In der Nacht vom Samstag zum Sonntag wurden in Neuruppin ein Denkmal für das
jüdische Volk und in Fehrbellin ein jüdischer Gedenkstein mit
antisemitischen Parolen und SS-Runen beschmiert. Dabei handelte es sich
unter anderem um die antisemitischen Parolen “Arbeit macht frei” und “Jedem
das Seine”. Der Polizeiliche Staatsschutz der Kriminalpolizei des PP Potsdam
hat die Ermittlungen zur Aufklärung der Straftat aufgenommen. Durch die
gebildete Ermittlungsgruppe wird geprüft, ob Zusammenhänge zwischen beiden
Vorfällen bzw. mit anderen antisemitischen Straftaten bestehen.
Autor: redax
31-Jähriger an der Hand verletzt
Am Sonntagmittag erhielt die Polizei durch Anzeigenerstattung Kenntnis von
einem Angriff auf einen Afrikaner in Brandenburg/ Havel. Nach Angaben des
31-jährigen Geschädigten befand er sich gegen Mitternacht in der Magdeburger
Landstraße allein an der Bushaltestelle Quenzbrücke in Richtung Innenstadt.
Plötzlich hielt ein roter PKW an der Haltestelle. Der Beifahrer stieg aus,
beschimpfte den in Brandenburg lebenden jungen Mann aus Kenia, schlug ihn
nieder und schnitt ihm beide Hosenbeine der Länge nach auf. Bei der Abwehr
des Angriffs wurde der Afrikaner mit dem Messer an der Hand verletzt.
KLEINMACHNOW Immerhin: Die Entwicklung stimmt. Das “Datenschutzbewusstsein”
bei den Behörden habe in den vergangenen sechs Jahren zugenommen, so die
Gesamtbilanz des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht
auf Akteneinsicht, Alexander Dix. Brandenburgs oberster Datenschützer
präsentierte gestern in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) den zwölften
Jahresbericht seiner Behörde und legte damit gleichzeitig letztmals
Rechenschaft ab. Der 53-Jährige will “aus persönlichen Gründen” seine im Mai
endende sechsjährige Amtszeit nicht mehr verlängern.
Trotz der “allgemeinen Zufriedenheit” könne man die Bilanz für 2003 “nicht
als ausgeglichen” bezeichnen. so Dix. Es sei noch immer “eine Tendenz zur
präventiven Registrierung aller Bürger” zu beobachten, monierte der
Datenschützer, “auch wenn diese sich nicht verdächtig gemacht haben”. So
habe sich etwa die Landesregierung im Bundesrat für die Einführung einer
verfassungsrechtlich problematischen Vorratsspeicherung aller
Verbindungsdaten in der Telekommunikation für ein halbes Jahr eingesetzt.
Auch die flächendeckende Erfassung von Auto-Kennzeichen, für die sich vor
allem CDU-Innenminister Jörg Schönbohm stark gemacht hatte, sei
verfassungsrechtlich bedenklich, merkte Dix an.
Deshalb habe er sich auch sehr über das jüngste Urteil der Karlsruher
Bundesverfassungsrichter gefreut, sagte der Datenschutzexperte. Mit der
Entscheidung zum Großen Lauschangriff seien die Maßstäbe “in einem zentralen
Bereich” wieder zurechtgerückt worden. Die “verschärfte rechtspolitische
Wetterlage” seit den Anschlägen vom 11. September 2001, die sich etwa in
flächendeckenden Rasterfahndungen niedergeschlagen hatte, sei damit beendet.
Es habe sich nun gezeigt, wo der Staat seine Grenzen habe, so Dix. “Auch bei
der Strafverfolgung muss es Bereiche geben, in denen die Privatsphäre des
Einzelnen unverletzlich ist.” Dix geht davon aus, dass das aktuelle Urteil
ähnlich weit reichende Auswirkungen haben wird wie das Volkszählungsurteil
von 1983. Jetzt müsse die gesamte Regelung der Telekommunikationsüberwachung
und der verdeckten Beobachtung von Personen auf Prüfstand, so die Forderung
von Dix.
Doch nicht nur bei den großen Themen wie Rasterfahndung oder flächendeckende
Telefonüberwachung zog Dix Bilanz. Er nahm auch die internen Arbeitsmethoden
der brandenburgischen Behörden unter die Lupe. So kritisierte er etwa die
Ausgliederung der Datenverarbeitung im Zuge der Polizeireform. Das berge
“erhebliche Risiken”, so Dix. Er forderte verantwortliche Ansprechpartner im
Landeskriminalamt sowie in den Präsidien, die die Datenverarbeitung beim
Zentraldienst der Polizei kontrollieren sollen.
Weiteres Problem: Einige Behörden würden darüber nachdenken, ein Funknetz an
ihr bestehendes lokales Netz anzuschließen, um somit aufwändige
Verkabelungen zu vermeiden, so Dix. “Da aber die Ausbreitung von Funkwellen
nicht auf einen Raum oder ein Gebäude beschränkt werden können, müssen
technische und organisatorische Maßnahmen realisiert werden, die ein
unbefugtes Abhören der übertragenen Informationen sowie ein Eindringen in
das Funknetz verhindern.”
Unzulässig sei auch die verbreitete Praxis von Internet-Anbietern, bei der
Zugangsvermittlung die IP-Adresse der Nutzer auch nach Ende der Nutzung zu
speichern. “Das ist unzulässig — auch wenn die Bundesregierung genau dies in
der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes erreichen will.” Immerhin
gebe es positive Beispiele, wie man das verhindern kann, berichtet Dix: So
habe etwa ein Anbieter, der das Internetangebot der Gemeinde
Petershagen/Eggersdorf (Märkisch-Oderland) betreute, automatisch die
IP-Adressen aller Zugriffe protokolliert. “Dem Anbieter wurde von der
Gemeinde nach der Beschwerde eines Bürgers kurzerhand gekündigt.”
Potsdam — In Brandenburg nimmt nach den Worten von Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) die Zahl der Scheinehen zwischen deutschen Staatsbürgern und
abgelehnten Asylbewerbern zu. Aus Angst vor drohender Abschiebung heirateten
immer mehr Ausländer deutsche Frauen, sagte er auf eine parlamentarische
CDU-Anfrage. Mit dem Tausch der Ringe wollten sie den Rechtsanspruch auf
einen legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik erlangen und müssten nicht in
ihre Heimatländer abgeschoben werden.
Allein von Anfang 2002 bis heute habe
es landesweit 271 Verdachtsfälle auf eine Scheinehe zur Sicherung des
Aufenthaltsrechts gegeben, so Schönbohm. Der Nachweis eines Missbrauchs sei
für die zuständigen Stellen äußerst schwierig, er sei den Ausländerbehörden
aber in fast 70 Fällen gelungen.
Die Erteilung oder Verlängerung einer
Aufenthaltsgenehmigung sei dann verweigert oder nur für eine kurze Frist
erteilt worden. Die bereits im Vorfeld aufgeflogenen Scheinehen seien jedoch
nur die Spitze des Eisbergs.
“Gegen den Parteienfilz”
DIEDERSDORF. Bürgerinitiativen aus Brandenburg haben am Wochenende ihr Vorhaben bekräftigt, bei der Landtagswahl am 19. September mit einer gemeinsamen Liste gegen die etablierten Parteien anzutreten. “Wir sind uns einig in unseren Forderungen nach mehr Transparenz und Bürgernähe”, sagte Lutz Dieckmann, der am Sonnabend auf der ersten Mitgliederversammlung der Allianz Unabhängiger Bürger (AUB) in Diedersdorf (Teltow-Fläming) zum Vorsitzenden gewählt wurde. Angenommen wurde auch eine Satzung. Dem im
Februar gegründeten AUB, der sich als Dachverband versteht, gehören nach eigenen Angaben etwa zehn eigenständige Bürgerinitiativen und Wählergruppen an. Weitere lokale Bündnisse würden aber ihren Beitritt vorbereiten.
“Wir sammeln jetzt Programmpunkte, die nicht nur regionale Bedeutung haben, sondern für die Landespolitik wichtig sind”, sagte Dieckmann der Berliner Zeitung. Als Beispiele nannte er die Kommunalabgaben oder die umstrittene
Gemeindegebietsreform. Auch gelte es, in Potsdam “gegen die
Überbürokratisierung und den Parteienfilz” anzukämpfen. Eine
Programmkommission soll zur nächsten Mitgliederversammlung Anfang April ihre Arbeit aufnehmen.
Dieckmann kündigte an, sich jetzt intensiv um ein Zusammengehen mit der Allianz freier Wähler (AfW), einem anderen Dachverband, zu bemühen. Auch die AfW will zur Landtagswahl antreten. Im Unterschied zum AUB gehören der AfW nicht die Bürgerinitiativen selbst, sondern nur Einzelpersönlichkeiten an. “Wir haben aber das selbe Anliegen”, sagte Dieckmann. Unklar sei allerdings,
in welcher Form die Zusammenarbeit erfolgen könne. “Wir müssen eine Form finden, wo sich jeder wieder findet.” Klar sei, dass die beiden Dachverbände nur gemeinsam den Einzug in den neuen Landtag schaffen könnten. Die “historische Chance” dürfe nicht vergeben werden.
Dieckmann, der als leitender Notarzt in der Prignitz arbeitet, kommt von der Unabhängigen Bürgergemeinschaft Wittenberge. Erfahrungen in Wahlkämpfen hat er: Bei den Kommunalwahlen im Herbst erhielt das Bündnis in der Stadt 23
Prozent der Stimmen — nur die PDS (26 Prozent) war erfolgreicher. Die SPD erreichte 20 Prozent, die CDU 19.
“Die sind doch einfach nur blöd”
Kontroverse Diskussionen löste der Dokumentarfilm “No Exit” am Freitagabend bei seinem bundesweiten Kinostart im Ufa-Palast aus. Regisseurin Franziska Tenner hatte von Ende 2001 bis Ende 2002 die rechtsextreme “Freie Kameradschaft Frankfurt (Oder)” mit der Kamera beobachtet. Die mehr als 250 Premierenbesucher begleiteten die Vorstellung mit lautem Gelächter und konfrontierten die Regisseurin bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit kritischen Fragen. Hauptvorwürfe: Der Film sei flach, führe die Jugendlichen
vor und verharmlose damit das Problem Rechtsextremismus.
Was erwartet man als “normaler” Zuschauer von einem Dokumentarfilm über rechtsextreme Jugendliche? Der Streifen muss Entsetzen auslösen, muss betroffen machen und man muss sich nach dem Anschauen fragen: Wer hat Schuld und wie konnte es bloß soweit kommen? Und vor allem muss politisch korrekt die “schreckliche Fratze des Faschismus” schonungslos bloßgestellt werden.
Zugegeben, das alles klingt sehr überspitzt. Frei nach dem Motto: “Weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf.” Und der Film “No Exit” (zu deutsch: “Kein Ausgang”), der bereits Ende vergangenen Jahres in der Europa-Universität gezeigt und diskutiert worden war, will auch gar nicht
kommentieren. Doch dass das Kino-Publikum sich köstlich amüsiert in der Vorstellung, herzlich lacht über die Mitglieder der “Freien Kameradschaft Frankfurt (Oder)”, über deren Unfähigkeit, sich zu artikulieren und zur
Schau gestellte scheinbare geistige Defizite, war wohl mit Sicherheit nicht die Reaktion, die sich das Filmteam erhofft hatte. Der Rechtsextremismus — eine Lachnummer unserer Gesellschaft?
Und dabei waren die Frankfurter Zuschauer offenbar noch zurückhaltend. “Mich hat die Reaktion gewundert”, sagte ein Gast während der Diskussion, “in Berlin hat das Publikum regelrecht gefeiert.” Bei den wöchentlichen Polit-Schulungen etwa, die Kameradschafts-Chef Nico Schiemann jede Woche in seiner Wohnung abhält. Das Muster kommt einem bekannt vor: Einer liest das vorgedruckte Material vor, die anderen hören gelangweilt zu und irgendwann nörgelt einer: “Nu hör doch mal uff mit die NPD-Scheiße.”
Gelacht wurde auch über Vater Schiemann, der sich damit abgefunden hat, “dass Nico ein kleiner Nazi ist” und mault: “Der Klimperheini, singt von seiner Heimat. Son Quatsch, der is in Frankfurt jeborn und singt von
Schlesien, da is der doch noch nie jewesen!” Und als Nico den Bewohnern des Seniorenheims Gubener Straße mit schiefem Gesang und Gitarre erzählt von den toten Soldaten, die in der Heiligen Nacht die Wacht verlassen, sollte einem
das Lachen eigentlich im Halse stecken bleiben. Oder was ist lustig daran, dass Schiemann sich am Telefon mit “Heile” verabschiedet?
“Das alles ist traurig, aber die sind einfach nur blöd”, fasste eine junge Frau nach der Vorstellung ihre Gedanken zusammen. “Warum haben Sie ausgerechnet diese fünf hilflosen Würstchen begleit hat, warum nicht die richtigen Nazis?”, hakte einer ihrer Begleiter nach. “Politisch ist der Film doch eine Lachnummer, der zeigt doch nicht den wirklichen Rechtsextremismus.” Man habe keinesfalls einen politischen Film drehen wollen, entgegnete Regisseurin Franziska Tenner. “Wir haben einfach zugehört, ohne dass wir uns positionieren mussten.”
Der Film sei “sehr flach, ich habe mir mehr versprochen”, betonte ein Besucher, der nach eigener Aussage als Sozialarbeiter mit rechten Jugendlichen arbeitet. “Schon der Titel zeigt nach hinten: Kein Ausgang, und das wars. Mir fehlen die Perspektiven.” Sie sei Regisseurin und keine
Politikerin, verteidigte sich Franziska Tenner. “Ich will Zustände beschreiben und sie der Öffentlichkeit nahe bringen, damit eine Diskussion entsteht.” Dafür, so ergänzte Produzentin Cooky Ziesche vom RBB, wolle man
den Film zur Vorführung auch an die Schulen bringen.
Peter Staffa, Lehrer am Friedrichsgymnasium, brachte die Kritik auf den Punkt: “Ich mache der Regisseurin zwei Vorwürfe. Die Jugendlichen werden regelrecht vorgeführt, werden lächerlich gemacht. Und damit wird das Problem
Rechtsextremismus verharmlost”, sagte er gegenüber dem Stadtboten. Da ging die Diskussion längst im Foyer vor dem Kinosaal weiter. “Ich wollte ihnen nie ihre Würde nehmen”, reagierte Franziska Tenner auf gleich lautende Bemerkungen. “Sie selbst empfinden ihre geistige Verarmung gar nicht — auch nicht, wenn sie es selbst im Film sehen.”
Neuruppin. Eine von der Polizei aufgelöste Veranstaltung von Rechtsextremen in Wittstock (Prignitz) im Oktober 2001 hat jetzt ein gerichtliches Nachspiel. Am heutigen Montag beginnt in Neuruppin der Prozess gegen neun Männer aus der rechten Szene im Alter zwischen 18 und 28 Jahren, die sich an Ausschreitungen gegen Polizisten beteiligt haben sollen. Bei dem als Geburtstagsfeier angemeldeten Treffen der rechten Szene im Wittstocker Jugendclub “Havanna” am 13. Oktober 2001 soll ein Mann den Hitlergruß gezeigt haben. Außerdem wurden nach Angaben der Ermittler Musik-CDs, die
wegen Volksverhetzung auf dem Index stehen, so laut abgespielt, dass sie auch vor dem Gebäude zu hören waren. Die Polizei verlangte per Lautsprecher die Auflösung der Veranstaltung und erteilte den Teilnehmern Platzverweis.
Daraufhin verbarrikadierten die Angeklagten die Eingangstür mit Tischen und Stühlen. Als die Beamten versuchten, die Barrikade von außen abzubauen, wurden sie — so die Anklage — mit vollen Bierflaschen, Stühlen und einem Feuerlöscher beworfen. An den Ausschreitungen sollen sich insgesamt etwa 20 Personen beteiligt haben.
Anti-Antifa entdeckt das Internet
Screenshot der Potsdamer Anti-Antifa-Seite
(Vorab-Artikel aus dem Antifa Infoblatt 62) Auf der Internetseite der „Anti-Antifa — Sektion Potsdam“ werden neben Adressen von alternativen Projekten auch Namen und Fotos von Menschen veröffentlicht, die sich in der Vergangenheit mit der Naziszene in Potsdam kritisch auseinandergesetzt haben. Diese neue Zuspitzung der Ereignisse ist nur einer von vielen Fakten, die Indizien dafür sind, dass sich die Landeshauptstadt Potsdam in den letzten Jahren zum Kristallisationspunkt rechter Gewalt entwickelt hat. So gab es im letzten Jahr über 15 dokumentierte Übergriffe gegen Personen aus dem alternativen Spektrum. Die Täter scheinen dabei immer wieder aus demselben Personenkreis zu stammen. Es handelt sich um eine ca. 30 Personen umfassende Neonazitruppe, aus denen sich auch die „Anti-Antifa Potsdam“ rekrutiert und gute Kontakte zu anderen Nazigruppen in der Region unterhält.
„Wir die anti-antifa verstehen uns nicht als feste Organisation.Vielmehr sind wir unabhängige Kameraden die es sich zur Aufgabe gemacht haben regional entgegen der antifa zu arbeiten. Das sieht im einzelnen wie folgt aus: ‑erfassung von Daten jeglicher Art“ (Rechtschreibung im Original). So liest sich der Wilkommenshinweis auf der Internetseite des „Anti-Antifa Networks – Sektion Potsdam“. Auf dieser sich noch im Aufbau befindlichen Seite finden sich die Adressen von mehreren alternativen Projekten und auch eine Rubrik für besetzte Häuser ist geplant. Weiterhin ist der Aufbau eines Personenindexes vorgesehen und teilweise schon umgesetzt. So finden sich hier bereits der Name eines Journalisten des Berliner Tagesspiegels und der Name, zusammen mit zwei Fotos, einer Mitarbeiterin des Vereins „Opferperspektive“. Beide Personen haben sich im Zuge eines Gerichtsprozesses gegen ein bekanntes Mitglied der Potsdamer Naziszene intensiv mit dieser auseinandergesetzt. Auch die Sicherheitsbehörden scheinen die Bedrohung, die von der Potsdamer Naziszene ausgeht durchaus ernst zu nehmen. So wurde der Mitarbeiterin von „Opferperspektive“ nach Stellen eines Strafantrages sofort Personenschutz durch das LKA Berlin angeboten. Indes scheinen sich Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sicher zu sein, wer der Betreiber dieser Seite ist, da sie auch zwei Tage nach Eingang der Anzeige immer noch im Netz stand.
Strukturen offen legen
Oliver Kalies (links), Melanie Witassek (rechts)
Dem Antifaschistischen Infoblatt (AIB) anonym zugespieltes Material beweist jedoch, dass hinter der Internetpräsenz der gleiche Personenkreis steht, der auch für einen Großteil der Übergriffe gegen nicht rechte Jugendliche in Potsdam verantwortlich ist. Entworfen hat die Seite der 20 Jährige Oliver Kalies aus Potsdam. Kalies ist für die Zusammenstellung der Adressliste und den Entwurf der Einleitungstexte zuständig gewesen. Er selber rechnet sich dem Spektrum der freien Kameradschaften zu und ist regelmäßiger Besucher von Naziaufmärschen in ganz Deutschland. In einer von ihm selber aufgestellten Statistik finden sich alleine 23 Aufmärsche aus den letzten 2 Jahren, auf denen die Potsdamer Struktur anzutreffen war. Auf diesen Aufmärschen wurden auch Fotos von GegendemonstrantInnen geschossen, die sich am Rande der Demonstration befanden. Dass diese Fotos auch auf der Homepage veröffentlicht werden sollten, ist anzunehmen. Für das Schießen von Fotos scheinen hauptsächlich der Berliner Nazi Danny Leszinski (24) und die Potsdamerin Melanie Witassek (19) verantwortlich zu sein. Doch nicht nur Linke und deren Projekte stehen im Visier der „Anti-Antifa“, was von Leszinski gemachte Fotos zeigen, die dem AIB vorliegen. Diese zeigen gut erkennbar mehrere Mitglieder der Berliner Polizeieinheit PMS (Politisch motivierte Straßengewalt), die sich unter anderem mit rechts motivierter Gewalt beschäftigt.
Dass dieses Foto- und Adressensammeln nicht, wie auf der Homepage behauptet, rein dokumentarischen Zwecken dient, zeigt der Angriff gegen das alternative Projekt Chamäleon zu Sylvester 2002. Hierbei wurden das Haus und BesucherInnen einer Sylvesterparty von mehreren Neonazis überfallen, die in der nahegelegenen Gutenbergstraße ebenfalls eine Sylvesterparty feierten. Es wurden hierbei alle Fenster des Untergeschosses eingeworfen und das Haus mit Signalmunition beschossen, dabei wurden Naziparolen skandiert und Hitlergrüße gezeigt. Unter den ca. 50 feiernden Neonazis waren laut Zeugenaussagen neben dem Gastgeber Mike Marten (genannt Impi) auch Leszinski, Witassek und Kalies anwesend. Das Chamäleon steht auf dem Entwurf für die „Anti-Antifa“ Homepage auf einer Adressliste ganz oben und ist bereits durchgestrichen. In dem Entwurf zu der Homepage befindet sich auch schon eine Liste von besetzten Häusern (oder zumindest das, was die Nazis dafür halten) in Potsdam, die aber bisher noch nicht ihren Weg ins Internet gefunden hat.
Drei Monate später kam es zu einem erneuten Übergriff in Potsdam. Am 23.03.03 überfielen die Neonazis Enrico Paul, Heiko Groch, Jens Franke und Jeanette Hoffmann einen 16 Jährigen Jugendlichen, der der alternativen Szene Potsdam angehört. Sie schlugen ihn am Bahnhof Rehbrücke mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf und versuchten eine Zigarette in seinem Gesicht auszudrücken. Als das Opfer die Angreiferin Jeanette Hoffmann als ehemalige Klassenkameradin identifizierte und sie bat aufzuhören, ließen sie von ihm ab und warfen ihn stark blutend auf die Gleise. Dabei ist es dem Zufall zu verdanken, dass nicht weitaus Schlimmeres passierte, da der hier ankommende Zug eine halbe Stunde Verspätung hatte. Groch, der mittlerweile wegen dieser Tat zu 6 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, gab als Tatmotiv „Hass gegen Linke“ an. Dabei ist es kein bloßer Zufall, dass es ausgerechnet den 16 Jährigen traf. Er wohnt im gleichen Dorf wie Groch und war diesem bestens als Anhänger der alternativen Szene bekannt. Kurz nach der Tat traf Groch sein Opfer in einer Kneipe und versuchte ihn zu einer die Nazis entlastenden Falschaussage zu bewegen. Auch zwischen Tatbeteiligten dieses Überfalls und den schon aufgezeigten Strukturen der „Anti-Antifa Potsdam“ bestehen enge Verbindungen. So bewohnen Enrico Paul und Danni Leszinsky eine gemeinsame Wohnung in Berlin und Jens Franke lässt sich beim Aufmarsch in Halbe gemeinsam mit Witassek und anderen Nazis dieser Struktur auf einem Gruppenfoto verewigen. Oliver Kalies plante laut eigenen Angaben mehrere Gefängnisbesuche für Heiko Groch. Mitnehmen wollte er Enrico Paul und Melanie Witassek.
Szeneübergreifende Kontakte
Foto aus dem Besitz von Oliver Kalies
Gute Kontakte scheinen auch zu anderen Nazigruppen zu bestehen. Die erst Anfang Januar 2003 entworfene Homepage der Potsdamer wurde bereits im März um den Punkt „Anti-Antifa Networks“ erweitert. Unter diesem Eintrag sollen Links zu Anti-Antifa Gruppen in Hamburg, Bayern und Sachsen bereitgestellt werden. In dieser Liste wird die eigene Gruppe auch nicht mehr als „Anti-Antifa Potsdam“ aufgeführt, sondern vollmundig als „Anti-Antifa Berlin/Brandenburg“. Waren die Neonazis am ersten Verhandlungstag gegen Heiko Groch deutlich unterrepräsentiert und mussten sich auf das Fotografieren von Angehörigen der zahlreich erschienen Potsdamer Alternativszene begnügen, mobilisierten sie zum zweiten Verhandlungstag neben mehreren Anhängern der lokalen Naziszene auch Neonazis von außerhalb Potsdams.
Verbindungen bestehen aber auch in andere Szenen. So arbeite
ten sowohl Heiko Groch als auch Mike Marten als Tätowierer in Potsdam und zumindest Marten fühlt sich laut Zeugenaussagen eher der Rockerszene als der Kameradschaftsszene zugehörig, was ihn freilich nicht daran hindert ein absolut rechtsextremes Weltbild zu vertreten und für Danny Leszinski vor einer Hakenkreuzfahne zu posieren. Mindestens Melanie Witassek unterhält auch Verbindungen in das Spektrum des verbotenen Musiknetzwerks „Blood & Honour“. So wird sie namentlich in einem Booklet der Band Bloodshed gegrüßt und ist dort auch auf einem Portraitfoto abgebildet. Bloodshed ist das Nachfolgeprojekt der Band Proissenheads, die eng mit den Blood & Honour Netzwerk verwoben war. Auch im Entwurf zur Homepage von Oliver Kalies finden sich diverse Devotionalien von Blood & Honour, unter anderem ein Foto auf dem ein Gewehr in Richtung des Betrachters zielt. In den Skizzen zum Homepageentwurf taucht auch mehrfach das Kürzel C18 (Combat 18) auf. Dabei scheinen sich die Potsdamer Aktivisten zu diesem Label eher selber dazuzurechnen, als dass ernsthafte Kontakte bestehen dürften.
Die Potsdamer Gruppe besteht sicher zum Großteil nicht aus geschulten Rechtsextremisten, die Mitglieder oder gar Kader irgendwelcher Organisationen oder Parteien sind. Dennoch, oder gerade deshalb geht von ihnen eine nicht zu unterschätzende Gefahr für andersdenkende Menschen aus. Sie haben es immerhin über Jahre hinweg geschafft sich ein beachtliches „Gewaltmonopol“ in Potsdam und Umgebung zu schaffen, das lange Zeit weder durch staatliche Repression noch durch antifaschistische Intervention zu Sprengen war. Ihr äußerst brutales Vorgehen und das bewusste Inkaufnehmen von Haftstrafen lassen auf eine Art „Allmachtsgefühl“ bei den Nazis schließen. Sie scheinen in großen Teilen den Bezug zur Realität verloren zu haben und lassen sich vollends von ihrem durch Rassismus und Fremdenhass geprägten Weltbild leiten. Dieses ist eine Tendenz, die in der militanten Naziszene in letzter Zeit häufiger zu beobachten ist. Trotz dem absolut dilettantischen Vorgehen der Gruppe haben sie es fertig bekommen mehr oder weniger unbehelligt ein Netzwerk aufzubauen und eine Struktur zu schaffen, welche von außen nur schwer zu Überblicken und zu bekämpfen war. Grund zur Hoffnung gibt aber der relativ große Anteil von Potsdamer Jugendlichen, die nicht mehr länger bereit scheinen diesem Treiben noch tatenlos zuzusehen. So bleibt zu hoffen, dass aus dem eindrucksvollen Solidaritätsbeweis beim Prozess gegen Groch, es wurden alle Stühle im großen Gerichtssaal besetzt, so dass die anwesenden Nazis keinen Platz mehr gefunden haben, eine Kontinuität von konsequenter Antifaarbeit erwachsen kann.
(Tagesspiegel, 06.03.04) Neuruppin. Im Prozess gegen fünf junge Männer und eine Frau, die einen alkoholkranken Arbeitslosen brutal misshandelt haben, hat die
Staatsanwaltschaft Neuruppin harte Strafen gefordert. Der mutmaßliche Haupttäter, der Skinhead Enrico B., müsse mit siebeneinhalb Jahren Haft bestraft werden, sagte Ankläger Kai-Uwe Scholz am Freitag vor der Jugendkammer des Landgerichts Neuruppin. Enrico B. habe mit seinen
Stahlkappenstiefeln mehrfach dem Opfer Karsten B. gegen den Kopf getreten und darauf eine Bierflasche zerschlagen. Dies sei versuchter Totschlag.
Karsten B. war in der Nacht zum 16. August 2003 nahe Glöwen (Prignitz), wie berichtet, dreimal attackiert worden. Der Mann wurde durch Schläge und Tritte so übel zugerichtet, dass er in Lebensgefahr schwebte. Nur eine zufällig eintreffende Polizeistreife rettete ihn. Für die mitangeklagten Männer forderte der Staatsanwalt Strafen zwischen 26 Monaten und viereinhalb Jahren Haft. Nur die weibliche Angeklagte Nicole K. soll mit 18 Monaten auf
Bewährung davonkommen.
Die Gewaltorgie begann, als der Angeklagte Thomas W. mit seinem Wagen dem auf der Straße torkelnden Karsten B. ausweichen musste. Thomas W. stieg aus und geriet mit Karsten B. aneinander, dem es jedoch gelang, W.
niederzuringen. Die Beifahrerin von W., Nicole K., trat dann Karsten B. ins Gesicht. Das Verfahren zu dieser ersten Schlägerei stellte das Gericht allerdings ein, da sie angesichts der schweren Folgetaten kaum noch ins
Gewicht fällt. Thomas W. holte nämlich Verstärkung auf einer Party von NPD-Sympathisanten. Mit den bulligen Skinheads Enrico B. und Ronny M. fuhren Thomas W. und Nicole K. los. Die beiden Kahlköpfe schlugen und traten
Karsten B. zusammen. Dann begab sich die Clique zur Party zurück, wo weitere Kumpane Lust bekamen, ein wehrloses Opfer zu prügeln. Thomas W. setzte sich nochmal ans Steuer, Enrico B. und die Angeklagten Jens K. und Jörg E. fuhren
mit. Wieder wurde Karsten B. massiv getreten. Dann ließen sie ihn ohnmächtig und stark blutend liegen. Karsten B. leidet auch heute noch unter Schmerzen und einer Sehstörung. Da durch die Tritte ein Augennerv eingeklemmt wurde, wird Karsten B. nie mehr seinen Beruf als Dachdecker ausüben können.
Die Verteidiger von vier Angeklagten forderten Bewährungsstrafen, die Anwältin von Jens E. plädierte auf Freispruch. Nicht mehr als fünf Jahre Haft erbat der Verteidiger von Enrico B. Der Skinhead demonstrierte indes
wieder seine Aggressivität. Er unterbrach mit “hehehe”-Gerufe das Plädoyer des Staatsanwalts und beschimpfte in seinem Schlusswort den Mitangeklagten Thomas W. Am 15. März will die Strafkammer das Urteil verkünden.
(MOZ, 06.03.04) Potsdam (dpa) Nach Angaben von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist die Video-Erfassung von Kfz-Kennzeichen zur Verbrechensbekämpfung gegenwärtig nur begrenzt möglich. Für eine flächendeckende Überwachung
bedürfe es einer Änderung des Polizeigesetzes, sagte Schönbohm auf eine parlamentarische Anfrage. Die Novellierung sei in dieser Legislaturperiode jedoch nicht mehr möglich und bleibe damit dem nächsten Landtag vorbehalten.
Mit mobiler Technik wurden laut Schönbohm bereits im vergangenen Jahr im Landkreis Dahme-Spreewald und auf der Autobahn 10 bei Michendorf die Kennzeichen von Fahrzeugen gescannt. Dieser Probebetrieb habe rund 13 000 Euro gekostet. Gegenwärtig sei es gemäß Polizeigesetz nur im Einzelfall möglich, Kennzeichen im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung abzugleichen. Damit könnten Kontrollstellen zur Verhinderung bestimmter
Straftaten, wie der Bildung terroristischer Vereinigungen, schweren Raubes oder räuberischer Erpressung eingerichtet werden.
Das Bundesland Rheinland-Pfalz habe inzwischen sein Polizeigesetz verschärft und verfüge damit über deutlich bessere Möglichkeiten zum Scannen von Fahrzeug-Kennzeichen, erläuterte der Minister. Mit einer vergleichbaren
Regelung in Brandenburg könnte eine deutlich effektivere vorbeugende Verkehrsüberwachung erreicht werden. Dazu gehöre der Einsatz der Videokameras an besonders gefährlichen Orten. Vorstellbar sei dies beispielsweise im Bereich von Flughäfen oder an der Grenze des
Bundesgebietes in einer Tiefe bis zu 30 Kilometern.