FRANKFURT (ODER) — Der Hauptangeklagte im Diskomord-Prozess vor dem
Landgericht Frankfurt (Oder) hat nach Angaben seiner Verlobten ihr die Tat
gebeichtet. Die 25-jährige Bürokauffrau aus Strausberg sagte gestern im
Zeugenstand, sie habe Matthias R. (23) am Tatabend in der Alt Zeschdorfer
Diskothek kennen gelernt. Doch erst ein Vierteljahr später, in der Nacht vor
seiner Verhaftung am 4. September 2002, habe er ihr erzählt, was nach dem
Disko-Besuch geschehen sei. In dem Prozess müssen sich sechs Angeklagte
wegen der Vorwürfe des Mordes, der Beihilfe zum Mord, des Raubes und der
unterlassenen Hilfeleistung verantworten. Die 19 bis 26 Jahre alten
Beschuldigten sollen am 1. Juni in Neu Mahlisch bei Seelow den 29-jährigen
Zimmermann Ronald Masch misshandelt und beraubt haben. Matthias R. habe das
Opfer dann aus Angst vor einer Anzeige mit einem Messer getötet. Die Zeugin
sagte, ihr späterer Verlobter sei in der Tatnacht sehr betrunken gewesen.
Später habe ihr Matthias R. erklärt, dass er eine rechtsradikale Einstellung
habe.
Jahr: 2003
Potsdam — Reges Interesse an Deutschlands erster Internet-Wache: Innerhalb der ersten 24 Stunden seit Freischaltung sind bereits 60 E‑Mails eingegangen, darunter elf Anzeigen. Der erste Fall kam aus Frankfurt (O.), wo der Diebstahl eines Rollstuhls angezeigt wurde. Die virtuelle
Polizeistube war am Donnerstag eröffnet worden.
(Aktion Rot) Am 15.02.03 fand in Bernau eine Demo gegen den drohenden Irakkrieg statt. Der Beginn war für 10:30 Uhr angesetzt, um danach noch zur Grossdemonstration in Berlin fahren zu können. Es riefen eine Reihe Bernauer Gruppen zu dieser Demo auf und so kam es, dass sich auch vor dem offiziellen
Beginn schon eine grosse Gruppe von Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz ansammelte. Die Demo begann mit einem Redebeitrag der DKP, der die “imperalistischen Interessen” der USA am Krieg kritisierte. Anschließend begann die Demo sich zu bewegen und lief die Breitscheidstrasse hinunter.
Hier folgte ein Redebeitrag der Politgruppe AKTION ROT, die im Beitrag auf die Lage des irakischen Volk hinwies und auch die Situation der irakischen Flüchtlinge betrachtete. Danach erreichte uns die Nachricht, dass es sich um ca. 400 DemoteilnehmerInnen handle. Weiterhin ging es über die Weißenseer Strasse, hier gab es noch einmal einen Beitrag der AKTION ROT. Der Sprecher erklärte die Positionierung der Gruppe zum Krieg und deutete auch noch einmal auf eines der Transparente der Gruppe. Darauf war zu lesen “Husseins
Regime stoppen — Alternativen zum Krieg suchen. Für eine kritische Linke”.
Ausserdem erklärte er, dass die Gruppe sich einzig und allein mit dem irakischen Volk solidarisiere. Weiter ging es über die Lohmühlenstraße zum Deserteurdenkmal.
Hier gab es einen Redebeitrag zu diesem Denkmal sowie der allgemeinen Folge von einem solchen Krieg, wobei die Soldaten noch einmal direkt zum Desertieren aufgerufen wurden. Danach bewegte sich die Demo zum Marktplatz,
wo Schülerinnen und Schüler ein Friedensgelöbnis durchführten. Hierbei wurden Menschen aufgerufen, sich gegen eine Beteiligung an einem Krieg bzw. ein
Engagement in der Bundeswehr auszusprechen. Es fand sich eine grosse Gruppe, die daran teilnahmen und auf die Friedensfahne gelobten.
Zu diesem Zeitpunkt waren schon 450 Menschen bei der Demo dabei. Anschließend bewegte sich die Demo zurück zum Bahnhof, wo es auf dem Vorplatz noch einen Redebeitrag der
“Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Bernau” gab. In der Rede wurde noch einmal verdeutlicht, dass sich auch Deutschland an diesem Krieg beteilige und es wurde die vollkommene Auflösung der Bundeswehr gefordert. Am
Bahnhof endete um 11:30 Uhr die Demo zahlreiche DemoteilnehmerInnen nahmen die Bahn zur Berliner Demo.
Zu einem Zwischenfall kam es, als direkt vor der Demo drei Nazis um den Bernauer NPD-Funktionär Ricardo Grassmann Flyer verteilen wollten. Die Flyer wurden
ihnen wegenommen und sie wurden aufgeforedert, sich zu verpissen. Das geschah dann auch! Die Flyer sind von einem “Nationalen Bündnis Preußen — In Brandenburg”, darauf sind zwei Postfächer und Telefonnummern in Schwedt und
Bernau angegeben.
Am Tag X wird es einen SchülerInnenstreik und um 18 Uhr eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Bernau geben. Aufruf zur Demo hier.
Bernau: 450 Menschen auf Friedensdemonstration
Am 15.02.03 fand in Bernau eine Demonstration gegen den bevorstehenden Irak-Krieg statt
(Kampagne gegen Wehrpflicht Bernau) 450 Menschen aus Bernau und Umgebung fanden sich am Samstag, den 15. Februar am Bahnhofsvorplatz ein um gemeinsam mit Millionen Menschen auf der ganzen
Welt gegen den bevorstehenden Irakkrieg zu demonstrieren. Aufgerufen hatte ein breites Bündnis unterschiedlichster Gruppen, Vereine, Kirchgemeinden und Parteien, unter ihnen die AG Aussiedler, Kontigentflüchtlinge und Ausländer;
Aktion Rot; Alternative Jugendliste Bernau; DKP Bernau;
Ehrenamtlichentreff der evangelischen Jugendarbeit in Bernau und Umgebung; Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Bernau; Friedensinitiative Bernau; Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Bernau; Panke-Park
Kulturkonvent Bernau e.V.; PDS Bernau; Umweltgruppe Ökogeist.
Die Demonstration verlief ohne Zwischenfälle, allerdings mussten drei Neonazis von den DemonstrationsteilnehmerInnen vertrieben werden, die versuchten rechtsextremes Propagandamaterial zu verteilen. Das Propagandamaterial wurde dabei sichergestellt.
Auf einer Kundgebung am Deserteurdenkmal in der Mühlenstrasse rief Dieter Gadischke vom Initiativkreis Deserteurdenkmal die Soldaten zu Verweigerung und Desertion auf. Auf dem Marktplatz gelobten viele Jugendliche sich nie an einem Krieg zu beteiligen, keine Waffen in die Hände zu nehmen und keine Kriegsdienste zu leisten. Vertreter mehrerer Schulen kündigten für den Tag X, an dem Tag an dem der Irakkrieg beginnt, einen SchülerInnenstreik an.
Außerdem wird es an diesem Tag um 18 Uhr auf dem Marktplatz eine Kundgebung geben. Thomas Janoschka, von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Bernau, forderte den Austritt Deutschlands aus der NATO, ein
totales Rüstungsexportverbot und die Auflösung der Bundeswehr.
Zahlreiche DemonstrantInnen machten sich anschließend gemeinsam nach Berlin auf um sich dort der Großdemonstration gegen den Irakkrieg anzuschließen.
Im folgenden die Rede von Thomas Janoschka
Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Bernau auf der Demo:
Wir demonstrieren heute hier um deutlich zu machen, das wir diesen Krieg nicht wollen. Und mit uns demonstrieren heute Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Wir sind nicht zu übersehen, die Mächtigen müssen uns wahrnehmen, die weltweite Friedensbewegung ist ein ernstzunehmender politischer Faktor geworden.
Aber wir wissen nicht, ob wir diesen Krieg noch verhindern können, die Regierungen der USA und Großbritanniens scheinen wild entschlossen zu sein diesen Krieg zu führen und auch das Regime im Irak scheint nicht wirklich
nachgeben zu wollen.
Es ist richtig, das wir trotzdem alles versuchen, um es nicht zu diesem Blutbad kommen zu lassen. Doch es wird nicht genügen, wenn wir uns auf den heutigen Demonstrationen ausruhen. Es wird weitere Aktionen geben müssen, weitere Demonstrationen, es gilt noch mehr Unterschriften zu sammeln, lasst uns Transparente aus den Fenstern hängen. Viele Menschen bereiten sich auf
Blockaden vor Militärflughäfen und Kasernen vor, um direkt in die Kriegsmaschinerie einzugreifen.
Doch wir müssen auch lernen, unsere Stimme nicht erst dann zu erheben, wenn die Kriegsgefahr so akut ist wie jetzt. Die Stimmen des Friedens müssen immer präsent sein und zwar lautstark, solange bis Kriege und Armeen einer dunklen
Epoche unserer Vergangenheit angehören.
Die Bundesregierung sagt, das sich Deutschland nicht direkt an diesem Krieg beteiligen wird und sie will das auch im UN-Sicherheitsrat deutlich machen.
Und das ist gut so, ein erster Erfolg der Friedensbewegung in diesem Land. Aber es hat auch etwas damit zu tun, das dieser Krieg den deutschen Interessen widerspricht.
Trotzdem wird sich Deutschland an diesem Krieg beteiligen. Deutsche Soldaten stehen mit ihren ABC-Spürpanzern in Kuwait bereit und fliegen mit den AWACS-Flugzeugen über der Türkei. Deutsche Soldaten übernehmen die Bewachung
der US-Kasernen in Deutschland und entlasten die US-Streitkräfte in Afganisthan, damit diese sich voll und ganz auf den Irakkrieg konzentrieren können. Die Bundesregierung stellt den Kriegsmaschinen den Luftraum zur Verfügung und erlaubt die Nutzung der US-Kasernen für die Vorbereitung und Durchführung des Krieges. Und auf beiden Seiten werden Waffen “made in germany” zum Einsatz kommen.
Und wir sollten uns auch im klaren darüber sein, das die kritische Position der Bundesregierung zum Irakkrieg keine generelle Absage an die Politik des Krieges bedeutet.
Erinnern wir uns an die deutsche Beteiligung
an den Kriegen
in Jugoslawien und Afganisthan unter Rot-Grün. Die Bundeswehr wird zur Zeit mit vielen Milliarden Euro zu einer weltweit einsetzbaren Armee umgebaut. Das heißt, der nächste Krieg an dem sich auch die Bundeswehr wieder eindeutiger beteiligen wird, ist nur eine Frage der Zeit, wenn wir das nicht verhindern.
Wir brauchen eine Friedensbewegung die sich für eine wirkliche Politik des Friedens einsetzt und diese dann auch durchsetzt. Die Bundesregierung versucht sich immer wieder damit herauszureden, das sie sogenannte Bündnisverpflichtungen hat. Wenn diese Bündnisverpflichtungen uns wirklich dazu zwingen sollten, diesen Krieg zu unterstützen, dann wird es höchste Zeit solche Bündnisse zu verlassen. Also endlich raus aus der NATO. Unzählige deutsche Firmen produzieren Waffen und verkaufen diese in die ganze Welt. Jeden Tag werden damit unzählige Menschen ermordet. Und wenn es um Menschenleben geht, dann zieht auch das Argument mit den Arbeitsplätzen nicht mehr. Diese Buden müssen endlich dicht gemacht werden. Wir brauchen ein umfassendes Rüstungsexportverbot.
Und wozu brauchen wir eine Bundeswehr, wenn nicht zum Kriegführen. Deutsche Interessen sollen weltweit durchgesetzt werden und wenn notwendig dann auch
mit Waffengewalt. Und dafür wird die Bundeswehr zur Zeit massiv aus- und umgerüstet. Wir sagen, Schluss damit. Und wir sollten auch endlich wieder wagen Utopien zu denken und zu formulieren. Wir fordern die ersatzlose Abschaffung der Bundeswehr. So das der Satz endlich wahr werde, das nie
wieder Krieg von deutschem Boden ausgehe.
Und es muss endlich Schluss damit sein, das sich die deutsche Politik an den Interessen des deutschen Staates und der deutschen Wirtschaft ausrichtet. Wir brauchen eine Politik die sich am Wohle aller Menschen auf der ganzen Welt ausrichtet, denn nur dann wird es wirklich Frieden geben.
Der Frieden wird uns nicht in den Schoß fallen, wir müssen uns ihn erkämpfen.
Nie wieder Krieg! Weg mit der Bundeswehr!
Mehr als 400 Menschen demonstrierten in Bernau für den Frieden
Bernau (fos/MOZ) Rund 400 Menschen nahmen an der Demonstration gegen einen Krieg im Irak am Samstag in Bernau teil. Damit wurden die Erwartungen der
Organisatoren (sie hatten mit 200 gerechnet) deutlich übertroffen. Vor allem junge und ältere Leute waren auf die Straße gegangen, um ihren Protest gegen einen Irak-Krieg, aber auch gegen Husseins Regime deutlich zu machen.
Aufgerufen hatten dazu zwölf Organisationen, unter anderem die Alternative Jugendliste Bernau, der Ehrenamtlichentreff der evangelischen Jugendarbeit, die PDS, die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde, die Friedensinitiative
Bernau und die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär. Der Zug bewegte sich über die Breitscheidstraße und die B 2 durch die Innenstadt zum
Bahnhof, wo viele mit der S‑Bahn zur Kundgebung nach Berlin fuhren. Bereits vor der Demonstration hatte in der Marienkirche eine Friedensandacht stattgefunden, an der rund 150 Menschen teilnahmen. Pfarrer Thomas Gericke, der die Position der evangelischen Kirche vorstellte, mahnte
vor der Neigung, Feindbildern, egal auf welcher Seite, nachzugehen. Sollte es zum Krieg gegen den Irak kommen, findet an diesem Tag auf dem Bernauer Marktplatz um 18 Uhr eine weitere Kundgebung statt.
Die Eltern von Marinus blicken von ihrem Fenster aus auf den Friedhof von Gerswalde. Dort können sie zwischen Blumen, Kränzen und bunten Plüschmäusen das kleine Holzkreuz sehen, das neben wuchtigen Granit-Grabsteinen
schmächtig wirkt. Hier liegt Marinus begraben, geboren am 4. September 1985, gestorben am 12.Juli 2002. Im Grab befindet sich nur die Asche vom Torso des Jungen. Sein
zertrümmerter Schädel liegt bei der Justiz. Er wird im Prozess gebraucht. Demnächst wird Anklage erhoben. Schon jetzt sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher aus Neuruppin, diese Tat stelle in der “Nichtigkeit
des Anlasses und der Brutalität des Vorgehens eine neue Dimension” dar.
Morgens führt der erste Weg von Marinus Mutter hinüber zum Grab ihres Sohnes. Gerne würde sie einen Grabstein setzen lassen. Aber das Geld dafür fehlt. Arbeitslos sind der Vater und die Mutter von Marinus, arbeitslos seine
sechs älteren Schwestern. Eine von ihnen hat selbst eine Tochter, von einem Mann, der auch keine Arbeit hat und nicht für sein Kind zahlt. So ist das in der Uckermark, wo die Arbeitslosenquote 30 Prozent erreicht. Die Bestattung
wenigstens wurde vom Sozialamt übernommen. Ein Grabstein nicht.
Das Holzkreuz ist so unscheinbar wie Marinus war, der sich mit der Sprache schwer tat und auf die Förderschule ging. “Der ist immer reingeschwebt wie eine Feder, rausgeschwebt, man hats gar nicht gemerkt”, sagt der
Kneipenwirt in Gerswalde, wo die Jugendlichen ihre Abende bei einem einzigen Bier oder einer einzigen Cola verbringen. Über Marinus reden sie jetzt nicht mehr so
oft.
Das war vor ein paar Wochen noch anders. Da war Marinus gefunden
worden,
versenkt in einer Jauchegrube im benachbarten Potzlow, zugerichtet auf
eine
Art
und Weise, die der ermittelnde Staatsanwalt “viehisch” nennt. Ein Täter
hatte
mit der Bluttat geprahlt und andere Jugendliche für Geld zu der Leiche
geführt.
Ein Junge hatte daraufhin den Mut, zur Polizei zu gehen. Jetzt sitzen
drei
junge
Männer in Haft, die den schüchternen Marinus gefoltert und getötet
haben
sollen.
Sie sollen ihn “Jude” genannt haben, sie sollen sich über sein blond
gefärbtes
Haar aufgeregt haben, mit dem er versuche, “arisch” auszusehen. Sie
sollen
ihn
umgebracht haben, weil er weite Hiphopper-Hosen trug. Bevor sie
loszogen,
hatten
die drei mutmaßlichen Täter sich den Videofilm “American History X”
angeschaut,
in dem ein Skinhead drei Schwarze brutal tötet.
Es geht im Fall Potzlow aber nicht nur um außer Rand und Band geratene
Jugendliche. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen Erwachsene,
zwei
Männer
und eine Frau zwischen 37 und 46 Jahren. Sie sollen den Beginn des
bestialischen
Verbrechens mitbekommen haben, ohne einzugreifen. In ihrer Wohnung
begann
das
Martyrium von Marinus, der beschimpft und geschlagen wurde. Die Täter
zwangen
den Jungen zu den verfallenden Ställen am Rande Potzlows, wo zu
DDR-Zeiten
noch
Vieh stand. Dort folterten sie ihn zu Tode und versenkten die Leiche in
einer
Jauchegrube. Monatelang wurde er nicht gefunden. Die erwachsenen
Tatzeugen
schwiegen.
Jetzt sitzen zwei 17-Jährige, Sebastian F. und Marcel S., in Haft. Und
der
Bruder von Marcel, Marco S., 23 Jahre alt, der in der Gegend als
unbelehrbarer
Neonazi gilt. Eine Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene, sagt
Ermittler
Schnittcher, sei “bei allen drei Beschuldigten sehr deutlich gegeben”.
Im
August, die Leiche von Marinus war noch nicht gefunden, trat der kahl
geschorene
Marco S. in der Uckermark-Kreisstadt Prenzlau gemeinsam mit drei
anderen
Jugendlichen auf einen Mann aus Sierra Leone ein. Der Prozess folgte
schnell,
Marco S. wurde im Oktober zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Seine
Freundin
Nicole B., die ebenfalls dabei war und eine zehnmonatige Jugendstrafe
bekam,
taucht im Zusammenhang mit dem Mordfall Potzlow wieder auf. Einem
Jungen,
der
als Zeuge gehört wird, drohte sie auf dem Schulhof, ihm könne “auch so
etwas
passieren”. Jetzt sitzt sie in Haft.
Voller Schrecken blickt die Öffentlichkeit in die Uckermark, diese
abgehängte
Gegend, in der bereits Mitte der 90er Jahre eine brutale Skinhead-Szene
andere
Jugendliche terrorisierte. Im Oktober 1996 schlug eine Gruppe dieser
Neonazis in
Sternhagen, einem Ort nahe Potzlow, mit einer Baseballkeule auf einen
Streetworker ein und trat ihn, als er am Boden lag, mit
Springerstiefeln.
Der
Mann erlitt einen “Schädelbruch mit Eindringen von Knochensplittern in
die
Augenhöhle”, wie es im Urteil hieß. Die brandenburgische Politik wurde
endlich
wach, und am runden Tisch beschloss man, die Jugendlichen nicht mehr
sich
selbst
zu überlassen. Die Gemeinde stellte das ehemalige Gutshaus zur
Verfügung,
der
Kinder- und Jugendzentrum Strehlow e.V. nahm seine Arbeit auf. Petra
Freiberg
war dabei.
Sie ist eine schmale Frau, die Wärme ausstrahlt und Energie. Das fällt
auf
in
einer Gegend, wo Lethargie an der Tagesordnung ist. Jeden Abend hat ihr
Jugendzentrum bis 22 Uhr geöffnet, zurzeit spielen die Besucher an
ihrem
Computer gerne Börse. Nebenan in der Bar stehen Fußballpokale, und
Petra
Freiberg sitzt in den pastellfarben gestrichenen Kellerräumen, um zu
reden
und
zuzuhören. “Den Eltern ist das bockwurscht, wo ihre Kinder sind”,
empört sie
sich. Auch zwölf Jahre nach der Wende hätten viele Erwachsene noch
nicht
begriffen, dass sie selbst Verantwortung übernehmen müssten, für sich
und
ihre
Kinder.
Der Arbeitskampf der Busfahrer des Eisenhüttenstädter Personennahverkehrs (EPNV) nimmt verschärfte Formen an.
Die Geschäftsführung hat den Arbeitnehmern inzwischen eine Aussperrung ausgesprochen. Außerdem erstattet die Geschäftsführung Anzeige bei der Polizei, nachdem ein Bus manipuliert und fahruntüchtig gemacht worden ist. Die Streikenden selbst wollen heute vor das Rathaus marschieren und ihren Protest kundtun.
Von Versöhnung zwischen Gesellschaftern, Geschäftsführung und Streikenden ist keine Spur. Die Fronten sind verhärtet. Walter Dudek will als Geschäftsführer des EPNV Anzeige bei der Polizei erstatten, nachdem an einem EPNV-Bus, der durch ein Subunternehmen am Busbahnhof abgestellt worden war, am Morgen mehrere Kabelverbindungen auseinandergezogen und Relais gelöst worden waren. „Es besteht der Verdacht, dass am Bus manipuliert wurde“, sagt Dudek. Die Gewerkschaft betont, damit nichts zu tun zu haben.
Die ersten Busse von Privatfirmen befahren inzwischen wieder einige Linien des EPNV, während dessen eigene Busse fast ausnahmslos im Depot stehen. „Die EPNV-Busse kommen hier nicht raus“, bestätigt Jens Gröger von der Gewerkschaft ver.di und signalisiert wiederholt seine Verhandlungsbereitschaft. „Wir sind nicht die Blockierer“, sagt Gröger und kündigt an, mit den 40 Streikenden heute gegen 10 Uhr vor das Rathaus ziehen zu wollen. Das Gewerkschaftsangebot mit 9,5 Prozent weniger Nettoeinkommen hält Gröger nach wie vor aufrecht. „Die Kollegen sind bereit, auf fünf Prozent ihrer Arbeitszeit zu verzichten, was auch fünf Prozent weniger in der Brieftasche ausmacht. Hinzu kommen 4,5 Prozent weniger durch den Spartentarifvertrag – das sind effektiv 9,5 Prozent und das ist unser Angebot“, sagt Gröger.
Bei ihren Berechnungen scheinen sich die strittigen Parteien nicht auf einen Nenner einigen zu können, denn auch Walter Dudek als Geschäftsführer hält zehn Prozent, ja selbst 9,5 Prozent Verzicht für verhandlungswürdig. „Aber die Gewerkschaft rechnet Zusatzurlaube, die es gar nicht mehr gibt, in Geld um und kommt so zu anderen Ergebnissen“, sagt Dudek. Er hat inzwischen eine unbefristete Aussperrung ausgesprochen und wartet nun auf eine Reaktion seitens der Gewerkschaft.
Die Kunden des EPNV zeigen bislang größtenteils Verständnis für die Kampfmaßnahme. „Für die, die auf den Bus angewiesen sind, ist es natürlich schlecht“, sagt Rita Arendt, findet den Streik an sich aber schon in Ordnung, wenn er denn angekündigt worden wäre. Rita Arendt nutzt die gut ausgelastete City-Linie 2, die sie am Donnerstag vom Busbahnhof in den VII. Wohnkomplex bringt. Viele andere, vornehmlich ältere Frauen, steigen am Busbahnhof zu und debattieren zuvor darüber, ob es nicht angenehmer gewesen wäre, sich zu dritt ein Taxi zu ordern. Am Steuer des MAN-Busses sitzt Unternehmerin Angelika Kussatz. „Steigen Sie hier vorn aus, die hintere Tür streikt“, ruft sie freundlich den Fahrgästen zu, die den Bus verlassen wollen und sorgt angesichts der Wortwahl für Heiterkeit. Sie selbst streikt nicht. Die Firmenchefin, die mit ihren Mitarbeitern seit elf Jahren u.a. Behindertentransporte übernimmt und auch eine Linie für den EPNV fährt, ist für ihren Angestellten eingesprungen, der von den Streikenden eingeschüchtert worden sein soll. Verständnis für den Streik hat sie nur bedingt. „Natürlich ist es ärgerlich, wenn man plötzlich weniger verdient, aber ich kann meinen Leuten auch keinen Tarif und schon gar kein Weihnachtsgeld zahlen.“ Auch darüber diskutiert sie in den kurzen Pausen am Busbahnhof mit den Gewerkschaftsvertretern, die ihr ins Gewissen reden wollen. Doch streiken kommt für die Geschäftsfrau und Busfahrerin nicht in Frage: „Ich kann doch die EPNV-Geschäftsführung jetzt nicht hängen lassen. Dann bin ich raus aus dem Geschäft“, sagt sie.
Detaillierte Informationen zum Fahrplan des EPNV gibt es unter der Rufnummer (03364) 40 26 11
Freitag, 14. Februar 2003 (08:39 Uhr)
Beweisvideos manipuliert (?)
Am 10.02. fand vor dem Amtsgericht Potsdam der nunmehr 6. Verhandlungstag im Prozeß wegen
Übler Nachrede gegen den Kampagne-Aktivisten Lutz Boede statt. Noch immer geht es um Vorwürfe, die in den PNN gegen die Polizei erhoben wurden, nachdem sie das zuvor von
Hertha-Fans und Nazis angegriffene Wohnprojekt in der Babelsberger Breitscheidstr. 6 am 25.8.01 gestürmt und regelrecht geplündert hatte.
Nachdem das Gericht inzwischen als wahr unterstellt, daß die Polizei Musikanlagen zerstört und das Haus verwüstet hat, dreht sich die Beweisaufnahme nun vor allem um
die Frage, ob Polizisten auch Getränke und Bargeld gestohlen und in Polstermöbel gepinkelt haben.
Der 6. Verhandlungstag war sicher einer der bislang bizarrsten. Gleich 16 Polizisten drängten sich im Flur. Grund dafür war der Umstand, daß die Richterin den Antrag der Verteidigung, eine Liste der eingesetzten Polizisten erstellen zu lassen, zuvorkommend in eine pauschale Einladung an alle eingesetzten Beamten umgewandelt
hatte. Die meisten Polizisten waren nicht einmal im Haus gewesen. Wer dies dennoch aussagte, wurde kurz und bündig gefragt: “Haben Sie Getränke getrunken, die Ihnen
nicht gehörten? Haben Sie Geld geklaut? Haben Sie in Polstermöbel uriniert?” Nach den einhelligen Verneinungen hatte die Richterin keine Fragen mehr. Die 16
Polizisten wurden im Schnelldurchlauf abgearbeitet, weil “die Wache Babelsberg ihre Leute wieder zurückbraucht”. So blieb noch Zeit für eine zweite große Panne bei der Vorführung der Videos. In den vorigen Verhandlungstagen war ein offensichtlich geschnittenes Videoband gezeigt worden, das die von den Polizeieinsatzhundertschaften angefertigten Videos zeigen sollte. Die vermeintlichen Originalkassetten aus den Polizeikameras befanden sich in der Akte. Die Richterin
war davon ausgegangen, daß diese nur 1:1 auf eine große Kassette überspielt wurden, die ja bereits vorgeführt wurde. Zu ihrer offensichtlichen Verblüffung zeigten die
nun auf Antrag der Verteidigung eingelegten Videos nur Szenen von Bauarbeiten im Ersatzojekt in der Zeppelinstraße, in das die Breiti inzwischen umgezogen ist.
Wie diese Aufnahmen in die Akte gekommen sind, blieb ebenso rätselhaft wie die Frage, wo denn die ungekürzten Originalaufnahmen geblieben sind.
Der nächste und vielleicht letzte Verhandlungstag findet am Mittwoch, dem 19.02.03 9.30 Uhr statt. Hier werden noch zwei unabhängige Zeuginnen, die die Festnahme vor
dem Haus beobachtet haben und der für die Durchsuchung verantwortliche Polizist
aussagen. Dann folgen die Abschlußplädoyers.
Potsdam (ddp-lbg). Experten aus ganz Brandenburg treffen sich am Samstag in
Potsdam zu einer Fachkonferenz über rechtsextremistische Kriminalität und
den Opferschutz. Erwartet werden die Mitglieder des Netzwerkes
«Koordinatoren gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt», wie das
Bildungsministerium am Freitag in Potsdam mitteilte. Justizministerin
Barbara Richstein (CDU) wird einen Vortrag zum Thema «Opferschutz bei
rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten» halten.
Zudem ist ein Referat zum «Umgang mit potenziellen Opfergruppen und zu
präventiven Ansätzen im kommunalen Raum» geplant. Den Vorträgen folgt ein
Podiumsgespräch, bei dem die Experten der Frage nachgehen wollen, wie die
Öffentlichkeit mehr auf die Opfer fremdenfeindlicher Gewalt aufmerksam
gemacht werden kann.
“Krieg ist keine Lösung”
Der Landesverband von Bündnis 90 /Die Grünen Brandenburg ruft erneut dazu
auf, sich an der zentralen Demonstration gegen den drohenden Irak-Krieg am
15. Februar in Berlin zu beteili-gen. Wir sagen Nein zu einem Krieg, der
unzähligen Menschen Leid und Elend bringen würde und die Gefahr birgt, die
gesamte Region dauerhaft zu destabilisieren.
Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Anstrengungen, den Irak ohne den
Einsatz militärischer Gewalt zu entwaffnen. Wir stellen uns hinter die
Forderung der Vereinten Nationen nach einer kompletten, kontrollierten
Abrüstung des Irak bei den Massenvernichtungswaffen und unter-stützen die
Arbeit der UN-Waffeninspekteure. Wir wenden uns jedoch gegen die Strategie
der USA, die Abrüstungs-Forderung zum Anlass für einen Präventiv-Krieg zu
nehmen.
Ein Krieg gegen den Irak hätte katastrophale Folgen für die Bevölkerung des
Landes. Darüber hinaus würde er unabsehbare Gefahren für den Nahen und
Mittleren Osten und für die welt-weite Koalition gegen den internationalen
Terror mit sich bringen. Es ist im Übrigen nicht im In-teresse eines
friedlichen, demokratischen Europas, sich an einem Militärschlag zu
beteiligen, der die auf Frieden und wirtschaftliche Stabilität
ausgerichteten Beziehungen zu €päischen Nachbarregionen beschädigt.
Die Kritik an der amerikanischen Irak-Politik richtet sich nicht
grundsätzlich gegen die USA. Sie soll die transatlantischen Beziehungen
nicht beschädigen. Dennoch wollen wir offen sagen, dass wir die Strategie
der USA für falsch und gefährlich halten. Wir begrüßen deshalb die Politik
der rot-grünen Bundesregierung, die zu einer Stärkung der Opposition gegen
einen Irak-Krieg bei-getragen hat.
Die Friedensdemonstration findet am Samstag, dem 15. Februar, in Berlin
statt. Die Bündnis-grünen sammeln sich ab 11.15 Uhr am Roten Rathaus,
Rathausstraße, Ecke Spandauer Straße. Die Demo beginnt ab 12 Uhr am
Alexanderplatz und am Breitscheidplatz. Die Abschlusskund-gebung ist
zwischen 14 und 16 Uhr in der Nähe des Brandenburger Tors.
Bündnis 90 / Die Grünen Brandenburg
Lindenstr. 53
14467 Potsdam
Hindenburg bleibt Ehrenbürger
(MAZ) Paul von Hindenburg bleibt Potsdamer Ehrenbürger. Diese Vorentscheidung traf
der Hauptausschuss der Stadtverordneten gestern Abend gegen die Stimmen der
PDS und der Fraktion Die Andere. Mit neun zu vier bei Enthaltung der Grünen
folgte das Gremium der Empfehlung der Historiker Martin Sabrow und Bernhard
R. Kroener, die man um eine wissenschaftliche Bewertung des
Streichungsantrages der Fraktion Die Andere gebeten hatte. Zugleich einigte
man sich, eine Erklärung zur Person des zweiten deutschen Reichspräsidenten
und Generalfeldmarschalls von Hindenburg zu erarbeiten. Damit solle
vermieden werden, das die Ablehnung der Streichung als “falsches Signal”
ankomme, sagte Bündnisgrünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke, auf deren
Anregung hin die Erklärung formuliert werden soll. In der Debatte prallten
zwei Sichtweisen aufeinander. Martin Sabrow vom Zentrum für zeithistorische
Forschungen fasste die eine: Es gehe nicht um ein Pro oder Kontra zu
Hindenburg, sondern um die Frage: “Wie weit geht unsere geschichtspolitische
Reinigungsberechtigung?” Auch sein Kollege Kroener, Professor für
Militärgeschichte an der Universität Potsdam, betonte den zeithistorischen
Wert der Ehrenbürgerliste. Sie sei allein als Geschichtsdokument und im
Entscheidungskontext ihrer Zeit zu nehmen. Ihre Existenz führe immerhin
dazu, dass nicht einfach der Mantel des Vergessens ausgebreitet werde, sagte
Kroener. Sabrow verwies darauf, dass andere Kommunen problematische Namen
stillschweigend gestrichen hätten. Die Gegenposition vertraten Björn O.
Wiede, der die Debatte im Kontext der Vorbereitung der 70. Wiederkehr des
“Tages von Potsdam” ins Rollen gebracht hatte, und PDS-Fraktionschef
Hans-Jürgen Scharfenberg. Wenn man auf die Streichung verzichte, bestätige
man damit den Akt vom April 1933, als die Potsdamer Stadtverordneten Hitler
und Hindenburg gleichzeitig zu Ehrenbürgern erklärten. Kroener verwies auf
ein Problem: Potsdam habe bisher nur Nazi-Größen aus seiner Liste
gestrichen. Wenn nun als einziger Nicht-Nazi Hindenburg getilgt würde,
setzte man ihn mit Hitler und Göring gleich. Dass dies angesichts der
Differenziertheit der Person unangemessen wäre, verdeutlichten beide
Historiker. Sabrow erklärte, dass man den Reichspräsidenten natürlich als
Steigbügelhalter der Nazis sehen könne, wenn man die Dolchstoßlegende und
den permanenten Versuch der Restaurierung der Monarchie heranziehe. “Dies
ist eher die Vita eines Henkers denn eines präsidialen Hüters der Republik”,
sagte Sabrow. Dennoch gebe es genug Gründe für die Gegenthese, dass
Hindenburg “effektiveren Widerstand gegen Hitlers Machtübernahme geleistet
hat als der kommunistische Parteiführer Ernst Thälmann oder der
sozialdemokratische Ministerpräsident Otto Braun”. Ohne die Kandidatur des
84-Jährigen wäre Hitler bereits im April 1932 Reichspräsident gewesen, sagte
Sabrow. Die Nationalsozialisten hätten stattdessen den Eindruck gewinnen
müssen, sie könnten sich “zu Tode siegen”, würden aber stets am “Bollwerk
Hindenburg” scheitern. Kroener erinnerte daran, dass sich der greise
Reichspräsident noch am 20. Januar 1933 geweigert hatte, Hitler zum
Reichskanzler zu berufen. Er wurde erst durch seinen Sohn Oskar und den zurü
ckgetretenen Reichskanzler Franz von Papen überzeugt, dass die Einbindung
der Nazis ins Kabinett einzige Alternative zur gescheiterten Politik der
Notverordnungen sei. Bis dahin hatte Hindenburg stets die Ansicht vertreten,
er könne keiner Partei die Macht übergeben, die “einseitig gegen
Andersdenkende eingestellt” sei und eine Diktatur anstrebe, erinnerte
Kroener. Der “Tag von Potsdam”, an dem Hindenburg, nicht Hitler im
Vordergrund gestanden habe, könne insofern auch als “letzte glänzende
Manifestation des konservativen Preußentums” gedeutet werden, sagte Martin
Sabrow.
Handschuhe für Nazi-Symbole
Handschuhe für Nazi-Symbole
Diskomord-Prozess in Frankfurt (Oder) wurde fortgesetzt
(MAZ) FRANKFURT (ODER) Im Diskomord-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt (Oder)
haben zwei Angeklagte ihre an SS-Runen erinnernde Finger-Tätowierungen
verhüllen müssen. Am gestrigen zweiten Verhandlungstag trug der
Hauptbeschuldigte Matthias R. (23) eine Bandage über der Hand. Der
Mitangeklagte Maik W. (21) zog erst im Saal Gummi-Handschuhe über. Der
Staatsanwalt hatte zu Prozessbeginn Ermittlungen angedroht, falls die
NS-Zeichen weiter zu sehen werden. Auch der Vorsitzende Richter stellte
klar, dass er eine Zurschaustellung der Zeichen nicht dulden werde. In dem
Prozess müssen sich insgesamt sechs Angeklagte wegen der Vorwürfe des
Mordes, der Beihilfe zum Mord, des Raubes und der unterlassenen
Hilfeleistung verantworten. Die 19 bis 26 Jahre alten Beschuldigten sollen
am 1. Juni des vergangenen Jahres in Neu Mahlisch (Märkisch-Oderland) einen
29-jährigen Mann misshandelt und beraubt haben. Matthias R. habe das Opfer
dann aus Angst vor einer Anzeige mit einem Messer ermordet. Ein Angeklagter
sagte gestern er habe vom Auto aus beobachtet, wie vier seiner Kumpanen den
Mann zu Boden schlugen und dann weiter auf ihn eintraten. Bei der Bluttat
selbst sei er nicht dabei gewesen. Er habe aber dem blutbefleckten Matthias
R. anschließend vorgeschlagen, die Sachen zu verbrennen. Auf die Frage,
warum er getötet habe, habe R. ihm am nächsten Tag geantwortet, er wisse das
nicht. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Das Urteil soll
voraussichtlich am 6. März verkündet werden.
Warnsignal
Kommentar von Jutta Abromeit in der MAZ
Fünf Ludwigsfelder Jugendliche sind vom Landgericht Potsdam verurteilt
worden, weil sie einen Mosambikaner fast zu Tode prügelten: versuchter Mord
einer “emotional verelendeten Jugendclique mit diffuser rechtsradikaler
Einstellung”. Von einem Schock in der bisher als besonders
ausländerfreundlich geltenden Stadt Ludwigsfelde ist nichts zu merken. Ein
Verteidiger der vier Unter-18-Jährigen hatte am Telefon gegenüber der
MAZ-Lokalredaktion gesagt, “da soll ein Exempel wegen Ausländerfeindlichkeit
statuiert werden”. Doch eine “ganz normale Prügelei”, wie im Gerichtssaal zu
hören, war es mit Sicherheit nicht. Denn schon bei einem Prozess voriges
Jahr in Zossen ging es um den Haupttäter. Der wurde nicht in den Saal
gelassen, weil Jugendliche seiner Clique vor ihm Angst hatten. Es deutete
sich an, dass David E. seinen Vasallen Drogen verkaufte beziehungsweise sie
Drogen verkaufen ließ. Sie sind also in mehrfachem Sinne von ihm abhängig.
Jetzt sitzt der Neonazi für achteinhalb Jahre hinter Gittern. Wenn die
Mittäter auch noch nicht viel in ihrem Leben begriffen haben, aber das ist
die Chance für sie. Für Ludwigsfelde ist ihre Tat ein Warnsignal — hier sind
die Menschen nicht besser oder schlechter als anderswo.
Diskomord-Prozess: Angeklagte müssen Nazi-Symbole verhüllen
(MOZ) Frankfurt (Oder). Im Diskomord-Prozess vor dem Landgericht
Frankfurt (Oder) haben zwei Angeklagte ihre an SS-Runen erinnernde
Finger-Tätowierungen verhüllen müssen. Am zweiten Verhandlungstag am
Mittwoch trug der Hauptbeschuldigte Matthias R. (23) eine Bandage über der
Hand. Der Mitangeklagte Maik W. (21) zog erst im Saal Gummi-Handschuhe über.
Der Staatsanwalt hatte zu Prozessbeginn Ermittlungen angedroht, falls die
NS-Zeichen weiter zu sehen werden. Auch der Vorsitzende Richter stellte
klar, dass er eine Zurschaustellung der Zeichen nicht dulden werde.
In dem Prozess müssen sich insgesamt sechs Angeklagte wegen der Vorwürfe des
Mordes, der Beihilfe zum Mord, des Raubes und der unterlassenen
Hilfeleistung verantworten. Die 19 bis 26 Jahre alten Beschuldigten sollen
am 1. Juni 2002 in Neu Mahlisch bei Seelow einen 29-jährigen Mann
misshandelt und beraubt haben. Matthias R. habe das Opfer dann aus Angst vor
einer Anzeige mit einem Messer getötet.
Ein Angeklagter sagte am Mittwoch, er habe vom Auto aus beobachtet, wie vier
seiner Kumpanen den Mann zu Boden schlugen und dann weiter auf ihn
eintraten. Bei der Bluttat selbst sei er nicht dabei gewesen. Er habe aber
dem blutbefleckten Matthias R. anschließend vorgeschlagen, die Sachen zu
verbrennen. Auf die Frage, warum er getötet habe, habe R. ihm am nächsten
Tag geantwortet, er wisse das nicht. Der Prozess wird am Freitag
fortgesetzt. Das Urteil soll voraussichtlich am 6. März verkündet werden.
Eine Frage der Wahrnehmung
In Potsdam werden fünf Rechte wegen versuchten Mordes zu hohen Haftstrafen
verurteilt. In Cottbus muss ein Gericht ein Verfahren wegen eines rechten
Überfalls auf eine Berliner Ska-Band einstellen, weil schlampig ermittelt
wurde
(TAZ) Der 4. August vorigen Jahres muss eine laue Sommernacht gewesen sein. Für
Ali Ibrahim, einen ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter, war das,
was sich damals in einem Waldstück bei Ludwigsfelde abspielte, die Hölle.
Ahnungslos tappte der 38-Jährige in die Falle einer fünfköpfigen rechten
Clique. Zwei Stunden misshandelten sie ihn aufs schwerste. Das Landgericht
Potsdam wertete die Tat am Dienstag als versuchten Mord.
Ali Ibrahim kannte die beiden 15- und 16-Jährigen, die ihn “zu einer Party”
einluden. Doch statt einer Feier erwartete den Mosambikaner bei seiner
Ankunft im Wald ein mehrstündiges Martyrium — geplant von einer “emotional
verelendeten Jugendlclique mit diffusem rechtem Weltbild”, wie Richter Klaus
Przybilla die fünf Angeklagten im Alter zwischen 15 bis 22 Jahren
bezeichnete.
Insbesondere der 22-jährige David E. — wegen rechter Delikte schon
vorbestraft — tat sich dabei hervor. Mit den Rufen “Du Neger! Du schwarze
Sau!” eröffnete David E. nach Ansicht des Gerichts den Reigen
“menschenverachtender Brutalität”. Nach eigenen Aussagen der fünf
Angeklagten bei der Polizei zertrümmerte zuerst David E. eine Bierflasche
auf dem Kopf des vor Angst paralysierten Opfers und boxte es ins Gesicht.
Nach weiteren Tritten und Schlägen lag der Mosambikaner am Boden. Einer der
Angreifer hielt dann seinen Kopf fest, während die anderen ihn auszogen und
anschließend auf Oberkörper, Bauch und Kopf sprangen. Irgendwann verlor der
Mosambikaner das Bewusstsein. Seine Peiniger machten weiter; David E. soll
ein brennendes Feuerzeug an die Haut des Opfers gehalten haben.
Gegen 5 Uhr morgens, als Ali Ibrahim sich nicht mehr regte, ließen die
Angreifer ab. David E. ging zum Schlafen nach Hause und brüstete sich
anderntags, der Abend sei “geil” gewesen; die anderen versetzten ihr Zelt um
einige hundert Meter weiter an eine andere Stelle im Wald. “Sie wollten
nicht töten, aber sie überließen es dem Zufall, ob ihr Opfer sterben würde”,
so das Gericht. Ali Ibrahim überlebte. Doch die Misshandlungen haben nach
Angaben des Vereins Opferperspektive bei ihm zu einem schweren Trauma
geführt. Jeder Schritt vor die Tür sei mit Angst besetzt. Als Ali Ibrahim
vor Gericht seine Erinnerungen an die Augustnacht schilderte, schloss das
Landgericht die Angeklagten aus. Zu groß sei die Gefahr einer
Retraumatisierung, so Richter Przybilla.
In ihrem Plädoyer ging die Staatsanwaltschaft von einer “politisch
motivierten Tat aus. Dem folgte das Gericht. Es verurteilte David E. zu
achteinhalb Jahren Haft, zwei Mitangeklagte zu drei und fünf Jahren
Jugendhaft. Die beiden jüngsten Angeklagten erhielten zwei Jahre auf
Bewährung.
Während sich das Landgericht Potsdam von seinem Urteil eine erzieherische
Wirkung erhofft, offenbarten die Strafverfolgungsbehörden in Cottbus am
gleichen Tag ein völlig anderes Vorgehen im Anschluss an einen
rechtsextremen Überfall. Knapp zweieinhalb Jahre dauerte es, bis der Angriff
auf die Berliner Ska-Band “Mothers Prid
e” im Anschluss an ein Konzert in
Cottbus überhaupt vor Gericht kam. Der dunkelhäutige Bassist der Band war
damals als “Niggerschwein”, eine Freundin der Band als “Niggerschlampe”
beschimpft worden. Vier Bandmitglieder kamen mit schweren Prellungen ins
Krankenhaus. Trotzdem schloss die Polizei in Cottbus von vornherein einen
rechten Hintergrund aus. Vor Gericht gestanden die vier Angeklagten aus dem
rechten Hooligan-Milieu zwar ihre Tatbeteiligung. Sie kamen jedoch mit
Geldstrafen davon.