bürgerbündnis Havelland“ auch heute wieder bedruckte, in schwarz-rot-goldenen Farben gehaltene Flyer als Veranstaltungshinweis in Briefkästen privater Haushalte einwerfen.
Vom Immobilienmakler zum Volkstribun
Aufgrund seines Engagements für das „Bürgerbündnis Havelland“ weiter in den Fokus des öffentlichen Interesses gerutscht ist, neben Versammlungsleiter Christian Kaiser, inzwischen auch der aus dem osthavelländischen Senzke stammenden Immobilienmakler Nico Tews. Er ist gesetzlicher Vertreter der Latinum Hausverwaltungs GmbH und in einem Maklerhaus in der Fontanestadt Neuruppin integriert. Als Hausverwalter setzte er in der Kreisstadt des Landkreises Ostprignitz-Ruppin im Jahr 2011 u.a. die Räumung einer insolventen Kindertagesstätte durch. Auf der letzten Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ auf dem Märkischen Platz soll er dagegen bekräftigt haben, sich angeblich für die Zukunft „unserer Kinder“ einzusetzen. Darüber gefiel er sich offenbar in der Rolle des Tribuns, der im Sinne des einfachen Volkes die vermeintliche „Lügenpresse“ und die Regierung Merkel anklagte. Auch die weiterhin in der Bundesrepublik angekommenen Flüchtlinge wurden thematisiert. Tews Meinung nach seien es zu viele, die in „unser Land“ kommen. Derartige Ansichten widersprechen allerdings der von der Bundesrepublik ratifizierten UN Menschenrechtserklärung, demnach Flüchtlinge, egal wie viele es sind, ein Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung haben, und somit nicht nur demokratische, sondern übrigens auch auf christliche Werte. Bei seinem Publikum, das freilich nicht nur aus bekannten Neonazis bestand, kam Tews trotzdem gut an. Dies heißt allerdings nicht, dass sein Redebeitrag unbedenklich ist. Tatsächlich hatte Tews Rede zum Teil recht demagogische Züge.
Die Scham des Erkannten
Im Gegensatz zu seinem selbstbewussten Auftreten und seiner recht freizügigen Rede vor seinem „Volk“ im Dunkel des Märkischen Platzes gab sich Tews, im Nachgang zu der Versammlung auf dem Märkischen Platz, einerseits getroffen und andererseits recht angriffslustig gegenüber Medien, die über ihn auch im Lichte der Öffentlichkeit berichteten. So verlangte er u.a. die Anonymisierung seines Namens und die Löschung von Bildern, auf dem sein Konterfei abgebildet sei. Als Unternehmer bzw. Hausverwalter hatte er allerdings bisher keine Probleme damit im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Im Impressum seiner Firma steht er mit vollem Name und Adresse, ebenso bei seiner Landiner Ferienwohnungvermietung. Und im Team des Maklerhauses Neuruppin ist er sogar mit Porträtfoto zu sehen. Nicht einmal als er die besagte Kindertagesstätte in der Fontanestadt zwangsräumen ließ und daraufhin in einer Lokalzeitung mit vollen Namen über ihn berichtet wurde, störte ihm das offenbar. Anders hingegen bei Berichten über die flüchtlingsfeindliche Kundgebung auf dem Märkischen Platz. Anscheinend sind ihm einige seiner dort vertretenen Positionen, möglicherweise im Zusammenhang seiner beruflichen Stellung, inzwischen peinlich. Für die nächste Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“, am 3. November 2015, wirbt er, im Gegensatz zu ersten Versammlung am 27. Oktober 2015 auch nicht mehr unter seinem eigenem Namen. Denkbar ist aber, dass die Flyer mit Hilfe von Tews Kapital finanziert werden. Das „Bürgeründnis“ hat sich übrigens mittlerweile auch eine eigene Seite in einem sozialen Internetnetzwerk zugelegt, mit der Anonym für die nächste Kundgebung geworben und Hetze gegen Flüchtlinge geschürt wird. Die dort veröffentlichten, ausnahmslos in einseitigem Kontext veröffentlichten Zeitungsartikel erinnern übrigens an die so genannten „Nein zum Heim“-Seiten der NPD.
Die Rolle der NPD
Die nationaldemokratische Partei selber scheint somit zwar einen gewissen Einfluss auf die Gestaltung der „Bürgerproteste“ zu haben, Veranstalter Christian Kaiser sympathisiert in einem sozialen Internetnetzwerk ja auch recht deutlich mit dieser Organisation, den Ton geben ihre Funktionäre jedoch bisher nicht an. Tews ist als Immobilienmakler schon beruflich höhergestellt als der ranghöchste regionale NPD Funktionär Michel Müller. Außerdem ist in Rathenow auffällig, dass an der Veranstaltung des Bürgerbündnisses verstärkt eher kleinbürgerliches Klientel, also kleinere Lädenbesitzer_innen oder Dienstleistungsunternehmer_innen, teilnahmen. Prekariat, prekarisiertes Proletariat oder Alkoholabhängige, wie beispielweise bei den klar von der NPD dominierten rassistischen Aufmärschen in Nauen, war in Rathenow anteilsmäßiger deutlich weniger vertreten. Auch wurde in der havelländischen Kreisstadt offensichtlich, dass die nationaldemokratische Partei bisher nur auf die Proteste aufgesprungen ist und möglicherweise nur aus taktischen Gründen mit dem „Bürgerbündnis Havelland“ sympathisiert. Die NPD ist nämlich momentan in der Region die einzige politische Partei der extremen Rechten die bei politischen Wahlen antritt und offensiv gegen Flüchtlinge hetzt. Das „Bürgerbündnis Havelland“ ist dagegen bisher nur eine lose Vereinigung, ohne konkreten politischen Einfluss oder entsprechenden Ambitionen. Die Option, dass die NPD, diese Organisationsschwäche ausnutzt, um zum einen in die so genannte gesellschaftliche „Mitte“ vorzustoßen und zum andern selber politisches Kapital daraus zu schlagen ist zumindest vorstellbar.
Einzelne Antifas machen mobil
In jedem Fall hat die Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ auch zu einer extremen Polarisierung der Lager geführt. Eine in Rathenow nicht näher bekannte Gruppe namens „Writer Antifas Rathenow“ mobilisiert beispielsweise seit letztem Freitag im Internet unter dem Motto „dem deutschen Volksmob entgegentreten“ für direkte Proteste gegen die flüchtlingsfeindliche Kundgebung. Als Vorabtreffpunkte werden u.a. Bahnhöfe in Berlin und Potsdam angegeben.
Rathenow will wieder Flagge zeigen
Auch das zivilgesellschaftliche Rathenower Aktionsbündnis für Demokratie und Toleranz will am kommenden Dienstag wieder Flagge zeigen. Mit „Zivilcourage und Entschlossenheit“ wollen die Akteure „den vielen Gerüchten, den Ressentiments und der Ignoranz“ entgegentreten. Die Versammlung des Aktionsbündnisses soll wieder um 18.00 Uhr auf dem August-Bebel-Platz (Postplatz) stattfinden. Neben dem Bekenntnis für ein Rathenow „mit Herz statt Hetze“ wird aber auch Gesprächsbereitschaft gegen über allen Interessierten signalisiert. Es sei, so das Aktionsbündnis in einer Pressemitteilung, „wichtiger, miteinander in Gespräch zu kommen, als nebeneinander Parolen nachzurufen“. „Ängste“ sollten so „besprochen und möglichst aufgelöst werden“ und so bestehende Ressentiments abgebaut werden.

An einer Kundgebung der NPD auf dem Neustädtischen Markt in Brandenburg an der Havel, die sich gegen vermeintlichen „Asylbetrug” richtete, beteiligten sich heute Mittag ungefähr 50 Personen. Deutlich weniger als wenn vermeintlich „besorgte“ Bürger_innen oder PEGIDA-Sympathisant_innen auf die Straße gehen. Zum Vergleich: An der ersten BraMM Versammlung in Brandenburg an der Havel im Januar 2015 nahmen ungefähr 150 Personen teil, bei so genannten „Bürgerprotesten“ am vergangenen Dienstag in Rathenow ca. 500. Die Anhänger_innen der heutigen NPD Veranstaltung waren zudem hauptsächlich aus den Landkreisen Havelland und Potsdam-Mittelmark zugereist. Es handelte sich dabei überwiegend um bekannte Neonazis, darunter auch Parteigänger_innen des III. Weges und „freier Kräfte“. Gegen die Veranstaltung protestierten ungefähr 200 Menschen. Zu den Protesten hatte u.a. FHB-Präsidentin Prof. Burghilde Wieneke-Toutaoui im Namen der Koordinierungsgruppe für Demokratie und Toleranz sowie die Linksjugend [‘SOLID] aufgerufen.
NPD suchte vergeblich Anschluss an „Bürgerproteste“
Nachdem Ableger und Imitate der flüchtlingsfeindlichen PEGIDA-Bewegung auch immer wieder im Land Brandenburg aufmarschiert waren und, wie beispielweise zuletzt im benachbarten Rathenow, auch bürgerliche Kreise in ihre Veranstaltungen einbetten konnten, ist auch die NPD wieder vermehrt um Anknüpfung in die Mitte der Gesellschaft bemüht. Ihre politischen Angebote, die sie auch heute wieder durch ihre Redner bzw. Parteipropaganda an die Brandenburger Bevölkerung richtete, wurden allerdings nur wenig beachtet. Als zu radikal gelten offenbar deren Positionen bzw. die handelnden Funktionäre. Redner Michel Müller aus Rathenow, der seit geraumer Zeit wieder regelmäßig sowohl bei Veranstaltungen der extremen Rechten als auch bei so genannten „Bürgerprotesten“ zu sehen ist, haftet beispielsweise noch immer der Ruf des brutalen Gewalttäters an. Grund: Er saß drei wegen Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.A. in der JVA Brandenburg ein. Müller war u.a. am Neujahrsmorgen 2000 an einer Hetzjagd auf pakistanische Flüchtlinge in Rathenow beteiligt. Dies hinderte den mitteilungsbedürftigen NPD Funktionär aber heute nicht daran die Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg wegen, aus seiner Sicht, „gewaltverherrlichender“ Transparente auf der Gegendemonstration verbal anzugreifen. Auch der zweite Redner, André Schär aus Bad Belzig, ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er soll am 22. März 2012 einen Flüchtling aus Kamerun bedroht und beleidigt haben. Heute fühlte sich Schär allerdings selber durch Anti-Nazi-Slogans auf den Transparenten der Gegendemonstrant_innen persönlich angegriffen. Er sei erst 1981 geboren und könne somit kein „Nazi“ sein. Allerdings wurde auf der Versammlung der NPD auch mindestens eine Person geduldet, die auf ihrem Pullover die Parole „Rache für 45“ abgedruckt hatte. Zudem wurde die schwarz-weiß-rote „Reichsflagge“ gezeigt. Sowohl Michel Müller als auch André Schär sitzen für die nationaldemokratische Partei in Kommunalparlamenten und nutzen ihre Abgeordnetentätigkeit für Hetze gegen Flüchtlinge.
Breites Bündnis protestierte gegen NPD
In Brandenburg an der Havel mag jedoch die rassistisch motivierte Dauerpropaganda der NPD nicht zünden. Im Gegenteil, eine Vielzahl von Menschen arbeitet mittlerweile in ehrenamtlich helfenden Flüchtlungsunterstützungsgruppen bzw. Willkommensinitiativen. Einige Helfer_innen und Flüchtlinge waren heute Mittag ebenfalls am Neustädtischen Markt präsent um gegen die Forderungen der NPD zu demonstrieren. Weiterhin waren die Vertreter_innen der Parteien und auch die Oberbürgermeisterin vor Ort. Gemeinsam wurde für ein „buntes weltoffeneres Brandenburg an der Havel“ demonstriert. Als Redner traten u.a. René Kretzschmer (DIE.LINKE) und Pfarrer Jonas Börsel von der St. Katharinen Gemeinde auf. Die Veranstaltung endete friedlich und ohne die, vom offenbar total verängstigten NPD Redner Michel Müller, befürchteten, gewalttätigen Angriffe auf „national denkende Menschen“. Beidseitige Konfrontationen von einzelnen Anhänger_innen beider Lager blieben auf verbalem Niveau.
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Am frühen Abend haben gestern ungefähr 500 Personen auf dem Märkischen Platz in Rathenow gegen vermeintlichen „Asylmissbrauch“ und für die Absetzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel demonstriert. Es handelte sich um eine der zahlenmäßig am stärksten frequentierten Versammlungen nach dem Vorbild der PEGIDA-Bewegung im Land Brandenburg. Die Veranstaltungsleitung gab sich betont „bürgerlich“. Einige Redebeiträge waren jedoch deutlich von Nationalismus und einer klar geäußerten Abneigung gegenüber Menschen, die in der Bundesrepublik nach Asyl suchen, geprägt. Ungefähr zehn Prozent der anwesenden Veranstaltungsgäste des „Bürgerbündnisses Havelland“ waren bekannte Neonazis. Entsprechend gezeigte Plakate, Fahnen und Banner machten dies auch offensichtlich. Die Veranstaltungsleitung verleugnete ihrerseits jedoch die Teilnahme derartiger Personenkreise und diffamierte Medien, welche die Versammlung im Vorfeld kritisch betrachteten, als „Lügenpresse“. Gegen die Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“ demonstrierten ungefähr 300 Menschen am August-Bebel-Platz für eine Stadt „mit Herz statt Hetze“. Auf dieser Kundgebung sprachen u.a. auch Bürgermeister Ronald Seeger sowie Vertreter_innn der Zivilgesellschaft. Symbolisch, zur Betonung des Mottos „Mein Rathenow – mit Herz statt Hetze“ wurde Kerzen angezündet. Ungefähr 50 Antifaschist_innen begaben sich anschließend in die Nähe des Märkischen Platzes und protestierten dort unmittelbar gegen die Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“. Dabei kam es auch zu verbalen Auseinandersetzungen mit Neonazis und aufgeputschten Sympathisant_innen des „Bürgerbündnisses“.
Die Stunde der Populisten
Eine gewisse Genugtuung klang schon aus den Stimmen von Christian Kaiser und Nico Tews, beide Wortführer des „Bürgerbündnisses Havelland“, als sie vor dem von ihnen zusammengetrommelten „Volk“ sprachen. Mit derart vielen Sympathisant_innen hatten selbst die Beiden offenbar nicht gerechnet. Viel Neues hatten Kaiser und Tews allerdings nicht zu berichten. Kaiser wiederholte die bereits im Aufruf verfassten Forderungen und ergänzte sie mit einigen Statements zur aktuellen Flüchtlingssituation. Tews ging ebenfalls auf die Situation der Flüchtlingsbewegung ein, verurteilte die Medien und erläuterte seine Abkehr von der CDU unter Angela Merkel. Aufgelockert wurden die Redebeiträge lediglich durch das skandieren einfacher Schlagwörtern und Parolen wie „Lügenpresse“ oder „Merkel muss weg“, die eifrig vom Publikum mitgegrölt wurden. Konkrete und vor allem praxistaugliche Lösungskonzepte insbesondere für den Umgang mit hier ankommenden Flüchtlingen kamen jedoch weder von Kaiser noch von Tews. Offenbar war dies auch gar nicht die Absicht dieser Veranstaltung. Ähnlich gab sich der in Italien beheimatete Gastredner Sebastiano Graziani, dem Kontakte zum neofaschistischen CasaPound Italia nachgesagt werden, schon öfters bei PEGIDA-ähnlichen Versammlungen im gesamten Bundesgebiet auftrat und betont kämpferischer Auftrat. Er deutete, im Zusammenhang mit seinem als Aufgabe gesehenen Kampf gegen die vermeintliche Islamisierung Europas, an, notfalls mit einer AK47 beispielsweise durch Berlin rumzurennen, wenn er seine Familie gefährdet sehe.
Vereinnahmungsversuche durch die NPD
Das neonazistische Milieu war übrigens gestern mit ungefähr 50 Personen aus dem gesamten Landkreis Havelland, der kreisfreien Stadt Brandenburg an der Havel sowie dem sachsen-anhaltinischen Landkreis Stendal vertreten. Die zahlenmäßig stärkste Fraktion bildeten dabei Funktionäre und Sympathisant_innen der lokalen NPD aus Rathenow und Premnitz, darunter auch der Rathenower Stadtrat Michel Müller. Aus deren Reihen stammten mutmaßlich auch die am Kundgebungsort angebrachten Wahlplakate der Partei. Eine weitere NPD Delegation aus dem osthavelländischen Nauen, um den dortigen Abgeordneten Maik Schneider, hatte sich zu dem an der Ecke Berliner Straße / Goethestraße versammelt und dort zwei Banner mit diffamierenden Parolen entrollt. Konkrete Versuche der Wortergreifung auf dem Podium der Versammlung gab es hingegen nicht. Die lokal als Platzhirsch unter den Parteien der extremen Rechten geltende Organisation setzte offenbar eher auf subtile Beeinflussung durch die mitgebrachte Propaganda.
„Bürgerbündnis“ will künftig jeden Dienstag demonstrieren
Nach der aus ihrer Sicht erfolgreichen Kundgebung hatte Christian Kaiser vom „Bürgerbündnis Havelland“ bereits am gestrigen Abend angekündigt künftig jeden Dienstag Kundgebungen durchzuführen.
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