Belzig — Wegen Verwendens verfassungswidriger Symbole muss ein Jugendlicher mit einer Anzeige rechnen. Polizeibeamte war in der Nacht zu Sonntag in Belzig der junge Mann aufgefallen, dessen Hose das Label “Thor Steinar” hatte. Zwei Runen sind hier so kombiniert, dass sie die Rune der ehemaligen Waffen-SS zeigen, das Tragen ist strafbar.
Jahr: 2005
Sie habe in Potsdam einiges vermißt, sagt Alida Babel auf dem Podium und sie meint damit nicht das Fehlen eines Kaufhauses in der Innenstadt oder das Nichtvorhandensein kostenfreier Parkflächen im Zentrum der Landeshauptstadt. Sie meint damit Nähe und Miteinander. “Die Menschen sind hier isolierter als in Berlin”, sagt sie und das gilt ihrer Meinung nach nicht nur für Migrantinnen. Um daran etwas zu ändern, hat die in Surinam/Guayana geborene dunkelhäutige Alida Babel mit ihren zwei farbigen Mitstreiterinnen Miriam Camara und Peggy Fontainas Mendes im November die “black flowers e.V.” gegründet. Am Samstag feierte der Verein mit rund 100 Freunden und Gästen seine Gründung im Brandenburgischen Haus der Kulturen “al globe” in Potsdam.
“Black – weil wir drei schwarz sind; flowers – weil Blumen für Kraft und Schönheit stehen”, erklärt Alida Babel die Namenswahl des Vereins. Auch wenn sich die Frauen damit rein namenstechnisch auf eine Farbe festgelegt haben, soll der Verein dennoch für Frauen aller Hautfarben und Nationen offen sein – das ist den Gründerinnen wichtig. Sie wollen Migrantinnen aller Couleur eine Anlaufstelle bieten. “Wir haben einfach gemerkt, das wir beste Voraussetzungen haben, wir sprechen Deutsch und uns geht es gut”, beschreibt Alida Babel die Gründungsmotivation des Trios.
Vielen Migrantinnen gehe es da anders, sagt sie, die Frauen könnten sich mangels Deutschkenntnissen nicht verständigen, seien hier im Wortsinne “sprachlos” und fühlten sich in der Stadt isoliert. Deshalb sei es ihr Ziel diesen Menschen bei der Integration zu helfen. Das könne – ganz praktisch – mit der Beschaffung eines Praktikumsplatzes oder auch – eher emotional – durch den interkulturellen Austausch und das Gespräch geschehen, meint Alida Babel. Sie lebt seit sechs Jahren in Potsdam. In den 70igern ist sie mit der Mutter nach Deutschland gekommen. Seitdem hat sie sich hier integriert, spricht fließend Deutsch, ist Filmcutterin und Regisseurin geworden.
Die “black flowers” haben derzeit sieben Mitglieder. In der Frauengruppe des eingetragenen Vereins treffen sich immer Montags bis zu 15 Frauen unterschiedlichster Nationalitäten im Potsdamer Frauenhaus. Nicht alle haben Migrationshintergründe; es sind auch deutsche Frauen darunter. “Für mich ist der Austausch der Kulturen etwas sehr wichtiges”, sagt Kerstin Scheffler und erklärt, dass die Initiative der “black flowers” für sie besonders authentisch sei, weil von den Frauen selber initiiert. Die Potsdamerin findet es gerade für die Landeshauptstadt wichtig, dass “neben den Parks und Schlössern kulturell noch etwas anderes passiert”.
“Unser größter Traum ist deshalb der Aufbau einer Begegnungsstätte in eigenen Räumlichkeiten”, erklärt Alida Babel. Dort wollen die “black flowers” eine Beratungsstelle einrichten, Film- und Buchprojekte verwirklichen und Workshops anbieten. Derzeit sitzt der Verein, der sich ausschließlich mittels Spenden und aus Förderungen finanziert ohne eigene Räume im Potsdamer Frauenhaus.
Monique Tinney ist neue Ausländerseelsorgerin des evangelischen Kirchenkreises und betreut Asylsuchende im Abschiebegewahrsam.
Rund 450 Flüchtlinge und Asylsuchende leben derzeit in Potsdam. Seit Anfang der 90er Jahre hat der evangelische Kirchenkreis Potsdam sich den Schutz- und Hilfesuchenden mit dem Angebot von Seelsorge angenommen, zunächst ehrenamtlich. Vor knapp achteinhalb Jahren wurde eine halbe Stelle und seit dem 1.Januar dieses Jahres eine 60-prozentige Pfarrstelle eingerichtet. Mit dem Jahreswechsel übernahm Monique Tinney die Aufgaben als Ausländerseelsorgerin vor Ort. Zudem begann sie als erste Seelsorgerin der Landeskirche Berlin, Brandenburg und schlesische Oberlausitz ihren Dienst im Abschiebegewahrsam Eisenhüttenstadt. Über Perspektiven ihrer Arbeit sprach Ulrike Strube mit der Gemeindepädagogin.
Die Begegnung mit ausländischen Menschen ist Ihnen seit vielen Jahren vertraut, etwa durch ihr ehrenamtliches Engagement im Bereich der Mädchenarbeit, wo sie mit ihrem Projekt “Fremde Freundin” Begegnungen zwischen ausländischen und deutschen Mädchen schaffen. Das Gespräch und das gemeinsame Erleben bilden auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit.
Ja, daher möchte ich die Ausländerarbeit in einer Kirchengemeinde ansiedeln. Derzeit bin ich noch am suchen. Ich stelle mir vor, dass langfristig ein Kontakt zwischen den ausländischen Menschen und den Gemeindegliedern wachsen könnte. In der Gemeinde würde ich gern mein Büro beziehen. In das dortige kirchliche Leben möchte ich mich beispielsweise mit Predigdiensten einbringen. Durch meine Tätigkeit in der Gemeinde am Stern habe ich erfahren, dass viele Menschen neugierig auf die hier Hilfesuchenden, das Fremde sind. Leider gibt es viele Vorurteile. Vielleicht könnte ganz praktisch beim gemeinsamen Kochen von bosnischen, afghanischen, afrikanischen und deutschen Speisen eine kulinarische Brücke gebaut werden.
Im Mittelpunkt Ihrer Arbeit steht die Seelsorge.
Das Gespräch ist wichtig. Den Menschen zuhören. An zwei Tagen in der Woche werde ich im Übergangsheim im Lerchensteig sein. Jeweils einen Tag habe ich für die Menschen, die in Wohnungen leben und die Menschen, die im Abschiebegewahrsam in Eisenhüttenstadt ausharren, eingeplant. Natürlich werde ich mich auch in Netzwerken für die Rechte und Bedürfnisse der Asylsuchenden und Flüchtlinge einsetzen. Doch an erster Stelle steht das Gespräch.
In Potsdam sind über die Jahre feste Strukturen gewachsen, beispielsweise der Ausländergesprächskreis. Anders im Eisenhüttenstadt. Hinter Stacheldraht warten Menschen auf ihre Abschiebung. Die Einrichtung wird von einem privaten Sicherheitsdienst kontrolliert, da sie im Gegensatz zum Gefängnis nicht der Justiz unterstellt ist. In der Hausordnung wird ein Geistlicher als Begleiter für die jeweilige Religion zugesichert. Auf Anfrage erhalten die Insassen den gewünschten Beistand.
Einmal in der Woche kommt der Jesuiten Flüchtlingsdienst und einmal im Monat ein Imam aus Berlin. Gemeinsam mit der Ausländerbehörde und der Anstaltsleitung müssen wir ins Gespräch kommen, uns über den Alltag und die besondere Situation austauschen. Die Lebensbedingungen müssen sich dort verbessern. Vorurteile, die Ursache für Aggression und Gewalt sind, müssen abgebaut werden.
Wie wollen Sie den Alltag der Menschen dort konkret bereichern?
Schön wäre es, wenn die Frauen und Männer Zeitungen in ihrer jeweiligen Muttersprache lesen könnten. Dafür werde ich versuchen Spender zu finden. Eine andere Idee würde ich gern aus dem Strafvollzug übernehmen und ins Rollen bringen, wo Weihnachten Päckchen für die Inhaftierten gepackt werden, um ihnen eine kleine Freude zu bereiten.
Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit?
Mögen trotz begrenzter finanzieller Spielräume die Arbeit für die Ausländerseelsorge ermöglicht bleiben sowie an Akzeptanz gewinnen. Denn Kirche sollte dort sein, wo sie gebraucht wird, beispielsweise bei Menschen in großer Ungewissheit. Für die Tätigkeit in Eisenhüttenstadt wünsche ich mir, dass die Menschen im Abschiebegewahrsam auch in der öffentlichkeit wahrgenommen werden und dass die Arbeit, die ehren- und hauptamtlich arbeitende Schwestern und Brüder seit Jahren dort leisten, mehr Akzeptanz sowohl in der Kirche und in der Anstalt bekommen. Das die Arbeit keine Gefahr, sondern eine Bereicherung darstellt.
Monique Tinney studierte in Potsdam und Berlin Gemeindepädagogik. Später war sie in der Auferstehungsgemeinde, für den ökumenischen Kirchentag Berlin und in der Kirchengemeinde Am Stern tätig.
Förderung für Jugendarbeit
Uckermark (dw/MOZ) Für das Jahr 2005 werden durch das Jugendamt des Landkreises Uckermark zur Förderung der Jugendarbeit wieder finanzielle Mittel aus dem Kreishaushalt für den Förderbereich “Netzwerke und soziales Ehrenamt in strukturschwachen ländlichen Regionen” zur Verfügung gestellt.
Der Landkreis Uckermark fördert Projekte, Maßnahmen und Initiativen für Jugendfreizeiteinrichtungen, mobile Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit im Landkreis Uckermark und Kommunikationstechnologien. Im Vordergrund steht hierbei die Unterstützung der ehrenamtlichen Tätigkeit sowie die Stärkung der Netzwerke der Jugendarbeit in den ländlichen Regionen. Gefördert werden ausschließlich Sachkosten, keine Personalkosten. Von der Förderung sind die Städte Angermünde, Prenzlau, Schwedt/Oder und Templin ausgeschlossen. Jedoch können Ortsteile dieser Städte, die im Rahmen der Gemeindegebietsreform eingemeindet wurden, berücksichtigt werden.
Antragsteller können Jugendgruppen und ‑initiativen, Vereine, Ämter, Gemeinden oder natürliche Personen sein.
Formulare sowie weiterführende Informationen zu diesem Programm sind im Sachgebiet Jugendförderung/Kita des Jugendamtes erhältlich.
Entsprechende Anträge können bis zum 31. März 2005 beim Landkreis Uckermark, Jugendamt, Karl-Marx-Straße 1, 17291 Prenzlau, gestellt werden oder können telefonisch unter der Rufnummer (0 39 84) 70 47 51 angefordert bzw. unter www.uckermark.de heruntergeladen werden.
Fremdenfeindliche Parolen gerufen
Fehrbellin (Ostprignitz-Ruppin) Am Freitag gegen 10.30 Uhr wurde in Fehrbellin am dortigen Postplatz von einer Gruppe Jugendlicher, im Alter von 15–16 Jahren, mehrfach fremdenfeindliche Parolen gerufen. Des weiteren wurde der rechte Arm zum sogenannten Hitlergruß erhoben. Eine Anzeige wurde aufgenommen, die Ermittlungen dauern an.
Ruhe-Ordnung-Sauberkeit in Belzig
(FRED HASSELMANN, MAZ) BELZIG Die in den vergangenen Wochen durchgeführten Kontrollen von jugendlichen Schülern auf dem Busbahnhof — Ziel war das Unterbinden der Rauch- und Trinkgewohnheiten vor allem von unter 16-Jährigen in der öffentlichkeit sowie das Eindämmen von Vandalismus und Pöbeleien — haben erste Wirkung gezeigt. Dieses Fazit zogen die Mitglieder der Interessengemeinschaft “Jugendschutz” — darunter Vertreter des städtischen Ordnungsamtes, der Polizei und von Schulen — auf ihrer jüngsten Zusammenkunft.
“Es wurde nicht nur registriert, dass da was passiert, sondern unter den Schülern auch darüber diskutiert”, sagte Gesamtschulleiter Gerd Ulbrich. “Es hat uns geholfen, dass wir Hilfe aus den Reihen von Polizei und Ordnungsamt bekommen haben”, meinte Lehrer Jürgen Gottschalk. Er forderte die Stadt auf, ihre Stadtordnung in punkto Ordnung und Sicherheit weiter zu konkretisieren, um eine exakte Handhabe gegen Sünder zu besitzen. Ihm schwebt eine Art Bußgeldkatalog vor.
In jedem Fall wollen Ordnungsamt und Polizei, unterstützt von Pädagogen des Fläming-Gymnasiums und der Gesamtschule, auch künftig in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen das Terrain am Busbahnhof “unter die Lupe” nehmen, um präventiv und erzieherisch auf die Sünder einzuwirken, die in der Vergangenheit immer wieder gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen haben. Nach dem MAZ-Beitrag “Bier als Grundnahrungsmittel” vom 6. Dezember 2004 hat sich inzwischen auch ein Kamerateam des Fernsehsenders RBB für das Problem am Busbahnhof interessiert, wie Ordnungsamtsleiterin Brigitte Radon berichtete. Die Fernsehleute begleiteten die Amtschefin gleich bei zwei Kontrollen.
“Einige Jugendliche wollten uns austricksen und ihr wahres Alter verschleiern”, erzählt Brigitte Thiele von der Belziger Polizeiwache. Einmal sei ihr sogar statt des Personalausweises eine Anglerkarte gezeigt worden. Ihr Kollege Ulrich Krienke, Leiter des Sachgebiets Prävention im Schutzbereich Brandenburg/Belzig, relativierte die von vielen Jugendlichen gemachte Aussage, ihre Eltern wüssten, dass die Kinder rauchen und trinken und mit ihrem Taschengeld machen dürften, was sie wollen. “Unsere Erfahrungen besagen, dass jemand ganz still wird, wenn wir Zigaretten oder Alkohol einziehen und sagen, dass sein Vati sich das Zeug bei der Polizei abholen kann. Oder aber, wenn wir ihn auffordern, die mit Alkohol verdünnte Cola wegzukippen oder die Schachtel Zigaretten zu vernichten”, meint der Beamte.
Bernd Ganschow, Schulleiter des Fläming-Gymnasiums, berichtete, dass er an seiner Einrichtung Stichproben machen und die Papierkörbe und Abfalleimer auf Alcopop-Reste und Ähnliches kontrollieren ließ. “Das Ergebnis war erfreulich negativ”, sagte er.
In einer zweiten Phase will sich die Interessengemeinschaft “Jugendschutz” nun auch in Diskotheken und Jugendklubs sowie auf öffentlichen Veranstaltungen um die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes kümmern. Erste Gespräche gab es bereits zwischen Polizei und den Betreibern des “Flash” sowie dem Ordnungsamt und den Verantwortlichen im Jugendfreizeitzentrum “Pogo” sowie des Burgkellers. Anfang April schließlich soll eine weitere Zusammenkunft der Interessengruppe stattfinden.
Enkelmann fordert Verbot der NPD
POTSDAM (dpa/MAZ) Nach dem jüngsten Eklat um die rechtsextreme NPD im sächsischen Landtag hat sich die brandenburgische PDS- Landtagsfraktionsvorsitzende Dagmar Enkelmann für ein neues Verbotsverfahren ausgesprochen. “Man sollte es tun”, sagte Enkelmann gestern. “Ein neuer Anlauf muss aber wesentlich gründlicher vorbereitet werden als beim letzten Mal.”
SPD-Fraktionschef Günter Baaske zeigte sich besorgt über das Wahlbündnis von DVU und NPD. NPD-Abgeordnete hatten am Freitag im sächsischen Landtag die Bombardierung Dresdens 1945 als “Bomben-Holocaust” und die britisch- amerikanischen Luftangriffe als “kaltblütig geplanten, industriellen Massenmord” bezeichnet. Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Sachsens PDS-Fraktionschef Peter Porsch hatte sich für ein neues Verfahren ausgesprochen.
Im Potsdamer Landtag ist die DVU mit sechs Abgeordneten vertreten. “Wir dürfen die DVU nicht unterschätzen”, warnte Enkelmann. “Das sind Rechtsextremisten.” Das neue Zusammenspiel mit der NPD und den Republikanern werde die Ziele und Positionen der DVU klarer hervortreten lassen. “Es scheint sich in Brandenburg eine ähnliche Entwicklung wie in Sachsen anzubahnen”, so Enkelmann. Die DVU versuche, sich eine Basis in den Kommunen zu schaffen, statt sich wie bislang nur im Landtag zu verbarrikadieren. Am Samstag hatte sich der DVU-Kreisvorsitzende Dieter Mann an einem Aufmarsch von rund 45 Anhängern des rechtsgerichteten “Nationalen Bündnisses Preußen” in Bernau beteiligt. Laut Polizei sei auch eine DVU-Fahne geschwenkt worden.
Enkelmann sagte, das Auftreten der DVU in Brandenburg sei zwar subtiler als das der NPD in Sachsen, grenze aber an Volksverhetzung.
Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Günter Baaske über die DVU-Abgeordneten. “Sie stellen sich bisher als Biedermänner dar, doch sie sind Wölfe im Schafspelz.” Ebenso wie Enkelmann äußerte sich Baaske besorgt über das rechte Wahlbündnis.
Neues bezüglich Bombodrom
Struck kündigt neues Lärmgutachten für “Bombodrom” an
(RBB online) Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) hat ein neues Lärmgutachten für den geplanten Truppenübungsplatz bei Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) angekündigt.
Er gehe davon aus, dass es “die jetzt ins Spiel gebrachten Vorwürfe zur Lärmbelästigung” entkräften werde, sagte er am Freitag in Berlin. Es sei “nicht unser Ziel”, an den Plänen für den Schießplatz in Brandenburg etwas zu ändern, sagte Struck.
Ende 2004 hatte Brandenburgs Oberverwaltungsgericht “erheblichen Zweifel” an den Lärmberechnungen des Verteidigungsministeriums für den Flugbetrieb angemeldet. Gegen den Schießplatz sind mehrere Klagen bei Gericht anhängig. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache darf die Bundeswehr den Übungsbetrieb nicht aufnehmen.
Zuvor hatten jahrzehntelang sowjetische Kampfflieger über dem Gelände ihre Bomben zu Übungszwecken abgeworfen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Abzug ihrer Streitkräfte aus Ostdeutschland übernahm die Bundeswehr das Gelände, um es weiter für Bomben- und Artillerieübungen zu nutzen.
Dagegen regt sich seit langem öffentlicher und politischer Widerstand in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
“Bombodrom”: Gegner zeigen sich optimistisch
(MAZ) NEURUPPIN Die Gegner des Bombenabwurfplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide gehen optimistisch in die anstehenden Prozesse gegen die Bundeswehr. Seit 1995 habe die Bundeswehr in dieser Sache alle 19 Gerichtsverfahren vor Verwaltungsgerichten in allen Instanzen verloren, sagte der Sprecher der Unternehmensvereinigung “Pro Heide”, Thomas Marquard, am Samstag. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte zuvor bekräftigt, er halte dennoch an den Plänen für den Übungsplatz fest.
Am Freitagabend hatte Kläger-Anwalt Rainer Geulen bei einer Veranstaltung in Neuruppin eine Zwischenbilanz gezogen. Demnach sind noch neun Klagen von Kommunen, Naturschutzorganisationen und Privatleuten aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern anhängig. Die Bundestagsabgeordneten Ernst Bahr (SPD) und Winfried Nachtwei (Grüne) erklärten, sie hätten genügend Unterzeichner für ihren Gruppenantrag gegen den Übungsplatz gesammelt. Damit könne der Bundestag noch vor der Sommerpause entscheiden. MAZ/dpa
“Wenn die Bundeswehr Prügel braucht …”
Freie-Heide-Anwalt Reiner Geulen plauderte in der Pfarrkirche aus dem Nähkästchen
(TOBIAS FELSCH, MAZ) NEURUPPIN Die Vorlage aus Berlin kam den Gegnern des Wittstocker Übungsplatzes wie gerufen: Verteidigungsminister Peter Struck hatte am Freitag angekündigt, “die jetzt ins Spiel gebrachten Vorwürfe zur Lärmbelästigung” mit einem neuen Lärmgutachten auszuräumen. Wenige Stunden später versammelten sich in der Neuruppiner Pfarrkirche 200 jener Menschen, die diese Vorwürfe äußern — seit gut 13 Jahren.
Vertreter der Bürgerinitiativen “Freie Heide” und “Pro Heide” hatten die Ruppiner zu einer Info-Veranstaltung rund um das Bombodrom geladen. Als Experte saß ein Mann auf dem Podium, den Freie-Heide-Sprecher Benedikt Schirge schlicht als “Dr. Reiner Anwalt” vorstellte: Reiner Geulen, seit 1993 Anwalt der Bürgerinitiative. Außerdem berichteten die Bundestagsmitglieder Ernst Bahr und Winfried Nachtwei (Grüne) über ihren geplanten Gruppenantrag im Berliner Parlament.
19 Verhandlungen hat Geulen bislang in der Sache Bombodrom bestritten — 19 Gerichte gaben seiner Argumentation recht: “Es gibt kein Verfahren, das die Bundeswehr gewonnen hat. Und um das Gelände zu nutzen, müsste sie jedes einzelne gewinnen.”
Dass Struck ein neues Gutachten fordert, verwundert Geulen nicht: “Das alte wurde der Bundeswehr vor Gericht um die Ohren gehauen.” Der Gutachter, ein Angestellter des Rüstungskonzerns EADS ohne wissenschaftliche Kenntnisse, habe den Schall auf dem Übungsplatz gemessen: “Die Dörfer daneben hat er nie betrachtet und kam deshalb zu dem Ergebnis, niemand werde belästigt. Auf dem Bombodrom lebt ja niemand.”
Geulen gestand ein, der Konflikt könne nur von politischer Seite endgültig gelöst werden: “Aber wenn die Bundeswehr noch mehr Prügel braucht, sind wir dazu bereit.”
Veranstaltungen am 27. Januar
Fürstenwalde (MOZ) Anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz finden auch in Fürstenwalde mehrere Gedenkveranstaltungen statt. Um 15 Uhr beginnt am Museum ein Antifaschistischer Stadtspaziergang. Um 17 Uhr sind alle Fürstenwalder zur offiziellen Kranzniederlegung der Stadt am Ottomar-Geschke-Platz eingeladen. Ein halbe Stunde später wird in der Dachetage der Kulturfabrik eine Ausstellung über jugendlichen Widerstand im nationalsozialistischen Deutschland eröffnet. Um 20 Uhr beginnt am gleichen Ort ein musikalisch-literarisches Programm, mit dem an die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung jüdischen Lebens erinnert werden soll.
Unbequemer Zeitzeuge
CDU Brandenburg will den Widerstandskämpfer Peter Gingold nicht als Redner zum Gedenktag für die Opfer des deutschen Faschismus am 27. Januar
(jW, Hans Daniel) Während auch Spitzenpolitiker der CDU/CSU verbale “Entrüstung” verlautbaren lassen über die jüngsten Vorgänge im CDU-regierten Bundesland Sachsen, demonstriert die CDU-Führung des Landes Brandenburg ihre ganz spezielle Art des “Kampfes gegen rechts”. Sie greift massiv die Verwaltung von Frankfurt/Oder an, weil die den international renommierten Widerstandskämpfer Peter Gingold als Redner zur städtischen Gedenkveranstaltung am 27. Januar eingeladen hat. Der 89jährige ist Mitglied des Auschwitz-Komitees und einer der Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA. Die Landes-CDU halte die Einlandung “für einen Fehler und lehnt sie ab”, äußerte deren Geschäftsführer Sven Petke. Er beruft sich dabei auf den skandalösen Tatbestand, daß die VVN-BdA als größte bundesweite Organisation ehemaliger Widerstandskämpfer gegen den Faschismus und Verfolgter des Naziregimes im Verfassungsschutzbericht immer noch als “linksextremistisch” bezeichnet wird. Es dominierten nach wie vor “Kommunisten orthodox-kommunistischer Ausrichtung”. Von der Pressesprecherin des “Verfassungsschutzes” ließ sich die CDU bei ihrer Attacke gegen die Stadt zuarbeiten, diese Einschätzung “gilt auch im Januar 2005”. Wie die Märkische Oderzeitung in der vergangenen Woche berichtete, habe die Sprecherin “aus datenrechtlichen Gründen” keine Angaben zur Bedeutung von Peter Gingold machen können.
Die Angaben wären unter anderem bei der französischen Regierung einzuholen, die Gingold wegen seiner Teilnahme am Kampf der französischen Resistancé und seiner Mitwirkung an der Befreiung von Paris im August 1944 mit der Verleihung des Befreiungsordens von Paris (“Medaille de la Liberation”) ausgezeichnet hat. Als Frontbeauftragter der “Bewegung freies Deutschland” nahm er in Frankreich und in Italien am bewaffneten Kampf gegen den Faschismus teil. Zwei seiner Geschwister und sieben weitere Angehörige kehrten nicht aus Auschwitz zurück.
Ein Zeitzeuge erste Güte also, der wie wenige berufen ist, über den deutschen Faschismus und über die zu sprechen, derer am 27. Januar, am Gedenktag für alle Opfer der NS-Regimes, gedacht werden soll. Das war auch der Grund, warum ihn der Frankfurter Vorbereitungskreis, dem unter anderem die Stadtverwaltung, die Jüdische Gemeinde und der Bund der Antifaschisten angehören, für die Veranstaltung vorgeschlagen hatte. Wie die Stadt durch ihren Pressesprecher Hans-Dieter Wahl am Freitag mitteilen ließ, hält sie an der Einladung Peter Gingolds fest.
Stadt verteidigt Einladung von Peter Gingold
(MOZ) Die Stadt hält an ihrer Einladung von Peter Gingold (89), der die Gedenkrede am 27. Januar halten soll, fest. Das teilte am Freitag Frankfurts Pressesprecher Heinz-Dieter Walter mit. Von der Landes-CDU wird der Auftritt abgelehnt, da Peter Gingold Bundessprecher der von Verfassungsschützern als linksextremistisch eingestuften Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes — Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ist.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz ordnet die VVN-BdA in seinem aktuellen Bericht als linksextremistisch ein. Nach wie vor “dominieren in den Vorständen Kommunisten orthodox-kommunistischer Ausrichtung”. “Die Organisation bewertete die Aktivitäten gewaltbereiter ‚Antifaschisten” weiterhin positiv” und arbeite mit “gewaltbereiten Linksextremisten zusammen”, berichtete am Freitag eine Pressesprecherin der Behörde. “Diese Einschätzung gilt auch im Januar 2005”, sagte sie. Zur Bedeutung von Peter Gingold könne sie aus datenrechtlichen Gründen keine Angaben machen.
CDU-Politiker Volker Starke, der als Stadtverordnetenvorsteher die Veranstaltung leiten wird, sagte zunächst, dass er über die linksextremistische Einstellung des Verbandes nichts wisse. Wie Rathaussprecher Heinz-Dieter Walter berichtete, war im vorbereitenden Arbeitskreis vorgeschlagen worden, als Zeitzeugen Peter Gingold auftreten zu lassen. Zum Vorbereitungskreis gehören neben der Stadt u. a. der Bund der Antifaschisten, der ökumenische Rat, die Jüdische Gemeinde sowie die Plattform gegen Rechts. In der Runde habe es gegen eine Einladung an Peter Gingold “keine Bedenken” gegeben, sagte Walter. “Seine Zugehörigkeit zur VVN spielte dabei keine Rolle.”
Während für OB Martin Patzelt (CDU) und Volker Starke die Kooperation kein Problem ist, kommt aus Potsdam Kritik. “Die Landes-CDU hält die Einladung für einen Fehler und lehnt sie ab”, sagte Landesgeschäftsführer Sven Petke. Es sei falsch, “dass der Sprecher einer Vereinigung, die Gewalt unterstützt, eingeladen wird.” Heinz-Dieter Walter kann diese Ablehnung nicht verstehen. Er verwies darauf, dass Peter Gingold im vergangenen Jahr mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet worden war. Peter Gingold war Widerstandskämpfer im besetzten Frankreich und in Deutschland gegen die Nationalsozialisten. Der aus Frankfurt stammende Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) wollte den Vorgang nicht kommentieren, da es nicht seine Veranstaltung sei. CDU-Kreisvorsitzender Stefan Große Boymann sagte, dass für ihn die “Verbindung des Redners mit dem linksextremistischen Verband problematisch ist”. Die Entscheidung liege aber bei der Stadt, die zu der Veranstaltung einlade.