POTSDAM. Menschen, die Opfer von Verbrechen geworden sind, sollen künftig in
Brandenburg mehr Hilfe erhalten. Das kündigten Innenminister Jörg Schönbohm
und Justizministerin Barbara Richstein (beide CDU) am Donnerstag auf einer
Konferenz des Landespräventionsrates an. So sollen in den beiden
Polizeipräsidien Potsdam und Frankfurt (Oder), beim Landeskriminalamt sowie
in allen 15 Schutzbereichen Oberschutzbeauftragte eingesetzt werden. Sie
sollen beratende Funktionen innerhalb der Polizei wahrnehmen, aber auch nach
außen Ansprechpartner sein. Richstein kündigte zudem an, für alle bereits
existierenden Opferhilfe-Organisationen einen Arbeitskreis bei ihrem Ministerium ins Leben zu rufen.
MAZ
Mehr Schutz für Opfer von Gewalt
Justiz und Polizei wollen sensibler sein
POTSDAM Opfer von Gewalt in Brandenburg sollen künftig von staatlichen
Stellen besseren Schutz und umfassendere Hilfe erhalten. Das versprachen
Justizministerin Barbara Richstein und Innenminister Jörg Schönbohm (beide
CDU) bei der zweiten Jahrestagung des Landespräventionsrats gestern in
Potsdam. Die Minister bewegten sich damit auf den Spuren etablierter
Privatinitiativen wie dem Verein “Opferperspektive”, der sich seit Jahren
für die Belange von Opfern rechtsextremer Gewalt einsetzt.
“Die Justizpraxis muss deutlicher auf die Wahrung der Opferbelange
ausgerichtet werden”, sagte Richstein und kündigte den Aufbau eines
flächendeckenden Systems von Opferhelfern an. Es müsse verhindert werden,
dass Verbrechensopfer in einem Strafverfahren eine nochmalige seelische
Verletzung erlitten.
Darüber hinaus strebt das Justizministerium eine engere Zusammenarbeit mit
freien Trägern im Bereich des Opferschutzes an. Deren Engagement ist
umfassend und betrifft Kinder als Opfer sexueller Gewalt, von
Menschenhändlern ausgebeutete und erniedrigte Frauen sowie Opfer
rechtsextremer Brutalität.
Die brandenburgische Polizei will sich ebenfalls noch stärker um den
Opferschutz bemühen. Mit einem von der Fachhochschule der Polizei
erarbeiteten polizeilichen Opferschutzkonzept soll eine stärkere
Sensibilisierung für das brisante Thema erzielt werden, teilte Innenminister
Schönbohm mit. Als Ansprechpartner für private Einrichtungen der Opferhilfe
sollen Opferschutzberater in allen Schutzbereichen eingesetzt werden,
erklärte die Leiterin des Schutzbereichs Oberhavel, Ute Intveen-Treppmann.
Die Dimension der Opferproblematik in Brandenburg skizzierte Schönbohm mit
Daten aus der Kriminalitätsstatistik. Von den etwa 244 000 Delikten, die im
vergangenen Jahr registriert wurden, richteten sich 23 400 Straftaten gegen
Personen. Dabei wurden 25 000 Menschen zu Opfern: 5900 Opfer von Gewalt,
2800 Opfer im Straßenverkehr.
Kritik am Verhalten von Politikern äußerte der Vorsitzende des Mobilen
Beratungsteams (MBT) gegen rechtsextreme Gewalt, Wolfram Hülsemann. Er
bemängelte, dass Politiker selbst gelegentlich zu einer zusätzlichen
Beleidigung von Gewaltopfern beitragen. Hülsemann spielte dabei auch auf
eine Bemerkung des Innenministers nach einer Unterredung mit jungen Neonazis
in Cottbus an. “Ein bedeutender Politiker”, so Hülsemann, habe die
Rechtsextremisten damals als vernünftige Gesprächspartner gelobt.
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Mit zwölf Klagen gegen die Bundeswehr wollen Gemeinden, Umweltverbände und
Tourismusunternehmen das “Bombodrom” in Nordbrandenburg doch noch
verhindern. Die Bürgerbewegungen “Freie Heide” und “Freier Himmel” schöpfen
wieder Hoffnung.
Die Klagen richten sich gegen die Wiedereinrichtung des einstigen
Truppenübungsplatzes der Sowjetarmee in der Kyritz-Ruppiner Heide als
Luft-Boden-Schießplatz der Bundeswehr. Gegner nennen ihn “Bombodrom”. Ende
Juni/Anfang Juli mussten die Gegner zwei Schlappen einstecken. Erst erklärte
die EU-Kommission in Brüssel, sie sehe keine Verletzung der
EU-Umweltrichtlinie. Kurz darauf kündigte Bundesverteidigungsminister Peter
Struck (SPD) an, nach den Sommerferien den Schießbetrieb wieder aufzunehmen,
nach elf Jahren Pause und elf Jahren Rechtsstreit. Doch in den letzten
Julitagen stellte sich heraus: Die Militärs haben übersehen, den “sofortigen
Vollzug” ihrer Pläne anzuordnen — juristisch ein Versäumnis, das womöglich
den Start der Flugbewegungen hinauszögert.
Am Mittwoch reichten die Anwälte der Gegner des Schießplatzes zwölf Klagen
beim Verwaltungsgericht Potsdam ein, die so lange aufschiebende Wirkung
haben, bis sofortiger Vollzug angeordnet wird. Zuvor schon hatte die
EU-Kommission mitgeteilt, das Verfahren wegen möglicher Umweltschäden erneut
aufzunehmen. Die Bundesregierung hatte Brüssel falsche Zahlen genannt.
Eine Behörde kann die “sofortige Vollziehung” einer Maßnahme anordnen, wenn
dieser Schritt “im öffentlichen Interesse” liegt. Bleibt die Anordnung aus -
wie beim Bescheid des Verteidigungsministeriums an die betroffenen Gemeinden
über die Aufnahme der Bombenabwürfe — haben Widersprüche und
Anfechtungsklagen “aufschiebende Wirkung”. Dann muss erst das Ende des
Rechtsstreits abgewartet werden, was noch einmal Jahre dauern könnte.
Allerdings können Behörden jederzeit die Anordnung “sofortige Vollziehung”
nachholen. Die Bundesregierung hat das bisher nicht getan. Tut sie es,
müsste das Gericht im Eilverfahren die Interessen von Regierung und Klägern
abwägen und entscheiden, ob die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt
werden muss. Anwalt Rainer Geulen (Berlin) sagte bei der Einreichung der
Widersprüche: “Wir sind entschlossen, den Platz mit allen rechtsstaatlichen
Mitteln zu verhindern.”
Im Juni hatte die Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission der
Bürgerbewegung “Freier Himmel” mitgeteilt, deren Beschwerde werde nicht der
Kommission zugeleitet, “da keine Verletzung des Gemeinschaftsrechts
festgestellt werden kann”. Die Direktion bezog sich auf Daten der
Bundesregierung, die von 161 Einsätzen mit Übungsmunition pro Jahr
gesprochen und sie 15 000 Einsätzen mit scharfer Munition zur Zeit der
sowjetischen Nutzung gegenübergestellt hatte. Peinlicher Fehler oder
Absicht — tatsächlich hatte die Bundesregierung stets von 1700 Einsätzen im
Jahr gesprochen, wobei ein Einsatz bis zu fünf Anflüge umfasst. Die Anwohner
müssen also mit 8500 Anflügen rechnen. Da der Betrieb an Wochenenden und in
den Sommerferien ruhen soll, wären das mehr als 30 Anflüge am Tag.
Nachdem die Bürgerbewegung auf die falschen Zahlen hingewiesen hat, will die
EU-Generaldirektion erneut prüfen, ob so viele Einsätze in einer der
schönsten Gegenden Deutschlands nahe dem Naturpark Müritz nicht doch gegen
die €päische Umweltrichtlinie verstoßen.
Potsdam — Nachdem zu Beginn der Woche bekannt wurde, dass die Potsdamer
Staatsanwaltschaft erwägt, ein Ermittlungsverfahren gegen Axel Lüdders, den
Chef des Brandenburger Landeskriminalamtes (LKA), wegen Strafvereitelung im
Amt einzuleiten, müssen sich die Potsdamer Strafverfolger nun selbst gegen
den Vorwurf verteidigen, Dienstgeheimnisse verraten zu haben. “Es wird
zurzeit geprüft, ob es Anhaltspunkte für den behaupteten Geheimnisverrat
gibt”, bestätigte gestern Petra Marx, Sprecherin von Justizministerin
Barbara Richstein.
Ein pikanter Vorgang: Denn geäußert hatte diese Behauptung Innenminister
Jörg Schönbohm (CDU) bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten.
Daraufhin hatte sich Frau Richstein mit Generalstaatsanwalt Erardo
Rautenberg zu einem mehrstündigen Gespräch getroffen. Zwar dementierte ihre
Sprecherin gestern, dass die Ministerin hier auf Geheiß ihres Parteifreundes
für Ruhe und Ordnung in dem brisanten Verfahren gegen einen früheren V‑Mann
des Brandenburger Verfassungsschutzes sorgen soll.
“Beide sind übereingekommen, dass es der Bedeutung des Verfahrens
entspricht, wenn der Generalstaatsanwalt künftig über den Sachstand in dem
Verfahren informiert”, sagte Frau Marx. Doch in Wahrheit gehe es darum, dass
Schönbohm mit seiner Bemerkung einen seiner Spitzenbeamten aus der
Schusslinie nehmen wolle, wie es im Innenministerium heißt. Die juristische
Auseinandersetzung, ob es geboten ist, gegen Lüdders ein Verfahren wegen
Strafvereitelung im Amt einzuleiten, weil er die Staatsanwaltschaft
möglicherweise nur unzureichend über den Verrat einer Polizeirazzia in
Brandenburgs militanter Neonazi-Szene informiert hat, gilt dem Vernehmen
nach als “vorgeschoben”. Dieser Streit sei nur “akademischer Natur”.
Denn Lüdders hatte bereits den Generalbundesanwalt über den Verrat der
Razzia informiert. Ausgeplaudert haben soll dies der V‑Mann Christian K.,
gegen den die Potsdamer Oberstaatsanwältin seit Mai wegen Strafvereitelung
ermittelt. Die Akten der Bundesanwaltschaft könnten ohne Probleme für die
Potsdamer Ermittlungen herangezogen werden, wenn es Zweifel gebe, hieß es im
Ministerium.
KZ-Wächter in den USA enttarnt
Oranienburg — “Es wird ohne Anruf geschossen!” Vor 60 Jahren hatte Johann
Hansl, heute 78 Jahre alt, mit dem Maschinengewehr auf den Wachtürmen des
Oranienburger Nazi-KZ-Dreiecks Häftlinge im Visier. Doch erst jetzt hat ihn
seine Vergangenheit eingeholt. Das Office of Special Investigation (OSI) im
amerikanischen Justizministerium hat den gebürtigen Kroaten am 24. Juli
festgesetzt und wird ihm wohl die US-Staatsbürgerschaft aberkennen, die er
sich nach Ermittlungen des OSI-Chefs Eli M. Rosenbaum 1955 erschlichen hat.
Seit 1979 sucht ein OSI-Kommando nach Naziverbrechern, die sich in den USA
festgesetzt haben. Und man ist fündig geworden. 170 Verdächtige gerieten
bisher ins Visier der Fahnder. 71 von ihnen wurden als Nazis enttarnt und 57
von ihnen ausgewiesen. Die Liste reicht von Michael Negele (81), der
Waffen-SS-Mann in Sachsenhausen war und sich 1955 in St. Louis die
US-Staatsbürgerschaft erschlich, bis hin zum SS-Rottenführer Jakob Miling
(78), der in Sachsenhausen und Groß-Rosen (Polen) KZ-Aufseher war. Er wurde
1972 in Cleveland US-Staatsbürger.
John (früher Johann) Hansl ist der jüngste Fall. Der seit 40 Jahren in Des
Moines (Iowa) lebende Mann hatte 1955 bei seiner Einreise aus Salzburg in
die USA seine SS-Laufbahn verschwiegen und nur die Zugehörigkeit zur
Wehrmacht angegeben. Horst Seferens, Stiftungssprecher in Oranienburg,
bestätigt die OSI-Ermittlungen: “Wir haben die Stammkarte von Hansl
gefunden. Daraus geht hervor, dass er im Februar 1943 als Deutschstämmiger
aus Kroatien zur Waffen-SS (Totenkopf) nach Oranienburg kam. Er gehörte bis
Oktober 1943 zur Wachmannschaft.” Danach sei er zum KZ Trawnicki in Polen
versetzt worden. Zum Kriegsende geriet er als Angehöriger einer SS-Einheit
an der Westfront in französische Gefangenschaft.
Hansls amerikanischer Anwalt Jim Benzoni sieht dessen Rolle indes als
“Bewacher am Lagerzaun und kleines Licht”. Auf die Frage, ob sein Klient je
von der Waffe Gebrauch gemacht habe, folgte die Antwort, dass das ja sein
Job bei der SS gewesen sei. Die Staatsbürgerschaft werde man ihm aberkennen
können. Doch bei der Absicht, John Hansl aus den USA abzuschieben, werde es
schon prekär.
Bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wird Hansl eindeutig
eingeordnet: Er sei militärisch und ideologisch in einem SS-Totenkopfverband
ausgebildet worden. In den Lagern, die er bewachte, wurden Häftlinge durch
Arbeit, Folter und Erschießen getötet. Habe sich ein Häftling am
elektrischen Absperrzaun bewegt, sei ohne Warnung geschossen worden.
Eine trügerische Idylle, eine laue Sommernacht, ein Platz am See, eine Fährenanlegestelle, ein paar Jugendliche die sich an einem ganz normalen Ferienabend zum abhängen treffen.
Aber es kam alles ganz anders.
Es dauerte nicht lange bis irgendjemand die Polizei anrief, um diesem Flair ein Ende bereiten zu lassen. Wahrscheinlich der Wachschutzbeamte der Strausberger Sparkasse,
dieser war stundenlang vor Ort, um das Haus vor schlechten Menschen zu bewachen.
Es erschien alles, als wäre es geplant, denn es kamen auch keine üblich Streifenpolizisten, sondern die Bereitschaftspolizei aus Frankfurt (Oder), die mit mehreren Fahrzeugen vor Ort war. So kam es dann auch. Dutzenden von Jugendlichen wurden Platzverweise erteilt.
„Wir haben die Bürger darum gebeten die Polizei zu alarmieren und diese aufgefordert dort mal Personalien feststellen zu lassen“ so Brinksmeier, 2. Beigeordneter der Stadt Strausberg. Von einem erhöhten Polizeiaufgebot wisse er jedoch nichts.
„Es gibt da schon seit einem halben Jahr Beschwerden von Anwohnern wegen Vandalismus, es flog sogar mal eine Flasche über den Zaun.“ Es sind drei verschiedene Cliquen, die sich dort regelmäßig treffen, und der Stadt scheint dieser Vandalismus nicht so ganz in das Konzept zu passen. „Es ist aber nicht nur dieser Platz, es gibt mehrere solcher Cliquentreffpunkte, dort existiert das selbe Problem. Dieser Platz jedoch ist besonders attraktiv weil er zwei Fluchtmöglichkeiten bietet.“ Um mit diesem Problem umzugehen, hat die Stadt Sicherheitspartnerschaften installiert. So kann dieses Problem jetzt von einem Bündnis von Verwaltung, Polizei und Betroffenen behandelt werden. Da Jugendliche häufig aufbrausend werden, wurden sie nicht mit einbezogen.
Aus der Strausberger Sparkasse war keine Auskunft zu erhalten, nach Zehn Minuten Warteschleife und einer sich endlos wiederholenden Sambamelodie stellte man fest, dass der Verantwortliche den ganzen Tag außer Haus war, allerdings „engagiert sich die Sparkasse sehr, dieses Problem in den Griff zu bekommen“ weiß Brinksmeier, sie will Sozialarbeiter mit einbeziehen.
Das dürfte nicht so einfach sein, die Stadt Strausberg hat zur Zeit keine Mittel für freiwillige Aufgaben zur Verfügung. Der Kreditrahmen sei erschöpft. Auf die Frage, ob denn die erhöhten Sicherheitsstandarts nicht auch Geld kosten würden, antwortet der Beigeordnete: „Sicherheitspartnerschaften erfordern keine zusätzlichen Mittel, Sicherheitspartnerschaften erfordern Phantasie“ Es ist sicherlich fragwürdig, ob diese Phantasie zum gewünschten Ergebnis führt, oder ob diese Art und Weise die Situation noch verschärft.
Vielleicht hätten es die Strausberger Sicherheitspartner mal mit reden versuchen sollen.
jW fragte Benedikt Schirge, Pressesprecher der Bürgerinitiative FREIe HEIde.
F: Mitte der Woche sind beim Verwaltungsgericht in Potsdam zwölf Klagen gegen die von Bundesverteidigungsminister Peter Struck angekündigte Inbetriebnahme des Truppenübungsplatzes »Bombodrom« in der Ruppiner Heide eingereicht worden. Wer klagt?
An erster Stelle die betroffenen Gemeinden. Sie waren von Beginn an gegen den Bombenabwurfplatz und haben sich vor Gericht bereits erfolgreich gewehrt. Es klagen zudem zwei Umweltverbände; der NABU aus Brandenburg und der BUND aus Mecklenburg. Und nicht zuletzt haben sich den Klagen zwei Unternehmen angeschlossen – eines kommt aus der Tourismus-
branche –, weil sie sich durch die ständige Lärmbelästigungen beeinträchtigt fühlen.
F: Warum wurden diese Klagen überhaupt nötig? Im Dezember 2000 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Nutzung des ehemaligen sowjetischen Geländes doch bereits verboten.
Aber nur befristet. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ein erstes Urteil vom Oberverwaltungsgericht leider abgeschwächt und lediglich auf einem förmlichen Planfeststellungsverfahren bestanden. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist der Platz zwar militärisches Gebiet. Er durfte aber solange nicht militärisch genutzt werden, wie mit den Betroffenen nicht ein solches Anhörungsverfahren durchgeführt wurde.
F: Und das ist inzwischen geschehen?
Ja, aber nur sehr schlampig. Die Bundeswehr hatte nur ein Dutzend Seiten freigegeben, was für ein so riesiges Unternehmen einfach skandalös ist. Das ganze Verfahren blieb extrem oberflächlich. Wir haben heute immer noch den Eindruck, daß die Bundeswehr keine Fakten vorbringen will. Dadurch gibt es aber viele Anhaltspunkte für die neuen Klagen. Zwar können wir das Bombodrom nicht gerichtlich verbieten lassen, weil es in Deutschland leider immer noch Sonderrechte fürs Militär gibt. Uns bleibt aber die Möglichkeit, gegen die Rahmenbedingungen vorzugehen.
F: Was bedeutet das für die laufenden Klagen?
Zum einen ist davon auszugehen, daß die Klagen per se eine aufschiebende Wirkung haben. Bis auf weiteres kann die Bundeswehr mit dem Übungsbetrieb also nicht beginnen. Zudem hat die Bundeswehr versäumt, in der Anhörung einen Vollzug mitzuteilen. Die Verantwortlichen haben sich offenbar nicht besonders darum gekümmert, welche Richtlinien es dazu in der bundesdeutschen Rechtsprechung gibt. Das wirft natürlich ein Schlaglicht auf die Haltung der Militärs im laufenden Rechtsstreit. Nun haben sie merken müssen, daß es auch für das Militär Gesetze gibt.
F: Wie werden Sie unabhängig von den Klagen weiter vorgehen?
Ein Schwerpunkt wird weiterhin auf der Öffentlichkeitsarbeit liegen. In den vergangenen Jahren haben wir viele Versprechen gemacht bekommen, insbesondere von SPD-Spitzenpolitikern. Nichts davon ist eingehalten worden. Inzwischen hat der Fall auch auf EU-Ebene Relevanz, was uns für die Öffentlichkeitsarbeit zugute kommt. Wir werden uns also weiter nach Partnern umsehen, um das Bombodrom zu verhindern.
Freie-Heide-News zum Verteilen
Vor zwei Tagen ist eine neue Printausgabe von Indymedia Deutschland erschienen. Titelstory: Das zurzeit stattfindende Anti-Bombodrom-Camp in der Freien Heide in Nordbrandenburg. Hier kann das vierseitige Heftchen heruntergeladen werden. Es eignet sich — so Indymedia — bestens zum “ausdrucken, kopieren, verteilen”, gerade im Land Brandenburg. Weitere Artikel befassen sich übrigens mit den Streiks in Buenos Aires, Hintergründen zur Arbeitsamt-Umstrukturierung und Sozialabbau, und dem zweiten Jahrestag der Proteste in Genua.
Black Fleck im Netz
POTSDAM Seit neuestem ist das Black Fleck, ein DIY-Veranstaltungsort in der Potsdamer Zeppelinstraße, auch im Internet vertreten. Unter www.black-fleck.info gibt es Anreise- und Kontaktinfos sowie News zu anstehenden Veranstaltungen. Im Black Fleck finden vor allem Punk- und Hardcore-Konzerte statt. Ein Highlight dürfte der Auftritt der US-amerikanischen Hardcoreband Remains of the Day am 23. November werden.
BEESKOW Der Kongolese Steve Ntamba Wantamba, dessen
Abschiebung aus Brandenburg am Dienstag gescheitert war, hat eine
dreimonatige Duldung erhalten. Sobald die Rückführung des 42-Jährigen in die
Demokratische Republik Kongo erneut organisiert sei, könne die Duldung
jedoch widerrufen werden, sagte die stellvertretende Leiterin des
Ordnungsamtes im Kreis Oder-Spree, Marlis Breitkreuz, am Mittwoch in
Beeskow.
Nachdem die niederländische Fluglinie KLM die Beförderung abgelehnt hatte,
soll nun für rund 30 000 Euro eine Chartermaschine zur Abschiebung gemietet
werden. Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder hatte am Vortag Eilanträge zu
der am Nachmittag von Bremen aus geplanten Abschiebung des Kongolesen
zurückgewiesen. Die Abschiebung war dennoch auf dem Flughafen in Bremen
gescheitert, weil die Fluglinie KLM den abgelehnten Asylbewerber nicht gegen
seinen Willen befördern wollte. Der Kongolese, der seit acht Jahren in
Brandenburg lebt, wurde vom Bundesgrenzschutz ins Asylbewerberheim
Fürstenwalde gebracht.
TAZ
Das Landratsamt Oder-Spree in Beeskow will den abgelehnten Asylbewerber aus
dem Kongo per Charterflugzeug in seine Heimat bringen lassen. Das kostet bis
zu 30.000 Euro. Zuvor erhält der Flüchtling aber noch eine dreimonatige
Duldung
Bis zu 30.000 Euro — diese hübsche Summe für den Gebrauch eines ganzen
Flugzeugs will sich das Ordnungsamt des Landkreises Oder-Spree die geplante
Abschiebung des kongolesischen Asylbewerbers kosten lassen. Wie die
stellvertretende Leiterin des Amtes, Marlis Breitkreuz, in Beeskow erklärte,
muss die Behörde nun ein eigenes Charterflugzeug mieten, um den abgelehnten
Flüchtling Steve Ntamba zurück in die Demokratische Republik Kongo fliegen
zu lassen.
Der “Abschiebling”, wie es im Behördendeutsch heißt, hatte sich zweimal
dagegen gewehrt, abgeschoben zu werden. Daraufhin hatten die Kapitäne der
Fluglinie KLM sich geweigert, diesen Passagier zu befördern (taz
berichtete). Der kongolesische Oppositionelle sollte von der
niederländischen Airline nach Kinshasa gebracht werden. Vorgestern hatte das
Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die Aussetung der Abschiebung des
41-Jährigen abgelehnt. Er habe kein Bleiberecht mehr in Deutschland, so
Marlis Breitkreuz, “die Rechtslage zwingt uns dazu”. Der abgelehnte
Asylbewerber sei deutschlandweit nicht der erste Flüchtling, der in einem
eigens angemieteten Flugzeug außer Landes gebracht werde.
Allerdings habe Ntamba zunächst noch eine Duldung von einem Vierteljahr
erhalten, so die Vizebehördenleiterin. Innerhalb dieser drei Monate könne
der Flüchtling abgeschoben werden. Der Asylbewerber habe alle Rechtsmittel
ausgeschöpft. Nur wenn neue Abschiebungshindernisse im Kongo selbst aufträte
n, werde von der Abschiebung abgesehen. Sie müsse sich an Recht und Gesetz
halten, so die Beamtin, und “gucke nicht nach links und rechts”.
Neue Abschiebungshindernisse könnten auftreten, würde das Auswärtige Amt
seinen jetzt einen Jahr alten Bericht zur Lage im Kongo aktualisieren.
Derzeit arbeiten die Diplomaten daran, da sich gerade die Situation im
Norden der zentralafrikanischen Republik massiv verschlechtert hat. Marlis
Breitkreuz betonte jedoch, dass für ihre Entscheidung der aktuellste
Lagebericht gelte — und das sei eben der vom Sommer letzten Jahres.
Nach Auskunft von Ntambas Anwalt Rolf Stahmann aus Berlin wird sein Mandat
nun erst einmal aus der Abschiebehaft entlassen. Von Bremen, wo der Flug
nach Kinshasa starten sollte, werde der Flüchtling voraussichtlich wieder in
seine Asylbewerberunterkunft zurückkehren. Ntamba hatte zuvor jahrelang in
Fürstenwalde gelebt, mit Duldung und Arbeitserlaubnis.
“Vorstellbar” sei tatsächlich, dass das Landratsamt für 30.000 Euro ein
Flugzeug nur für diesen einen abgelehnten Asylbewerber miete, so der Anwalt.
Möglich aber sei auch, dass die Behörden erst einmal mehrere “Abschieblinge”
aus unterschiedlichen Ländern Afrikas sammelten, um sie dann gemeinsam
abzuschieben. Das wäre dann, so Stahmann, “die große Tour”.
Bundeswehr unter Beschuss
Kampf gegen das “Bombodrom” geht weiter. Mit zwölf Klagen wollen Gemeinden,
Unternehmen und Umweltverbände den Bombenabwurfplatz in Brandenburg
verhindern. Rechtsanwalt der Gegner setzt der Bundeswehr eine Frist bis zum
8. August
Insgesamt zwölf Klagen gegen den Bombenabwurfplatz Bombodrom sind gestern
vor dem Verwaltungsgericht Potsdam eingereicht worden. Rechtsanwalt Geulen
hat sich schon auf Kampf eingestellt “Wir haben gute Waffen, unser Pulver
ist trocken.” Ebenfalls gestern unterrichtete Geulen auch das
Verteidigungsministerium über die Klageerhebung und forderte, die
aufschiebende Wirkung der Klagen bis zum 8. August anzuerkennen. Das
Verteidigungsministerium hatte in dem Bescheid keinen sofortigen Vollzug
angeordnet, weshalb die Klagen grundsätzlich aufschiebende Wirkung hätten.
Sollte der Vollzug nachträglich angeordnet werden, will Geulen die
Inbetriebnahme per einstweilige Verfügung aufhalten “Am 18. August fliegt
die Bundeswehr nicht über dem Bombodrom und danach auch nicht.”
Die Klagen setzen an drei verschiedenen Punkten an. Die Gemeinden klagen
gegen die Nutzung ihres Grundes, Bodens und Luftraumes und die damit
verbundenen Beeinträchtigungen. Die Tourismus-Unternehmen liegen in der
nördlichen Anflugschneise zum Bombodrom und klagen gegen die Lärmbelastung
durch Tiefflieger. Die dürfen dort bis auf 150 Meter runtergehen. Laut
Geulen überschreitet die Lärmbelastung “alles bisher in Europa Dagewesene”.
Eines der betroffenen Hotels liegt im Müritz-Nationalpark, der nach den
Planungen der Bundeswehr erstmals in der Geschichte überhaupt überflogen
wird — mit bis zu 75 Tieffliegern täglich. “Das Hotel kann zumachen, wenn
das Bombodrom kommt”, stellt Geulen fest. Dabei seien die Investitionen der
Tourismusbranche sehr viel höher als die einer möglichen Garnison in
Wittstock. “Der Dilettantismus der Bundeswehr ist beispiellos”, entfährt es
Geulen angesichts der Planungen. Christian Gilde, Landrat von
Ostprignitz-Ruppin, sieht 1.000 Arbeitsplätze in Gefahr, 80 Prozent des
Tourismus finde im Umfeld des Platzes statt.
Die dritte Klägergruppe, die Umweltverbände, argumentieren mit den nach
EU-Richtlinien geschützten Gebieten der Region. Das Bombodrom selbst ist zu
80 Prozent geschütztes Habitat, mehr als 10 Prozent sind zusätzlich direkt
betroffen. Die Bundeswehr müsste eine Verträglichkeitsprüfung durchführen.
Die EU-Kommission überprüft den Fall Bombodrom erneut, sie hatte aufgrund
falscher Zahlen grünes Licht gegeben. Da die Habitate unter €päisches
Recht fallen, könnte bald sogar die EU-Kommission der Bundeswehr das
Übungsbomben in der Kyritz-Ruppiner Heide untersagen.