Nach dem evangelischen Kirchenkreis Potsdam hat auch die
Berlin-Brandenburgische Kirchenleitung das Nutzungskonzept für den bis 2017
geplanten Nachbau der Garnisonkirche befürwortet. Eine zusätzliche
Entscheidung der Landessynode werde nicht erwartet, teilte
Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schulz gestern. Das Konzept biete
“angemessene und Weg weisende” Interpretationen, heißt es in dem Beschluss.
Leitspruch der Kirche solle nach dem Willen der Leitung der Evangelischen
Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz der Vers “Er wird Frieden
gebieten den Völkern” aus dem Buch des Propheten Sacharja sein. In dem rund
65 Millionen Euro teuren Bauwerk nach historischem Vorbild sollen ein
internationales Versöhnungszentrum und eine Stadtkirche ohne eigene Gemeinde
entstehen.
Monat: April 2005
Tafel erinnert an KZ-Häftlinge
(MAZ, 19.4.) BABELSBERG Eine provisorische Gedenktafel, die an die 100 Häftlinge des
Potsdamer Außenlagers des KZ Sachsenhausen erinnert, wurde gestern auf dem
Campus Griebnitzsee vor der Bibliothek enthüllt. Die Veranstalter, der
Freundinnenkreis des Sachsenhausen-Komitees, forderten insbesondere die
Universität Potsdam auf, sich mit der Geschichte des Geländes auseinander zu
setzen. Die Potsdamer Historikerin Almuth Püschel mahnte in ihrer Rede, das
KZ-Außenlager habe weder in der Regionalgeschichte, noch in der Potsdamer
Gedenkkultur Niederschlag gefunden.
Öffentlich bekannt ist die Existenz des Außenlagers bereits seit 1961, als
es in einer Broschüre des Sachsenhausen-Komitees erwähnt wurde. Seit 1969
wird es auch vom Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen genannt,
erläutert Püschel. Hinweise auf das Außenlager fand die Historikerin Anfang
der 90er Jahre, als sie zur Entstehung der Ufa in Babelsberg recherchierte.
In ihrem 2002 erschienen Buch “Zwangsarbeit in Potsdam” wies sie auf das
Lager hin. In der vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin
herausgegebenen Publikation “Orte des Terrors — Die Geschichte der
nationalsozialistischen Konzentrationslager” soll voraussichtlich im
kommenden Jahr ein längerer Beitrag erscheinen.
Danach bestand das Außenlager zwischen dem 1. Juli 1944 und März 1945 auf
dem Gelände des Zentraldepots des Deutschen Roten Kreuzes. Wie Marek Winter
vom Freundinnenkreis berichtet, entstanden gegen Kriegsende in Berlin und
Brandenburg eine Vielzahl dieser so genannten Außenkommandos, in denen die
Häftlinge zur Zwangsarbeit in der Kriegsproduktion eingesetzt wurden. Im
Potsdamer Außenlager ließ das Bauunternehmen Polensky und Zöllner von
Häftlingen und einer nicht bekannten Zahl von Zwangs- und Fremdarbeitern
Luftschutzanlagen für das Personal des DRK sowie die Babelsberger
Zivilbevölkerung errichten, sagt Püschel. Herkunft und Schicksal der
Häftlinge liegen weitgehend im Dunkeln. Ein Insasse gab 1946 an, es habe
Übergriffe durch Wärter auf polnische, ukrainische und deutsche Häftlinge
gegeben.
Püschel vermutet, das Vergessen sei durch die nachfolgende Geschichte
begünstigt worden: Bis 1952 befand sich auf dem Gelände das Oberkommando der
russischen Streitkräfte. Später die Akademie für Staats- und
Rechtswissenschaft, die im Kalten Krieg im schwer zugänglichen Grenzgebiet
lag. Wie der Referent des Rektors der Universität, Rico Jahnke, gestern
mitteilte, plane die Hochschule, die Geschichte aller Standorte umfassend
aufzuarbeiten. Dann werde entschieden, “wie der Opfer auf Dauer angemessen
und würdig gedacht werden kann” .
Umbenennung vorerst gestoppt
(MAZ, 19.4.) ORANIENBURG Die Umbenennung der Reichenbergstraße in Sachsenhausen wurde
gestern Abend vom Oranienburger Hauptausschuss zunächst zurückgestellt. Der
bündnisgrüne Stadtverordnete Heiner Klemp übte massive Kritik an dem
Vorschlag, die Straße nach dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler
Kurt Schuschnigg zu benennen, der von 1941 bis 1945 im KZ Sachsenhausen
inhaftiert war.
Schuschnigg sei ein ausgewiesener Antidemokrat und Antisemit gewesen, so
Klemp. Als Innenminister sei er 1933 dafür verantwortlich gewesen, dass in
Österreich so genannte “Anhaltelager”, unter anderem nach dem Vorbild des KZ
Oranienburg, errichtet wurden. Der Politiker sei der Totengräber der ersten
österreichischen Republik gewesen, auch wenn er später den Anschluss
Österreichs an Deutschland verhindern wollte und als “feindlicher
Staatsmann” im KZ Sachsenhausen interniert wurde.
Baustadtrat Frank Oltersdorf und Stadtverordnetenvorsteherin Hildegard Busse
erklärten, dass der Namensvorschlag mit der Gedenkstätte Sachsenhausen
abgestimmt worden sei. Auch für den Kiefernweg in Lehnitz solle es neue
Recherchen geben. Die Stadt will bei der Landesdenkmalpflege nachhaken, ob
es Einwände gegen die Umbenennung in Else-Wolf-Weg gibt.
Bei einer Gegenstimme stimmten der Haupt- und ‑Finanzausschuss schließlich
mit den genannten Einschränkungen für die Straßenumbenennungsliste, die mehr
als 100 Namen in ganz Oranienburg einschließlich aller acht Ortsteile
umfasst.
Geschuftet im Heinkelwerk
(MAZ, 19.4.) LEEGEBRUCH Gedenkfeier zum 60. Jahrestag des Endes einer brutalen Diktatur
gestern Mittag am Mahnmal in Leegebruch. Der Bus mit polnischen und einigen
tschechischen ehemaligen Häftlingen trifft mit Verspätung ein. Unter ihnen
auch der ehemalige Häftling des KZ Sachsenhausen, Georg Motylow aus Gdansk.
Der jetzt 80-Jährige war damals knapp 20 Jahre alt und Zwangsarbeiter in den
Heinkel-Flugzeugwerken. Unter der Häftlingsnummer 48721, die er auch jetzt
an seinem Revers trägt. Er erlebt zum ersten Mal eine Gedenkfeier für
KZ-Häftlinge, die im Außenlager Heinkelwerke in Leegebruch tätig waren.
Motylow gehörte zum ersten Zwangsarbeiter-Tross von 300 Männern, der vom KZ
Sachsenhausen ins Heinkelwerk überführt worden war. Er kann sich noch genau
an alles erinnern. An die Kellerräume mit den Spinds, die Waschräume und die
dreistöckigen Betten, in denen sie geschlafen hatten. Sein Deutsch ist
verständlich, nur ab und zu muss der Dolmetscher nachhelfen. Bürgermeister
Horst Eckert ist sofort mit dem außergewöhnlichen Gast im Gespräch,
interessiert sich für seine Geschichte, die eng mit Leegebruch verbunden
ist. Wie wurde Motylow befreit, kam er mit dem Leben davon? Auch er sei
unter jenen Häftlingen gewesen, die noch kurz vor Kriegsende auf den
Todesmarsch gen Norden ziehen mussten. “Zwölf Tage sind wir gelaufen. Bis
Schwerin”, erzählt er. Dort erst waren die Häftlinge befreit worden.
Bürgermeister Horst Eckert möchte noch nachhaken und sich länger mit dem
Gast unterhalten. Auch Norbert Rohde von der Arbeitsgruppe Heimatgeschichte
im Kulturverein ist am Gespräch des ehemaligen Häftlings interessiert. Doch
der Busfahrer hupt bereits ungeduldig, der Zeitplan des Tages ist ohnehin
mächtig ins Schleudern gekommen. Adresse und Telefonnummer werden schnell
ausgetauscht. Man will sich nicht verlieren.
In den Gedenkreden sprach nicht nur Hans Rentmeister, Generalsekretär des
internationalen Sachsenhausen-Komitees, einen wunden Punkt an: Er forderte
im Namen der einstigen Opfer, dass das Mahnmal nicht einer Beliebigkeit zum
Opfer falle. Es solle so wieder errichtet werden, wie es einst war — mit der
Bekrönung und der Bekennung zur konkreten Geschichte. Dem wird vorerst eine
jetzt aufgestellte Informationstafel gerecht.
MAZ
19.04.05 ohvl
Zu Tode geschuftet
Gedenkfeier für die unzähligen Opfer des Außenlagers “Klinkerwerk”
TIM ACKERMANN
ORANIENBURG “Wenn wir im Lager über das Klinker-Kommando sprachen, packte
uns die Angst”, sagt Pierre Gouffault. “Denn der Tod schien dort auf uns zu
warten.” Gouffault hat das ehemalige Strafkommando und Außenlager
“Klinkerwerk” als Häftling erlebt — und überlebt. Am gestrigen Tag erinnerte
der Präsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees bei einer
Gedenkveranstaltung im ehemaligen Klinkerwerk an die unzähligen Toten, die
das Außenlager des KZ von 1938 bis 1945 forderte.
Das Klinkerwerk gehörte zu den schlimmsten Orten des KZ Sachsenhausen: Die
dort eingesetzten Häftlinge schufteten sich teilweise im Wochenrhythmus zu
Tode. Mit den Ziegeln aus dem Klinkerwerk sollte Albert Speers
größenwahnsinniges “Germania”-Projekt, der gigantomanische Ausbau Berlins,
realisiert werden. Ab 1943 wurde das Klinkerwerk teilweise auf die
Rüstungsproduktion umgestellt.
Die grausige Geschichte des Werks lässt sich in der Dokumentation “Steine
für ‚Germania′ — Granaten für den ‚Endsieg′” nachempfinden, die bei der
gestrigen Gedenkveranstaltung wiedereröffnet wurde. Die Veranstaltung
markierte zudem das offizielle Ende der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag
der KZ-Befreiung in Oranienburg.
Noch einmal waren zahlreiche Holocaust-Überlebende anwesend, um auf dem
Klinkerwerk-Gelände ihrer ermordeten Kameraden zu gedenken. “Es fällt mir
nicht leicht, diesen Ort zu besuchen, an dem die Stimmen der Toten zu uns
sprechen”, sagte Ilan Mor, der Gesandte des Staates Israel. Anschließend
wurden auf einem Sockel aus Ziegelsteinen Kränze für die ermordeten
Häftlinge niedergelegt.
Auch Guy Chataigné aus Bordeaux gedachte mit einem Blumenkranz seiner
Kameraden. Chataigné — dem ein eigenes Kapitel in der Dokumentation gewidmet
ist — erzählte von den schrecklichen Begebenheiten im Klinkerwerk. Er wurde
1943 von den Deutschen wegen seiner Widerstandstätigkeit nach Sachsenhausen
verschleppt. Ab 1944 arbeitete er im Klinkerwerk als Taschenträger für die
Granatengießerei. Eine gefährliche Arbeit, denn das heiße Metall konnte aus
den Taschen spritzen und sich dann in die Haut brennen. Aus seinem Leid
befreit, wurde der heute 81-Jährige erst am Ende des Todesmarsches.
“Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft”, sagte Chataigné, als er sich
von seinen Zuhörern verabschiedete. Dass es eine Zukunft ohne Faschismus
sein möge, das war wohl allen Gästen der Gedenkveranstaltung ein
Herzenswunsch.
(MA/, 19.4.) FÜRSTENBERG Zum 60. Jahrestag der Befreiung trafen sich mehrere hundert
Überlebende des ehemaligen Frauenkonzentrationslagers in der Mahn- und
Gedenkstätte Ravensbrück, um diesen Tag gemeinsam zu begehen, der Toten zu
gedenken und mahnend an die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erinnern.
Zu Ehren dieser vielen Frauen und Männer, die aus Europa, Israel, USA,
Kanada, Australien und Südafrika angereist waren, fand am Sonntag, 17.
April, die zentrale Gedenkfeier auf dem ehemaligen Lagergelände statt.
Eingebettet war sie in eine Fülle von Veranstaltungen an verschiedenen
historischen Orten, so zum Beispiel: die Eröffnung der Open-Air-Ausstellung
“Waggon”, erstmalig eine Gedenkveranstaltung auf dem Gelände des Jugend-KZ
und späteren Vernichtungslagers Uckermark, die Eröffnung der Open-Air-
Ausstellung zu dem 1944 in Ravensbrück eingerichteten Zelt sowie der
Enthüllung einer Gedenktafel der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis
e.V. (LGRF) am Platz des ehemaligen Zeltes, resümiert am Tag nach der
Gedenkfeier die Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis in einer
Pressemitteilung.
Trotz dieser erfreulichen Veränderungen sei es vielen Überlebenden wichtig
zu betonen, dass die Erhaltung und Sichtbarmachung der historischen Orte von
herausragender Bedeutung sei, weshalb sie die Integration eines
Besucherinformationszentrums als zentralem Bestandteil eines
Besucherleitsystems in die vorhandenen Gebäude wünschen. In einer
Unterschriftensammlung wandten sich Überlebende des KZ Ravensbrück an die
Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten sowie an die Verantwortlichen der
Landesregierung Brandenburg und der Bundesrepublik Deutschland. Sie
unterstützen darin die Forderungen des Internationalen Ravensbrück-Komitees
zur Gestaltung des ehemaligen Lagerkomplexes und plädieren für die:
— Konservierung der noch vorhandenen baulichen Relikte aus der Zeit der
Lager, wie die Lagermauer, die Fundamente des Häftlingsbades, der
Küchentrakte und der Baracken,
— Entfernung aller Überbauungen des ehemaligen Lagerkomplexes aus der Zeit
nach 1945,
— Erforschung, Gestaltung und Kennzeichnung des südlichen Teiles des
Frauenlagers, des Männerlagers, des Siemenslagers und des Jugendlagers
Uckermark,
— Einbeziehung des gesamten KZ-Komplexes in die Mahn- und Gedenkstätte
Ravensbrück/Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.
Die Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis hatte bereits am Wochenende
gefordert, dass die Überbauungen auf dem Gelände des ehemaligen Mädchen-KZ
und späteren Vernichtungslagers “Uckermark” entfernt, die Relikte des Lagers
erforscht und die “Uckermark” als Gedenkstätte der Stiftung anerkannt wird
(MAZ berichtete).
Wunden, die nur schwer vernarben
(MAZ, 19.4.) FALKENSEE Sigurd Syversen (84) ist zurückgekehrt an diesen Ort. Mehr als 60
Jahre sind seitdem vergangen, da er mit der ersten Gruppe norwegischer
Zwangarbeiter nach Staaken und Falkensee gekommen war. Die SS hatte ihn aus
dem Konzentrationslager Sachsenhausen zur Leiharbeit abkommandiert. Zusammen
mit anderen Häftlingen sollte er für die Demag, die Deutsche Maschinen AG in
Falkensee, Baracken für ost€päische Zwangsarbeiter errichten, die dort
für Nazideutschland im Akkord Panzer und Munition zu produzieren hatten. “In
den ersten vier Monaten zählten wir bereits 31 Tote”, daran erinnerte
Syversen gestern im Geschichtspark, der vor zehn Jahren eben dort angelegt
worden war, wo sich einst das berüchtigte Außenlager befunden hatte. Unter
den Toten war auch Syversens engster Jugendfreund. Narben, die sich nie
gänzlich schließen werden.
An solchen Verwundungen leiden alle Überlebenden des Konzentrationslagers
Sachsenhausen oder eines seiner Außenlager. Gestern waren wohl an die
hundert aus Norwegen, Frankreich und Deutschland nach Falkensee gekommen, wo
sie Bürgermeister Jürgen Bigalke (SPD) mit bewegenden Worten empfing:
“Franzosen und Norweger, aber auch Belgier, Niederländer, Dänen, Polen,
Russen, Ukrainer, Spanier, Tschechen, Griechen und Deutsche, ja ganz Europa
musste hier leiden”, sagte Bigalke und mahnte: “Auch nach 60 Jahren ist es
wichtig daran zu erinnern, was Menschen einst Menschen angetan haben.” Dies
müsse immer wieder von neuem formuliert werden, zumal seit dem Ende jenes
unsäglichen Krieges kein Tag vergangen sei, da nicht Menschen ihre
Menschenbrüder unterdrückt und umgebracht hätten.
Während der Gedenkveranstaltung am Mahnmal im Geschichtspark, an der neben
ehemaligen Häftlingen auch gut hundert Bürger der Region teilgenommen
hatten, enthüllte der Norweger Sigurd Syversen namens des norwegischen
Vereins der politischen Gefangen 1940–1945 sichtlich bewegt eine weitere
Gedenktafel. Sie trägt die Inschrift: “Ehemalige norwegische Gefangene der
Lager Staaken/Falkensee ehren ihre Landsleute und danken diesen, die in den
Jahren von 1943 bis 1945 im Kampf gegen Unrecht und Nationalsozialismus mit
dem Leben büßen mussten.” Gestiftet wurde die Tafel von der norwegischen
Botschaft. Botschafter Bjørn Tore Godal, Militärattaché Oberst Svein Arndal
sowie Even Enge, Direktor im Militärdepartement Oslo, legten ein prächtiges
Gebinde aus leuchtend blauem Rittersporn und weißen Rosen nieder. Gebinde
stifteten auch die Botschaft Frankreichs, die Stadt Falkensee, der Landkreis
Havelland, PDS und VdN-Kameraden … Auch Michael Reimann aus Zeesen war
gekommen — jüngster Sohn des im KZ-Außenlager Falkensee internierten
deutschen Antifaschisten Max Reimann (1898–1977). Karl Stenzel war einer
seiner Weggefährten. Stenzel hatte das so genannte Dritte Reich nur in
dessen Gefängnissen erlebt. Nach sechs Jahren Zuchthaus war der
Jungkommunist aus Leipzig als Vorarbeiter nach Falkensee kommandiert worden.
Gestern führte den fast 90-Jährigen der Weg an jene Stätte, wo er vor 60
Jahren, am 26. April 1945, endlich den Schritt in ein freies Leben vollzog.
Zwei 22-Jährige müssen sich wegen versuchten Mordes
oder Beihilfe vor dem Potsdamer Landgericht verantworten
(MAZ, 19.4.) POTSDAM “Alarm!” Es war am 14. Juli 2001, nachts gegen 3.45 Uhr, als Lars P.
aus dem Schlaf schreckte. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, unbedingt
wach zu bleiben — er und seine Freunde wollten auf eine Bühne aufpassen.
Dafür waren sie extra zur Festwiese nach Königs Wusterhausen
(Dahme-Spreewald) gekommen. Am nächsten Tag sollte hier ein
antirassistisches Openair-Festival stattfinden. Aber das wirklich etwas
passieren würde, damit rechneten sie nicht.
Nun aber loderten genau neben dem 18-Jährigen Flammen — ein Molotow-Cocktail
war auf die Bühne geworfen worden, mehrere flogen daneben. Zum Glück gelang
es Lars P. und seinen Freunden, die brennende Flüssigkeit mit einer Decke zu
löschen. Der Schreck aber blieb — bis heute.
Gestern begann vor der Jugendstrafkammer des Potsdamer Landgerichts der
Prozess gegen zwei der mutmaßlichen Brandstifter: Sebastian D. und Jeaninne
P., beide 22 Jahre alt. Sebastian D. ist angeklagt wegen versuchten Mordes,
versuchter Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Die junge
Frau muss sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Sie soll sich außerdem
in der Nacht zum 30. Juli 2001 erneut an einem Brandanschlag mit
Molotow-Cocktails auf ein Wohnwagenlager von Sinti und Roma in Wildau
beteiligt haben. Die Verhandlung fand wegen des rechtsextremistischen
Hintergrundes unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Besucher wurden
penibel durchsucht und mussten Taschen und Handys abgeben,
Jeannine P., eine zierliche junge Frau mit langen schwarzen Haaren und
großen dunklen Augen, leugnet ihre Beteiligung auf den Bühnenüberfall nicht:
“Ich habe das Tatfahrzeug gefahren, aber nicht geworfen.” Die Idee sei durch
irgendeinen dummen Zufall entstanden: Man habe sich im “Schwarzen Adler” in
Eichwalde getroffen, einer habe in der Zeitung von dem Antifa-Konzert
gelesen. Da hätten sie sich zu viert auf den Weg gemacht, um das
Antifa-Konzert zu verhindern.
Auch Sebastian D. weiß angeblich nicht, wie es zu der Verabredung kam.
Zumindest aber gibt er zu, dass er selbst eine Brandwaffe gebastelt und
geworfen hat. Erst im letzten Moment habe er wahrgenommen, dass auf der
Bühne Menschen waren. “Da konnte ich nicht mehr stoppen.” Die beiden
Mittäter, gegen die gesondert ermittelt wird, hat er trotzdem nicht vom
Werfen abgehalten. Und auch aus seiner rechten Gesinnung macht er kein Hehl.
In seinem Nacken sind eine Pistole und der Name einer rechtsradikalen Band
eintätowiert. Und natürlich auch die Ziffer 18. In der Szene steht sie als
Symbol für den 1. und 8. Buchstaben des Alphabets: A H — Adolf Hitler.
Dass beiden dieser Tat überführt wurden, ist einer anderen Ermittlung zu
verdanken. Telefon und Wohnung des 22-Jährigen wurden abgehört, weil er
unter dem Verdacht stand, am Bau von Rohrbomben beteiligt zu sein. Der
Verdacht bestätigte sich nicht. Dafür aber konnte ihm die Tatbeteiligung in
Königs Wusterhausen nachgewiesen werden. Bei allem, was den Angeklagten
nicht eindeutig bewiesen werden kann, heißt es ansonsten von beiden: “Ich
erinnere mich nicht. Dazu sage ich nichts.”
Dabei haben die Angeklagten eine Menge zu verlieren: Sebastian D. hat eine
Lehre als Raumausstatter abgeschlossen, arbeitete lange auf Montage im In-
und Ausland — bis er selbst kündigte. Derzeit absolviert er ein Praktikum
mit der Aussicht auf Festanstellung. Er lebt mit seiner Verlobten und deren
zweijährigem Kind zusammen.
Jeaninne P. hat das Abitur, studiert im zweiten Semester Architektur in
Cottbus und hat bereits einen vierjährigen Sohn: “Damals wurde ich wegen
meiner Haltung als Faschist angesehen. Heute kümmere ich mich nicht mehr um
Politik. Ich habe mit Kind und Studium genug zu tun.”
Bisher sind drei Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird am 11. Mai
erwartet.
Verspätete Anklage
Potsdam: Prozeß gegen Rechtsextremisten wegen Brandanschlags auf
antirassistisches Festival 2001
(JW, 19.4.) Nach fast vierjährigen Ermittlungen begann am Montag vor der 2.
Strafkammer des Landgerichtes Potsdam der Prozeß gegen den Berliner
Rechtsextremisten Sebastian D. und Jeannine P. aus dem brandenburgischen
Königs Wusterhausen. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden 22jährigen
unter anderem versuchten Mord und Verstoß gegen das Waffengesetz vor.
Gemeinsam mit zwei weiteren Neonazis soll Sebastian D. in der Nacht zum
14. Juli 2001 Molotowcocktails auf die Bühne des antirassistischen
Festivals “Le monde est à nous” (“Die Welt gehört uns”) in Königs
Wusterhausen geworfen haben. Dort schliefen zum Zeitpunkt des Angriffs
mehrere Jugendliche. Das Fest wird jährlich von lokalen Jugendvereinen
und Antifagruppen organisiert.
Laut Anklage sei durch den Brandanschlag der Tod der auf der Bühne
Schlafenden billigend in Kauf genommen worden. Dem damals 18jährigen D.
droht eine Höchststrafe von zehn Jahren Haft. Die fünf geschädigten
Antifaschisten treten als Nebenkläger auf. Der Berliner Rechtsanwalt
Daniel Wölky, der einen der Geschädigten vertritt, warf den Behörden
vor, die Ermittlungen seien von Pannen gekennzeichnet gewesen. “Es wurde
verzögert und heruntergespielt”, sagte Wölky. Eine Anklage wegen
Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung dränge sich auf.
Während das Trio mit Sebastian D. die Molotowcocktails geworfen haben
soll, habe Jeannine P. im Fluchtauto gesessen. Nach eigener Aussage hat
sie die Männer vom Tatort weggefahren. P. wird hinsichtlich der Tat vom
14.7.2001 lediglich wegen Beihilfe zur versuchten Sachbeschädigung und
Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt. Ihr wird außerdem die
Beteiligung an einem Brandanschlag auf die Wohnwagen einer Gruppe Sinti
und Roma am 30.7.2001 im nahen Wildau vorgeworfen. Hierzu wollte sich
die Angeklagte gestern nicht äußern. Warum die zwei Komplizen des
Anschlags auf die Festivalbühne nicht mit auf der Anklagebank saßen, ist
unklar. Schleierhaft blieb am Montag auch, warum nach den
Teilgeständnissen von Sebastian D. und Jeannine P. 2002 bis zur
Hauptverhandlung über zwei Jahre vergingen.
Nun wird vor allem zu klären sein, ob den Angreifern bewußt war, daß
sich auf der Bühne schlafende Menschen befanden, sie also wissentlich
Menschenleben gefährdeten. Gestern wurde das von beiden bestritten.
Antifagruppen rechnen den einschlägig polizeibekannten D. der im März
2005 verbotenen Kameradschaft “Berliner Alternative Süd-Ost” (BA-SO) zu.
Telefonzelle beschmiert
Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin)Montag gegen 7.25 Uhr stellten Polizeibeamte während der Streifentätigkeit
in Rheinsberg, Am Stadion, fest, dass durch unbekannte Täter mit schwarzer
Farbe ein Hakenkreuz sowie der Namenzug von Adolf Hitler auf eine
Telefonzelle aufgetragen wurden. Die Beseitigung der Schmierereien wurde
veranlasst.
Nazi-Parolen auf dem Spielplatz
Brieselang (Havelland) Nazi-Parolen riefen Jugendliche, die sich am Samstagabend auf einem
Spielplatz aufhielten. Bürger riefen gegen 21.20 Uhr die Polizei, nachdem
sie aus einer etwa 15-köpfigen Gruppe junger Leute heraus mehrfach solche
Rufe gehört hatten. Die jungen Leute verschwanden. Polizeibeamte leiteten
Ermittlungen ein.