Zu mehreren Demonstrationen und Veranstaltungen erwartet Neuruppin am 6. Juni Gäste aus Nah und Fern. Sie wollen sich unter dem Motto „Schöner leben ohne Nazis – Vielfalt ist unsere Zukunft“ friedlich versammeln und für Weltoffenheit demonstrieren. Der unerfreuliche Anlass ist ein Aufmarsch von Rechtsextremisten „gegen Überfremdung“, der für denselben Tag angekündigt ist.
Um 10 Uhr an diesem Sonnabend beginnen gleichzeitig drei Versammlungen:
‑Auf dem Schulplatz am Alten Gymnasium bildet ein ökumenischer Gottesdienst den Auftakt zu einem zehnstündigen Bühnenprogramm, das politische Beiträge mit einem fulminanten Kulturprogramm verbindet.
‑In der Bruno-Salvat-Straße hinter dem Einkaufszentrum REIZ beginnt ein Demonstrationszug, der sich über drei Kilometer Richtung Schulplatz bewegt.
‑Am Bahnhof Rheinsberger Tor versammeln sich wieder andere Demonstranten, um auf einer kurzen Route zum Bernhard-Brasch-Platz zu ziehen.
Die Organisatoren der demokratischen Proteste wollen allen Demonstrationsteilnehmern eine gute Anreise ermöglichen. „Man kann an jedem der drei Orte und auch später noch zu uns stoßen. Und man kann auf verschiedenen Wegen zu unseren Versammlungen gelangen,“ verspricht Martin Osinski, Sprecher im Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt. In Absprache mit Polizei und Versammlungsbehörde werden folgende Empfehlungen für die Anreise gegeben:
Mit der Bahn:
Regionalexpress Linie RE 6 aus Wittenberge oder Berlin bis Haltepunkt West oder Rheinsberger Tor.
Mit dem Auto:
— Aus Osten über B167 bis Alt Ruppiner Allee. Dort bestehen Parkmöglichkeiten am Oberstufenzentrum. Die ORP Nahverkehrsgesellschaft richtet von dort einen kostenlosen Bus-Shuttle-Service ein.
— Aus Süden, Westen und Norden A24 Abfahrt Neuruppin, weiter über B167 und nördliche Umfahrung (Certaldo‑, Nymburk‑, Bad-Kreuznach‑, Babimost-Ring) Richtung Eberswalde bis Alt Ruppiner Allee, Oberstufenzentrum (Bus-Shuttle).
Wer möglichst nah an das Stadtzentrum heranfahren möchte, sollte über Wittstocker Allee, Straße des Friedens oder Seedamm / Steinstraße die Karl-Marx-Straße ansteuern.
Mit Reisebus:
Über B167 und nördliche Umfahrung (Certaldo‑, Nymburk‑, Bad-Kreuznach‑, Babimost-Ring) bis Wittstocker Allee, diese stadteinwärts über Straße des Friedens bis Bahnhof Rheinsberger Tor. Für Busse bestehen Parkmöglichkeiten auf dem Betriebshof der ORP Nahverkehrsgesellschaft, Wittstocker Allee.
Empfehlenswert ist eine Anreise bis 10 Uhr. Im weiteren Tagesverlauf kann es wegen der verschiedenen Demonstrationszüge zu zeitweiligen Straßensperrungen kommen. Das Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt bittet die Bürger der Stadt um Verständnis für die unvermeidlichen Beeinträchtigungen. „Wir haben die Neonazis nicht hergebeten. Sie kommen nicht zum ersten Mal – aber vielleicht ist es ja das letzte Mal“, hoffen die Veranstalter.
Kategorie: (Anti-)Rassismus
Durch massive Gewalteinwirkung versuchten sie, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten des Hauses zu verschaffen. Dabei wurde die Eingangstür demoliert. Die Außenfassade des Hauses wurde mit mehreren Keltenkreuzen, einem rassistischen Symbol, beschmiert. Darüber hinaus zerstörten die Angreifenden eine Fensterscheibe. Vor dem Haus wurde unter Anwendung von Pyrotechnik Feuer gelegt. Während des Angriffs skandierten sie die Parolen „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“. Besorgte Anwohner_innen verständigten die Polizei. Der Brand konnte vor dem Eintreffen der Polizei gelöscht werden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich mehrere Personen im Haus, von denen glücklicherweise niemand verletzt wurde.
Dieser Angriff bildet den vorläufigen Höhepunkt einer Serie von Anschlägen auf das Hausprojekt und die alternative Begegnungsstätte „Zelle79“. Innerhalb eines Monats war das Hausprojekt mehrmals das Ziel rechter Anschläge: es kam zur Beschädigung der Eingangstür und zur Beschmutzung der Fassade durch einen Farbbeutelangriff. Im unmittelbaren Umfeld des Projektes wurden rechte Schmierereien beobachtet, wie „Cottbus bleibt braun“ in der Nähe des Bahnübergangs Parzellenstraße/Lobedanstraße. Blieb es bei vorherigen Angriffen auf das Hausprojekt hauptsächlich bei Sachbeschädigung, nimmt der aktuelle Vorfall eine höhere Gewaltintensität an. Menschen sollten gezielt bedroht und eingeschüchtert werden. Eine körperliche Verletzung der Menschen wurde dabei billigend in Kauf genommen. Das Vorgehen lässt vermuten, dass organisierte Strukturen hinter den Angriffen stecken.
Der Verein für ein multikulturelles Europa e. V. war schon oft Zielscheibe rechter Übergriffe, da er sich für eine solidarische und weltoffene Gesellschaft engagiert. Er stellt einen wichtigen Ort in der alternativen Jugendarbeit in Cottbus dar. Hier können sich Menschen unabhängig von sozialen und kulturellen Milieus vernetzen, bilden und in das Vereinsleben einbringen.
Wir lassen uns von diesen Geschehnissen keineswegs einschüchtern. Im Gegenteil, wir fühlen uns in der Bedeutung unserer Arbeit bestärkt. Cottbus darf nicht zu einem braunen Ort verkommen. Die Aktivität des Vereins wird mit umso größerer Vehemenz fortgesetzt, um rechtem Gedankengut eine klare Absage zu erteilen.
Die Täter warfen Eier gegen Fenster und Fassade der Wohnung, die von syrischen Flüchtlingen bewohnt ist, und versuchten sich gewaltsam Zutritt zum Haus zu verschaffen. Außerdem posierten sie mit beleidigenden Gesten vor der Wohnung und riefen unverständliche Parolen. Beim Eintreffen von Mitgliedern unseres Vereins ergriffen die Täter die Flucht und konnten unerkannt entkommen. Menschen wurden nicht verletzt.
Wir werten diese Aktion als Teil der massiven rassistischen Mobilisierung gegen Geflüchtete, welche momentan durch dieses Land schwappt. Wir sind betroffen und wütend über die Dummheit und Menschenverachtung, die sich beinahe täglich gegen Geflüchtete entlädt. Wer die gefährliche Flucht über das Mittelmeer überlebt hat, sieht sich hier mit Anfeindungen und Angriffen konfrontiert. Hier angekommen erfahren diese Menschen den strukturellen Rassismus der Behörden und müssen sich in einem Leben voller Unsicherheiten einrichten. Neid und (Alltags-)Rassismus von Teilen der deutschen Bevölkerung treffen dann die, die ohnehin schon alles verloren haben. Was für ein Armutszeugnis für diese Gesellschaft! Die betroffene Flüchtlingsfamilie hat verständlicherweise Angst — dieser Zustand ist absolut inakzeptabel und wir werden unser möglichstes tun, damit Geflüchtete hier in Frieden leben können!
Wir bitten um Wachsamkeit und Unterstützung aus der Bevölkerung, um weitere Angriffe zu verhindern. Wer Hinweise geben kann, meldet sich bitte unter info@jwp-mittendrin.de. Außerdem begrüßen wir Gesten der Solidarität, damit die Familie merkt, dass sie nicht alleine gelassen wird.
“Wir bleiben alle” heißt Bleiberecht für alle! Die rassistische Mobilisierung stoppen — Geflüchtete unterstützen! JWP-MittenDrin
In der Nacht vom vergangenen Freitag auf Samstag griff eine neunköpfige Gruppe Rassist*innen fünf syrische Geflüchtete auf offener Strasse in Frankfurt (Oder) an. Zwei der Betroffenen befanden sich kurzzeitig im städtischen Krankenhaus zur Behandlung. Dem Übergriff gingen Provokationen in einer Shisha-Bar im Frankfurter Stadtteil Neuberesinchen voraus. Dort wurden die Betroffenen mehrfach rassistisch beleidigt, auch „Sieg Heil“-Rufe wurden skandiert. Daraufhin folgte eine zweistündige Verfolgung der Syrer, die in dem gewalttätigen Angriff gipfelte. Dabei wurde den bereits am Boden liegenden Betroffenen gezielt auf den Kopf getreten. Die Angreifer nahmen somit offensichtlich lebensgefährdende Verletzungen in Kauf. Laut der Frankfurter Staatsanwaltschaft sind die Täter bekannte Neonazis. Mindestens zwei der Angreifer befinden sich momentan in Untersuchungshaft. Der Übergriff ereignet sich in einer Situation, in der bundesweit und zum Teil auch erfolgreich gegen Geflüchtete mobilisiert wird. Parallel dazu formiert sich seit Sommer 2014 eine rassistische Mobilisierung gegen Geflüchtete in Frankfurt (Oder), zunächst in den sozialen Medien und Anfang diesen Jahres auch auf der Straße. Tonangebend ist dabei die Facebookgruppe „Frankfurt/Oder wehrt sich“, welche im Januar und Februar rassistische Aufmärsche durch die Oderstadt organisierte. Hier marschierten unter anderem Gewalttäter, neonazistische Rocker und Hooligans auf, um sich gegen eine vermeintliche „Überfremdung“ stark zu machen. Auf facebook zeugen zahlreiche Kommentare von der Gewaltbereitschaft der Frankfurter Rassist*innen. Auch auf den sogenannten „Einwohnerversammlungen“ wurde die Ablehnung gegenüber Geflüchteten in der Stadt offensichtlich. Sowohl im November 2014 als auch im Februar diesen Jahres sprach sich die Mehrheit der Anwesenden gegen Geflüchtete in ihrer Nachbarschaft aus und begründete dies zum Teil mit offensichtlich rassistischen Argumentationsmustern. „Solche Übergriffe wie am vergangenen Wochenende fallen nicht einfach vom Himmel, sondern sie sind Ausdruck eines rassistischen Normalzustandes. So erschreckend dieser Angriff auch ist, spiegelt er doch den traurigen Alltag Frankfurts und Brandenburgs wieder, in dem sich Geflüchtete oftmals wiederfinden. Was Frankfurt jetzt braucht, ist eine konsequente antirassistische Gegenkultur. Nicht der Rassismus der vermeintlich „besorgten Bürger*innen“ muss ernstgenommen werden, sondern die Belange der Geflüchteten müssen in den Mittelpunkt der Diskussion um die weitere Aufnahme von Geflüchteten rücken. Sowohl Barbetreiber*innen als auch deren Gäste müssen in Zukunft konsequent gegen Neonazis in ihren Räumlichkeiten vorgehen und bei rassistischen Äußerungen einschreiten.“, so eine Sprecherin der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Frankfurt (Oder). Frankfurt (Oder), den 26.03.2015 Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt (BOrG) des Utopia e.V. -- Utopia e.V. Berliner Straße 24 15230 Frankfurt (Oder) *unsere aktuelle Kampagne: http://linkerfreiraumffo.blogsport.eu/ * utopia-ffo@riseup.net http://utopiaffo.blogsport.de/ http://garageffo.blogsport.de/
Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.
Der 1951 gegründete „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ hat circa 250 Mitglieder. Diese sind durchschnittlich über 80 Jahre alt. Nur einige wenige Mitglieder sind mittleren Alters, so waren beispielsweise am Workshopwochenende in Kirchmöser (s. u.) auch mindestens eine Familie mit Kind vor Ort. Inhaltlich geht es den Ludendorffern um die Vermeidung der Rassedurchmischung und den damit einhergehenden Tod des deutschen Volkes. Hierbei liegt ihnen besonders die Erziehung der Kinder in ihrem Sinne am Herzen, was ihnen wiederholt Einträge in den Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg brachte. Ihre Weltanschauung wird in dem Vorwort zu ihrem Buch „Die Judenmacht, ihr Wesen und Ende“ deutlich:
„Seit im dritten Reiche der Abwehrkampf der Deutschen Rasse gegen das jüdische Volk in strengen Gesetzen seine Gewähr gefunden, sehen wir daher mit Schrecken, daß es Millionen Deutsche gibt, die sich auch heute noch der trügerischen Hoffnung hingeben, der Jude sei nun überhaupt nicht mehr eine Weltgefahr. Indessen wühlt der Schlaue noch heute durch seine geheimen Kampfscharen im Volke und wühlt erst recht in all den Völkern, in denen er noch herrscht, gegen unser kraftvoll wiederauferstandenes Deutsches Reich.“i.
Grundlage für die Ausrichtung des Bundes für Gotterkenntnis sind die Werke von Mathilde Ludendorff. Es handelt sich um insgesamt zwölf Bücher mit Titel wie „Selbstschöpfung“ oder „Der Mensch und das große Wagnis der Schöpfung“.
Zur internen Schulung und zum Austausch finden regelmäßig Treffen der Mitglieder statt. In ihrem Objekt in Kirchmöser gibt es jeweils eine Frühlings- und eine Herbsttagung sowie eine Weihnachtsfeier.
Der Hof Märkische Heide
Im Jahr 1999 erwarb der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ in Kirchmöser einen sanierungsbedürftigen Hof. Ziel war es ein Feriendomizil für die Mitglieder zu schaffen. Die Arbeiten in der Gränertstraße 15 zogen sich bis 2002 hin, ab dann war das Haus für Tagungen geöffnet. Diese dienten jedoch nur zur internen Schulung der Mitglieder, öffentlichkeitswirksame Auftritte blieben aus. Die Renovierungsarbeiten gingen weiter, sodass mittlerweile alle Gebäudetrakte nutzbar sind. Es wurde ein großer Saal, eine Mensa und zahlreiche Gästezimmer geschaffen. Aufgrund des Mangels an einem Pendant zum Hof Märkische Heide, finden mittlerweile zahlreiche Feiern von Ortsansässigen (Hochzeiten, Geburtstage etc.) auf dem Gelände der Ludendorffer statt.
Wolfgang Peetz verwaltet mit der Seminar- und Ferienhof GmbH den Hof Märkische Heide für den „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“. Er selbst ist, nach eigener Aussage, nicht Mitglied im Bund. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er die durch den Bund verbreiteten Ansichten teilt oder zu mindestens toleriert. Durch einige Aussagen seinerseits, kann er wohl eher dem Spektrum der Reichsbürger zugeordnet werden, denn er sieht Deutschland noch als besetzt an. Des Weiteren scheint sein Weltbild durch rassistische und nationalistische Ansichten bestimmt zu sein. Peetz hat in Kirchmöser Dorf gute Kontakte und pflegt diese auch regelmäßig.
Tagungsprogramm
Für das Wochenende vom 14. bis 15. März luden die Ludendorffer mittels Flyer zu einem Workshopwochenende ein. Die Mobilisierung der eigenen Mitglieder erfolgte über interne Kanäle. Mit den Flyern, welche sowohl in Geschäften als auch in Briefkästen lagen, wurde das Ziel verfolgt, sich den Bewohner_innen aus Kirchmöser und Brandenburg an der Havel zu öffnen und sie zu den Veranstaltungen der Ludendorffern zu locken.
Das Tagungsprogramm fällt teilweise schwer zu analysieren, denn, sofern man nicht in den kruden Theorien der Ludendorffer versiert ist, haben Titel wie „Der Marxismus – die konsequenteste Ideologie des mechanistischen Zeitalters“ und „Wahn – überall Wahn“ wenige Aussagekraft. Die Referentin für den zweitgenannten Vortrag war Gisa Pahl. Die studierte Rechtsanwältin vertrat unter anderem zahlreiche Neonazis und neonazistische Organisationen vor Gericht: beispielsweise Udo Voigtii, Ralf Wohllebeniii und den Nationalen Widerstand Dortmundiv. Der Inhalt ihres Vortrags ist nicht bekannt.
Anders verhält es sich mit „Guthmannshausen – Gedenkstätte zur Erinnerung an die zivilen Opfer des zweiten Weltkrieges“. Guthmannshausen liegt im Landkreis Sömmerda im Bundesland Thüringen. Der Freistaat verkaufte im Jahr 2011 das ehemalige Rittergut Guthmannshausen an den Verein Gedächtnisstätte e.V. Dieser ist ideologisch und personell mit dem 2008 verbotenen Organisation Collegium Humanum nahezu identisch und kann folglich als rechtsextrem eingestuft werden. Er wurde 1992 durch die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel gegründetv. Inhaltlich geht es Gedächtnisstätte e. V. darum eine Gedänkstätte für die „vergessenen Opfer“ des Zweiten Weltkriegs zu schaffen. Zu diesen zählen ausschließlich Deutsche, die durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und Gefangenenlager umgekommen sindvi. Hier wird versucht aus Täter_innen Opfer zu machen und die deutschen Kriegsverbrechen dadurch zu relativieren. Dies geschieht ganz in der Tradition der Gründerin des Vereins, welche den Holocaus leugnet. In einem Einladungsschreiben vom aktuellen Vorsitzenden Klaus-Wolfram Schiedewitz, der im Übrigen auch an diesem Wochenende in Kirchmöser referierte, wird deutlich, welcher Ideologie sich die Vereinsmitglieder verschrieben haben:
„Dazu gehört die Aufarbeitung der geschichtlichen Wahrheit ebenso wie die Erneuerung und Wiederbelebung unserer ureigenen Wertvorstellungen, zu denen vieles in unserer heutigen materialisierten, egalisierenden Umwelt nicht passen will. Dies merken wir immer mehr, auch durch die unverantwortliche Überfremdung Europas. Unsere Väter und Großväter sind dafür nicht in den Kampf gezogen und haben ihr Leben hingegeben. Die großen Opfer der Generationen des 20. Jahrhunderts dürfen nicht umsonst gewesen sein. […] Der 8. Mai 1945 war ein Tag des Elends, der Qual, der Trauer und des Massenmordes. Deutschland hatte 6 Jahre lang im gewaltigsten Krieg aller Zeiten um die Existenz gekämpft. Die Tapferkeit und Opferbereitschaft der Soldaten, die Charakterstärke und Unerschütterlichkeit der Frauen und Männer im Bombenhagel des alliierten Lufterrors, die Tränen der Mütter, der Waisen, wer die Erinnerung daran zuschanden macht, lähmt unseren Willen zur Selbstbehauptung, daran sollten wir immer denken.“vii.
Ähnlich kritisch verhält es sich mit dem Vortrag am Sonntag, der Titel lautet „Agnes Miegel – mehr als die „Mutter Ostpreußens“. Agnes Miegel (1879–1964) ist ein deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Balladendichterin. Sie gehörte zu denjenigen 88 Schriftsteller_innen die das sogenannte „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler unterschrieben habenviii. Für ihr Engagement erhielt 1939 das Ehrenzeichen der Hitlerjugend und schlussendlich trat sie dann 1940 in die NSDAP einix. Die Ursache für ihren späten Eintritt begründet sie wie folgt:
“Der Nationalsozialismus trat erst in mein Leben, als er andere schon lange erfüllte. Das ist eine Schuld – und ich habe es gebüßt durch die vielen inneren, nicht nur inneren Kämpfe, durch die ich dann in gedrängter Zeit gehen musste: […] Durch ein Hinauszögern und ein Grauen dafür, mit mir Ungleichen als Gelegenheitsjäger zu scheinen, stehe ich ausserhalb der Partei, der ich nur durch den RDS [Reichsverband des deutschen Schrifttums] und die Volkswohlfahrt angehöre. Vielleicht ist dies, was ich als eine Art Busse für mein spätes Aufwachen ansehe, das Richtige für mich, vielleicht wirkt mein Einstehn dann überzeugender auch auf Andere. – Denn ich bin Nationalsozialist.“x.
Nach dem Ende des Dritten Reiches schrieb Agnes Miegel zu ihrem Engagement im Nationalsozialismus: „Dies habe ich mit meinem Gott alleine abzumachen und mit niemand sonst.“xi. Eine Distanzierung oder gar Reue sieht anders aus.
Durch die kurze Analyse der beiden Vorträge konnte deutlich gemacht werden, dass sich an diesem Märzwochenende Menschen im Hof Märkische Heide getroffen haben, die ein deutschnationales, rassistisches und geschichtsrevisionistisches Weltbild haben.
Neben Agnes Miegel ging es am Sonntag noch um PEGIDA. Es handelte sich um eine Lesung, in der Karl-Heinz Requard Teile einer Textzusammenstellung von Dr. Gundolf Fuchs mit dem Titel „Die Pegida. Aufschwung, Hemmnisse und Gefahren sowie Weiterentwicklung“ vortrug. Requard war während der Umstellung auf die neue deutsche Rechtschreibung im Fokus der Presse, denn er engagierte sich massiv für den Erhalt der alten Sprachregelungenxii. Er wurde für Juni 2013 auch als Referent für die Gedächtnisstätte Guthmannshausen angekündigtxiii. Der Autor des Textes, Dr. Gundolf Fuchs, war zeitweise im Vorstand des Bundes für Gotterkenntnis. Er publizierte unter anderem in der Hauszeitschrift von Collegium Humanum (2008 verboten) und in der neonazistischen Zeitschrift „Recht und Wahrheit“xiv. Gemeinsam mit seiner Frau Elke schrieben sie auch Texte für die Zeitschrift der Ludenorffer „Mensch und Maß“, darin heißt es unter anderem, dass der „hitlerische Antisemitismus“ durch „jüdische Glaubensmächte“ finanziert worden sei um dadurch den „reinen Gedanken der Volkserhaltung“ zu beschädigenxv.
Zur internen Veranstaltungen kamen circa 10 bis 15 Mitglieder. Zur öffentlichen „Sonntagsrunde“ waren noch einige Ludendorffer anwesend. Hinzu kamen neun Damen älteren Alters aus dem Dorf. Ob sie lediglich Aufgrund des billigen Kaffees und Kuchens kamen oder ein wirkliches Interesse am Thema hatten, kann nicht sicher beurteilt werden. Insgesamt waren 19 Personen vor Ort.
Gegenprotest
Der Bürgerverein Pro Kirchmöser und die evangelische Kirche luden zu einem Flohmarkt mit anschließendem Fachvortrag zum Thema PEGIDA ein. Als Referenten gelang es den Organisator_innen Dirk Wilking vom Mobilen Beratungsteam zu gewinnen. Nach einem kurzen Inputvortrag zum Bund für Gotterkenntnis wandte er sich dem komplexen Themenbereich von PEGIDA zu. Anhand zahlreicher Bilder illustrierte er deutlich, dass der lokale Ableger von PEGIDA, die BraMM, Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung, eine von Neonazis dominierte Veranstaltung ist. Zwar sind die Organisator_innen dieser nicht zwingend dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen, aber die Teilnehmer_innen der Spaziergänge sind mehrheitlich Neonazis. Danach wandte sich Wilking PEGIDA in Dresden zu und analysierte kurz die dortigen Teilnehmer_innen. Im Anschluss diskutierten die rund 20 Zuhörer_innen gemeinsam mit Wilking intensiv über verschiedene Aspekte von PEGIDA. Nach circa zwei Stunden war die Veranstaltung dann beendet.
Richtigstellung
Ursprünglich hatten wir geschrieben, dass Wolfgang Peetz in der Veranstaltung am Samstag vor Ort war und durch Zwischenrufe auffiel. Hierbei handelte es sich jedoch um eine Verwechselung. Peetz schaute nur kurz in die Kirche hinein und ging dann ohne Kommentar. Für diesen Fehler möchten wir uns in aller Form entschuldigen.
Bund für Gotterkenntnis – Ein Teil von Kirchmöser/Brandenburg an der Havel?
Wie durch zahlreiche Gespräche und Statements am Samstag deutlich wurde, wird der Hof regelmäßig für Familie- und Firmenfeiern von Kirchmöseraner_innen gebucht. Ursache hierfür sei der Mangel an Alternativen.
Des Weiteren wird der Hof Märkische Heide auf der Internetpräsenz der Stadtmarketing- und Tourismusgesellschaft Brandenburg an der Havel mindestens seit dem Jahr 2011 beworbenxvi. Dies ist besonders kritisch zu sehen, da der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ regelmäßig im Brandenburger Verfassungsschutzbericht auftaucht und dort eindeutig als rassistisch und antisemitisch charakterisiert wirdxvii. Des Weiteren gab es erst im Jahr 2011 einen Skandal wegen der Unterbringung von Kanut_innen aus Griechenland, Tunesien, Argentinien und der Schweiz im Hofxviii. Auch auf anderen Internetpräsenzen wird der Hof als Übernachtungsmöglichkeit beworbenxix. Kurios ist jedoch, dass Laut einem Artikel der MAZ vom 11. August 2011 die Bewerbung des Hofes von der Stadtmarketing- und Tourismusseite gelöscht wurdexx.
Die Bürgerschaft in Kirchmöser sollte in der Zukunft intensiv diskutieren, ob es weiterhin sinnvoll ist durch Familienfeiern den „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ beziehungsweise die GmbH mit dem Verwalter Wolfgang Peetz finanziell zu unterstützen oder ob es nicht möglich ist einen alternativen Veranstaltungsraum zu schaffen.
ii http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/pahl-gisa
iii Robert Bongen, Nils Casjens, Sebastian Heidelberger: „Neue Hinweise auf NSU-Kontakte nach Hamburg“. Panorama 3 Nr. 34 vom 3. September 2013
iv Verfassungsschutzbericht Hamburg 2012, 179ff.; Verfassungsschutzbericht 2010, 182ff.
v https://thueringenrechtsaussen.wordpress.com/2014/08/01/geschichtsrevisionischtes-denkmal-in-guthmannshausen/
vi http://www.verein-gedaechtnisstaette.de/fileadmin/user_upload/Gedaechtnisstaette.pdf, Seite 8.
vii Einladungsschreiben zum ersten Vortragswochenende (17.–18.09.2011) von Gedächtnisstätte e. V. an seine Spender_innen, Mitglieder und Freund_innen; laut Datum verfasst am 24.08.2011.
viii Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1995, 2007, 409.
ix Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1995, 2007, 409.
x http://www.muenster.de/stadt/strassennamen/agnes-miegel-strasse.html
xi Junge Welt, 19. März 2009, 3.
xii http://deutschesprachwelt.de/sprachwahrer/lobreden.shtml#Requard
xiii Blick nach Rechts, 25.02.2013.
xiv Blick nach Rechts, 25.02.2013.
xv Taz, 05.04.2010.
xvi http://www.tagesspiegel.de/berlin/paddeln-im-braunen-sumpf/4477502.html;http://stg-brandenburg.de/Suche_nach_Ausstattung/show/1464.html
xvii http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/lbm1.c.342274.de
xviii http://www.tagesspiegel.de/berlin/paddeln-im-braunen-sumpf/4477502.html
xix http://www.musik-foto-service.de/seite13.html;http://www.zur-reise.de/index.php?option=com_content&view=article&id=644&Itemid=840
xx http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/MAER/20110811/ludendorffer-geloescht-rechtsextrem/201108113008847.html
In Brandenburg sind Menschen mit Migrationsgeschichte tagtäglich Diskriminierungen ausgesetzt. Betroffen sind neu Zugewanderte genauso wie schon lange hier lebende Eingebürgerte, Hochqualifizierte genauso wie Landarbeiterinnen und Kellner. Sie erleben rassistische Beleidigungen auf der Straße, werden bei der Wohnungssuche benachteiligt, erhalten schlechteren Lohn, werden in der Schule gemobbt, beim Arzt schlechter versorgt, in Behörden und beim Einkaufen abwertend behandelt oder an der Diskothekentür abgewiesen.
Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, können die tiefgreifenden Auswirkungen von solchen Würdeverletzungen, verweigerten Chancen und vorenthaltener Teilhabe kaum ermessen.
Die brandenburgische Parlamentsmehrheit hat das Problem erkannt und Ende 2013 die Landesverfassung um eine sog. Antirassismusklausel ergänzt, die allerdings mit konkreten Maßnahmen unterfüttert werden muss, soll sie nicht rein symbolisch bleiben. Folgerichtig wäre die Einführung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG), was aber leider bis heute auf sich warten lässt. Deshalb ist es immer noch so, dass Menschen sich juristisch z. B. gegen einen diskriminierenden Vermieter zur Wehr zu setzen können, nicht aber gegen eine Behördenmitarbeiterin oder einen Lehrer. Wenn es zu Diskriminierung durch staatliche Stellen kommt, bietet nämlich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) keinen Schutz, weil es nur im zivilrechtlichen Bereich gilt. Diese Schutzlücke im öffentlichen Recht gilt es zu schließen.
Will Brandenburg modern und attraktiv sein für neue Unternehmen, mehr Zuzug und mehr Tourismus haben, so muss es ein Leben und Wirtschaften in einer offenen und diskriminierungsfreien Gesellschaft bieten können. Erst dann werden sich hier alle Menschen willkommen fühlen.
Die Antidiskriminierungsberatung Brandenburg berät und interveniert seit 5 Jahren landesweit in Fällen von rassistischer Diskriminierung.
Wir sind Bürgerinnen und Bürger dieses Landes – Alteingesessene und Zugezogene, verschieden in unseren politischen Überzeugungen, unserem Glauben und unseren Lebensformen. Wir sind weltoffen und gastfreundlich und wir wollen Menschen Schutz geben, die vor Krieg, Not und Verfolgung fliehen mussten. Neuruppin ist bunt und soll es bleiben. Unsere Gesellschaft und besonders unsere Region leben davon, dass Menschen sich willkommen fühlen und bei uns eine neue Heimat finden.
Wir lassen es nicht zu, dass gegen Menschen gehetzt wird. Wir lassen es nicht zu, dass auf unseren Straßen Angst und Schrecken verbreitet werden. Darum werden wir zusammen gegen den Aufmarsch der Neonazis Widerstand leisten.
Am 6. Juni zeigen wir mit Musik, Sport, Kunst und Kultur, wie tolerant und kreativ die Stadt Neuruppin und das Land Brandenburg sind. Und wir zeigen, dass Gewalt, Hass und Rassismus keine Zukunft haben – weder hier noch andernorts.
Wir laden alle Menschen von nah und fern ein:
KOMMEN SIE AM 6. JUNI 2015 UM 10 UHR NACH NEURUPPIN.
Lassen Sie uns gemeinsam mit demokratischen Mitteln auf vielfältige Weise protestieren. Wer singen und tanzen will, diskutieren, feiern oder beten, wer sich den Neonazis friedlich entgegen stellen will, ist uns willkommen.
Vielfalt ist unsere Zukunft – Schöner leben ohne Nazis!
20.3.2015,
Aktionsbündnis „Neuruppin bleibt bunt“
Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
Trotz Protesten von Willkommensinitiativen hat die FH der Polizei die Manöverübungen auf dem TÜV-Gelände direkt neben der Unterkunft für Flüchtlinge in Lehnitz/Oranienburg im Landkreis Oberhavel fortgesetzt. In der Flüchtlingsunterkunft wohnen mehr als 200 Männer, Frauen und Kinder, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind. Fachleute schätzen, dass mindestens 40% der Flüchtlinge aufgrund der erlebten Verfolgung und der Flucht traumatisiert sind.
Mit den Polizeiübungen in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Unterkunft sind sie erneut mit einer Geräuschkulisse konfrontiert, die viele von ihnen mit ihrer Verfolgung assoziieren: Hubschraubereinsätze, Spezialfahrzeuge und Hundertschaften in Uniform, Übungen zur Häuserstürmung und Verfolgung, Schießübungen mit unscharfer Munition.
Auch die Polizeifachhochschule sieht ein Problem, offenbar jedoch vor allem im Protest der Willkommensinitiativen. Gesprächsangebote des Flüchtlingsrates unter Einbeziehung einer Traumaspezialistin, die jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen hat, hielt die Fachhochschule für unangebracht. Zwar wird weiterhin Gesprächsbereitschaft signalisiert, es stellt sich jedoch die Frage, welches Ziel die Gespräche haben sollen, wenn die Fachhochschule es ablehnt, Expertinnen auch nur anzuhören und klarstellt, dass es Überlegungen zu einem Ausweichort nicht gäbe.
Die Fachhochschule lädt Flüchtlinge ein, durch Beobachtung der Polizeimanöver ihre Ängste abzubauen — ein fragwürdiges Unterfangen, das den jahrelangen Erfahrungen der Traumatherapie widerspricht. Denn eines der Symptome von Traumatisierung ist es gerade, die Konfrontation mit Erlebnissen, die Assoziationen zum Trauma auslösen könnten, zu vermeiden. Und so gibt es die stilleren nicht-öffentlichen Stimmen in dem Heim in Lehnitz, die ihr Unbehagen mit der starken Polizeipräsenz in der Nachbarschaft in einer Atmosphäre des Vertrauens sehr klar formulieren und den Wunsch äußern, so schnell wie möglich einen anderen Wohnort zu finden.
Das erste Manöver in diesem Jahr ist beendet – die Auseinandersetzung darüber, dass ein Gelände für Terrorbekämpfung, Schießübungen und Polizeigroßeinsätze direkt neben einer Unterkunft für Flüchtlinge weder einer humanitären Flüchtlingsaufnahme noch den Europäischen Verpflichtungen zur Berücksichtigung der Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Menschen entspricht, geht weiter.
Willkommenskultur sieht anders aus! Der Flüchtlingsrat fordert die sofortige Aussetzung aller Polizeiübungen und perspektivisch ein Aufnahmekonzept, das Flüchtlinge und andere sachkundige Menschen in die Gestaltung der Unterbringung einbezieht.


