Antifademo: Wegsehen war schon immer Scheiße -
   Gegen den rassistischen Konsens vorgehen! Nazistrukturen zerschlagen!
   
   
   
   15. Juni 2002
   14:00 Uhr
   Dunckerplatz (am Hauptbahnhof)
   Rathenow
   Treffpunkt für Berlin:
   12:00  Uhr,  Alexanderplatz,  Bahnsteig  (RE  38170, Abfahrt 12:13 Uhr)
   
   
Presse: Die MAZ titelt Antifagruppen planen Großdemo in Rathenow und warnt vor gewaltbereiten Demonstranten. 
Aufruf (english) (francais)
Nach einem gesamt€päischen Rechtsruck, bei dem in vielen Ländern
sozialdemokratische Regierungen von Mitte/Rechts-Koalitionen abgelöst
wurden, stehen in Deutschland die Bundestagswahlen vor der Tür. Regierung
und Opposition führen nur noch Scheingefechte, die politische Mitte ist
rechts angekommen. Forderungen und Parolen von Rechtsextremen wurden von
den etablierten Parteien aufgegriffen und haben dabei in erheblichem Maß
zum Legitimationsgewinn rechtsextremer Orientierungen beigetragen. Die
Beispiele eines rechten Populismus in der Politik und einer gegenüber
MigrantInnen abwertenden Rhetorik sind nach den Debatten um ein NPD-Verbot
nicht weniger geworden. Erinnert sei hier z.B. nur an die rassistische
Kampagne der CDU/CSU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die vom CDU-
Fraktionschef Merz initiierte Debatte um die Notwendigkeit einer “deutschen
Leitkultur”, den Wahlkampf des nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten
der CDU Rüttgers, der mit der Parole “Kinder statt Inder” gegen
hochqualifizierte Immigranten Stimmung machte und nicht zuletzt an den
unbefangenen Umgang der rot-grünen Regierung mit der
nationalsozialistischen Vergangenheit. 
Es  ist  abzusehen,   dass   PolitikerInnen   aller   Couleur   rassistische
Ressentiments in der Bevölkerung aktivieren und ihren Wahlkampf im Zuge der
Debatte um innere Sicherheit  auf  Kosten  von  ohnehin  schon  entrechteten
Gruppen,     wie     z.B.     Flüchtlingen,     führen      werden. Das
“Einwanderungsbegrenzungsgesetz”  und  Schilys  “Antiterrorgesetze”  dürften
nicht die letzten Maßnahmen bleiben, mit denen  Nichtdeutsche  diskriminiert
werden.  Durch  diese  Gesetzespakete   wird   es   für   Flüchtlinge   noch
schwieriger, in  Deutschland  Asyl  zu  erhalten;  Familienzusammenführungen
z.B. sind inzwischen fast unmöglich. Wer  rein  darf  bestimmen  ökonomische
Kriterien: Nur “nützliche” AusländerInnen sind willkommen, für alle  anderen
soll   die   Festung   Europa   unerreichbar   bleiben.   Die    sogenannten
Antiterrorgesetze,  die  schon  seit  Jahren  in  den  Schubladen  deutscher
Sicherheitspolitiker  schlummerten  und  nach  dem  11.  September   endlich
hervorgezaubert werden konnten, machen den Weg frei für Hetze und  staatlich
geförderten  Rassismus:  Mit  der  bundesweit  praktizierten  Rasterfahndung
wurden per se alle arabischen Männer zwischen  15  und  35  zu  potentiellen
Terroristen gemacht.
Und was hat das alles mit Rathenow zu tun ???
Lokalpolitisch  sieht  die  Lage  noch  schlimmer  aus  als   landes- oder
bundespolitisch.   Rassistische   Denkweisen,   Ausländerfeindlichkeit   und
Gleichgültigkeit  gegenüber  rechtsextremen  Strukturen  sind   die Regel.
Beispielhaft dafür steht die Kreisstadt Rathenow in Brandenburg. 
Nicht genug damit, dass Flüchtlinge kaum Hoffnung darauf haben dürfen,
legal in Deutschland zu bleiben, und ihnen täglich Abschiebung in Mord und
Folter droht — weit außerhalb des Stadtzentrums untergebracht, ist es für
sie kaum möglich, am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen.
Potentielle BesucherInnen des Wohnheims werden vom Wachschutz abgeschreckt,
bei dem auch Mitglieder der Rathenower Kameradschaft arbeiten: Diese
selbsternannten Ordnungshüter kontrollieren jeden Personalausweis und
führen genau Buch, wer besucht wird. Auch hier gelten diskriminierende
Sondergesetze wie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die
“Residenzpflicht”, die es verbietet, den Landkreis zu verlassen.
Flüchtlinge erhalten keine Arbeitserlaubnis und gerade mal 40 Euro Bargeld
pro Monat; einkaufen können sie nur mit Gutscheinen (im Wert von 70% des
normalen Sozialhilfesatzes) in bestimmten Läden. 
Die Bevölkerung Rathenows reagiert ablehnend bis offen rassistisch;
rechtsextreme Gewalttaten werden in der Öffentlichkeit ignoriert und
Widerstand dagegen diffamiert. Als die Flüchtlingsinitiative im Februar
2000 ein Memorandum veröffentlichte, in dem sie die Verlegung in eine
andere Stadt forderte und PolitikerInnen anklagte wegen ihrer Unfähigkeit,
an der unerträglichen Situation etwas zu verändern, war man sich schnell
klar, wo der Feind steht: Der Vorsitzende der Flüchtlingsinitiative
Brandenburg, Christopher Nsoh, wurde massiv angegriffen und als
Drogendealer und Krimineller hingestellt.
Seit dem Mauerfall ist eine gewaltbereite Neonaziszene  in  Rathenow  aktiv.
Mehrfach im Jahr werden  Nichtdeutsche,  Linke  oder  unangepasste  Menschen
angegriffen.  Für  die  Opfer   enden   diese   Zusammentreffen   meist im
Krankenhaus; die wenigsten  davon  kommen  jedoch  zur  Anzeige.  Einer der
schwersten  Übergriffe  der  letzten  Zeit  ereignete  sich  am  08.08.2001:
Mehrere Neonazis fuhren mit  ihren  PKWs  gezielt  auf  den  Gehweg  in der
Berliner Straße, um zwei  Linken  den  Weg  abzuschneiden.  Als  die  beiden
Männer daraufhin flüchten wollten,  wurden  sie  verfolgt  und  angegriffen.
Eines der Opfer wurde getreten und mit  einem  Fahrradständer  beworfen, so
dass es schwere Schädelverletzungen erlitt. 
Ab  2000  ist  eine   zunehmende   Politisierung   und   Organisierung   der
Neonaziszene  in  Rathenow  zu  beobachten:   Die   ursprünglichen   Gruppen
“Kameradschaft Rathenow” und “Arische Kämpfer” sowie die  Kameradschaft  aus
der  Nachbarstadt  Premnitz  schlossen  sich  zusammen  und   nannten sich
“Hauptvolk”. Ihr Lieblingstreffpunkt ist die Nazikneipe “Don Promillos Pony
Bar” in  der  Großen  Milower  Straße.  Es  werden  ideologische  Schulungen
abgehalten,  ein  Kameradschaftsrundbrief  herausgegeben  und  Aktionen zu
rechtsextremen  Kampagnen   wie   dem   “Rudolf-Hess-Gedenktag”   oder dem
“Heldengedenktag” durchgeführt.  Auch  am  NPD-Aufmarsch  am  01.12.2001  in
Berlin nahmen 30 Rathenower Kameraden teil. Verstärkt  setzen  die  Neonazis
nun auf die Verbreitung ihrer Propaganda und Agitation  unter  Jugendlichen;
ihre  Öffentlichkeitsarbeit  zielt  zudem  darauf  ab,  Sympathien  in der
Bevölkerung zu wecken.
Die regionale Presse spielt seit über  10  Jahren  die  Situation  herunter.
Rassistisch und faschistisch motivierte Taten  wurden  und  werden  als von
frustrierten,     gelangweilten     Jugendlichen     verübte     Einzeltaten
bagatellisiert. Als aber im Jahr  2000  das  ARD-Magazin  “Kontraste”  einen
Report  über  Rechtsextremismus  und  Ausländerfeindlichkeit   in   Rathenow
drehte, in  dem  unter  anderem  ein  Schuldirektor  und  mehrere  Jungnazis
interviewt wurden, kam es zum Eklat: Der Direktor  leugnete  hartnäckig die
Existenz von Rechtsextremismus an seiner Schule, obwohl ein großer Teil der
Kameradschaft “Hauptvolk” offensichtlich  Schüler  seiner  Schule  war oder
noch ist. Einer der Kameradschaftsangehörigen agierte  z.B.  im  Schülerrat,
ein anderer war Redakteur  der  Schülerzeitung  und  trainierte  zudem eine
Schülervolleyballmannschaft. Unter den LehrerInnen  waren  sie  trotz ihrer
rassistisch-faschistischen  Gesinnung   sehr   beliebt.   Hier   wurde die
fremdenfeindliche Einstellung vieler Jugendlichen genauso deutlich wie
die
Ignoranz und stillschweigende Sympathie  der  Erwachsenen.  Die  Bevölkerung
reagierte prompt: Die ARD-JournalistInnen wurden  massiv  angegriffen, ihre
Recherchen als unwahr dargestellt. Rathenow gegen den Rest der Welt… Eine
reflexartig organisierte Kundgebung gegen rechte  Gewalt  und  für  Toleranz
mutierte  schnell  in   eine   Anti-Kontraste-Demo,   bei   der   sich die
Volksgemeinschaft mal wieder auf die Schultern klopfte. 
Dass  die  Stadt,  allen  voran  der  ehemalige  Bürgermeister  Lünser  (Pro
Rathenow) sowie sein  damaliger  Stellvertreter  und  jetzige  Bürgermeister
Seeger (CDU) zuerst gar nicht und danach  nur  sehr  halbherzig  reagierten,
ist symptomatisch für die neuen Bundesländer. Die schließlich von der Stadt
initiierte Kampagne “Tolerantes Rathenow —  miteinander  füreinander” sowie
das parallel dazu von ortsansässigen Betrieben  organisierte  Bündnis gegen
Fremdenfeindlichkeit stellen Projekte dar, die in erster Linie  dazu  dienen
die Beteiligten gut schlafen zu lassen  und  so  gut  wie  keine  Ergebnisse
vorzuweisen haben. Kein Wunder — wer  sollte  sich  auch  daran  beteiligen?
Durch Schweigen und Verharmlosen  hat  kommunale  Politik  Rechtsextremisten
jahrelang ermutigt, nicht selten erfolgte der Aufbau  ihrer  Strukturen mit
staatlicher Unterstützung. Die Opfer wurden vertrieben und ausgegrenzt, die
wenigen    engagierten    Antifas     kriminalisiert;     als     angebliche
“Nestbeschmutzer” müssen sich Linke anhören, dass sie den Ruf der  Stadt in
den Dreck ziehen. 
Bis dato hat sich an der Situation wenig geändert. Zu der bereits seit
längerem eingesetzten Polizeisondereinheit “Mega” (Mobile Einsatzeinheit
gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit) kam die experimentelle
Sondereinheit “Tomeg” (Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische
Gewalt), die sich auch im Kampf gegen Links hervortut. Im Rahmen der
Bürgermeisterwahlen im Februar 2002 wollten LokalpolitikerInnen die braune
Stadt zum Toleranzzentrum verklären. Offensichtlich kann aber die
Bevölkerung Toleranz nur in eine bestimmte Richtung aufbringen: Rathenow
ist nach wie vor eine Nazihochburg. 
Organisiert den antifaschistischen Widerstand!
Durch verschiedene Aktionen, wie z.B. antirassistisches Einkaufen (also
Tausch von Wertgutscheinen gegen Bargeld) und eine Spontankundgebung nach
dem Angriff auf zwei Sudanesen im November 2001, versuchen linke
Jugendliche, auf die rechte Dominanz in Rathenow und den rassistischen
Konsens zwischen Neonazis, PolitikerInnen und Bevölkerung aufmerksam zu
machen. 
Mit unserer Demonstration wollen wir zeigen, dass wir nicht bereit sind,
diesen Normalzustand länger zu ertragen und hinzunehmen. Kommt alle! 
   Für eine emanzipierte und antifaschistische  Jugendkultur  in  Rathenow  und
   anderswo! 
   Lesetipp — falls ihr mehr über die Neonaziszene in Rathenow wissen wollt: 
   Hier
   könnt ihr euch die Recherchebroschüre “HavelländerJungs — Rechtsextremismus im
   Westhavelland 2001 — Analysen, Berichte,
   Bilder” herunterladen. 
   Es  rufen  auf:  Jungdemokraten  /
   Junge  Linke  Rathenow,  AntifaoffensiveWesthavelland,
   Flüchtlingsinitiative, Antifaschistische Aktion Berlin, Antifa Havelland / Falkensee 
Unterstützt von: Antifaschistische Aktion
   Potsdam, Jugendantifa Neuruppin, antifanews, Antifa Aktion Neuruppin, Antifa Aktion Eberswalde, Autonome Antifa Nordost (Berlin)
, Autonome Antifa Schwerin, Jugendantifa Marzahn (Berlin), Jusos Berlin-Steglitz / Zehlendorf, PDS Rathenow, Rote Antifa Reinickendorf (Berlin)