In der Nacht zum Samstag drangen unbekannte Täter gewaltsam in einen Imbissstand in Vetschau ein und entzündeten Papier und Stofflappen. Anschließend entfernten sie von einer Gasflasche den Verbindungsschlauch und öffneten das Ventil. Nach Angaben des Betreibers war die Gasflasche jedoch leer gewesen. Den Brand konnte die Vetschauer Wehr löschen.
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Eine trügerische Ruhe hat Martina Münch ausgemacht. Die Sprecherin des Vereins Cottbuser Aufbruch warnt eindringlich: “Die Ursachen für rechte Gewalt sind nicht beseitigt.” Sozialdezernentin Christina Giesecke räumt ein: “Wir wissen nur ein Bruchteil dessen, was wirklich passiert.”
Ein Trend, sagt Dirk Wilking vom Mobilen Beratungsteam Brandenburg, sei auch in Cottbus zu beobachten: Rechtsextreme ziehen sich immer mehr ins Bürgerliche zurück. “Der Extremismus wird nicht mehr so öffentlich geäußert. Unter Umständen verspricht er Karrierevorteile.”
Zu beobachten sei seit einiger Zeit ein “Eindrehen der Szene ins bürgerliche Milieu”. Die Erkennbarkeit werde geringer, so Wilking. Rechte zögen sich derzeit beispielsweise ins Hip-Hop-Milieu zurück, an anderen Stellen werde “Ausländerfeindlichkeit zum städtischen Konsens”. Viel Akzeptanz komme aus den Elternhäusern.
Das Publikum im Stadthaus kennt einige Cottbuser Beispiele für diesen alltäglichen Extremismus und Formen von Rassismus, die jetzt zwar seltener in spektakulären Aktionen gipfeln, aber immer noch da sind. “Die Szene ist kaum noch in Klubs. Sie formiert sich in so genannten nationalen Wohngemeinschaften, zum Beispiel in Schmellwitz”, berichtet ein Sozialarbeiter. Da sei kein Rankommen an die Jugendlichen, “eine direkte Auseinandersetzung, ein Dialog findet nicht mehr statt”.
Am Rande eines Testspiels des FC Energie wurden zwei Jugendliche (13 und 17 Jahre alt) von der Cottbuser Polizei aufgegriffen, die T‑Shirts mit der englischen Aufschrift “All Cops are Bastards” (Alle Polizisten sind Bastarde) trugen. Auf der Rückseite bedroht in einer Darstellung “ein Kurzgeschorener einen Polizisten mit einem Gewehr”, wie Polizeioberrätin Simone Taubenek berichtet. Die Polizei erstattet Anzeige wegen Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft prüft den Vorfall und die Inhalte. Ob das Tragen der T‑Shirts Folgen haben wird, ist zweifelhaft.
Der Vater des einen Jungen wusste der Polizei zu berichten, dass die Aufschrift durch ein Urteil eines Gerichtes aus Nordrhein-Westfalen genehmigt worden sei. Jetzt werden die Shirts gleich mit dem betreffenden Urteil zusammen verkauft. Immerhin hat der FC Energie gegen die beiden Jugendlichen Stadionverbot ausgesprochen.
Ein weiteres Beispiel: In der Straße Am Priorgraben hängt an einer Hofeinfahrt ein Schild: “Hier endet die Bundesrepublik. Sie betreten Deutschland.” Darüber ist ein Puppenkopf aufgespießt, aus den leeren Augenhöhlen fließt stilisiertes Blut. Eine Cottbuserin berichtet im “Café”, sie habe den Besitzer darauf angesprochen und ihm Rechtsextremismus vorgeworfen. Seine Antwort sei gewesen: “Ich habe einen Anwalt.” Ein Sozialarbeiter erinnert sich, dass auf dem Schild ursprünglich “Sie betreten das Dritte Reich” gestanden habe.
“Es muss nicht immer jemand durch die Stadt getrieben werden. Der alltägliche Rassismus trifft die Menschen in die Seele”, sagt Aufbruch-Sprecherin Martina Münch. Oft fehle es auch bei verbalen Angriffen gegen Ausländer an Zivilcourage in Cottbus. Die Bürger müssten “die Sinne schärfen”, fordert Münch. “Wir nehmen den Vorfall mit dem jordanischen Arzt in Sachsendorf schon nicht mehr als Ausländerfeindlichkeit wahr.” Der Arzt hatte sich an einem Einkaufsmarkt mit Jugendlichen ein Wortgefecht geliefert, anschließend gab es eine Rangelei. Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall.
Münch fordert “Glaubwürdigkeit von Politik, Schule und Eltern. Wir müssen mit eigenem Beispiel vorangehen und Kindern und Jugendlichen das Gefühl geben, dass wir sie ernst nehmen, aber ihnen auch zeigen, wo Grenzen sind”.
Doch auch staatliches Handeln wird von Betroffenen als verletzend empfunden. Ein Student aus dem Jemen berichtet von Ausweiskontrollen am Bahnhof durch den Bundesgrenzschutz am 11. September.
“Kontrolliert wurden nur Ausländer. Der Studentenausweis reichte nicht. Wer keinen Pass dabei hatte, wurde im Dienstwagen der Beamten zum Wohnheim gefahren, gut sichtbar für die anderen Studenten. Man fühlte sich wie ein Krimineller.” Sind Ausländer in Unfälle verwickelt, würden sie von Polizisten “automatisch geduzt”, erklärt der Stadtverordnete Ralf Fischer (Grüne). Auch das sei in seinen Augen “menschenverachtend und diskriminierend”.
Ein allein erziehender Asylbewerber aus dem brandenburgischen Ort Hennigsdorf bei Berlin soll am heutigen Montag ohne seinen fünfjährigen Sohn nach Vietnam abgeschoben werden.
HENNIGSDORF, 15. September (epd). Nach Angaben des Kirchenkreises Oranienburg wurde Xuan Khang Ha am 5. August 2002 unter dem Vorwand einer Identitätsüberprüfung zu seinem Asylfolgeantrag zur Ausländerbehörde des zuständigen Landkreises Oberhavel vorgeladen und dort festgenommen. Der Vietnamese, der bei der Vorladung seinen Sohn nicht dabei hatte, kam umgehend in Abschiebehaft nach Eisenhüttenstadt und wurde wenige Tage später auf den Flughafen Frankfurt am Main gebracht. Das Kind ist seitdem verschwunden und wird von der Polizei gesucht.
Proteste des Kirchenkreises erwirkten zunächst, dass der Mann nach Eisenhüttenstadt zurückverlegt wurde, wo er nach wie vor in Abschiebehaft sitzt. Nach Angaben der Referentin für Flüchtlinge und Ausländer des Kirchenkreises, Simone Tetzlaff, besteht die Behörde jedoch auf einer Abschiebung am heutigen Montag, auch wenn der Sohn des Vietnamesen bis dahin nicht gefunden wird. Wie aus einem Schreiben des Landkreises hervorgeht, soll das Kind zu einem späteren Zeitpunkt mit einer “sozialpädagogischen Begleitung” nach Vietnam ausgeflogen werden.
Der Kirchenkreis Oranienburg habe deshalb dem Kind, das wenige Tage nach der Verhaftung des Vaters seinen fünften Geburtstag hatte, Kirchenasyl angeboten, sagte Tetzlaff am Wochenende dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach Informationen des Vaters soll das Kind derzeit bei Bekannten untergebracht sein. Über den genauen Aufenthaltsort wisse aber auch er nicht Bescheid. Den letzten Kontakt zu seinem Sohn hatte er vor fünf Wochen.
Die Forderungen der Kirche nach einer Haftaufhebung, der Aussetzung der Abschiebung sowie einer Begegnungsmöglichkeit von Vater und Sohn habe die Ausländerbehörde bisher zurückgewiesen. “Jedes Vermittlungsangebot von unserer Seite wurde strikt abgelehnt”, sagte die Referentin. Das Ganze sei ein Fall von “unglaublicher Verantwortungslosigkeit im Amt” und ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. “Wir hoffen nur noch, dass der Bundesgrenzschutz in Frankfurt am Main die Tragweite erkennt und entsprechend handelt”, sagte Tetzlaff.
Xuan Khang Ha kam den Angaben zufolge 1988 als so genannter vietnamesischer Vertragsarbeiter in die DDR. Nach der Schließung seines Betriebes Anfang der 90er Jahre wurde er nach Vietnam abgeschoben, reiste aber 1992 wieder nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. In Hennigsdorf hatte er zuletzt eine eigene Wohnung und Arbeit. Sein Antrag auf die so genannte Altfallregelung für ehemalige DDR-Vertragsarbeiter wurde von der Ausländerbehörde abgelehnt. Eine Klage dagegen ist noch anhängig, hat aber keine aufschiebende Wirkung.
Zuletzt hatte in Brandenburg der Fall der vietnamesischen Familie Nguyen Aufsehen erregt. Nach Intervention der Kirche wurde der Familie eine erneute Duldung bis zum 24. Januar 2003 erteilt.
Frankfurt (ddp-lbg). Mehrere Ausländer ohne Papiere sind von der Polizei am Sonntag bei Waltersdorf im Landkreis Dahme-Spreewald aufgegriffen worden. Dabei handelte es sich um sieben Erwachsene und drei Kinder aus dem Irak und Armenien, wie ein Polizeisprecher am Montag mitteilte. Einen Tag zuvor waren vier Iraker kontrolliert worden. Bereits am Freitagnachmittag trafen die Beamten nach Hinweisen aus der Bevölkerung auf sechs Pakistani und zwei Inder. Alle Personen stehen den Angaben zufolge im Verdacht die Bundesgrenze illegal überschritten zu haben.
Wittstock: Wieder Nazi-Aufmarsch
WITTSTOCK Die “Aktionsgemeinschaft für mehr Gemeinsamkeit” hatte kurzfristig für den vergangenen Freitag in Wittstock einen Demontrationszug angemeldet. Nach Mitteilung von Polizeisprecherin Beatrix Kühn stand die Veranstaltung unter dem Motto: “Projekt 18, gemeinsam schaffen wir es, für den Zusammenschluss von FDP und NPD.”
Der Aufzug fand zwischen 20.10 und 21.15 Uhr im Wittstocker Stadtzentrum statt. Der Demonstrationzug bestand laut Polizei aus rund 50 Personen. Er bewegte sich vom Bahnhofsvorplatz durch die Altstadt zum Marktplatz. Einige Teilnehmer führten Plakate mit, deren Inhalt jedoch nicht gegen geltendes Recht verstieß. Die Demonstration verlief ruhig. 125 Polizisten waren im Einsatz.
Der Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) hatte in der vorigen Woche nach dem Anschlag auf die Gedenkstätte Belower Wald eine härtere Gangart gegen Rechtsradikale angekündigt. Scheidemann hatte erklärt, die NPD werde in Wittstock nicht hoffähig werden.
Wittstock: Kampfansage an Neonazis
WITTSTOCK Nach dem nazistischen Brandanschlag auf die Gedenkstätte im Belower Wald hat der Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) eine härtere Gangart gegen die rechtsextremistische Szene angekündigt. “Ich habe gegenüber diesen Leuten nun jede Toleranz verloren”, sagte Scheidemann. Bisher habe er sich von der Vorstellung leiten lassen, dass auch Rechtsradikalen die Chance gegeben werden müsse, sich zu verändern.
Nun sei aber klar, dass alle Leute, die sich in dieser Szene beheimatet fühlten und dies auch durch ihr Outfit zur Schau stellten, zu den ideologischen Brandstiftern gehören. “Wir werden darüber nachdenken, inwieweit wir die rechte Szene vom öffentlichen Leben in unserer Stadt ausgrenzen können”, sagte Scheidemann.
Ausdrücklich erwähnte der Wittstocker Bürgermeister in diesem Zusammenhang die NPD, gegen die zur Zeit ein verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe läuft. Die NPD habe in Wittstock wiederholt versucht, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen um hoffähig zu werden. “Als Stadt werden wir die Auftritte von NPD-Leuten auf öffentlichen Veranstaltungen nicht dulden. Die werden bei uns nicht hoffähig”, sagte Bürgermeister Lutz Scheidemann
POTSDAM — Brandenburg hat seit Sonnabend einen Landesverband der Partei Rechtsstaatlicher Offensive (“Schill-Partei”). Mit der Wahl eines Landesvorstandes in Potsdam und eines dritten Bezirksverbandes am vergangenen Donnerstag in Michendorf (Potsdam-Mittelmark) schloss die Partei ihre Gründungsphase im Land ab. Erster brandenburgischer Parteivorsitzender wurde mit 37 von 43 abgegebenen Stimmen Dirk Weßlau. Der in Bernau (Barnim) praktizierende Zahnarzt ist zugleich Spitzenkandidat der Bundespartei in Brandenburg. Zu Weßlaus Stellvertretern wurden der 46 Jahre alte Handelsvertreter Klaus Henschel aus Hönow bei Berlin und der Bauunternehmer Wolfgang Dubrau aus Forst (Spree-Neiße) gewählt. Schatzmeister ist der 37 Jahre alte Verkaufsleiter Michael Esther aus Basdorf (Barnim). Schriftführerin wird die 38-jährige Friseurmeisterin Britta Carl-Gerth aus Falkensee (Havelland). Alle Vorstandsmitglieder traten ohne Gegenkandidaten an.
Zur Gründungsveranstaltung waren 45 von 135 brandenburgischen Mitgliedern erschienen. Bundesweit hat die Schill-Partei nach eigenen Angaben rund 8000 Mitglieder. Weßlau sprach von einem “spitzenmäßigen Wahlkampf”, den die Partei in Brandenburg geleistet habe. Der Vorsitzende bekräftigte noch einmal sein Ziel, bei der Wahl zum Deutschen Bundestag am kommenden Sonntag in Brandenburg 15 Prozent der Stimmen zu gewinnen. Bundespolitisch werde es einen “Erdrutsch” geben. Er rechne mit zehn Prozent der Stimmen. Medien und Meinungsforschern warf Weßlau “riesengroße Manipulation” vor: “Die Meinungsforschungsinstitute schweigen uns tot.” Weßlau kündigte an, dass in der Region um Ortrand (Oberspreewald-Lausitz) etwa 30 Mitglieder der Deutschen Sozialen Union (DSU) der Partei beitreten würden. Der Ex-Vize-Landeschef der CDU, Klaus Häßler, und der CDU-Kreistagsabgeordnete Jürgen Gnerlich (Oberspreewald-Lausitz) sind bereits zur Schill-Partei übergetreten. Im Senftenberger Kreistag will sich die aus zwei Mitgliedern bestehende DSU-Fraktion in “Schill-Fraktion” umbenennen.
“CDU-Landeschef Schönbohm hat nicht das gehalten, was er versprochen hat”, begründete Weßlau gegenüber der MAZ die Gründung des Landesverbands. “Mit der Kommunalreform hat er sein Wahlversprechen gebrochen.” Auch auf dem Sektor Bildung hätte die CDU völlig versagt. Die Schill-Partei sieht Weßlau “rechts von der CDU”. Gefordert wird unter anderem die Streichung des Grundrechts auf Asyl.
Weßlau war nach der Wende zunächst als Mitglied der DSU in die Politik eingestiegen und später CDU-Mitglied geworden. Im Vorjahr zog er bei der Nominierung des Direktkandidaten für den Bundestagswahlkreis 59 (Märkisch-Oderland/Niederbarnim) gegen Rainer Eppelmann den kürzeren und wechselte zu Schill, um als dessen Direktkandidat im selben Wahlkreis anzutreten. Seit Juni 2002 betreiben Weßlau und der 39-jährige Seelower Buchhalter Falk Janke den Aufbau von Orts- und dreier Bezirksverbände der Schill-Partei, was wegen Personalmangels nicht überall auf Anhieb gelang.
Der Parteigründer und Hamburger Innensenator, Ronald Barnabas Schill, war bei der Verbandsgründung am Sonnabend nicht anwesend. Er will heute ab 15.30 Uhr auf dem Potsdamer Luisenplatz eine Wahlkampfrede halten.
NPD-Marsch in Potsdam abgesagt
Der NPD-Marsch in Potsdam ist am Samstag kurzfristig abgesagt worden. Nach Angaben der Polizei fand am Samstagvormittag lediglich eine Kundgebung statt, an der 70 statt der angekündigten 300 Personen teilnahmen. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.
Zu einer Gegendemonstration kamen hingegen etwa 1000 Teilnehmer. Zu der Veranstaltung unter dem Motto “Potsdam bekennt Farbe” hatte unter anderen Ministerpräsident Platzeck (SPD) aufgerufen.
Zeitgleich demonstrierten in Berlin rund 500 Radfahrer und Skater gegen die NPD-Veranstaltung in Potsdam.
POTSDAM Mit einem Aufruf, die jüdische Gemeinde in Potsdam angesichts antisemitischer Bedrohungen nicht allein zu lassen, hat sich das Moses-Mendelssohn-Zentrum an der Universität Potsdam gestern an die Öffentlichkeit gewandt. Der Grund: Heute will die NPD unter dem Motto “Schluss mit der Masseneinwanderung russischer Juden. Deutschland den Deutschen” in Brandenburgs Landeshauptstadt demonstrieren.
Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) bestätigte am Freitagabend eine entsprechende Entscheidung der Vorinstanz, den Aufmarsch zu genehmigen. Am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht Potsdam die antisemitische Demonstration der Neonazipartei erlaubt. Die Richter hoben mit ihrer Entscheidung ein Verbot des Polizeipräsidiums Potsdam auf, das sich explizit auf den antisemitischen Tenor der NPD-Parole bezog. Nach Ansicht des Polizeipräsidiums erfüllt der NPD-Aufruf unter anderem den Straftatbestand der Volksverhetzung. Außerdem greife “der Bezug auf die Zuwanderung jüdischer Emigranten Kernbestandteile nationalsozialistischen Gedankengutes auf”.
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hatte deshalb ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Die Richter am Verwaltungsgericht wollten sich dieser Entschätzung nicht anschließen. Es lägen keine “hinreichenden Tatsachen” für den Straftatbestand der Volksverhetzung vor.
Das OVG schloss sich dem nunan. Das NPD-Motto sei als “politische Meinungsäußerung” interpretierbar. “Dieses Motto lasse sich nicht nur als ein Aufstacheln gegen Teile der Bevölkerung, sondern auch als Äußerung einer ablehnenden Haltung […] gegen eine bestimmte Einwanderungspolitik verstehen”, so die Richter.
Als “einen unerträglichen Freibrief für antisemitische Gedankengänge” bezeichnete Michel Friedman, der Vizevorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Entscheidung der Richter. Es handle sich um eine “nicht nachvollziehbare juristische Fehlentscheidung”. Friedman sagte, er wünsche sich, “dass die Justiz ihrer Verantwortung gerecht wird, und nicht — wie mit diesem Urteil — die Falschen ermutigt und ihnen auch noch einen Freibrief ausstellt”. Potsdams Oberbürgermeister Jakobs (SPD) und die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Birgit Müller (PDS), rufen zu zivilgesellschaftlichem Protest auf. Unter dem Motto “Potsdam bekennt Farbe” soll eine Demonstration stattfinden, die auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) unterstützt. Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Potsdam wollen sich ebenfalls an Gegenaktivitäten beteiligen. Die “Antifaschistische Aktion Potsdam” kündigte an, “anstelle von Toleranzfesten weitab der Neonazis” wolle man “den Aufmarsch mit allen Mitteln verhindern”.
Die knapp 800 Mitglieder der mehrheitlich aus GUS-Zuwanderern zusammengesetzten jüdischen Gemeinden in Brandenburg sind nicht erst seit dem Brandanschlag auf die Belower Gedenkstätte bei Wittstock verunsichert. Vor zwei Wochen hatten bislang unbekannte Täter am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes die Ausstellung zum Todesmarsch von KZ-Häftlingen schwer beschädigt und dazu “Juden haben kurze Beine” gesprüht. Schon im Januar 2001 hatte ein Brandanschlag auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam für Entsetzen gesorgt. Damals bekannte sich eine neonazistische “Nationale Bewegung” zu dem Anschlag. Den Sicherheitsbehörden gelang im Zusammenhang mit der Gruppe, die zwischen 1999 und 2001 18 antisemitische und fremdenfeindliche Anschläge in Potsdam und Umgebung verübte, bislang kein Fahndungserfolg.
POTSDAM Trotz öffentlicher Empörung: die meisten Versuche, die NPD von der Straße zu drängen, sind in den Vorjahren gescheitert. Auch heute darf die rechtsextremistische Partei in Potsdam aufmarschieren. Trotz ihres provokanten Mottos: “Schluss mit der Masseneinwanderung russischer Juden, Deutschland uns Deutschen”.
Für den Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin ist der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Frankfurt (Oder) keine Überraschung. Auch Extremisten hätten das Recht, ihre Gesinnung zur Schau zu stellen, so Niedermayer gegenüber der MAZ. “Immerhin ist die NPD nach wie vor eine anerkannte Partei.” Den Richtern könne man bei dieser Entscheidung keinen Vorwurf machen. Sie seien gezwungen nach formalrechtlichen Kriterien zu entscheiden und “gute Miene zum bösen Spiel zu machen”.
Ein Verbotsantrag habe nur Aussicht auf Erfolg, wenn Polizei oder Verfassungsschutz nachweisen, dass von den Rechtsradikalen Gewalt- oder Straftaten zu erwarten sind, erklärt Niedermayer. Das Motto habe zwar “eindeutig diskriminierenden Charakter”, so der Parteienforscher, “aber es erfüllt nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung”. Dazu müssten die Veranstalter “zu Hass aufstacheln sowie zu Gewalt und Willkürmaßnahmen aufrufen”.
Niedermayer ist skeptisch, ob eine Einschränkung des Versammlungsrechts die richtige Antwort auf das Problem wäre. “Damit beschneiden wir dann die Grundrechte aller.” Man müsse sich fragen, ob man den Rechtsextremen nicht “zu viel Ehre” antue, wenn man ihnen so viel Präsenz in der öffentlichen Debatte einräumt.
Der Staatsrechtler Norbert Janz kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. “Politisch unerwünschte Demonstrationen sind nicht einfach zu verbieten.” Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, sagt der Wissenschaftler von der Potsdamer Universität. Überragende Bedeutung komme dabei Artikel 8 im Grundgesetz zu: “Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.” Laut Bundesverfassungsgericht müsse dieser Artikel weit ausgelegt werden, so Janz. “Der Schutz von Grundrechten ist auch Minderheitenschutz — selbst, wenn es sich um missliebige Minderheiten handelt.”
Die NPD-Mitglieder wüssten genau, bis zu welchem Punkt sie gehen können, so Janz. Auch in seinen Augen ist das umstrittene Motto allein noch keine Straftat. Immerhin könne die Polizei den Veranstaltern Auflagen machen. “Man kann die Rechtsradikalen zwingen ohne Uniformen oder nicht in Reih und Glied zu marschieren.”
Genau das werde man auch tun, kündigte der Sprecher des Potsdamer Polizeipräsidiums Rudi Sonntag gestern Abend an. “Wir werden Zeit und Ort verändern — durch die Innenstadt werden die NPD-Anhänger nicht marschieren”, versprach Sonntag. Trotz der geringen Aussicht auf Erfolg, werde man auch künftig versuchen, NPD-Demonstrationen zu verbieten, machte Sonntag klar. “Wir werden die Aufmärsche nicht einfach so hinnehmen — selbst wenn die Gerichte dann anders entscheiden.”
Bei Gericht betrachten Experten diese Praxis mit Skepsis. Damit schiebe man den Richtern den Schwarzen Peter zu, hieß es gestern aus Justizkreisen. Denn die müssten die Verbotsverfügungen in der Regel wieder aufheben — zum Unverständnis der Öffentlichkeit.
Immerhin eine von 17 rechtsextremen Demonstrationen im Bereich des Oranienburger Polizeipräsidiums wurde in den vergangenen Jahren verboten, erinnert sich Polizeisprecher Sonntag. Allerdings nur wegen einer Unachtsamkeit der Organisatoren. Im Anmeldeformular für eine Kundgebung am 3. April 1999 waren zwei Personen aufgeführt, “gegen die strafrechtliche Ermittlungen liefen”.
Doch diesen Fehler machte die NPD nur einmal: die gleiche Veranstaltung wurde drei Wochen später vom Verwaltungsgericht genehmigt — die Partei hatte einfach die beiden beanstandeten Namen vom Formular gestrichen.