Potsdam — Der Skandal um die bei Ebay versteigerte Festplatte mit internen
polizeilichen Daten aus Brandenburg steht kurz vor der Aufklärung.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) wird nach Informationen dieser Zeitung
heute vor dem Innenausschuß bekanntgeben, daß die mit dem Löschen von Daten
auf ausrangierten Festplatten beauftragte Firma nicht in den Vorgang
involviert war. In Sicherheitskreisen verdichteten sich gestern abend die
Hinweise, wonach ein Bediensteter der Polizei mit dem Skandal in
Zusammenhang gebracht wird. Ein krimineller Hintergrund wird nicht
ausgeschlossen.
Autor: redax
Freundschaftsspiel
Mitglieder aus dem Verein für ein
multikulturelles Europa und das Projekt Streetwork vom Jugendhilfe Cottbus
e.V. organisierten kürzlich in Schmellwitz ein Freundschaftsspiel im
Volleyball. Ein Team mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Afghanistan
und Kamerun trat gegen ein Team mit Jugendlichen aus Schmellwitz an. Im
Mittelpunkt stand nicht der Sieg, sondern das gegenseitige Kennenlernen.
Im Bus der Linie 4 wurde er von einem 23-jährigen Cottbuser angegriffen: In
der RUNDSCHAU sprechen Kamdisch Ahmadi, 18 Jahre alt, und seine afghanische
Familie über die nächtliche Attacke und über ihr Leben in Cottbus.
Im Wohnzimmer steht ein schlichter Esstisch, vom Balkon geht der Blick
hinaus auf die Sachsendorfer Wiesen, Kamdisch Ahmadi teilt sich ein Zimmer
mit seinem Bruder. Eben hat der 18-Jährige einen Freund beim Kauf einer
Digitalkamera begleitet, und alles sähe nach klassischer deutscher Familie
aus, wären da nicht die indischen Bollywood-Videos im Schrank und ein
Koran-Zitat an der Wand. Leicht blau schimmert die Haut unter dem rechten
Auge des Jungen. Spuren der vergangenen Samstagnacht (die RUNDSCHAU
berichtete).
Er erinnert sich an die Heimfahrt mit dem Nachtbus der Linie 4. Aus dem Klub
«CB» sei er gekommen, mit drei Freunden und fünf Mädchen, und in der Nähe
der Zuschka seien vier junge Deutsche zugestiegen. Einer, mit kurzen Haaren,
Bomberjacke und Schuhen der Marke «New Balance» , habe ihn verwundert
angeschaut: «Was ist das denn« Wo kommt ihr denn her»» Kamdisch Ahmadi habe
ihn böse angesehen. Reaktion des Deutschen: «Was guckst du so« Deine Mutter
arbeitet wohl auf einem Fischkutter.» — «Deine auch.» Nun habe sich der
Deutsche erst recht provoziert gefühlt: «Ihr Türken, was wollt ihr hier» In
eurer Heimat dürft ihr nicht mit Frauen ins Bett gehen, bevor ihr heiratet,
und hier benehmt ihr euch, wie ihr wollt«» Darauf habe Kamdisch Ahmadi
zuerst nichts entgegnet — bis zur nächsten Provokation. «Habt ihr deutsche
Schlampen aufgerissen» Wir geben euch noch zwei Jahre, bis wir euch
steinigen.» Die Antwort des Afghanen: «Ihr habt doch keine Ahnung.» Und dann
sei es passiert: «Ich höre Gebrüll, drehe mich nach rechts und sehe Sterne.
Blut läuft aus meiner Nase, ich schlage zurück.»
Dem Vater, Nasir Ahmadi, 50 Jahre alt, missfällt es, dass sich sein Sohn
gewehrt hat. Er sitzt auf dem Sofa im Wohnzimmer und schüttelt den Kopf.
«Ich sage immer: Fass keine fremden Leute an, gehe nicht diese Straße
entlang — ich will nicht, dass meine Kinder Ärger kriegen.» Kamdisch, der
Sohn, fällt ihm ins Wort: «Es tut mehr weh, wenn ich nichts mache, als wenn
ich mich wehre. Ich will so nicht leben.»
Ende des Jahres 1995 kam die Familie nach Deutschland. Vater, Mutter, fünf
Kinder. Der Cottbuser Ausländerbeauftragte Michael Wegener sagt: «Sie hatten
in der Heimat einen hervorragenden sozialen Status. Den hätten sie ohne Not
nicht aufgegeben.» So schildert Nasir Ahmadi, wie er für die afghanische
Regierung als Flugzeugingenieur arbeitete und so viel Geld verdiente, dass
er sich ein eigenes Haus leisten konnte, ein eigenes Auto. «Einmal im Jahr
durften wir mit der Familie auf Firmenkosten in ein fremdes Land fliegen,
zum Beispiel nach Indien.» Dann kam der Regierungswechsel: Nasir Ahmadi sei
aus politischen Gründen im Gefängnis gelandet, später habe er über Pakistan
fliehen können, wo seine Familie bereits auf ihn wartete.
Und nun hoffen sie seit mehreren Jahren auf die Bestätigung ihres
Asylantrages. Die 17-jährige Mudjda lernt wie ihr Bruder am
Spreeland-Gymnasium, «da habe ich tolle Freunde» . Sie spricht fast
akzentfrei deutsch, «unser Vater will, dass wir gut sind» , nach dem
Abschluss will sie studieren, und noch heute fürchtet sie sich, wenn nachts
ein Gewitter aufzieht. «Das erinnert mich an die Bombeneinschläge in unserer
Heimat.» Sie sagt, sie fürchte sich davor, vielleicht eines Tages
zurückgehen zu müssen. «Frauen gelten in Afghanistan nicht als Menschen,
sondern als Eigentum. Sie dürfen nicht einmal zur Schule gehen. Dabei finde
ich, Bildung gehört zum Leben.» Bei ihrem aktuellen Status darf sie aber
weder studieren noch eine Ausbildung beginnen. Auch ihr Vater und die
Mutter, eine Lehrerin, sind nach eigenen Worten wider Willen arbeitslos.
«Ich darf einfach nicht» , sagt Nasir Ahmadi, «dabei hat mir ein Freund
schon eine Stelle als Hausmeister in Berlin angeboten.»
Bis vor einem Jahr lebte die Familie in Vetschau. Mudjda Ahmadi berichtet,
ihre Schwester sei dort auf dem Weg zum Handballtraining von Neonazis
geohrfeigt worden, mehrere Rechte hätten einen ihrer Brüder verprügelt: «Ich
hätte nicht gedacht, dass uns in Deutschland so etwas passiert. Eine kleine
Gruppe macht den Ruf des ganzen Landes kaputt.»
Erst einmal freut sich ihr Bruder Kamdisch über die
Torschützenkönig-Urkunde, die ihm in der Schule überreicht wurde. «Meine
Aggressionen lasse ich im Sport raus. Daran sollten sich manche Leute ein
Beispiel nehmen.»
Hintergrund Angriff im Bus
Die Ermittlungen zum Fall sind nach Angaben des Polizeipräsidiums noch nicht
abgeschlossen. Roland Kamenz von der Pressestelle: «Es stehen noch ein paar
Vernehmungen an.» Erst dann werde der Fall an die Cottbuser
Staatsanwaltschaft übergeben.
Potsdam — Brandenburg will neonazistische Aufmärsche an dem Soldatenfriedhof
in Halbe künftig per Gesetz verhindern. Das Kabinett will am 3. Mai ein
entsprechendes Gedenkstättenschutzgesetz verabschieden und in den Landtag
einbringen. Das Gesetz ermöglicht ein Verbot von Aufmärschen nicht nur am
Soldatenfriedhof in Halbe, sondern an allen rund 1200 Kriegsgräberstätten im
Land. Es soll noch vor der Sommerpause vom Landtag beschlossen werden.
Brandenburg reagiert damit auf das am 24. März vom Bundestag verschärfte
Versammlungsrecht, das historisch herausragende Gedenkstätten für die Opfer
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wie das Holocaust-Denkmal in
Berlin unter besonderen Schutz stellt. Versammlungen und Aufmärsche von
Rechtsextremisten können an solchen Gedenkstätten verboten werden, um die
Würde der Opfer nicht zu beeinträchtigen. Dazu zählen in Brandenburg auch
die ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen.
Brandenburgs Innenministerium sieht Handlungsbedarf, weil nach den
bundesrechtlichen Vorgaben Kriegsgräberstätten nicht als Gedenkstätten
gelten, die an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der
nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnern. Das heißt,
dass der Soldatenfriedhof Halbe, wohl der größte Deutschlands, nicht unter
das neue Bundesgesetz fällt. Andererseits gibt es eine Öffnungsklausel, die
es den Ländern erlaubt, durch eigenes Gesetz die Orte zu bestimmen, an denen
Versammlungen oder Aufzüge unter erleichterten Voraussetzungen verboten
werden können.
In Halbe finden seit Jahren zum Volkstrauertag regelmäßig Aufmärsche von
Neonazis statt. Auf dem Friedhof sind auch zahlreiche Wehrmachtssoldaten und
Angehörige der Waffen-SS begraben.
In der Kabinettsvorlage wird hervorgehoben, dass der bisherige Schutz der
Gräberstätten, die die Erinnerung an die schrecklichen Folgen von Krieg und
Gewaltherrschaft wach halten sollen, nicht ausreiche. So lasse das geltende
Recht Raum dafür, dass an Friedhöfen “Veranstaltungen durchgeführt werden
können, die nationalsozialistiches Unrecht verherrlichen oder verharmlosen”.
Sie beeinträchtigten die Würde der Opfer und schädigten das Ansehen des
Landes.
Nach dem Gesetzentwurf bedürfen Veranstaltungen auf Gräberstätten künftig
einer Erlaubnis, die von kommunalen Behörden erteilt wird. Veranstaltungen,
die die Würde der Opfer verletzen und die Ruhe der Toten stören könnten,
sind nicht erlaubt. Der besondere Schutz für alle 1200 Gräberstätten im Land
wird auch damit begründet, dass die Überlebenden des Holocausts darauf
vertrauen sollen, dass Brandenburg alles unternimmt, “um die Würde der Opfer
zu schützen und ihre Gräberstätten als Orte zu erhalten, an denen ihrer
ungestört gedacht werden kann”.
Auf den rund 1200 Kriegsgräberstätten und Brandenburg ruhen 183 468 Opfer
von Krieg und Gewaltherrschaft. Allein in Halbe liegen die Gräber von 17 000
Soldaten und weiteren fast 6000 Personen.
Fürstenwalde (MOZ) In 60 Orten der Republik gibt es sie schon, nun werden
sie in Fürstenwalde verlegt: “Stolpersteine”. Mit den zehn mal zehn
Zentimeter großen Betonsteinen, auf denen eine Messingplatte mit Daten
befestigt ist, soll an Opfer des Nationalsozialismus erinnert werden.
Jugendliche, Mitglieder der Plattform gegen Rechts sowie das Städtische
Museum beginnen demnächst mit der Recherche.
1992 hatte der Künstler Gunter Demnig die Aktion Stolpersteine ins Leben
gerufen. Sie erinnert an jüdische Opfer, Homosexuelle, politisch Verfolgte,
Sinti und Roma und Euthanasieopfer, die zur Nazizeit ermordet oder
deportiert wurden. Die Steine werden im Gehweg vor dem letzten bekannten
Wohnort eingelassen. Auf der Messingplatte stehen der Name, das
Geburtsdatum, das Datum der Deportation und kurz das weitere Schicksal -
sofern bekannt. Die Idee, diese Aktion auch nach Fürstenwalde zu holen, habe
es schon länger gegeben, sagte Museumsleiter Guido Strohfeldt. Allerdings
seien die Daten sehr spärlich.
Aus dem Adressbuch der 30er-Jahre lasse sich zum Beispiel nicht ermitteln,
ob jemand Jude war oder nicht. “Wir kennen nur aus einem Verzeichnis ein
paar männliche Namen des Vorstandes der jüdischen Gemeinde”, sagt Guido
Strohfeldt. Eine Recherche im Standesamtsregister sei aus
datenschutzrechtlichen Gründen sehr kompliziert.
Aufschluss über das Schicksal der jüdischen Fürstenwalder — immerhin wohnten
150 Juden vor der Vertreibung und Vernichtung in der Stadt — erhofft sich
der Museumsleiter aus Unterlagen, die im Landeshauptarchiv in Potsdam
lagern. “Dort gibt es die Akten des Oberfinanzpräsidenten”, so Strohfeldt.
In diesen sind die Vermögensfragen von Juden verzeichnet, bevor sie
deportiert wurden. Auch Transportlisten seien vorhanden. Es gebe wohl auch
Akten von Fürstenwaldern, habe eine erste Anfrage erbracht. Über eine Roma-
und Sinti-Familie seien ebenfalls Dokumente vorhanden. Am 15. April werde
eine kleine Gruppe — Schüler und Guido Strofeldt — zum Recherchieren nach
Potsdam fahren.
Parallel dazu wird erforscht, ob Behinderte aus den Samariteranstalten der
so genannten Euthanasie zum Opfer fielen. “Das Problem ist, dass wir da gar
keine Akten haben”, so Strohfeldt. Friedrich Stachat habe sich mit dem Thema
schon beschäftigt und herausgefunden, dass an einem Tag in den 30er Jahren
auffällig viele, nämlich 35 Abgänge, zu verzeichnen waren.
“Wir freuen uns aber auch über Hinweise jedes Fürstenwalders”, hofft Guido
Strohfeldt auf weitere Quellen. Der erste Stolperstein soll am 1. Dezember
verlegt werden.
Heile, heile Potsdam
Mit der symbolischen Grundsteinlegung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche am 14. April soll gleichzeitig die »Heilung des Potsdamer Zentrums« beginnen. Die Stadt erhalte ihre »städtebauliche Identität« zurück, schreibt die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Andere betrachten den geplanten Neubau am ehemaligen preußischen Garnisonsstandort und Königssitz ausschließlich als Symbol für Militarismus.
Der »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I. hatte die Kirche, die im Jahr 1732 eingeweiht wurde, bauen lassen: ein preußisches Prachtwerk, überragt von einem 88,4 Meter hohen Turm. Soldaten kamen hierher, um das letzte Gebet zu sprechen, bevor sie in den Krieg zogen. Im Rahmen der Eröffnung des neuen Parlaments am 21. März 1933, den die Nazis als »Tag von Potsdam« propagandistisch ausschlachteten, spielte die Garnisonkirche eine wichtige Rolle. Hier fanden das »alte« und das »neue« Deutschland, Hindenburg und Hitler, Preußen und der Nationalsozialismus symbolisch zusammen. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wurde die Kirche im Jahr 1968 gesprengt.
Maßgebliche Befürworterin des Wiederaufbaus ist die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG). Der Verein, der sich genau diesem Zweck verschrieb, sammelte seit 1990 6,7 Millionen Euro an Spenden. Deren Freigabe band sie jedoch an strikte Konditionen, die der Vereinspräsident Max Klaar im Jahr 2003 so zusammenfasste: »In der wieder aufgebauten Kirche soll kein Asyl geboten, keine feministische Theologie gelehrt, kein Segen für gleichgeschlechtliche Paare erteilt und keine Kriegsdienstverweigerer beraten werden.« Klaar ist nach Informationen der VVN/BdA auch Vorsitzender des Vereins Deutscher Soldaten, dem die Bundeswehr im vergangenen Jahr wegen rechtsextremistischer Ausfälle die Zusammenarbeit aufkündigte. Seither dürfen Angehörige der Bundeswehr auch nicht mehr in Uniform auf Veranstaltungen des Vereins auftreten.
Nachdem die evangelische Kirche Brandenburg am 24. März ein eigenes Nutzungskonzept vorgelegt hatte, das auf ein »Versöhnungszentrum«, eine »offene Stadtkirche«, abzielt, stellte die TPG sofort ihre Mitarbeit ein. Nun fehlt das Geld der TPG beim 70 Millionen Euro teuren Neubau, der wie die Dresdner Frauenkirche vor allem aus Spenden finanziert wird. Die Kosten für die Vorarbeiten der Grundsteinlegung sind indes gedeckt. Drei Potsdamer Baufirmen erklärten sich nach Angaben der Potsdamer Neuesten Nachrichten bereit, sie zu übernehmen.
»Das Glockengeläut der Garnisonkirche begleitete die Soldaten in den Ersten Weltkrieg«, schreibt die Antifaschistische Aktion Potsdam in einer Broschüre, die sie vor der anstehenden Demonstration gegen den Wiederaufbau herausgegeben hat. Sie kritisiert, dass mit der Garnisonkirche ein Symbol, das für die militaristische Tradition des preußischen Obrigkeitsstaates stehe, neu errichtet werden soll. Erwin Huber, der evangelische Landesbischof von Brandenburg, sagte im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Welt: »Nur eine Stadt mit einer tief gegründeten Identität und einer wachen kritischen Öffentlichkeit vermag sich gegen Fremdbestimmungen und Wahnvorstellungen zur Wehr zu setzen.« Auf eben jene Identität wollen die Antifas lieber verzichten.
Auch Teilnehmer des diesjährigen Potsdamer Ostermarschs kritisierten den Wiederaufbau. Martina Rehberg, die Sprecherin der Friedenskoordination, sagte dem Tagesspiegel, das Geld solle die Stadt »lieber für den Bau einer neuen Potsdamer Synagoge zur Verfügung stellen«. Der Wiederaufbau sei ihrer Meinung nach das »absolut falsche Zeichen«.
Antifa-Demonstration »Gegen den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche« am 9. April. Treffpunkt: um 14 Uhr am Glockenspiel, Plantage (Dortusstraße/Am Kanal).
Landtags-Chef als Schlichter
(MAZ)POTSDAM Der Landtagspräsident soll den festgefahrenen Streit zwischen SPD
und CDU über die Beteiligung der PDS an einer Initiative gegen
Rechtsextremismus schlichten. Gunter Fritsch (SPD) wird jetzt einen
“Präsidenten-Antrag” stellen, den eigentlich die Koalitionsfraktionen
gemeinsam mit der PDS in der kommenden Woche in den Landtag einbringen
wollten. Diesen Wunsch hatte zumindest die SPD. Doch die CDU weigerte sich
strikt, zusammen mit der PDS im Briefkopf der dazu gehörenden
Landtagsdrucksache zu stehen.
Die SPD sieht im jetzigen Vorgehen einen Kompromiss. SPD-Fraktionschef
Günter Baaske sagte, er hätte es zwar lieber gesehen, wenn “die drei
demokratischen Parteien” gemeinsam ein deutliches Zeichen gegen
Rechtsextremismus und Fremdenhass gesetzt hätten. “Diese Geschlossenheit ist
durch die CDU ins Wanken geraten.” Doch gebe es jetzt die Möglichkeit, dass
die drei Fraktionen dem Antrag des Präsidenten zustimmen.
Die CDU indes verteidigte ihren Kurs. “Wir haben einen Grundsatz: Keine
Anträge mit der PDS, die eine totalitäre Vergangenheit hat”, begründete
CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek. Die PDS würde nur wollen, auf “das Podest
der demokratischen Partei” gehoben zu werden. “Winkelzüge” führten nun dazu,
dass der Antrag “Glossen-Charakter” bekomme, sagte Lunacek.
CDU-Generalsekretär Sven Petke sagte, seine Partei werde nicht mit der PDS
gemeinsam agieren. Diese habe sich im Hartz-IV-Wahlkampf der gleichen
Parolen bedient wie die rechtsextreme DVU.
Die Fraktionschefs der Koalition bezichtigten sich gestern gegenseitig, ein
falsches Spiel zu treiben. Baaske (SPD) sagte, die CDU habe im
Innenarbeitskreis klar signalisiert, dass eine gemeinsame Initiative auch
unter Einschluss der PDS möglich sei. Davon habe sie später wieder Abstand
genommen. Lunacek (CDU) widersprach und sagte, es habe keinerlei Absprachen
gegeben. Die CDU habe sich lediglich bereit erklärt, den Antrag zum
Rechtsextremismus mit dem Koalitionspartner SPD zu unterschreiben.
Dieser lag zwischenzeitlich vor. Baaske musste nun, damit der
“Präsidenten-Antrag” zum Zuge kommt, seine Unterschrift zurückziehen, was er
gestern tat. In seiner Fraktion gab es Stimmen, die vor einem erneuten
“Einknicken” gegenüber der CDU warnten. Erinnert wurde an die Forderung nach
öffentlichen Sitzungen der Fachausschüsse. Dies wollte die CDU nicht.
Letztlich blieb alles beim Alten: Die Ausschüsse tagen weiter hinter
verschlossener Tür.
Die CDU signalisierte gestern, dem “Präsidenten-Antrag” zuzustimmen. Das
will auch die PDS-Fraktion. Der innenpolitischer Sprecher Hans-Jürgen
Scharfenberg sagte, es wäre wichtig gewesen, dass SPD, CDU und PDS gemeinsam
den Antrag eingebracht hätten. Dies sei aber schon 2000 bei einem ähnlichen
Vorstoß der PDS gescheitert. Auch damals hatte am Ende der Landtagspräsident
die Situation gerettet. Der jetzt gefundene Ausweg lasse niemanden das
Gesicht verlieren, sagte Scharfenberg.
In dem Antrag “Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt — für
ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg” wird auch die im Landtag
vertretene DVU erwähnt. “Das Wahlergebnis der NPD in Sachsen und der DVU in
Brandenburg sind eine politische Herausforderung an die demokratischen
Kräfte in unserem Land. Die Reaktion hierauf muss eine mit Besonnenheit und
Augenmaß betriebene Entlarvung der Gefährlichkeit der Ziele
rechtsextremistischer Bestrebungen sein”, heißt es.
Neuer Anlauf für Antrag gegen Rechtsextremismus
(Tagesspiegel)Potsdam — Die SPD-Fraktion mit Landtag zieht den geplanten gemeinsamen
Antrag mit der CDU gegen den Rechtsextremismus zurück. Nachdem die CDU eine
Einbeziehung der PDS-Fraktion — wie berichtet — verweigerte, habe er seine
Unterschrift unter den Antrag zurückgenommen, sagte SPD-Fraktionschef Günter
Baaske.
Er habe nun Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) gebeten, das Papier in
den Landtag einzubringen. Auf dieses Vorgehen könne man sich verständigen,
hieß es aus den Fraktionen von CDU und PDS.
In dem Antrag “Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt — für
ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg” heißt es unter anderem, die
ganze Gesellschaft sei gefordert, den Rechtsextremismus zurückzudrängen. Es
wird eine “Kultur des Einmischens” verlangt. Die nächste Landtagssitzung ist
am 13. und 14. April.
Aus “grundsätzlichen Erwägungen” wollte die CDU die PDS nicht
gleichberechtigt an der Initiative beteiligen. Dies bekräftigte
Unions-Fraktionschef Thomas Lunacek. Die PDS wolle durch ihre Beteiligung
nur auf das “Podest demokratischer Parteien” gehoben werden, habe aber eine
“totalitäre Vergangenheit”.
Antrag gegen Rechtsextremismus gescheitert
(BM)Potsdam — Streit in der Koalition: Ein gemeinsamer Antrag gegen den
Rechtsextremismus ist daran gescheitert, daß die SPD die PDS mit ins Boot
holen wollte. Die CDU lehnt es grundsätzlich ab, Anträge gemeinsam mit der
Oppositionspartei zu verabschieden. CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek: “Wir
werden nicht zulassen, daß die PDS mit ihrer totalitären Vergangenheit auf
das Podest mit den demokratischen Parteien gehoben wird.” Der
PDS-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg kritisierte: “Die CDU hat damit
viel politisches Porzellan zerschlagen.” Nun wird Landtagspräsident Gunter
Fritsch (SPD) einen Antrag stellen, dem sich SPD, CDU und PDS anschließen.
Häftlingsnummer 58866
NEURUPPIN Es ist still in der Aula des Schinkelgymnasiums. Kein lautes
Tuscheln. 56 Jugendliche aus der 13. Klasse sitzen ganz leise da und hören
zu. Hören gebannt zu, was ihnen Kurt Julius Goldstein, der Ehrenvorsitzende
des Internationalen Auschwitz-Komitees, zu erzählen hat — über den Holocaust
und wie er ihn überlebte. “Wir sind die Letzten — fragt uns”, lautete der
Titel der Veranstaltung, die von der PDS organisiert wurde.
“Ich bin Deutscher, Jude und Kommunist”, stellt sich der 90-Jährige den
Schülern vor. Früh habe er sich politisch engagiert. Er, der jüngste Sohn
einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Hamm in Westfalen, wollte nicht
einsehen, warum es einer Familie schlechter als der anderen ergehen sollte.
Wegen “kommunistischer Umtriebe” sei er später von der Schule verwiesen
worden. Seine ersten Erfahrungen mit Antisemitismus hatte Goldstein da schon
gemacht.
Er war neun, als sein Sport- und Kunstlehrer mit Fäusten auf ihn losging.
“Goldstein, du Lump, du Schuft”, habe der gerufen und ihn vor die Tür
gesetzt. Nur, weil er Jude war.
30. Januar 1933 — Hitlers Machtergreifung. Ein paar Tage später ging
Goldstein in eine Bar. “Werden hier auch Säue getränkt”, habe ein Gast
gegrölt. Er habe dem Antisemiten mit einem kristallenen Aschenbecher direkt
“aufs Maul” getroffen. Auf diese weise konnte er sich später nicht mehr
wehren. Als Jude und Kommunist war er den Nazis doppelt verhasst.
Zwei Monate entging Goldstein nur knapp einer Verhaftung und floh nach
Luxemburg. 1936 zog es ihn nach Spanien, um dort gegen Franco zu kämpfen.
Doch die internationalen Brigaden verloren den Bürgerkrieg. Goldstein wurde
in Frankreich interniert und im Zuge der deutschen Besetzung an die Nazis
ausgeliefert, dann nach Auschwitz deportiert. “Der Güterwaggon war für acht
Pferde oder zwölf Personen, da wurden 100 Mann reingepresst”, erinnert sich
der 90-Jährige. Zweieinhalb Tage dauerte die Fahrt.
Goldstein krempelt seinen linken Ärmel hoch, zeigt die Tätowierung: “58866 -
meine Häftlingsnummer”. Er wurde im Nebenlager Jawischowitz, einer
Kohlengrube, eingesetzt. “Dass ich hier sitze, habe ich der Solidarität
polnischer Bergarbeiter zu verdanken”, sagt Goldstein. Sie teilten mit ihm
ihr Brot.
30 Monate verbrachte Goldstein in dem Lager. “Mit 30 000 Mann sind wir
reingekommen”, sagt er. 1945 beim Todesmarsch nach Buchenwald seien sie nur
noch 3000 gewesen. Alle anderen waren tot. Erschossen, verhungert, an
Krankheit gestorben. Den Todesmarsch überlebten nur 500 Häftlinge. “Wir
waren mehr tot als lebendig.”
Die Gymnasiasten nutzten ihre Chance. Sie stellten ihre Fragen: Wie er die
Zeit psychisch verkraftet habe. Was aus seiner Familie geworden sei. Was er
zum heutigen Rechtsextremismus sagen könne. “Jeder muss überlegen, was er
tun kann, um zu verhindern, dass so etwas wieder in unsere deutsche
Geschichte geschrieben werden kann”, sagt Goldstein.
POTSDAM. Gerade erst ist eine Festplatte mit brisanten Daten aus dem
Landeskriminalamt von einem völlig überraschten Studenten beim
Internet-Auktionshaus Ebay ersteigert worden. Doch der Eifer der Potsdamer
Landtagsparteien, für einen funktionierenden Datenschutz im Land Brandenburg
zu sorgen, hält sich derzeit in engen Grenzen: Denn CDU und SPD können sich
nicht auf einen Kandidaten für den vakanten Posten des
Landesdatenschutzbeauftragten einigen.
Deshalb muss der bisherige Amtsinhaber Alexander Dix in Brandenburg zunächst
weiter im Amt bleiben — obwohl dessen Amtszeit bereits im Mai des
vergangenen Jahres abgelaufen war und er inzwischen sogar in Berlin als
oberster Datenschützer gewählt worden ist. Solange in Brandenburg aber kein
Nachfolger gefunden ist, kann er auch in Berlin nicht seinen Dienst
antreten. So sieht es das Gesetz vor.
Zwar werden am Donnerstag zunächst neun Kandidaten im Innenausschuss des
Landtages gehört. Doch die Ernennung eines neuen Landesbeauftragten für den
Datenschutz wird frühestens vor der Sommerpause im Juni erfolgen, sagte
Landtagspräsident Gunter Fritsch am Dienstag.
Schon bei der ersten gescheiterten Kandidatenkür Mitte März favorisierte die
SPD gemeinsam mit der PDS die stellvertretende Berliner
Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge, während die CDU den Referatsleiter im
brandenburgischen Innenministerium, Rolf Breidenbach, durchsetzen wollte,
einen Vertrauten von Innenminister Jörg Schönbohm. Beide Kandidaten sollen
auch bei der neuen Kandidatenrunde am Donnerstag wieder dabei sein.
Alexander Dix will nach eigenen Angaben “so schnell wie möglich” nach Berlin
wechseln. Er hatte jahrelange inhaltliche Auseinandersetzungen mit Schönbohm
um Videoüberwachung und Rasterfahndung. Auch Hans-Jürgen Scharfenberg (PDS),
Vorsitzender des Innenausschusses, drängt zu einer raschen
Kandidaten-Entscheidung: “Sonst blamieren wir uns.”
RHEINSBERG. Anfang 2003 eröffnete Mehmet Cimendag seinen Imbiss in
Rheinsberg. Kaum einen Monat später zündeten Unbekannte die Reifen des
Imbiss-Wagens an. Im August 2003 folgte der nächste Brandanschlag, ein
weiterer Versuch im Dezember. 350 Rheinsberger demonstrierten gegen die
Anschläge und für Cimendag. “Ich hatte wieder Mut”, sagt er. Doch am
vergangenen Mittwoch kurz vor 1 Uhr klingelte sein Telefon. Anwohner riefen
ihn an, als sie zusehen mussten, wie die Feuerwehr den brennenden Imbiss
löschte. “Der Schaden beträgt 19 000 Euro”, sagt er. “Ich bin jetzt
arbeitslos, räume die Trümmer weg und weiß nicht, wie ich meine Miete zahlen
soll.”
Brandbeschleuniger gefunden
Seit Dienstag ist sicher, dass es ein Anschlag war. “Kriminaltechniker
fanden Reste eines Brandbeschleunigers”, sagt Staatsanwältin Lolita
Lodenkämper. Die Ermittler haben nach dem Anschlag eine Belohnung von 2 000
Euro zur Ergreifung der Täter ausgeschrieben. Am Dienstag war auch ein
Versicherungsgutachter bei Cimendag. “Sie wollen 8 000 Euro zahlen”, sagt
er.
Fast 70 Anschläge auf Imbisse von Ausländern verübten Rechtsextremisten in
Brandenburg seit dem Jahr 2000. Erst im März wurden zwölf Neonazis der
“Kameradschaft Freikorps” als terroristische Vereinigung verurteilt, weil
sie mit Anschlägen Imbiss-Betreiber aus dem Havelland vertreiben wollten.
“Seit dem Urteil gab es im Land fünf ähnliche Anschläge”, sagt Judith Porath
vom Verein Opferperspektive. Mal wurden 20 Hakenkreuze geschmiert und
Brandsätze geworfen, mal die Besitzer beleidigt und Scheiben eingeworfen.
Gemeinsam mit der Stadt Rheinsberg und der Ausländerbeauftragten des Landes
ruft der Verein nun zu Spenden für Cimendag, seine Frau und den einjährigen
Sohn auf. Zwar sei deren Existenzgrundlage zerstört, doch die Familie soll
der Stadt nicht den Rücken kehren. “Der Aufruf der Stadt, die Familie aktiv
zu unterstützen, ist ein sehr gutes Signal”, sagt Ausländerbeauftragte
Almuth Berger. Harte Gerichtsurteile könnten rechtsextreme Täter offenbar
nicht abschrecken. “Nun ist die Gesellschaft dran und muss helfen.”
Cimendag erzählt, dass er die Täter des zweiten Anschlags nach deren
Verurteilung immer wieder gesehen hat. Einer bekam im Schnellverfahren vier
Wochen Jugendarrest, der andere sieben Monate auf Bewährung — sie hatten vor
Gericht ausländerfeindliche Motive angegeben. “Ich hatte immer Angst vor
solchen Terroristen”, sagt der Kurde. Nun sucht er einen Laden, denn für
einen Imbiss-Wagen bekäme er keine Versicherung mehr. “Ich will hier bleiben
und nicht aufgeben. Sonst hätten die Täter gewonnen.”

