Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Uni Potsdam verurteilt die
Verbreitung rechtsextremer Hetzschriften an der Hochschule. Studenten hatten
an mehreren Uni-Standorten Flugblätter gefunden, sie sich “Unabhängige
Nachrichten” nennen. Die laut Asta vom Verfassungsschutz als rechtsextrem
eingestufte Publikation warnt in der verteilten Ausgabe mit offensiv
rassistischen und neonazistischen Parolen vor einem “Bankrott des
Gesundheitssystems”. Gegen verschiedene Mitarbeiter der “Unabhängigen
Nachrichten” werde wegen des Verdachtes der Volksverhetzung seit Jahrzehnten
immer wieder ermittelt, so der Asta. In dem Flugblatt wird vor der
angeblichen Ausnutzung des deutschen Gesundheitssystems durch Ausländer
geschrieben. Die Krankenkassen stünden im Verdacht “Entwicklungshilfe” zu
betreiben, heißt es in dem Flyer: Es gebe nach Deutschland einen immer
größer werdenden Zustrom von Ausländern, die ihre Familien in der Heimat
über die Sozialsysteme der Bundesrepublik mitversorgen. Für den Asta ist
eines klar: Die Krankenkassen sind bankrott, und die Ausländer sollen die
Urheber der Defizite sein. Der Asta schließt zwar aus, dass sich Studierende
auf eine solche Argumentation einlassen, warnt aber vor einer erstarkenden
rechtsextremen Struktur auch innerhalb der Hochschulen. Rechtsextreme
Freundeskreise wie die “Unabhängigen Nachrichten” wiesen oft personelle
Überschneidungen zur NPD oder dem Nationaldemokratischen Hochschulbund auf,
der als Studierendensammelbecken der NPD bis weit in die 90er Jahre aktiv
war, heißt es. Vermehrt seien auch an der Uni antisemitische und
rassistische Übergriffe zu verzeichnen. Die Palette reicht von
Propagandadelikten bis zu tätlichen Übergriffen auf Studierende. Der Asta
will nun prüfen, ob gegen die Urheber des Flugblattes und deren Verteiler
Strafanzeige wegen des Verdachtes der Volksverhetzung erstattet wird.
(Potsdamer Neueste Nachrichten, Gabriele Hohenstein)
„Die Polizisten kamen raus. Unmittelbar danach bin ich mit der Kamera
rein“, schilderte Tim Jäger (30) gestern im Zeugenstand. Der damals für das
Potsdamer Stadtfernsehen tätige Journalist dokumentierte am 27. August 2001 den
Zustand des alternativen Wohnprojekts Rudolf-Breitscheid-Straße 6, nachdem es zwei
Tage zuvor von der Polizei geräumt wurde. Anlass der Stürmung waren vermeintliche
Steinwürfe aus dem Gebäude heraus auf gewaltbereite Hertha-Fans im Anschluß an ein
Fußballpokalspiel zwischen Babelsberg 03 und Hertha BSC. Lutz Boede von der Kampagne
gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär erhob danach in einer in den PNN
veröffentlichten Erklärung schwere Vorwürfe gegen die an der Aktion beteiligten
Polizeibeamten. So sollen Mitglieder der Landeseinsatzeinheit (LESE) sowie des
Einsatztrupps der Kriminalpolizei in dem Gebäude Schränke umgeworfen, Plattenspieler
und Boxen zerschlagen, Schallplatten in der Mitte durchgebrochen, sich an Getränken
sowie Bargeld der Bewohner bedient sowie auf Polstermöbel und hinter den Tresen des
Partyraums uriniert haben. „So ähnlich pflegen Eroberer in besetzten Gebieten
zu wüten“, stellte Boede fest. Bei der Festnahme hätten die Gefangenen, die
von den Polizisten als Zecken und Schlampen beschimpft worden seien, eine halbe
Stunde lang mit auf dem Rücken verschnürten Händen bäuchlings auf dem Bürgersteig
liegen müssen. Der damalige Polizeipräsident Detlef von Schwerin erstattete
Strafanzeige gegen Lutz Boede. Seit dem 6. Januar muss sich der Kampagneaktivist
wegen übler Nachrede vor dem Amtsgereicht verantworten (PNN berichteten).
Ihm habe sich nach der Durchsuchung durch die Polizei nicht der „übliche
Zustand eines Hauses geboten, auch nicht eines Hauses aus der Besetzerszene“,
betonte Fernsehjournalist Tim Jäger am gestrigen dritten Verhandlungstag. Der
gesamte Hausrat sei zu Bergen aufgetürmt worden. „Es sah aus wie auf einer
Müllkippe. Deutlich erinnere ich mich an eine angeknackste Musikanlage und kaputte
Platten.“ Uringeruch habe er nicht wahrgenommen. „Ich habe auch nicht
gesehen, dass die Polizisten Wasserflaschen der Bewohner ausgetrunken haben“,
berichtete der Zeuge. Während die bislang im Prozess vernommenen Polizeibeamten
erklärt hatten, höflich und korrekt vorgegangen zu sein – auch wenn in
Augenschein genommene Videos dem Hohn sprechen -, gab LESE-Einsatzabschnittsleiter
Detlef A. nun zu: „Auszuschließen ist gar nichts, wenn der Adrenalienspiegel
entsprechend hoch ist.“ Allerdings habe er nichts derartiges vernommen.
Beamte, die ein menschliches Bedürfnis verspürt hätten, seien „per
Toilettenwagen“ zur Wache nach Babelsberg gefahren worden. Getränke hätten die
Polizisten an der Jet-Tankstelle Großbeerenstraße gekauft. Die entsprechende
Quittung läge in der Akte. (Dort befindet sich zwar ein Belegexemplar über den
Erwerb von Selterswasser – abgestempelt ist es allerdings an der
„Tanke“ in der Potsdamer Straße.) Die Verhandlung wird am 27. Januar
fortgesetzt.
Am 27.01. geht es 9.30 Uhr am Amtsgericht Potsdam mit der Vernehmung unabhängiger Zeugen, an der Durchsuchung beteiligter Polizisten und dem Video der Hausbewohner
weiter, auf dem der Aufmarsch der Herthanazis dokumentiert ist.
Die bisherigen Prozesstage im Inforiot Archiv
Totschlagprozess: Zeugen frei
Zwei wegen Falschaussage festgenommene Zeugen im Neuruppiner
Prozess um den Tod eines Russlanddeutschen sind wieder frei. Zwar habe sich
der Vorwurf teilweise bestätigt, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft
gestern. Beide seien aber freigelassen worden, weil es keine Haftgründe gab.
Die Zeugen hatten behauptet, einen Teil der brutalen Auseinandersetzung
nicht gesehen zu haben, obwohl sie in einem Auto unmittelbar am Tatort
gesessen hatten. Sie waren daraufhin am Freitag direkt im Gerichtssaal
festgenommen worden. In dem gestern mit Zeugenaussagen fortgesetzten Prozess
geht es um eine brutale Schlägerei im Mai 2002 vor einer Disco in Wittstock.
Dabei wurden ein 24-jähriger Russlanddeutscher getötet und sein Freund
schwer verletzt. Die fünf Angeklagten müssen sich wegen Totschlags und
gefährlicher Körperverletzung verantworten. Drei von ihnen haben bisher
zugegeben, auf die beiden Aussiedler eingeschlagen zu haben. Unklar blieb,
wer die beiden Aussiedler mit einem 17 Kilo schweren Feldstein traktierte.
Schwante/Neuruppin (ddp-lbg). Nach der Durchsuchung von Kirchenräumen in
Schwante wird gegen die beteiligten Polizisten nicht ermittelt. Ein
Ermittlungsverfahren sei nicht eingeleitet worden, sagte der Leitende
Neuruppiner Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher am Montag auf ddp-Anfrage. Auf
der Suche nach einem Vietnamesen und seinem Sohn im Kirchenasyl hatten die
Beamten am 6. Januar Gemeinde- und Privaträume durchsucht. Pfarrer Johannes
Kölbel hatte daraufhin Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung
gestellt, weil kein Durchsuchungsbefehl vorgelegen habe.
«Wir müssen davon ausgehen, dass sich der Pfarrer direkt vor Beginn mit der
Durchsuchung einverstanden erklärte», begründete Schnittcher. Er habe auch
auf eine richterliche Durchsuchungsanordnung verzichtet. Kölbel dagegen
sagte, er habe keine schriftliche Grundlage für den Polizeieinsatz erhalten.
Die Schwanter Gemeinde gewährt dem 48-jährigen Vietnamesen und seinem
5‑jährigen Sohn seit Mitte November Kirchenasyl. Die erstmalige Durchsuchung
von Kirchenräumen in Brandenburg hatte weithin für Aufsehen gesorgt.
Wie Schnittcher weiter sagte, hatte ein DVU-Landtagsabgeordneter wegen des
Kirchenasyls schon am 9. Dezember Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Die
Staatsanwaltschaft hätte aber auch von Amts wegen Ermittlungen aufgenommen.
Vergangene Woche sei ein Verfahren gegen Kölbel wegen des Verdachts des
Verstoßes gegen das Ausländergesetz eingeleitet worden. Die
Staatsanwaltschaft sei dazu gesetzlich verpflichtet und habe keinen
Ermessensspielraum. Der Pfarrer zeigte sich am Montag gelassen. Es gebe nur
wenige Fälle, wo es zu einer Verurteilung kommt, sagte er.
Weiterer Fall von Kirchenasyl in Brandenburg/Havel
(Berliner Morgenpost) Brandenburg/H. — In Brandenburg wird erneut einer von Abschiebung bedrohten
Familie Kirchenasyl gewährt. Die kongolesische Familie Ndualu-Kamisa mit
ihren drei und sechs Jahre alten Kindern sei in Brandenburg/Havel von einer
Kirchengemeinde aufgenommen worden, teilte Pfarrer Christoph Vogel mit.
Damit solle die Abschiebung verhindert und eine weitere Prüfung des Falles
ermöglicht werden. Ein Eilantrag gegen die Abschiebung war am Freitag vom
Verwaltungsgericht Potsdam abgelehnt worden. Dem Unterstützerkreis zufolge
hat der 33-jährige Familienvater José Ndualu Studentenproteste gegen das
Mobuto-Regime organisiert.
Auch kongolesische Familie erhält Kirchenasyl
(Berliner Zeitung) BRANDENBURG/HAVEL. Die kongolesische Familie Ndualu-Kamisa mit ihren drei
und sechs Jahre alten Kindern ist in der Stadt Brandenburg Kirchenasyl
gewährt worden. Das teilte der stellvertretende Superintendent Pfarrer
Christoph Vogel am Montag mit. Damit solle eine weitere Prüfung des Falles
ermöglicht werden. Auf Grund des fehlenden Impfschutzes drohten den in
Deutschland geborenen Kindern nach einer Abschiebung in die Demokratische
Republik Kongo schwere gesundheitliche Schäden, kritisierten Kirche und
Unterstützerkreis.
Siehe auch Behörde will kongolesische Familie abschieben (Berliner Zeitung, 17.1.)
(Berliner Morgenpost, Dieter Weirauch und Dieter Salzmann)
Der Tag, an dem sich Hitler und Reichspräsident Hindenburg vor der Potsdamer
Garnisonkirche die Hand schüttelten, gilt als endgültiges Sterbedatum der
Weimarer Republik. Am 21. März jährt er sich zum 70. Mal. In der Stadt
herrscht Unsicherheit über den richtigen Umgang damit.
Potsdam — Die Wiederkehr eines für Potsdam unseligen Datums steht
unmittelbar bevor. Am 21. März 1933, vor 70 Jahren, arrangierten sich die
konservativen Kräfte mit den wenige Wochen zuvor an die Macht gekommenen
Nazis bei dem vom Propagandaminister Goebbels inszenierten «Tag von
Potsdam», an dem zugleich die Weimarer Republik zu Grabe getragen wurde.
Der Umgang mit dem Tag heute ist problematisch: Es gibt nichts zu feiern und
es besteht zudem die Gefahr, das die Rechtsextremen sich dieses Datum zu
eigen machen, ähnlich wie sie an «Führers» Geburtstag und am Todestag von
Rudolf Hess ihr braunes Süppchen kochen.
Entsprechend gering ist offenbar bisher das Interesse, sich mit dem Tag zu
befassen. Das Potsdam-Museum hat an diesem Freitag geschlossen — der ganz
normale Schließtag, heißt es, schließlich wolle man den Tag nicht
überbewerten, obwohl im Foyer eine kleine Informationsausstellung zum Thema
gezeigt wird, sagt Museumschef Hannes Wittenberg.
Die Stadtverwaltung selbst hat sich erst spät Gedanken gemacht und überlässt
das Gedenken, zumindest bisher, einer Bürgerinitiative. Diese hat sich tief
in die Materie eingearbeitet und will den Tag in einer Aktionswoche um den
21. März in all seinen Facetten darstellen. An der Spitze dieser Bewegung
stehen der Stadtkirchenpfarrer Martin Vogel sowie der Kantor der
Nikolaikirche, Björn Wiede. Für Wiede ist der Jahrestag vor allem eine
Mahnung daran, dass «eine demokratische Verfassung durch das Engagement, die
Wachsamkeit aber auch durch die Disziplin ihrer Bürger in die Balance
gebracht wird.» Er will zeigen, wie es geschehen konnte, dass diese Balance
1933 und zuvor aus dem Gleichgewicht geriet. Die Ereignisse des 21. März
1933 erhielten nach Meinung Wiedes eine so traumatische Bedeutung bis heute,
weil dieser Tag wie wirklich nur wenige das historische Beispiel des
Scheiterns einer demokratischen Verfassung symbolisiere.
Dazu hat er ein fünftägiges Programm auf die Beine gestellt: Zeitzeugen
geben über den Tag Auskunft, Schüler setzen sich in Projektwochen damit
auseinander, historische Filmaufnahmen werden gezeigt und auf Podien
öffentlich diskutiert.
Brisanz birgt der so genannte Stadtgang von der Nikolaikirche zum Standort
der Garnisonkirche am 21. März. Diesen Weg nahmen 1933 die neu gewählten
Reichstagsabgeordneten nach einem Gottesdienst in der Nikolaikirche, um in
einem Staatsakt in der Garnisonkirche zu ihrer ersten Sitzung
zusammenzutreten. Dort war man unter sich: Die SPD-Fraktion war dem
Spektakel ferngeblieben, die Mitglieder der KPD-Fraktion waren auf der
Flucht, im Gefängnis oder im KZ.
Die Brisanz, den Weg nachzuvollziehen, sieht Wiede auch, meint aber, die
Demokratie dürfe ängstlichen Befürchtungen nicht geopfert werden. «Für mich
bedeutet dieser Stadtgang heute, dem, was in der Stadt war und ist,
nachzugehen und nicht hinterherzulaufen», sagt Wiede über den Programmpunkt.
Die Gefahr eines Missbrauchs durch die Rechtsextremen sieht er nicht. Er
habe keine Erkenntnisse, dass Neonazis im Anmarsch seien. Kämen sie doch,
sei das eine Aufgabe für die Polizei.
Gedenken in Brandenburg
So, 26.01, 11 Uhr, Bahnhofstraße, Königs Wusterhausen
Gedenkkundgebung an alle Opfer des Nationalsozialistischen Terrors — Zum 70. Jahrestag der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933. Veranstalter: Red Action KW mit Unterstützung der DKP und PDS.
Mi, 29.01., 18 Uhr, Bechstein Gymnasium, Erkner
“Antifaschismus-Gestern und Heute” — Infoabend wegen des 70. Jahrestags der Machtübernahme der Nazis.
Referenten: Fred Löwenberg (Vorsitzender Berliner Verband — Verfolgte des Naziregimes), Walter Sack (Mitglied der Widerstandsgruppe um Herbert Baum), ein Referent des Apabiz und ein aktiver Antifaschist. Aufruf hier (PDF-Datei, 5 KB)
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert eine
Abschaffung der vor anderthalb Jahren in Brandenburg gestarteten
Videoüberwachung. «Die Straftäter sind doch nicht verrückt, haben ihre
Aktivitäten auf andere Standorte verlagert», sagte Landeschef Andreas
Schuster dem «Berliner Kurier» (Montagausgabe). Er fügte hinzu: «Im
Klartext: Die Videoüberwachung hat zu keinem Rückgang der Kriminalität,
lediglich zu einem Verdrängungseffekt geführt.» So gebe es in Potsdam
weiterhin massiv Fahrraddiebstähle — zwar nicht mehr am Hauptbahnhof, dafür
aber vor Schulen und Kaufhäusern, so Schuster. «Eine Kamera kostet 50 000
Euro und bindet vier Beamte, darunter zwei pro Dienst in unmittelbarer Nähe
des jeweils überwachten Ortes.» Verdeckte Ermittler wären nach Schusters
Ansicht effektiver.
Altlandsberg (ddp-lbg). Die vietnamesische Familie Nguyen aus Altlandsberg
bei Berlin darf weiter hoffen. Die Ausländerbehörde des Landkreises
Märkisch-Oderland verlängerte am Montag die befristete Duldung bis zum 24.
April 2003, sagte der Dolgeliner Pfarrer Olaf Schmidt der Nachrichtenagentur
ddp. Seine Gemeinde hatte dem heute 35-jährigen Vater und dessen Sohn im
Jahr 2000 für mehrere Monate Kirchenasyl gewährt, um eine Trennung der
Familie zu verhindern. Die jetzt 33 Jahre alte Ehefrau war damals schwanger.
Die vierköpfige Familie habe den neuerlichen Bescheid mit Enttäuschung und
Hoffnung zugleich aufgenommen, sagte Schmidt. Das wiederum nur befristete
Bleiberecht lege sich sehr auf die Psyche. Zum anderen sei die Duldung
besser als eine Aufforderung zur Abschiebung. Offenbar wollten die Behörden
das neue Zuwanderungsgesetz abwarten.
Die Nguyens seien völlig integriert und benötigten keinerlei Sozialhilfe,
sagte Schmidt. Vater und Mutter hätten Arbeit, der Sohn gehe in die 5.
Klasse der Altlandsberger Schule, die zwei Jahre alte Tochter besuche eine
Kita. Im vergangenen Jahr waren in der Stadt mehr als 1000 Unterschriften
für einen Verbleib der Familie in Deutschland gesammelt worden.
(MAZ) SCHWANTE Nach dem Kirchenasyl für zwei von Abschiebung bedrohte Vietnamesen in Schwante (Oberhavel) wird jetzt gegen Gemeindepfarrer Johannes Kölbel wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz ermittelt. Das habe ihm die Staatsanwaltschaft Neuruppin mit Schreiben vom 16. Januar mitgeteilt, sagte Kölbel gestern. Geprüft werde, ob er den Paragrafen 92 des Ausländergesetzes verletzt habe. Danach droht Personen, die ausreisepflichtigen Menschen Unterschlupf gewähren, eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Kölbel hatte dem 48-jährigen Vietnamesen Xuan Khang Ha und dessen fünfjährigem Sohn von November bis Anfang Januar Zuflucht gewährt. Nachdem Polizeibeamte das Pfarrhaus deswegen durchsucht hatten, sicherten Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dem evangelischen Landesbischof von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber, in der vergangenen Woche zu, dass das Kirchenasyl künftig respektiert werde.
Er halte es für die Sache des Kirchenasyls für durchaus positiv, wenn die Vorgänge auf dem Wege staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen geklärt würden, sagte Kölbel. Wegen der Hausdurchsuchung hat der Pfarrer selbst Anzeige erstattet. Die beiden Beamten hätten für ihren zuvor telefonisch angekündigten “Besuch” keinen Durchsuchungsbefehl vorweisen können, erläuterte er. Auf seine Rückfrage beim zuständigen Polizeischutzbereich, ob die Durchsuchung rechtens ist, sei ihm das bestätigt worden. Der Durchsuchungsbefehl werde nachgereicht — was bis jetzt nicht geschehen sei.
Staatsanwalt ermittelt gegen Pfarrer
Johannes Kölbel gewährte Vietnamesen Kirchenasyl
(Berliner Zeitung) SCHWANTE. Nach dem Kirchenasyl für zwei von Abschiebung bedrohte Vietnamesen
in Schwante (Oberhavel) wird jetzt gegen Gemeindepfarrer Johannes Kölbel
wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz ermittelt. Das habe ihm die
Staatsanwaltschaft Neuruppin mit Schreiben vom 16. Januar mitgeteilt, sagte
Kölbel am Sonntag. Geprüft werde, ob er den Paragrafen 92 des
Ausländergesetzes verletzt habe.
Danach droht Personen, die ausreisepflichtigen Menschen Unterschlupf
gewähren, eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Kölbel hatte dem
48-jährigen Vietnamesen Xuan Khang Ha und dessen fünfjährigem Sohn von
November bis Anfang Januar Zuflucht gewährt. Nachdem Polizisten das
Pfarrhaus deswegen durchsucht hatten, sicherten Ministerpräsident Matthias
Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dem evangelischen
Landesbischof von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber, in der vorigen
Woche zu, künftig Kirchenasyl zu respektieren.
Anzeige erstattet
Er halte es für die Sache des Kirchenasyls für durchaus positiv, wenn die
Vorgänge auf dem Wege staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen geklärt würden,
sagte Kölbel am Sonntag. “Daran besteht ein übergeordnetes Interesse auch
der Landeskirche.” Wegen der Hausdurchsuchung hat der Pfarrer selbst Anzeige
erstattet. Die beiden Polizeibeamten hätten für ihren unmittelbar zuvor
telefonisch angekündigten “Besuch” keinen Durchsuchungsbefehl vorweisen
können, erläuterte er. Auf seine Rückfrage beim zuständigen
Polizeischutzbereich, ob die Durchsuchung rechtens ist, sei ihm das
bestätigt worden. Der Durchsuchungsbefehl werde nachgereicht — was bis jetzt
nicht geschehen sei.
Er kenne also formal bis jetzt nicht den Grund für den keinesfalls
freundlichen Besuch, sagte der Geistliche. Dabei hätten die Polizisten auch
seine Privaträume “von oben bis unten” durchsucht, darunter den
Kleiderschrank und eine Wäschetruhe im Schlafzimmer, wo seine kranke Ehefrau
gelegen habe. Die Vietnamesen wurden von den Beamten nicht gefunden. “Sie
waren nicht bei uns — warum auch immer”, sagte der Pfarrer unter Hinweis auf
die für die beiden Kirchenasylanten bedrohliche Situation.
“Ich bin guten Mutes, dass die Sache nicht unbedingt zu meinen Ungunsten
ausgeht”, meinte Kölbel. Die beiden Vietnamesen genießen derzeit die Duldung
der Behörden, bis ihr Antrag auf Rechtsschutz gerichtlich entschieden ist.
Die Kirche hat Stellungnahmen von Amnesty International und der
Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen UNHCR erbeten, die Aufschluss
über die Gefährdung der Vietnamesen bei einer Abschiebung geben sollen.
(Berliner Morgenpost) Einst war es die Wiege der Hutindustrie. Heute ist die Stadt vor allem wegen
einer mörderischen Hetzjagd bekannt. Das soll sich ändern
Guben — Die Glastür von dem Haus Hugo-Jentsch-Straße 14, wegen der Farid
Guendoul alias Omar Ben-Noui 1999 von Rechtsextremen zu Tode gehetzt starb,
ist längst einer abweisenden Holzpforte gewichen. Diese wiederum ist mit
einem Sicherheitsschloss abgesperrt. Raus muss hier niemand mehr. Rein nur
noch die Abbruchkohorte, die in diesem Jahr anrückt. Der abweisende Block im
«Wohnkomplex IV» ist leergezogen. Er gehört zu denen, die weichen sollen.
Man kann auch sagen: «Den nehmen wir raus.» Das ist ein Satz, den
Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner gerade häufig sagt. Genau 1137 Wohnungen
werden von jetzt bis 2004 «rausgenommen». Wenn alles gut geht und weiter
Geld fließt weitere 449 bis 2006.
Die Stadt Guben schwingt sich auf zu neuer Zuversicht. Über den zu Tode
gehetzten Asylbewerber redet Bürgermeister Hübner wenig und nur sichtlich
ungern. Nicht dass er nicht bedauerte. Aber seine Stadt dürfe nicht durch
diesen einen Tag bestimmt werden. Guben müsse lernen, sich positiv zu
definieren. Die Stadt müsse ihren Bürgern Arbeit bieten und ihren
Jugendlichen eine Perspektive. Ihnen auch Verantwortung geben. Dann erledige
sich das Problem mit den Rechtsextremen von selbst.
Und Hübner beginnt zu erzählen, wie Guben anders werden soll. Wie die Stadt
wieder einmal da anknüpfen könnte, wo sie war. Eine kleine prosperierende
Industriestadt, sauber und lebendig. Auch wenn davon noch nicht viel zu
sehen ist. In den Altstadtgebieten liegt der Leerstand bei 50 Prozent. In
dem Plattenbaugebiet kaum darunter. Manche Straßen liegen da wie
ausgestorben. Die Frankfurter Straße, die auf die Grenze nach Gubin zuführt,
ist eine Bausstelle. Etliche Läden haben für immer geschlossen. «Hier wird
nüscht mehr», sagt eine Passantin, bevor sie wegeilt, vor dem kalten Wind
auf der Flucht. Nicht mal auf dem kleinen Markt auf der Polnischen Seite ist
Leben.
Guben hat in den Jahren seit der Wende fast ein Viertel seiner Einwohner
verloren. Heute sind es noch etwa 23 500. «Wir gehen davon aus, dass die
Zahl noch auf etwa 22 000 absinkt», sagt Hübner. Damit habe dann Guben in
etwa die Größe erreicht, die es vor der «künstlichen Industrialisierung»
hatte. Die künstliche Industrialisierung begann 1960 mit dem Bau eines
Werkes für Chemiefasern. Damals wurden aus der ganzen DDR Arbeiter
angeworben. Für die mussten Wohnungen gebaut werden. Die Wohnungen, die
jetzt überflüssig sind.
Bürgermeister Hübner jammert nicht. «Wir müssen sehen, wie wir aus eigener
Kraft weiter kommen.» Denn mit der Erweiterungswelle der Europäischen Union
würden auch die Fördermodalitäten für seine Stadt schlechter. Bei der
Entwicklung setzt die Kommune auch auf die polnische Schwesterstadt Gubin.
Dort lag bis die deutsche Bevölkerung 1945 vertrieben wurde, das Zentrum.
Was heute Guben ist, war früher das Gubener Industrie- und Bahnhofsviertel.
Das macht auch städtebaulich Schwierigkeiten. Ein echtes Zentrum muss in
Guben erst entwickelt werden. Dazu soll im halbverfallenen historischen
Quartier ein Gebäude für ein Rathaus saniert werden. Vis a vis wird ein
Einkaufszentrum gebaut.
Ein bisschen weiter ist die Stadt schon bei ihrem zweiten Ziel, die
Chemische Industrie zu erhalten. Vom Faserwerk konnten immerhin gut 700
Arbeitsplätze in das heute zur Trevira GmbH gehörenden Werk gerettet werden.
Um dieses Werk ranken sich im heutigen Industriegebiet Süd weitere acht
Unternehmen mit noch einmal soviel Arbeitsplätzen. Mit zwei weiteren
Investoren wurden in den letzten Wochen Verträge unterschrieben. «Wir haben
Kompetenz, und wir räumen Investoren jeden Stein auf den Weg», sagt der
pensionierte Trevira-Chef und jetzige Wirtschaftsförderer Kurt Kosse. Er ist
sichtlich stolz darauf, dass es auch in der Zeit des deutschen Jammers am
Ende der Republik möglich ist, Investoren zu locken.
Langfristig sei Ziel, wieder Einwohner zu gewinnen, sagt Hübner. Damit die
Stadt eine Zukunft habe. Und damit sie von dem Ruf loskomme, den ihr die
Hetzjagd bescherte.