Das Frierock-Festival ist gelaufen. Trotz einiger streßiger Situationen zur Zufriedenheit der Veranstalter. Insgesamt kamen am Wochenende 9. und 10. August rund 600 Leute. Unter anderem auch aus den Niederlanden und aus Polen. Fotos sind demnächst unter www.inforiot.de/frierock zu sehen. Im nächsten Jahr wird es voraussichtlich wieder ein Festival geben.
Tunesier in Oranienburg angegriffen
Am Sonntag, 11. August, wurde in den frühen Morgenstunden ein 31-Jähriger tunesischer Abstammung auf der Oranienburger Aral-Tankstelle angegriffen. Er wurde von mehreren Rechten vom Fahrrad gestoßen und getreten worden. Nur mit Hilfe von Selbstverteidigung gelang es ihm zu fliehen. Die Angreifer riefen ihm “Scheiß Neger” hinterher. Laut den Inforiot vorliegenden Informationen wurden bereits vier jugendliche Tatverdächtige festgenommen.
Vietnamese auf Zeltplatz überfallen
Unbekannte haben auf dem Zeltplatz Zaue «Am See» einen Vietnamesen überfallen. Das 17-jährige Opfer zeltete am Sonntag mit deutschen Freunden auf dem Platz im
brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald, sagte ein Polizeisprecher. Plötzlich sei das Zelt niedergerissen und beschädigt worden. Der vietnamesische Jugendliche erhielt einen Schlag an den Kopf und erlitt eine Platzwunde. Er befindet sich zur Beobachtung in einem Krankenhaus.
Schönbohm dementiert SFB-Bericht
Schönbohm dementiert SFB-Bericht
Brandenburgs Innenminister Schönbohm hat Pressemeldungen über eine weitere V‑Mann-Affäre dementiert
(Inforadio) Die Berichte seien falsch, sagte Schönbohm der Nachrichtenangentur dpa. Nach Recherchen des SFB-Hörfunks und der Berliner “tageszeitung” soll es in Brandenburg einen weiteren V‑Mann der rechtsextremen Szene geben, der in Straftaten verwickelt ist.
Ende Juli war ein V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes bei einer Razzia von Berliner Polizisten festgenommen worden und sitzt seitdem in Berlin
in Untersuchungshaft.
Zweiter V‑Mann-Skandal
Innenminister Schönbohm hat Berichte über eine weitere V‑Mann-Affäre dementiert. Nach Recherchen einer Zeitung und eines Radiosenders soll ein weiterer Informant aus der rechtsextremen Szene in Straftaten verwickelt sein.
(Tagesspiegel) Brandenburgs Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) hat Berichte über eine weitere V‑Mann-Affäre kategorisch zurückgewiesen. «Was da berichtet wird, ist falsch», sagte Schönbohm am Mittwoch auf dpa-Anfrage. Es sei unerträglich, dass ständig aus Akten zitiert
werde. Nach Recherchen des SFB- Hörfunks und der Zeitung «taz» soll es in Brandenburg einen weiteren V‑Mann der rechtsextremen Szene geben, der in Straftaten verwickelt ist. Ministeriumssprecher Wolfgang Brand hatte am Morgen eine Stellungnahme dazu abgelehnt. «Wir können keine Aussagen über operative Vorgänge und Verfahren machen», sagte er. «Alles andere würde die Sicherheit
von Bürgern gefährden.»
Den Medienberichten zufolge beschäftigte das brandenburgische Landeskriminalamt (LKA) den zweiten V‑Mann. Er soll rechtsextreme Musik verbreitet haben. Das gehe aus einem Vermerk des Staatsschutzes Sachsen-Anhalt
vom 10. Dezember 2001 hervor. Die Staatsanwaltschaft Halle habe bestätigt, dass sie gegen den Verdächtigen sowie 37 weitere Beschuldigte wegen des Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot ermittelt. Es bestehe der Verdacht,
dass die rechtsextremistische Gruppe die verbotene neonazistische Skinhead-Bewegung «Blood & Honour» unterstützt.
Seit Ende Juli schlägt die Festnahme eines V‑Mannes des brandenburgischen Verfassungsschutzes Wellen. Er war bei einer Razzia des Berliner Landeskriminalamtes festgenommen worden und sitzt seither in Untersuchungshaft. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen Volksverhetzung, Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen und Verbreitung verfassungswidriger Propaganda. Der Mann soll mit Wissen der Behörden am Vertrieb einer rechtsradikalen CD beteiligt gewesen sein. Das Vorgehen des Berliner LKA war
nicht mit Brandenburg abgestimmt. Seither ist das Verhältnis der Sicherheitsbehörden beider Länder stark belastet.
Es gebe offenbar eine Vereinigung, die den Kampf gegen den Rechtsradikalismus untergraben wolle, bei anderer Gelegenheit jedoch «mit Kerzen in der Hand» gegen rechte Übergriffe demonstriere, bemerkte Schönbohm vor dem Hintergrund der jüngsten Veröffentlichungen. An diesem Donnerstag beschäftigt sich die Parlamentarische Kontrollkommission des Potsdamer Landtages mit der
V‑Mann-Affäre. Anschließend wollen ihr Vorsitzender Christoph Schulze (SPD) und der Innenminister vor Journalisten Rede und Antwort stehen.
Die Staatssekretäre für Inneres und Justiz in Berlin und Brandenburg hatten sich am Montag auf die abzuarbeitenden Probleme geeinigt und weitere Treffen vereinbart.
Der nächste Skandal
Neonazi-Musik: Neue Vorwürfe
BERLIN Die Brandenburger Sicherheitsbehörden müssen sich neuen Fragen wegen ihres Umgangs mit der Neonazi-Musikszene stellen. Noch ist die Affäre um den V‑Mann des Verfassungsschutzes Toni S. nicht ausgestanden, da wurde gestern ein neuer Fall bekannt. Wie die taz erfuhr, ermittelt die Staatsanwaltschaft Halle gegen den Neonazi Sven S., der als Informant für das Brandenburger Landeskriminalamt tätig gewesen sein soll. S. vertreibt und produziert rechtsextreme Hassmusik.
Die PDS-Opposition im brandenburgischen Landtag forderte, Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) müsse auf der Sondersitzung der Parlamentarische Kontrollkommission am Donnerstag umfassend Auskunft geben.
Staatlicher Taktstock bei Hassmusik
Brandenburger Opposition fordert Aufklärung über staatliche Machenschaften in der Neonazi-Musikszene. Neben Potsdamer Verfassungsschutz soll auch das Landeskriminalamt einen Informanten führen. Schönbohm schweigt zu neuen Vorwürfen
(HEIKE KLEFFNER) Die Affäre um den Cottbuser Neonazi und V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes Toni S. bringt Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) weiter unter Druck. Auf Antrag der PDS-Opposition wird sich die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags am Donnerstag in Potsdam auf einer vorgezogenen Sitzung mit dem Fall beschäftigen.
Toni S. sitzt seit drei Wochen in Berlin in Untersuchungshaft. Er soll beim Vertrieb neonazistischer Hassmusik mit Wissen seines V‑Mann-Führers Straftaten begangen haben. Die Affäre sorgt seit Wochen für Streit zwischen den Sicherheitsbehörden von Berlin und Brandenburg. Schönbohm wirft den Berliner Ermittlern, die Toni S. auffliegen ließen, “unglaubliche Indiskretion” vor. Die halten dagegen: “Der Verfassungsschutz in Brandenburg produziert das Problem mit, das er bekämpfen soll”.
Auch Generalbundesanwalt Kay Nehm hat sich eingeschaltet. Er erwartet von Schönbohms Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin Auskunft darüber, inwieweit der V‑Mann Toni S. an der Erstellung von CDs der Berliner Neonaziband Landser beteiligt war, gegen die Nehm als “kriminelle Vereinigung” ermittelt.
Der Vorwurf, dass Brandenburgs Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus “den Bock zum Gärtner machen”, so Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung, erhält derweil neue Nahrung. Ausweislich eines Vermerkes des Landeskriminalamts (LKA) in Sachsen-Anhalt wird der brandenburgische Neonazi Sven S., der über ein Postfach und den Versand “Hate Sounds” in Birkenwerder einschlägige Hassmusik verbreitet und produziert, als Informant des brandenburgischen LKA geführt. Die Staatsanwaltschaft Halle bestätigte gestern, dass gegen Sven S. und weitere 37 Beschuldigte in sieben Bundesländern seit über einem Jahr unter anderem wegen Verstoß gegen das Vereinsverbot ermittelt wird. Der Vorwurf: Nach dem Verbot des Neonazinetzwerkes “Blood & Honour” im September 2000 durch das Bundesinnenministerium seien die Rechtsextremisten weiterhin als Vereinigung aktiv gewesen.
Staatsanwaltssprecher Klaus Wiechmann bestätigte auch, dass ein entsprechender Aktenvermerk über die Informantentätigkeit von Sven S. für das LKA Brandenburg, der auf einer neonazistischen Website gepostet wurde, Teil der Ermittlungsakten sei. Schönbohms Sprecher wollte dazu bis gestern Nachmittag keinen Kommentar abgeben.
Kerstin Kaiser-Nicht, innenpolitische Sprecherin der brandenburgischen PDS-Landtagsfraktion, will jetzt Genaueres über das Verhältnis zwischen den Sicherheitsbehörden und Sven S. wissen. “Man muss die Frage stellen, wie das Verhältnis zwischen dem Landeskriminalamt und Sven S. im Einzelnen aussah und welche Rolle Sven S. im Netzwerk neonazistischer Musikproduktionen spielt,” sagte Kaiser-Nicht.
Volker Ratzmann, Vizefraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, hatte bereits in den vergangenen Tagen den Rücktritt von Brandenburgs Innenminister Schönbohm im Zusammenhang mit den Straftaten von V‑Mann Toni S. gefordert. Nach dem Bekanntwerden des Falls Sven S. sieht er neuen Klärungsbedarf. “Inwieweit wird hier von den Sicherheitsbehörden aus Ermittlungsinteresse zu lange abgewartet, sodass ein Risikobereich — die Verbreitung von Hassmusik, die eindeutig als Begleitmusik für rassistische Tötungsdelikte diente — außer Kontrolle gerät?”, fragt Ratzmann und verweist darauf, dass auch im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren die Rolle der LKA-Informanten keineswegs geklärt sei.
Nicht jedes Mittel ist erlaubt
Kommentar von taz-Mitarbeiterin HEIKE HOLDINGHAUSEN
Der Rechtsextremismus bleibt die größte Herausforderung des Landes Brandenburg, meint der märkische Innenminister Jörg Schönbohm. Seit er im Amt ist, kämpft er mit offensiver staatlicher Repression gegen die rechte Gewalt. Schönbohm stärkte die Polizei und gründete Sondereinheiten gegen Neonazis. Gebracht hat das wenig, doch immerhin bekam das Problem endlich einen Namen. Das war in Brandenburg nicht immer so. Von der sozialdemokratischen Regierung in Postdam wurde das Land noch als “tolerant und weltoffen” gepriesen, als sich in Guben oder Rathenow Ausländer längst vor ihren Nachbarn fürchteten.
Versagt hat Schönbohm im Kampf gegen rechts dennoch. Gescheitert ist er an sich selbst. Dem CDU-Hardliner ist im Kampf gegen rechtsradikale Straftäter fast jedes Mittel recht. Das haben seine nachgeordneten Behörden auf ihre Weise interpretiert: Beamte sahen ihren Spitzeln dabei zu, wie sie Straftaten begingen. Diese waren an Produktion und Vertrieb neonazistischer CDs beteiligt, in denen zum Mord aufgerufen wurde.
Doch die Beteiligungen an Mordaufrufen gehen zu weit. Zwar arbeiten V‑Leute mit einiger Berechtigung in einer gesetzlichen Grauzone. Spitzel müssen in der Szene glaubwürdig und damit zu Straftaten bereit sein, sonst erhalten die Behörden keine Informationen über Extremisten. Doch gerade weil ihre Arbeit anrüchig und mit dem Rechtsstaat streng genommen nicht zu vereinbaren ist, sind die Grauzonen, in denen sie sich noch bewegen dürfen, vom Staat exakt zu bestimmen. In Brandenburg aber fehlt eine Dienstvorschrift des Verfassungsschutzes, die erlaubte Straftatbestände für V‑Leute benennt. Ihre Regelverstöße werden nicht definiert — dieses Versäumnis Schönbohms rächt sich jetzt.
Die Grenze zwischen Beobachtung und aktiver Unterstützung der rechten Szene durch den Staat ist nicht mehr klar gezogen. Katastrophal ist, dass Mitglieder der rechten Szene glauben konnten, unter dem Schutz des Innenministeriums ließen sich rechtsradikale CDs am bequemsten vertreiben. Als oberster Hüter der inneren Sicherheit in Brandenburg muss Schönbohm nun die politische Verantwortung für diese Umtriebe übernehmen. Dass er über die Spitzel nicht genau im Bilde war, ist nach den V‑Mann-Pannen im Verbotsverfahren gegen die NPD unverständlich. Noch schwerer wiegt: Ein “kontrollierter Regelverstoß” der wehrhaften Demokratie ist in Brandenburg außer Kontrolle geraten.
Rassistische Schläger vor Gericht
Am Mittwoch, den 14. August 2002, findet ab 13.00 Uhr vor dem Amtsgericht Rathenow (Bahnhofstr. 19, Raum 2.13) ein Prozess gegen drei rechtsradikale Männer statt. Die drei 18, 20 und 40 Jahre alten Männer hatten am 30.10.2001 zwei Sudanesen auf dem Märkischen Platz in Rathenow angegriffen. Der 30-jährige Oussama K. kam am frühen Abend
mit seinem Landsmann Walid A. vom Einkaufen, als sie unvermittelt mit “Nigger, was machst du hier?” beschimpft wurden. Dann wurde Walid A. von einem der Skinheads geschlagen und getreten, während die beiden anderen
Oussama K. von vorne und hinten schlugen. Auch noch, als er auf den Boden fiel, wurde weiter auf ihn eingetreten. Oussama K. erlitt Prellungen am ganzen Körper. Auch wenn die körperlichen Verletzungen nicht besonders schwer waren, so hinterließ der rassistische Angriff dennoch tiefe seelische Spuren. Nur etwa zwei Monate hatte er in Rathenow gelebt, als er zum ersten Mal mit einer rassistischen Aggression mitten im Stadtzentrum am helllichten Tag konfrontiert wurde. Oussama K. musste sich seither in psychotherapeutische Behandlung begeben.
Wünschenswert wäre, wenn die Gerichtsverhandlung zur Aufklärung der Hintergründe dieser rassistischen Aggression beitrüge. Ungefähr einmal pro Woche geschieht in Brandenburg etwas dergleichen, eine Entspannung der Lage
zeichnet sich nicht ab.
POTSDAM — Das brandenburgische Innenministerium hat gestern Vorwürfe zurückgewiesen, durch einen aus dem Ruder gelaufenen V‑Mann des Verfassungschutzes politisch unter Druck zu stehen. Wie der Vize-Sprecher des Ministeriums, Wolfgang Brandt, sagte, gebe es keine Anhaltspunkte, dass der in Berlin inhaftierte V‑Mann Toni S. bei der Produktion rechtsextremistischer CDs mitgewirkt habe, auf denen zum Mord an bekannten Persönlichkeiten aufgerufen werde.
Der Verfassungsschutz habe auch niemals Gelder zur Herstellung von so genannter Hass-Musik zur Verfügung gestellt. Nach MAZ-Recherchen hat der 27-jährige Spitzel, der Anfang 2000 vom Verfassungsschutz zur Ausforschung der €paweit tätigen rechtsradikalen Musikszene angeworben worden war, Ende 2000 bei der Herstellung der CD „Noten des Hasses“ aktiv mitgewirkt. Laut Brandt sei dem V‑Mann lediglich der begrenzte Handel mit den CDs zur Aufrechterhaltung seiner Tarnung erlaubt worden.
Toni S., der am 20. Juli von der Berliner Polizei verhaftet worden war, soll in Verhören erklärt haben, dass die Tonträger auch mit Geld des Brandenburger Verfassungsschutzes produziert wurden.
Dem Vernehmen nach hat sich Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) – derzeit noch im Urlaub – gestern von Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin ausführlich über die Aktivitäten des V‑Manns informieren lassen. Für den Minister ist die Affäre brisant. Nicht nur die oppositionelle PDS, sondern auch der eigene Koalitionspartner SPD haben das offensichtlich freihändige Agieren des Spitzels kritisiert. Während die PDS bereits Konsequenzen fordert, verlangt die SPD Aufklärung darüber, ob der V‑Mann Straftaten begangen hat. Die Parlamentarische Kontrollkommission, die den Geheimdienst kontrolliert, will sich kommende Woche mit dem Fall beschäftigen.
Für das Schönbohm-Ministerium ist der Fall auch deshalb pikant, weil er Ärger mit den Nachbarn in Berlin verursacht hat. Ohne Abstimmung mit Potsdam hatten die Berliner Toni S. auffliegen lassen. Dafür waren die Hauptstädter von der märkischen Koalition schwer geprügelt worden. Nun scheint es, als wende sich der V‑Mann mit seinen Aussagen gegen die einstigen Auftraggeber. „Der kann doch jeden Tag ein anderes Märchen erzählen, und wir müssen zusehen“, heißt es in Potsdam.
Rückendeckung erhalten die märkischen Verfassungsschützer bei ihrem umstrittenen V‑Mann-Einsatz von Fachleuten. So erklärte Hans-Peter Bull, emeritierter Verwaltungsrechtler an der Universität Hamburg und Ex-Innenminister von Schleswig-Holstein, gestern gegenüber MAZ: „Es ist immer so in dieser Szene, dass Informanten nicht einfach gehorchen.“ Ähnlich argumentiert der Staatsrechtsprofessor Wolfgang Löwer von der Universität Bonn, der den Bundestag als Prozessbevollmächtigter im NPD-Verbotsverfahren vertritt: „Im Grundsatz gilt aber, dass der V‑Mann nach Begehen einer Straftat sofort abgeschaltet werden muss.“ Bei Toni S., der eine CD mit Mordaufrufen mitproduziert und vertrieben haben soll, sei das vermutlich der Fall. Aber auch hier müsse abgewogen werden. Die Bewertung hänge davon ab, wie nahe der Verfassungsschutz der Aufklärung des gesamten CD-Vertriebsnetzes gewesen sei. „Da die CD mit den Mordaufrufen ohnehin schon produziert war, überwog möglicherweise der Vorteil, der Täter insgesamt habhaft werden zu können“, so Löwer.
Beide Juristen halten die Zusammenarbeit mit V‑Leuten für nötig. So gibt es für Bull keinen Ausweg aus dem Dilemma, dass der Staat sich mit Leuten einlassen muss, „die nicht gerade zum Notar taugen“. Löwer sieht zwar die Gefahr, dass die Informanten aus dem Ruder laufen können, hält aber den Spitzel-Einsatz mit all seinen Risiken für unverzichtbar: „Es gab noch nie ein Vereinsverbot, bei dem wesentliche Erkenntnisse nicht von V‑Leuten kamen.“
Andreas Müller ist unabhängiger PDS-Kandidat, der im Wahlkreis Märkisch-Oderland/Barnim II ein Direktmandat erringen will. Einen Namen hat sich der 41-jährige Emsländer aber als Jugendrichter in Bernau gemacht. Harte Urteile gegen Neonazis und öffentliches Eintreten gegen Rechtsextremismus haben ihn bundesweit bekannt gemacht. Über den V‑Mann-Skandal sprach mit ihm Igor Göldner.
Herr Müller, ein neuer Skandal um einen mit Steuergeldern bezahlten V‑Mann des Verfassungsschutzes, der als Neonazi in der Musikszene in Straftaten verwickelt war, sorgt für Aufregung. Wie beurteilen Sie diesen Fall?
Müller: Wir hatten Mitte 2000 in Brandenburg den Fall “Piato”. Der wegen Mordversuchs an einem Asylbewerber verurteilter Neonazi Carsten S. hat jahrelang dem Verfassungsschutz als V‑Mann gedient. Er hatte Gelegenheit, Jugendliche mit seinen menschenverachtenden Gedanken zu beeinflussen. Für Brandenburg war das kontraproduktiv. Im neuesten Fall kommt heraus, dass der möglicherweise bereits vorbestrafte V‑Mann Toni S. zwei Jahre lang Chef eines Szeneladens in Guben war, wo 13‑, 14- und 15-Jährige ihre Bomberjacken und rechtsradikalen CDs kauften. Der Verfassungsschutz hat aus der Affäre “Piato” nichts gelernt. Die machen genau das Gleiche weiter.
Aber muss der Verfassungsschutz nicht auch solche Risiken in Kauf nehmen, um an die Hintermänner in der rechtsextremen Szene heranzukommen?
Müller: Nach meinem Dafürhalten nicht. Im günstigsten Fall ist der Verfassungsschutz nach einer solchen Aktion vielleicht an zwei Hintermänner der Szene herangekommen. Aber zeitgleich ist über Jahre rechtsextremes Gedankengut in viele Köpfe gebracht worden. Der Nutzen, V‑Leute einzuschleusen, steht in keinem Verhältnis zum Erfolg.
Als Jugendrichter haben Sie sich mit harten Urteilen vor allem gegen junge Neonazis einen Namen erworben. Macht sich der Staat mit V‑Mann-Pannen dieses Kalibers nicht lächerlich?
Müller: Ja. Ich fühle mich als Richter, der jahrelang gegen rechtsextreme Tendenzen kämpft, an der Nase herumgeführt. Ich weiß nicht mehr, was man noch machen soll: Einerseits haben wir das Tolerante Brandenburg, das gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vorgeht. Anderseits hat man den Eindruck, dass der Rechtsextremismus in Brandenburg mit dem Einsatz von V‑Leuten erst richtig aufgebaut wird. Jeder Richter muss sich inzwischen fragen, welcher Zeuge oder Angeklagte ist als V‑Mann tätig. Dadurch gerät die Justiz in die Bredouille. Das empört mich.
Muss die Arbeit mit V‑Leuten nach der Enttarnung und Verhaftung von Toni S. generell neu beurteilt werden?
Müller: Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags muss alle V‑Leute nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung überprüfen. V‑Leute, die Straftaten begangen haben oder kurz davor stehen, müssen von den Behörden sofort abgeschaltet werden.
Unter welchen Umständen halten Sie den Einsatz von V‑Leuten für gerechtfertigt?
Müller: Dass V‑Leute notwendig sind, will ich nicht verneinen. Es muss aber klargestellt werden, dass über bezahlte V‑Leute nicht ein einziger Jugendlicher mit rechtsextremen Vorstellungen infiltriert werden darf.
Wer trägt die Verantwortung für die V‑Mann-Skandale?
Müller: Schlampereien in einem so hochsensiblen Bereich darf es nicht geben. Wenn der V‑Mann mit dem Segen von Verfassungsschutz und Innenministerium in seinem Laden rechtsradikale Gesinnung verbreiten konnte oder zum Mord an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aufrufen sollte oder aufgerufen hat, sind für mich Konsequenzen nötig. Dann muss zumindest der dafür zuständige Leiter der Verfassungsschutzabteilung, Herr Wegesin, zurücktreten. Er hat dann aus dem Fehler mit “Piato” Carsten S. nichts gelernt. Ob gegebenenfalls auch der Innenminister persönliche Konsequenzen ziehen muss, dürfte davon abhängig sein, inwieweit er von den Vorgängen Kenntnis hatte.
Was V‑Mann bedeutet, ist eigentlich eindeutig: Vertrauens-Mann. Die Geschichte von Toni S., dem Neonazi aus Cottbus mit einem Geschäft für rechtsextremes Zubehör in Guben, lässt an diesem Wortsinn jedoch zweifeln. In seinem Fall, möchte man meinen, steht “V” wohl eher für Verzweiflung.
Erst hat er Politiker in Berlin und Brandenburg zur Verzweiflung getrieben und nun den märkischen Verfassungsschutz. Mehr als zwei Jahre lang hat V‑Mann Toni in Südbrandenburg für die Geheimen gespitzelt. Er sei, heißt es lobend über den 27-Jährigen, eine äußerst ergiebige Quelle gewesen. Kein Wunder: Im Hinterzimmer seines Ladens “Top One”, trafen sich führende Mitglieder von NPD und Skinheads. Sogar Bundesprominenz der rechtsextremen Partei soll bei Toni verkehrt haben. Zur Freude seiner Auftraggeber saß der gelernte Fensterbauer wie die Spinne im Beziehungsnetz der Neonazis. Das Problem war nur, dass der Toni einer war, der “für Geld tickt”, offenbar nur für Geld. Deshalb missbrauchte er das Vertrauen der Geheimen und zerschredderte nicht Hunderte verbotener CDs, wie die Verfassungsschützer ihm aufgetragen hatten. Nach seiner Enttarnung lebt Toni nun gefährlich. Da seine rechtsextremen Geschäftspartner äußerst brutal und skrupellos sind, muss Toni S. mit Hilfe der Behörden nun verschwinden. “V” wie verschwinden.
Panne um V‑Mann verärgert Schönbohm
Die Ermittlungsbehörden in Brandenburg waren einer Neo-Nazi-Musikgruppe dicht auf den Fersen. Doch dann nahm die Berliner Polizei ein Gruppenmitglied fest, der zugleich V‑Mann war.
BERLIN Das Potsdamer Innenministerium bestätigte die Festnahme eines eigenen V‑Mannes durch die Berliner Polizei. Ein Sprecher von Innenminister Jörg Schönbohm dementierte am Samstag jedoch einen Vorabbericht des Münchner Magzins “Focus”, wonach der Mann “Chef einer gefährlichen Neonazi-Band” gewesen sein soll. Der Festgenommene soll dem Bericht zufolge Kopf und einziges festes Mitglied der rechtsradikalen Musikgruppe “White Aryan Rebels” sein, die im vergangenen Jahr mit einer CD unter anderem zum Mord an Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) aufgerufen hatte.
Nach Ansicht der Brandenburger Behörde beruhe der Bericht von “Focus” auf einer “schwerwiegenden Indiskretion” aus einem laufenden Verfahren. Dadurch sei “ein Ermittlungserfolg massiv gefährdet” worden.
Die Behörden hätten die “eigentlichen Hintermänner und Großverdiener rechtsextremistischer Tonträgerstrukturen” im Visier gehabt, heißt in der Erklärung aus dem Hause Schönbohm.
Die Festnahme der “Informationsquelle” durch die Berliner Behörden sei mit dem brandenburgischen Verfassungsschutz nicht abgestimmt worden. Dies sei “umso bedauerlicher, da der brandenburgische Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzbehörden des Bundes und anderer Länder die internationalen Verflechtungen der kommerziellen Produktions- und Vertriebsstrukturen rechtsextremistischer Tonträger” aufgeklärt habe.