Kremmen — Eine Gedenktafel der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in Kremmen-Sommerfeld (Oberhavel) ist mit Farbe beschmiert worden. Sie erinnert an den Todesmarsch von KZ-Häftlingen kurz vor Kriegsende.
Autor: redax
7000 jüdische Zuwanderer seit 1991
Potsdam — Das Land Brandenburg hat seit 1991 rund 7000 jüdische Einwanderer aus der früheren Sowjetunion aufgenommen. Zwei Drittel davon seien jedoch aufgrund von Arbeitsmarktproblemen und familiären Bindungen weitergezogen, sagte die Ausländerbeauftragte Almuth Berger.
PRENZLAU Wegen Körperverletzung und Verwendens verfassungswidriger Organisationen ist ein 24-Jähriger gestern vom Amtsgericht Prenzlau zu 800 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte im Juni 2003 auf einem Dorffest im uckermärkischen Suckow einen 14-Jährigen verletzt hatte. Dabei hatte der Angeklagte dem Opfer die Mütze vom Kopf gerissen und ihm einen Stoß versetzt. Das Opfer erlitt eine Gehirnerschütterung. Zudem grölte der Angeklagte Nazi-Parolen und zeigte Hitlergruß.
Geldstrafe gegen Rechtsradikalen
Prenzlau — Wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen und vorsätzlicher Körperverletzung hat das Amtsgericht Prenzlau (Uckermark) einen 23jährigen zu 800 Euro Geldstrafe verurteilt. Ronny K. hatte im Juni 2003 einen 15jährigen Hip-Hopper bei einem Dorffest geschlagen und zusammen mit anderen Rechtsradikalen gejagt. Zeugen hatten nicht eingegriffen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Potsdam — Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) lässt derzeit vom Justizministerium prüfen, ob islamistische „Hasspredigten” in Moscheen den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass Islamisten „verbal mobil machen gegen jüdische Mitbürger”, sagte Schönbohm gestern. Der Verfassungsschutz habe solche Predigten auch in Brandenburger Moscheen festgestellt und könne nicht untätig bleiben. Eine neu gebildete Arbeitsgruppe seines Ministeriums befasse sich ausschließlich mit diesem Phänomen.
Schönbohm betonte, dass islamistische Hassprediger ab 2005 ausgewiesen werden könnten. Das neue Zuwanderungsgesetz erlaube dies. Auch könnten Moscheen geschlossen werden, in denen Hass gepredigt werde. Dennoch sei die strafrechtliche Relevanz der Hasspredigten zu klären. Das Justizministerium hatte diese im Sommer zunächst verneint. Diese Haltung sei nicht hinnehmbar, sagte Schönbohm.
Laut Schönbohm gibt es in Brandenburg 20 bis 50, in Berlin dagegen 3400 Islamisten, die auch im Umland aktiv seien. Innen-Staatssekretär Eike Lancelle beklagte gestern Defizite der Medien bei der Auseinandersetzung mit dem Islamismus. Trotzdem bleibe die Bekämpfung des Rechtsextremismus eine vorrangige Aufgabe, versicherte Schönbohm.
Potsdam – Es war offenbar nur ein glücklicher Zufall, dass der Afrikaner mit dem Leben davonkam. Am frühen Morgen des 18. Juli 2004 stach in Brandenburg/Havel ein Mann dem Kenianer eine abgebrochene Bierflasche in den Hals; die Schlagader wurde knapp verfehlt. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hält den Angriff für versuchten Mord – und hat jetzt eine entsprechende Anklage gegen den Tatverdächtigen erhoben. Der 26 Jahre alte Torsten Z. war zur Tatzeit Oberfeldwebel der Bundeswehr und wurde noch am Abend des 18. Juli in seiner Kaserne in Niedersachsen festgenommen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Torsten Z. nach der Tat von Brandenburg nach Niedersachsen fuhr, als sei nichts geschehen. Den Angriff auf den 28-jährigen Flüchtling habe Z. „aus fremdenfeindlich motivierter Wut” verübt.
Eine zweite Anklage richtet sich gegen einen Bekannten von Z., den 30 Jahre alten Arbeitslosen Andreas R. Ihm hält die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung, Nötigung und Beleidigung vor. Warum die beiden Tatverdächtigen mit dem Asylbewerber und einem kenianischen Landsmann in der Diskothek „Piephahn” aneinander gerieten, ist unklar. Andreas R. wurde erst mehrere Wochen nach der Tat ermittelt und befindet sich auf freiem Fuß. Wie Familienvater Torsten Z. war auch R. der Polizei vor den Ermittlungen zu der Attacke gegen den Afrikaner nicht aufgefallen.
Die Tat vom 18. Juli ist nur ein Beispiel für die weitere Zunahme ausländerfeindlicher und sonstiger rechter Gewalt. In den ersten neun Monaten 2004 hat die Polizei bereits 75 einschlägige Gewaltdelikte registriert (2003 insgesamt: 87). 111 Personen seien von Januar bis September verletzt worden, antwortete Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage.
Die Gesamtzahl aller rechten Straftaten vom Januar bis September war mit 720 so hoch, dass für das komplette Jahr 2004 eine ähnlich harte Bilanz wie 2003 zu befürchten ist: Damals meldete die Polizei 993 rechte Delikte.
Mehr Infos über den Angriff auf inforiot gibts hier:
Brandenburger wegen versuchten Mordes festgenommen
“Das kurze schöne Leben”
(silke kettelhake)Ausstellungseröffnung in der Libertas-Schulze-Boysen-Gedenkstätte in Liebenberg, einem Gutshof nördlich von Berlin. Hier kommen sie alle noch einmal zusammen: die Überlebenden, die Kinder der Ermordeten der Roten Kapelle, die Historiker. Eingeladen hat die Deutsche Kreditbank, die die Ausstellung sponserte.
Kurz und schön, so sollte ihr Leben sein, dichtete die am 20. November 1913 in Paris geborene Libertas Schulze-Boysen als junges Mädchen. Eine Betreuerin aus ihrer Schulzeit in Zürich erzählte: “Alles, was sie tat, tat sie mit Leidenschaft.” Vor 60 Jahren legte die Gestapo ein makabres Fotoalbum an von den Mitgliedern der “Roten Kapelle”, wie die Nationalsozialisten die Sammelbewegung von Widerstandskämpfern tauften. Heute sind die Aufnahmen in der Gedenkstätte deutscher Widerstand in Berlin zu sehen, 108 Dreifachporträts, Profil, voller Blick in die Kamera, Passfotohaltung. Hinter einige der Namen haben die Gestapoleute mit krakeliger Hand ein Kreuz gemalt. Tot. 42 Porträts von Frauen, 66 von Männern. Eines der Fotos zeigt Libertas Schulze-Boysen (geb. Haas-Heye), 29jährig, verschreckt und ungläubig. Über sechs Jahre aufreibender Widerstandsarbeit an der Seite ihres Mannes, zusammen mit ihren Freundinnen und Freunden liegen hinter ihr. Auf 19 Frauen wartet das Fallbeil, 49 Männer werden ermordet, Gnadengesuche von Hitler persönlich abgelehnt.
In ihrer abgrundtiefen Verzweiflung verrät Libertas in der viermonatigen Haft einer Spitzelin entscheidende Details: Aktionen, Namen und Adressen. Als eine der wenigen Frauen weiß sie um das €paweite Spionagenetz, mit dem kriegswichtige Fakten nach Moskau gefunkt werden sollten. Aus Berlin kam ein einziger Spruch in Moskau an, ständig war das Funkgerät kaputt, bedienen konnte es niemand so richtig. Stalin ignorierte die Warnung vom bevorstehenden Russland-Feldzug der Wehrmacht. Libertas weiß, wer welches Flugblatt schrieb, weiß, wer wann Juden dabei half, aus Deutschland zu fliehen, weiß um die Briefaktionen, weiß, dass ihr Mann, der Oberleutnant Harro Schulze-Boysen, militärisch wichtige Informationen von seiner Arbeitsstelle, dem Reichsluftfahrtministerium, weitergibt. Die Journalistin war aktiv beteiligt.
Libertas arbeitete unter anderem als Pressereferentin in der Kulturfilmzentrale des Reichspropagandaministeriums. Hier schaffte sie eigens eine Repromaschine an, um zusammen mit dem später in der Nachkriegszeit als Verfasser leichtfüßiger Romane bekannt gewordenen Schriftsteller Alexander Spoerl eine fotografische Dokumentation über die von der SS und der Wehrmacht begangenen Gräuel an der Ostfront anzulegen. Knapp vor ihrer Verhaftung gelingt es ihr, die Sammlung zu vernichten.
War sie leichtsinnig, abenteuerlustig, schnell zu verführen? Ihr heute 92jähriger Bruder Johannes Haas-Heye, der in der Charlottenburger Wohnung von Harro und Libertas ein- und ausging, erzählt. “Nein, aber sie war sehr impulsiv. Leichtsinnig, das kam vielleicht dann doch manchmal vor. Ich kann aber nicht sagen, dass sie unvorsichtig war. Klar, sie nahm an, dass viele, die sie traf, auf ihrer Seite stehen und wie sie dachten und handelten.” Unermüdlich reist Haas-Heye zu jeder Veranstaltung, die die Rote Kapelle betrifft. Endlich Aufklärung. Seine Schwester war weder eine waghalsige Spionin, wie die westdeutsche Geschichtsschreibung behauptete, noch eine “Kundschafterin im Auftrag Moskaus”, wie die DDR sie titulierte. Johannes Haas-Heye lächelt: “Dass Libertas politisch tätig ist, das habe ich immer gewusst. Ich bin mit ihr zusammen in der Schweiz in die Schule gegangen, ich kenne meine Schwester gut. Sie war so ein Mensch, sie war jahrelang dabei. 1935 bis 1936 habe ich ein Jahr zusammen mit ihr und Harro Schulze-Boysen oben in der Wohnung im Westend gelebt. Das Politische war von Anfang an ganz klar. Wir haben den Umschwung mitbekommen, während wir in der Schweiz waren, sozusagen von außen: Dann kann man nicht für die Nazisache gewesen sein.”
Sie lebt ein intellektuelles bourgeoises Upper Class-Leben zwischen russischer und amerikanischer Botschaft, trifft Leute aus der Filmbranche. Da ist das kosmopolitische Großstadtleben in Berlin, da ist Liebenberg, das Schloss, die Seen, der Lennépark, da ist 1936 die Heirat mit Harro Schulze-Boysen, da ist der oppositionelle Freundeskreis, da sind die Segelausflüge, die Zeltlager, die sowohl als Treff von Gleichgesinnten als auch zum Besprechen von Aktionen dienen.
Doch die Bedrohung ist da, sie zieht immer näher heran, die dunkle Angst. Für ihren Mann zählen an erster Stelle die Widerstandsaktionen. Für ruhige gemeinsame Abende ist da keine Zeit. Beide Ehepartner haben Geliebte, Libertas geht eine Liaison mit dem Schriftsteller Günther Weisenborn ein, arbeitete mit ihm zusammen an Texten und einem Hörspiel. Als sie ihren Job in der Reichsfilmzentrale antritt, verdient sie mit 800 RM mehr als ihr Mann.
Das Private war politisch und das Politische privat. Jede neue Bekanntschaft war ein Risiko und ein Gewinn. Während Harro Schulze-Boysen als der führende Kopf der Gruppe neben Arvid Harnack mentale Stärke an den Tag legt, plagt sie zunehmend die Unruhe. Zu ihrem Freundeskreis gehören, um nur einige zu nennen, die Tänzerin Oda Schottmöller, die Ökonomin Greta Kuckhoff zusammen mit ihrem Mann, dem Dramatiker Adam Kuckhoff, die Studentin Eva Buch, die Ärztin Elfriede Paul, die Literaturwissenschaftlerin Mildred Harnack, die Keramikerin Cato Bontjes van Beeck und noch viele, viele mehr aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, die alle ihr Leben riskierten.
Johannes Haas-Heye erinnert sich: “Ende August, als ich mal wieder zu Besuch kam, da stand sie schon am Omnibus. Libertas sagte: “Es ist etwas Furchtbares passiert. Harro ist verhaftet!” Dann sind wir in die Wohnung gegangen, es kam noch der junge Heilmann (ein Freund von Libertas; Anm.) hinzu, der auch auf unserer Seite arbeitete. Da haben die beiden noch überlegt, sollten sie fliehen? Wir mussten natürlich einsehen, dass das Haus überwacht wurde und das alles keinen Sinn mehr machte. Die Spannung wuchs und wuchs und es passierte nichts. Eine ganze Woche hatte meine Schwester noch Zeit, andere zu warnen. Natürlich war ihr dabei die Gestapo auf den Fersen. “Jetzt muss ich aber Gewissheit haben”, sagte sie. Sie hielt die Spannung nicht mehr aus und schrieb an unsere Mutter eine offene Karte, sie führe dann und dann an die Mosel – in der Annahme, dass die Gestapo diese Karte abfängt und Bescheid weiß. Unsere Mutter kam extra aus Liebenberg und brachte sie noch zum Zug, am Potsdamer Bahnhof. Der Zug fährt ab. Dann ein Anruf: Sie ist nicht angekommen. Sie ist in Potsdam schon aus dem Zug geholt worden.”
Aus. Ende. Libertas schreibt in einem ihrer letzten Gedichte aus der Haft an ihre Mutter: “Oh Gnade statt der langen Jahre/mühsames Tasten bis zur Bahre/das unermesslich Wunderbare/zu leben in Sekundenklare/da gibt es nicht mehr Schuld und Triebe/ da gibt es nur noch Kraft und Liebe.”
Johannes Haas-Heye: “Meine Mutter fuhr am 24. Dezember 1942 von Liebenberg nach Berlin, mit einem kleinen Päckchen unter dem Arm, einem Weihnachtsgeschenk für Libertas. Von Gefängnis zu Gefängnis hat man sie immer weiter geschickt. Schließlich ist sie unverrichteter Dinge wieder nach Liebenberg hinausgefahren. Ich glaube, zwei Tage später rief der Roeder, der Staatsanwalt, der Libs vor dem Reichskriegsgericht zum Tode verurteilte, bei meinem Onkel an und sagte, die Hinrichtung war schon am 22. Dezember. In einem ganz, ganz üblen Ton, so in etwa, die haben es ja verdient. Im Sinne der Nazis war er ja ein fabelhafter Mensch. F
urchtbar.”
Wie ein Denkmal in der Potsdamer Schloßstraße genutzt wird, um aktuelle Politik zu machen
(ND, Andreas Fritsche) Denkmale erinnern nicht nur an historische Personen oder Ereignisse. Sie sind auch ein Spiegelbild der Zeit, in der sie aufgestellt werden. Das ist allgemein bekannt und wird noch einmal deutlich, wenn man das gerade erschienene Buch »Fürsten, Helden, große Geister« von Helmut Caspar zur Hand nimmt.
Sogar in der Neuzeit kann mit Denkmalen noch Politik gemacht werden. Ein gutes Beispiel dafür ist gerade jetzt das Monument für den zunächst preußischen und dann US-amerikanischen General Friedrich Wilhelm von Steuben (geboren 1730 in Magdeburg, gestorben 1794 in New York), über das man bei Caspar vier Seiten nachlesen kann. Ein Wunsch des Generalinspekteurs der USA-Streitkräfte, Joseph E. Schmitz, wurde dieser Tage laut. Schmitz möchte zum 30. April 2005 an der Potsdamer Version des Monuments eine Plakette mit der ursprünglichen Widmung anbringen.
Einst hieß es am Sockel unter anderem: »…dem deutschen Volke gewidmet vom Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika als Wahrzeichen ununterbrochener Freundschaft.« Der Hintergedanke der Initiative ist eindeutig. In einem Positionspapier aus Schmitz’ Büro im Pentagon heißt es, dies symbolisiere die gegenseitige Verpflichtung zum gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Schmitz ist deutscher Abstammung und bekleidet als Generalinspekteur den selben Posten wie einst Steuben. Trotzdem besteht zwischen beiden ein riesiger Unterschied, denn zu Steubens Zeiten schickte Nordamerika noch keine Truppen in fremde Länder. Damals fochten die Aufständischen unter George Washington gegen die britische Kolonialmacht. Steuben sorgte für Disziplin in den Reihen der Unabhängigkeitskämpfer. Zum Dank gibt es alljährlich in New York, Chicago und Philadelphia Steuben-Paraden. Die berühmteste führt durch die New Yorker 5th Avenue.
Darüber hinaus findet man hier und dort Denkmale. Ein von Albrecht Jaeger geschaffenes Original steht im Washingtoner Lafayette-Park. Eine von den USA geschenkte Kopie wurde am 2. September 1911 im Beisein von Kaiser Wilhelm II. in der Potsdamer Schloßstraße enthüllt. Der USA-Sondergesandte Barthold sprach damals von »traditioneller Freundschaft« und »Blutsverwandtschaft«. Der Kaiser revanchierte sich beim USA-Präsidenten Theodore Roosevelt mit der Kopie eines Denkmals für Friedrich den Großen. Derlei verhinderte freilich nicht, dass am Ende des Ersten Weltkriegs Soldaten beider Staaten aufeinander schießen mussten. Im April 1945 ist das Potsdamer Steuben-Denkmal vom Sockel gestürzt worden. Buntmetalldiebe sägten Kopf und Füße ab. Erst 1994 stellte man einen Nachguss des Originals in der Schloßstraße auf. In den Buchhandlungen liegen Dutzende Bände über Denkmale in Brandenburg. Oft präsentieren die Autoren nur die altbekannten Fakten. Der Qualitätsunterschied liegt meist lediglich in der Darbietung. Nicht so bei Caspar. Der schreibt flüssig und schildert außerdem Dinge, die nicht überall nachzulesen sind. Als Beispiel angeführt sei hier das Denkmal für den Architekten Konrad Wachsmann (1901–1980) vor dem nach ihm benannten Oberstufenzentrum in Frankfurt (Oder). Wachsmann entwarf auch Albert Einsteins Sommerhaus in Caputh.
Zunächst nervt das Gejammer darüber, dass viele Denkmale nach dem Zweiten Weltkrieg abgeräumt worden sind– besonders angesichts der Tatsache, dass sich unter dem Verschwundenen bekanntlich nicht nur kunsthistorisch Bedeutsames, sondern auch etlicher militaristischer Schund befand. Auf den folgenden Seiten relativieren sich die anfänglichen Irritationen, nicht zuletzt wegen der Passagen zu Denkzeichen für Opfer des Faschismus.
Caspar arbeitete als Pressereferent am DDR-Institut für Denkmalpflege und ist heute freier Journalist.
Helmut Caspar: »Fürsten, Helden, große Geister. Denkmalgeschichten aus der Mark Brandenburg«, be.bra-Verlag, 320 S., 81 Abb., 19,90 Euro.
Jetzt erst recht gegen Rechts
Die Leiterin der Wittstocker Dr.-Wilhelm-Polthier-Gesamtschule reagiert auf
jüngsten Vorfall
(MAZ, Dirk Klauke) WITTSTOCK In der Dr.-Wilhelm-Polthier-Gesamtschule Wittstock wird weiterhin alles
getan, um rechtsradikalem Gedankengut jeglichen Nährboden zu entziehen. Dass
solches Gedankengut vorhanden ist, war am vergangenen Mittwoch zu Tage
getreten, als ein 14-Jähriger den 83 Jahre alten KZ-Überlebenden Pavel
Stransky mit den Worten “Ist das der Jude?” angepöbelt hatte (MAZ
berichtete). Außerdem hatte eine Neuntklässlerin den Projektunterricht
erheblich gestört und war des Raumes verwiesen worden.
Schulleiterin Sabine Steinbach sprach gestern von einer “schmerzlichen
Erfahrung”. Der Vorfall habe sie in ihren Bemühungen um Jahre
zurückgeworfen. Dennoch und “jetzt erst recht” werde sie alles tun, um
rechtsradikalen Wirrköpfen das Handwerk zu legen.
Schüler der 9. Klassen, die den Vorfall am vergangenen Mittwoch miterlebt
hatten, wollen nun einen Brief an den 83-jährigen Tschechen schreiben.
Thomas Winkel aus der 9a meinte gestern: “Es wäre schade, wenn der
KZ-Überlebende solche Veranstaltungen nun nicht mehr besucht. Denn sie war
sehr interessant. Ich fand es bescheuert, dass sie von Steffen (Name von der
Redaktion geändert) gestört wurde.” Der 14-Jährige habe “doch bloß wieder
nen Affen machen wollen”, ergänzte Florian Reich. Das sei aber in der
ganzen Klasse 9a nicht gut angekommen. Deshalb haben die 20 Mädchen und
Jungen gestern im Deutsch-Unterricht mit Klassenlehrerin Christina Geister
ihre Gedanken an den 83-Jährigen zu Papier gebracht. In einem Brief steht:
“Es ist nicht gut, dass die Scheiß-Nazis in der Schule wieder einmal cool
sein wollten und einer ins Projekt mit Stransky reingeplatzt ist.”
Der Vorfall war öffentlich geworden, als sich Pavel Stransky bei einer
ähnlichen Veranstaltung im evangelischen Gymnasium in Neuruppin über das
Verhalten von einigen Wittstocker Schülern beschwert hatte.
Sabine Steinbach bemüht sich seit Übernahme der Schulleitung im Jahr 1991
mit vielen Projekten darum, gegen Radikalismus jeder Art vorzugehen. Die
Neuntklässler werden vom 13. bis 17. Dezember im Projekt in der
DGB-Bildungsstätte Flecken Zechlin viel über die Geschichte des einstigen KZ
Sachsenhausen erfahren. Einen Tag werden sie die Gedenkstätte bei
Oranienburg besuchen.
Jeden Sommer fahren Schüler nach Caen in der Normandie, wo sie mit
französischen Gleichaltrigen den Soldatenfriedhof pflegen. Der Frühjahrsputz
in der Schule findet immer am 20. April statt, damit in dieser Zeit niemand
auf den dummen Gedanken kommen könne, so Steinbach, den Hitler-Geburtstag zu
feiern.
Hilfe von rechts außen?
(MAZ, Alexander Beckmann) LINUM Linums Ortsbürgermeisterin Wilma Nickel macht sich Sorgen wegen des
Kriegerdenkmals im Ort. Das Monument zu Ehren der im Ersten Weltkrieg
gefallenen Linumer bröckelt. Und der Gemeinde fehlte bisher das Geld, um
etwas für seinen Erhalt zu unternehmen. Doch das ist es nicht, was die
Ortsbürgermeisterin unruhig macht.
Vor einigen Wochen, auf dem Weg in den Urlaub, erhielt Wilma Nickel einen
Anruf von einer ihr unbekannten Zeitung in Berlin, die sie nach dem Denkmal
befragte. Die Ortsbürgermeisterin stand Rede und Antwort, wunderte sich dann
allerdings, wie sie dem Ortsbeirat am Montag berichtete, über die Art der
Fragen. Wilma Nickel wurde misstrauisch und wandte sich Rat suchend an die
MAZ.
MAZ-Recherchen ergaben, dass am 12. November ein Beitrag über das Linumer
Kriegerdenkmal in der “Jungen Freiheit” erschien. An dem Text selbst scheint
wenig auszusetzen — allerdings unter Umständen an der Leserschaft. Die
“Junge Freiheit” gilt als Sprachrohr der so genannten “Neuen Rechten”. Nach
Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums betreibt das
Blatt auf recht subtile Weise “eine Umbewertung der Begriffe”. “Die ‚Junge
Freiheit kennzeichnet ein grundlegender Antiliberalismus, der mit
Elite-Denken, Kritik am parlamentarischen System und an der Idee der
allgemeinen Menschenrechte verbunden ist”, heißt es in dem Bericht unter
anderem (siehe www.im.nrw.de/sch/347.htm).
Vor wenigen Tagen nun fand die Linumer Ortsbürgermeisterin in ihrem
Briefkasten ein Schreiben, in dem eine Spende zur Rettung des Denkmals
angeboten wird. Wilma Nickel ist das suspekt: “Der muss den Beitrag gelesen
haben. Andere Informationen zum Denkmal habe ich in letzter Zeit nicht
rausgegeben”, sagte sie am Montag bei der Ortsbeiratssitzung. “Ich verzichte
auf jeden Pfennig Geld, wenn es aus dieser Szene kommt. Nicht, dass die dann
hier auflaufen und sagen: ‚Wir haben ja auch was dazugegeben. Damit will
ich nichts zu tun haben.” Wilma Nickel will den Briefschreiber kontaktieren
und nachfragen. Wichtiger Bestandteil der Wiederherstellung des Denkmals sei
schließlich die Anbringung einer Tafel zum Gedenken an alle Opfer von Krieg
und Gewalt.
Der Ortsbeirat schloss sich der Auffassung einhellig an.
Von der Angst zu fragen
(MAZ, Marion Bergsdorf) VELTEN Ihre Eltern haben den Holocaust erlebt. Dr. Miriam David,
Schulleiterin aus Tel Aviv, war gestern zu Gast im
Hedwig-Bollhagen-Gymnasium in Velten und gestaltete den Politik-Unterricht
der Klassenstufe elf. Viele andere Schüler, zum Beispiel aus der
Arbeitsgruppe Geschichte, drängten ebenfalls in diese Unterrichtsstunden.
Sie haben es sicher nicht bereut. Die lebhafte Israelin brachte ihnen das
Thema Holocaust aus einer ganz ungewohnten Sicht nahe. Nämlich aus ihrer
eigenen, der “2. Holocaust-Generation”, wie sie sagte. Weder Miriams Vater
noch ihre Mutter wollten über das in Auschwitz Erlebte sprechen. Und die
Kinder wie Miriam sahen zwar die Häftlingsnummer auf dem Handrücken ihrer
Eltern, doch als zarte Versuche mit Schweigen beantwortet worden waren,
trauten sie sich nicht mehr zu fragen.
Der Vater nahm seine Erlebnisse mit ins Grab, doch die Mutter bat im Alter
von 70 Jahren Tochter Miriam darum, ihre Geschichte aufzuschreiben. “Ich
wollte erst nicht, denn ich hatte das Gefühl, dass meine Mutter sterben
wird, wenn sie alles erzählt hat”, berichtete Miriam David den Schülern in
Velten. Sie erfüllte der Mutter aber den Wunsch und machte ein Buch daraus
mit dem Titel “Die einsame Kerze”. Denn als Miriam sich entschlossen hatte,
selbst nach Polen zu fahren und Ausschwitz zu besuchen, gab ihr die Mutter
zwei Kerzen mit, die sie am “Krematorium 3” aufstellen sollte. Von dort
erbat sich die Mutter etwas Erde. Die sollte in ihr Grab geschüttet werden.
Denn in diesem Krematorium seien die Eltern und Brüder der Mutter
umgekommen. Und da es kein Grab der Angehörigen gebe, sei die Mutter dann
wenigstens im Tode mit ihnen vereint.
Sechs Wochen, nachdem Miriam aus Polen zurückgekehrt war, starb ihre Mutter.
Mehrfach ist Miriam David danach noch in der Gedenkstätte in Auschwitz
gewesen. Sie hat ihre Schüler aus Israel mitgenommen und in Auschwitz auch
eine deutsche Schülergruppe getroffen. Die Kinder kamen ins Gespräch, denn
alle hatte die gleichen Fragen.
Seit 1994 spricht Miriam David vor Schülern in Deutschland. Sie erzählt, wie
sie sich als Kind von Auschwitz-Überlebenden fühlte. Dass sie keine
Großeltern, Onkel und Tanten hat. Ihre Eltern hätten sich einsam gefühlt.
Ihre Mutter hat ihre Erlebnisse doch noch erzählt, weil sie nicht wollte,
dass “Leute eines Tages sagen, Auschwitz sei eine jüdische Legende gewesen”.
Diesem Auftrag ihrer Mutter fühlt sich Miriam David verpflichtet.
Staunen auf den Gesichtern der Veltener Gymnasiasten, als Miriams Tochter
Tamara (23) dann zu ihnen in Englisch spricht. Die junge Frau ist Offizier
der israelischen Armee und betreut Soldaten aus zerrütteten Familien. Sie
studiert politische Wissenschaften und Medien und begleitet die Mutter das
erste Mal nach Deutschland. Jeder Abiturient in Israel tue etwas für den
Staat, in sozialen Diensten oder in der Armee. Das könne das Land von der
Jugend erwarten, die beruflichen Chancen seien damit später besser, erzählt
Tamara.
Miriam David, Mutter von fünf Töchtern, ist in dieser Woche noch in mehreren
Schulen in Oberhavel zu Gast. Im Veltener Gymnasium verabschiedete sie sich
mit “Auf Wiedersehen in Israel.”