POTSDAM. Rund 50 Demonstranten haben am Sonnabend in Potsdam gegen die
internationale Waffenbörse protestiert, die am selben Tag im Blauhaus
stattfand.
Aufgerufen zu der Kundgebung hatten die Potsdamer Grünen. “Wir lehnen
einen
Waffenkult nach amerikanischem Vorbild ab”, sagte die
Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm. Waffenbörsen würden jüngere
Menschen zu militärischen
Handlungen verleiten. Die Grünen in Potsdam hatten Ministerpräsident
Matthias
Platzeck (SPD) vor einigen Tagen aufgefordert, die Waffenbörse zu
verbieten. In
anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen seien solche Waffenmessen
verboten, sagte der Sprecher des Kreisverbandes, Nils Naber.
Die Waffenbörse, die zum dritten Mal in Potsdam stattfand, zählte
mehrere
tausend Besucher. Neben Waffen verschiedenster Art wurden auch so
genannte
historische Kriegsliteratur, Orden und Ehrenzeichen aus dem Dritten
Reich
angeboten.
Jahr: 2003
1000 Menschen auf Antikriegsdemo
POTSDAM. Erstmals ist auch in Potsdam mit einer Lichterkette gegen den
drohenden Irak-Krieg protestiert worden. Fast 1 000 Menschen waren dem
Aufruf der
Potsdamer Friedenskoordination nach deren Angaben gefolgt. Die etwa 600
Meter
lange Lichterkette für den Frieden wurde von Trommelrhythmen begleitet.
Der
Deutsche Gewerkschaftsbund und die PDS unterstützten den Protest.
Potsdam — Brandenburg beteiligt sich intensiv am Aufbau der Gendatei des Bundeskriminalamtes (BKA). Wie Justizministerin Barbara Richstein (CDU)mitteilt, wurden bis Anfang Januar 2003 insgesamt 4291 Speichelproben
an das Bundeskriminalamt geliefert. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt wurden bei knapp 3600 Straftätern und Beschuldigten Proben genommen und in Mecklenburg-Vorpommern
2880. Eine solche Speicherung soll die Identitätsfeststellung eines Beschuldigten auch in eventuellen künftigen Verdachtsfällen ermöglichen. Bevor eine Speichelprobe ans BKA geht, muss jedoch ein Gerichtsbeschluss vorliegen. Dagegen erfolgt in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen die Entnahme auf
freiwilliger Basis und ohne richterlichen Beschluss. Bayern habe auf diese Weise fast 50 000 Gendateien gespeichert, Baden-Württemberg 42 000 und Sachsen 15 500.
ORANIENBURG/HENNIGSDORF Die Tat ist ungeheuerlich: Ein 39-jähriger Hennigsdorfer provoziert mit einem 20-jährigen Schwarzafrikaner auf der Berliner Straße in Hennigsdorf einen Streit. Er pöbelt den Farbigen auf übelste Art und Weise an. Ein Streifenpolizist geht dazwischen. Der angetrunkene Hennigsdorfer lässt jedoch nicht locker. Er lauert dem Asylbewerber auf. Als der stark gehbehinderte Farbige vom Einkaufen zurückkommt, brüllt der Angreifer “Scheißneger” und schlägt seinem Opfer brutal ins Gesicht.
Wegen Körperverletzung und Beleidigung hat das Oranienburger Amtsgericht Michael Werner G. gestern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Der arbeitslose Angeklagte ist vorbestraft. Er muss die Strafe absitzen.
“Die Tat zeugt von einer ganz erbärmlichen Gesinnung”, sagt der Staatsanwalt. Und er liest dem Angeklagten weiter die Leviten: “Sie haben sich den Schwächsten rausgesucht, einen Schwarzafrikaner und einen Behinderten. Zutiefst verachtenswert.” 15 Monate Freiheitsstrafe fordert er.
Der Nebenkläger geht noch einen Schritt weiter: Er spricht von einer klar “rassistisch motivierten Straftat”. Härte fordern beide von Richterin Christine Weiß.
Der Angeklagte, der einen langen Zopf trägt, ist weitgehend geständig. Zum Schluss stammelt er sogar eine Entschuldigung. Seit neun Jahren ist er arbeitslos und polizeilich bekannt. Wegen Förderung der Prostitution und eines Betäubungsmitteldelikts saß er bereits 15 Monate im Knast.
Am 21. Juni rastete er im vergangenen Jahr dann in Hennigsdorf wieder aus. Michael Werner G. hatte den ganzen Tag getrunken. Zur Tatzeit hatte er mindestens 2,37 Promille intus. Er ist mit dem Rad auf dem Weg nach Hause. In der Berliner Straße steuert er auf sein Opfer mit dem Rad direkt zu. Er zeigt ihm den Stinkefinger und pöbelt ihn grundlos an. Ein Revierpolizist geht dazwischen, versucht zu schlichten.
Das Opfer, Ibrahim Y., lebt seit vier Jahren im Hennigsdorfer Asylbewerberheim. Der 20-Jährige kommt aus Sierra Leone. Nach dem Streit auf der Straße kauft er in dem Penny-Markt an der Berliner Straße ein. Michael Werner G. überbrückt die Zeit in einem benachbarten Biergarten. Als Ibrahim Y. aus dem Supermarkt kommt, stürmt der Angreifer erneut auf ihn zu. Die Situation eskaliert. Michael Werner G. verpasst ihm zwei Schläge ins Gesicht. Die Polizei kann den Täter noch am selben Abend schnappen.
“Es gab viele Passanten, keiner kümmerte sich”, sagt das Opfer wortgewandt vor Gericht aus. “Wenn ich Deutscher gewesen wäre, hätte er mich nicht angegriffen”, ist Ibrahim Y. überzeugt. Und ein wenig versöhnlich: “Es gibt in Hennigsdorf viele nette Leute, nur wenige sind aggressiv und verbale Aggressionen halte ich auch aus.”
NEURUPPIN Durchaus auch kritische Töne schlug die Gleichstellungbeauftragte des Landkreises Marlies Grunst am Mittwoch vor dem Kultur- und Sozialausschuss des Kreistages an. Grunst erstattete Bericht zur Lage von Ausländern im Landkreis.
Für eines der größten Probleme hält Marlies Grunst die langen Bearbeitungszeiten für Asylanträge. Sie berichtet von einer Familie, die 1991 ins Land kam: “Die Kinder sind heute 18 und 19 Jahre alt. Sie sind in Deutschland aufgewachsen und sollen nun nach Hause. Zu Hause ist für sie Deutschland und nicht der Kosovo.” Solange das Verfahren nicht entschieden sei, habe ein Asylbewerber keine Chance auf Integration. Das jahrelange Warten mache die Menschen krank. “Ein faires, effizientes und zügiges Asylverfahren muss doch auch in anderthalb Jahren machbar sein”, meint die Gleichstellungsbeauftragte.
Am härtesten treffe es stets die Kinder und Jugendlichen. Zwar gebe es auch für Asylbewerber einen Anspruch auf Kinderbetreuung, doch in der Stadt Neuruppin werde er beispielsweise glatt ignoriert. “Nach wie vor wird den Asylbewerberkindern der Zugang zu einer Kindertagesstätte nicht ermöglicht, obwohl freie Plätze vorhanden sind. Solche Probleme sind mir aus keinem anderen Landkreis bekannt. Neuruppin lehnt es ab, den Eigenanteil bei der Kita-Finanzierung zu übernehmen, den es laut Gesetz zu tragen hat. Dabei ist eine Kita ein sehr guter Ort für die Integration, zum spielenden Erlernen der deutschen Sprache.”
Defizite sieht Grunst auch bei der Beratung von Ausländern im Landkreis. Zwar sei es in den vergangenen Jahren gelungen, das Angebot in Kooperation mit Nachbarkreisen auszubauen, und im Projekt “Transfair” des Vereins Stattwerke Berlin werden junge Leute ausländischer Herkunft auf das Berufsleben vorbereitet. Doch seien die Wartelisten sehr lang. Bei weitem nicht jeder, der teilnehmen möchte, könne berücksichtigt werden. Als hinderlich habe sich auch der Einsatz von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei solchen Angeboten erwiesen. Bei ABM-Laufzeiten von einem halben Jahr sei keine kontinuierliche Arbeit möglich. In der Folge würden die Ausländer immer häufiger an die normalen Behörden und Hilfsdienste verwiesen. “Die sehen sich im Besonderen durch die Sprachbarrieren mit der Hilfestellung oft überfordert”, so Grunst.
Im Landkreis (111 500 Einwohner) leben derzeit 678 ausländische Staatsangehörige auf Dauer. Hinzu kommen 61 ehemalige Asylbewerber mit Aufenthaltserlaubnis sowie 469 Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber. Der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung beträgt demnach 1,08 Prozent und stammt vorwiegend aus Vietnam und der russischen Konföderation. Der größte Teil wohnt direkt in Neuruppin.
Im Fall der kongolesischen Familie, die seit fast acht Wochen in der Gotthardt-Gemeinde Asyl gefunden hat, will die Stadt erneut Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) um Hilfe bitten. Das teilte Oberbürgermeister Helmut Schmidt (SPD) Mittwoch der städtischen Arbeitsgruppe “Altfallregelung” mit. Außerdem ist Schmidt der Meinung, dass die Familie noch längst nicht alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft habe. Nachdem die Verwaltung bisher keine andere Möglichkeit sah, als die Familie abzuschieben (Stadtkurier berichtete), wartet sie nun auf ein Signal aus Potsdam, damit die Familie vielleicht doch nicht zurück in den Kongo muss.
Nach Informationen des Stadtkuriers lehnt die Verwaltung die Altfallregelung, die ein Bleiberecht ermöglicht, aus verschiedenen Gründen ab. Unter anderem weil die Familie wirtschaftlich nicht unabhängig sei und weitgehend von Sozialhilfe lebe. Zudem bezieht sie sich auf ein 1993 im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gefertigtes Protokoll. Darin soll sich der Vater José Ndualu als Mittäter einer Vergewaltigung bezichtigt haben.
Der Vorwurf ist laut Bundesinnenministerium belegt. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) teilte in einem Schreiben an Brandenburgs Innenminister mit, Ndualu habe bei seiner Aussage seine “Verfolgungsfurcht damit begründet, dass er an einer Demonstration teilgenommen habe, bei der Flaggen und Fotos Mobutus verbrannt und zwei Frauen vergewaltigt worden seien”. Auf “ausdrückliche Nachfrage” habe der Kongolese dazu erklärt: “Ich habe mich aktiv an der Brandsetzung beteiligt, ich habe aber die dann vergewaltigten Personen nur festgehalten, d. h. Mittäterschaft geleistet.”
Die Asylanträge Ndualus seien aber abgelehnt worden, weil dieser “eine asylrelevante Verfolgung in seinem Heimatland und eine Rückkehrgefährdung nicht glaubhaft gemacht hatte”, so Schily weiter. Mögliche Beteiligungen an einer Vergewaltigung seien “in keiner Phase der Asylverfahren entscheidungserheblich” gewesen. Die evangelische Gemeinde, die den Kongolesen Kirchenasyl gewährt und auch der Anwalt der Familie betonen aber, dass der Vorwurf auf einem Übersetzungsfehler beruht. José Ndualu habe seine Aussage damals in der im Kongo weit verbreiteten Sprache Lingala gemacht, dabei habe der Dolmetscher die Worte “Demonstration” und “Vergewaltigung” verwechselt.
“In Lingala gibt es weder für Demonstration noch für Vergewaltigung ein Wort”, sagt Wa Ngwaya Kasongo von der Botschaft der Republik Kongo in Bonn. Beides könne nur mit anderen Worten umschrieben werden, deshalb seien Verwechslungen nicht auszuschließen.
Das wird auch beim Bundesamt, wo das Protokoll angefertigt wurde, “nicht grundsätzlich” ausgeschlossen. Besonders bei exotischen Dialekten ließe sich nicht immer ein vereidigter Dolmetscher finden, deshalb könne es zu Fehlern kommen, heißt es. Nachvollziehen lässt sich der Wortlaut nicht mehr: Tonbänder mit Aussagen vernichtet das Bundesamt nach fünf Jahren.
Die Landtagsabgeordnete Petra Faderl, die für die PDS in der Brandenburger Arbeitsgruppe Altfallregelung sitzt, hält es indes für “unwahrscheinlich”, dass sich der Familienvater als Mittäter beschuldigt hat. Zugleich übt sie harsche Kritik: “Die Verwaltung hat die nachträglich erbrachten Informationen über die Familie gar nicht berücksichtigt. Hätte sie das getan, hätte sie gesehen, dass das Ehepaar sehr wohl wirtschaftlich unabhängig leben kann.”
Die Stadtverordnete verweist auf einen 2000 gefassten Beschluss der Stadtpolitiker, wonach lange in Brandenburg lebenden Ausländern Bleiberecht gewährt werden solle. “Aber die Stadt will ihren Ermessensspielraum noch immer nicht nutzen und zieht sich auf das erwartete Votum des Innenministeriums zurück.” Ein Vorwurf, dem sich der Anwalt der Familie, Stefan Gräbner, anschließt: “Das ist typisch für Brandenburg, jetzt sollen wieder andere entscheiden. Der Oberbürgermeister hat einfach kein Rückgrat.”
Die Arbeitsgruppe Altfallregelung, die am Mittwoch von je einem Vertreter der Fraktionen SPD, CDU, PDS, Grüne und Gartenfreunde vertreten war, nahm das Votum der Verwaltung zwar zur Kenntnis. Aber sie trägt dieses nach Auskunft von Petra Faderl nicht mit. “Wir haben uns einstimmig dagegen ausgesprochen”, sagt die PDS-Frau, der zufolge heute eine Flugblatt- und Unterschriftenaktion zu Gunsten der vierköpfigen Familie gestartet werden soll.
Deren Erfolg ist ungewiss. Denn bis dato waren sich die Behörden von Stadt, Land und Bund in ihrem Urteil einig. Und das lautet: “Unanfechtbar ausreisepflichtig.”
POTSDAM Die Landesausländerbeauftragte Almuth Berger hofft auf ein Einlenken des Sozialministeriums im Streit um Bargeldzahlungen an Asylbewerber. Die Stadt Potsdam hat als erste Kommune im Land seit Monatsbeginn Sachgutscheine für Flüchtlinge komplett abgeschafft. Stattdessen wird nur noch Bargeld ausgezahlt. Der Vorstoß hat das Sozialministerium in dieser Woche zu einem Runderlass veranlasst, der alle Städte und Kreise auffordert, weiterhin Gutscheine auszuhändigen, wenn Asylbewerber seit weniger als drei Jahren hier leben.
Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat sich bereits für die Beibehaltung des neuen Systems ausgesprochen. Die zuständige Fachbereichsleiterin Bärbel Eichenmüller hat eine rechtliche Prüfung angekündigt. Die Stadt wolle Möglichkeiten finden, an der Bargeldzahlung festzuhalten. Almuth Berger hält den Potsdamer Weg für rechtlich möglich. Das sei eine Frage der Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Berlin, Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern würden genauso verfahren. “Ich würde mir wünschen, dass das Sozialministerium diesen Weg mitgeht”, so Berger zur MAZ.
Unverständnis löste der Erlass bei der Volksinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips im Land Brandenburg aus. Gerade hatte man sich über die erste Abschaffung der umstrittenen Gutscheinregelung gefreut. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verlangt die Initiative nun eine Klarstellung. Das Sozialministerium weise die Kommunen nämlich nicht auf ihre gesetzlichen Spielräume hin. Im Runderlass fehle der Hinweis, dass vom Prinzip der Gutscheinzahlung bei besonderen Umständen abgewichen werden kann. Die Initiative führt als Begründung die Diskriminierung der Asylbewerber bei der Zahlung mit Gutscheinen an, die nur in bestimmten Geschäften eingelöst werden können. Häufig würden Gutscheine auf dem Schwarzmarkt gegen Bares eingetauscht — für die Hälfte ihres Werts. Bargeldzahlungen würden die Lebenssituation von Flüchtlingen verbessern, sagt Almuth Berger. Dies sei somit ein Beitrag zum Abbau der Fremdenfeindlichkeit. Auch die Arbeitsgruppe für ein Landesintegrationskonzept spreche sich für die Abschaffung der Gutscheine aus.
Die Kommunen führen zudem finanzielle Gründe an. In Potsdam kostete allein das Drucken der Gutscheine jeden Monat 600 Euro. Auch der Verwaltungsaufwand ist jetzt geringer. Vom Land werden die Kommunen jeweils nur mit Pauschalen entschädigt.
Nach Angaben des Sozialministeriums wird in etwa der Hälfte der märkischen Kommunen Bargeld an Asylbewerber gezahlt, die seit mehr als drei Jahren hier leben. Die übrigen Kreise beschränken sich auf Gutscheine. Für Flüchtlinge, die weniger als drei Jahre hier leben, gilt der “Vorrang der Sachleistung”, so Sozialministeriumssprecherin Claudia Szczes. Die kreisfreien Städte Potsdam, Brandenburg und Cottbus sowie die Kreise Potsdam-Mittelmark, Uckermark, Dahme-Spreewald und Oberspreewald-Lausitz hatten im vergangenen Jahr die Initiative zur Abschaffung des Gutscheinsystems ergriffen. In Brandenburg/Havel wird eine Änderung noch geprüft. Die Stadt Cottbus zahlt an fast 80 Prozent ihrer Asylbewerber schon seit über einem Jahr Bargeld. Lediglich Neuankömmlinge erhalten noch Gutscheine, so der Sprecher der Stadt Cottbus, Peter Lewandrowski.
Umstrittene Gutscheine
Die Gutscheinregelung wurde 1994 unter der damaligen Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) eingeführt. Kirchen und Flüchtlingsorganisationen hatten seither gegen den Erlass protestiert. “Eigentlich gab es nie Gründe für die Gutscheine”, sagt Lutz Boede von der Volksinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips. Die erhoffte Abschreckung für Flüchtlinge, nicht hierher zu kommen, seien sie Gutscheine nicht gewesen, sagt Boede. In Potsdam erhalten die 503 Asylbewerber jetzt zwischen 199 und 280 Euro. Der Wert orientiert sich an der Sozialhilfe.
Zur Kontroverse um den jüngsten Runderlass des Sozialministeriums zum Thema
Sachleistungen für Asylbewerber sagt die ausländerpolitische Sprecherin des
Landesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen, ANETTE LANG:
“Bündnis 90/Die Grünen fordern das Sozialministerium auf, den jüngsten
Runderlass, der Kommunen zur weiteren Ausgabe von Gutscheinen an
Asylbewerber veranlassen soll, zu revidieren. Es sollte endlich aufhören,
politischen Druck auf Kommunen auszuüben, die Bargeld auszahlen wollen. Den
Städten und Kreisen muss erlaubt sein, den Ermessensspielraum, den das
Asylbewerberleistungsgesetz zulässt, auszuschöpfen.
“Es ist unerhört, dass die Landesregierung die Kommunen zwingen will,
entgegen den Möglichkeiten der Bundesgesetzgebung, die diskriminierende und
die Kommunen finanziell belastende Praxis der Sachleistungen weiterzuführen
oder sie — wie im Fall von Potsdam — sogar wieder einzusetzen”, sagte ANETTE
LANG. “Sie sollte stattdessen dafür Sorge tragen, dass den Betroffenen,
nämlich Frauen, Männern und Kindern, die nach Verfolgungen im Heimatland,
nach einer langen, gefahrvollen Flucht hier ein Asyl erbitten, ein
menschenwürdigeres Dasein verschafft wird.
“Überall im Land soll Verständnis dafür geweckt werden, Einschnitte in die
sozialen Leistungen hinzunehmen, nur hier sollen den Kommunen
Einsparpotenziale vorenthalten werden. Das kann das Ministerium nicht ernst
meinen.”, sagte ANETTE LANG.
Rund 40 Menschen protestierten im brandenburgischen Eberswalde am vergangenen Montag gegen einen möglichen Irak-Krieg. begleitet wurde die Kundgebung von antifaschistischen Jugendlichen, die versuchten ein differenziertes Bild zum Irak-Konflikt zu vermitteln… Ob dies erfolgreich war, bleibt abzuwarten.
Die Kundgebung in der Innenstadt
Folgendes Flublatt verteilten linksradikale Jugendliche am vergangegen Montag in der brandenburgischen Kleinstadt Eberswalde auf einer Friedenskundgebung:
no krauts »> no problems
…warum wir nicht mit euch demonstrieren werden
Über eine Million Tote Menschen und vier Millionen Flüchtlinge im Exil – das ist die Bilanz des bereits Jahrzehnte währenden ba’athischen Terrors im Irak. Mit Hilfen der deutschen Rüstungsindustrie – in Form von Giftgas und dem technologischen Know-How für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen – „säuberte“ Saddam Hussein gesamte Landstriche, ließ hunderttausende Oppositionelle hinrichten und trieb den Irak in eine gesamtwirtschaftliche Katastrophe.
Anstatt gegen diese Zustände zu protestieren und aktiv zu werden, demonstriert die deutsche „Friedensbewegung“ heute gegen einen drohenden Krieg im Irak – obwohl dieser dort schon seit Längerem auf der Tagesordnung steht. Mit einem halluzinierten Opferdasein, entstanden in den Nächten in den Bombenkellern von Hannover, Dresden und anderen deutschen Großstädten Anfang 1945, geht es wieder gegen den Feind vergangener Tage – gegen die USA und ihre Bündnispartner. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ hieß die Losung der befreiten Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald – heute heißt es nur noch „Nie wieder Krieg!“.
Der Faschismus wurde vom Hirngespinst des deutschen Opferkollektivs weggedichtet. In die Reihe dieser geschichtsträchtigen Relativierungen gesellen sich Vergleiche zwischen George W. Bush und Adolf Hitler, Israels Palästina-Politik wird kurzweg nur noch als „Vernichtungskrieg“ bezeichnet. Mit solchen Relativierungen zog die deutsche Bundesregierung 1999 in den Kosovo-Krieg. Mit den Tätern von damals – beispielsweise Joschka Fischer und Gerhard Schröder – solidarisiert sich die „Friedensbewegung“ von heute. Unverblümt marschieren 500.000 Menschen mit „Danke Gerd“-Schildern oder „Durchhalten Joschka“-Transparenten durch Berlin, während die Bundesregierung Deutsch-Europa als Bollwerk gegen den die Welt bedrohenden „US-Imperialismus“ ins Rennen schickt. Währenddessen werden irakische Oppositionelle mundtot gemacht – auf den „Friedensdemonstrationen“ werden ihnen Transparente mit Parolen wie „No Saddam, No Problem!“ entrissen und Ähnliches.
Anstatt sich mit den eigentlichen Opfern des bereits herrschenden Krieges im Irak zu solidarisieren und für eine rasches Ende der ba’athischen Terrordiktatur unter Saddam Hussein einzusetzen, werden in Deutschland Bündnisse von Neonazis, über Hisbullah- und Hamas-Fans bis hin zur Bäckerinnung Frankfurt/Main und Uli Hoeneß geschmiedet. Um Argumente geht es in diesem Bündnis nicht – es gehe ja schließlich nur ums Öl und um eine neue Vormachtstellung der USA im Nahen Osten… Mit einer solchen „Friedensbewegung“, die in Eberswalde sogar offensiv zum Israel-Boykott aufruft, wollen wir nichts zu tun haben.
Kampf den deutschen Zuständen! Nieder mit dem Baath-Regime! Deutschland abschalten!
Die Kundgebung in der Innenstadt
Im folgenden dokumentieren wir einen Text des Brandenburger Landesamts für Verfassungsschutz.
Der drohende Irak-Krieg schreckt zahllose Menschen in Deutschland auf. Auf Demonstrationen bekunden sie unübersehbar, wie teuer ihnen der Friede ist. Im politischen Meinungsstreit wird die Frage aufgeworfen, ob nicht eine anti-amerikanische Grundhaltung die eigentliche Triebfeder für solche Aufmärsche sei. Viele wehren sich gewiss zu Recht gegen einen solchen Vorwurf. Bei manchen, die jetzt “Frieden” rufen, macht aber stutzig, dass sie schon immer in den USA den großen bösen Feind gesehen haben und dass Gewalt, auch militärische, seit jeher in ihrem “revolutionären” Forderungskatalog steht.
So bietet sich heute das seltsame Bild, dass Rechts- wie Linksextremisten im Kampf vereint sind: im Kampf gegen den gemeinsamen Feind, aber auch im Kampf gegeneinander, weil sie dennoch keine Gemeinsamkeit, sondern die gewohnte Konfrontation pflegen wollen.
Die etwas andere Montagsdemonstration
Jeden Montag findet im Anschluss an ein Friedensgebet in der Neuruppiner Klosterkirche eine Demonstration statt. Dieses Mal wartete ein stadtbekannter Altnazi mit rund zwei Dutzend junger Bomberjacken- und Springerstiefelträger im Gefolge vor der Kirche, um sich in den Zug einzureihen. Sollte ihnen das gestattet werden? Die meisten Teilnehmer meinten: ja. Keiner, der gegen den Krieg ist, sei ausgeschlossen. Dagegen protestierten lautstark und später auch handgreiflich Antifa-Aktivisten. Sie trennten sich vom Demonstrationszug, um später dessen rechtsextremistisches Einsprengsel anzugreifen.
Den anderen Demonstranten warfen sie falsche Toleranz vor, diese wiederum antworteten mit dem Vorwurf der Intoleranz.
Diese Verhaltensmuster sind für nicht wenige ähnliche Fälle charakteristisch: Die Rechtsextremisten kommen, anders als sonst, nicht, um zu randalieren. Sie wittern eine Gelegenheit, sich als Teil der Mehrheit fühlen zu können, und wollen unter den Mitdemonstranten neue Anhänger werben. Die demokratischen Veranstalter einer solchen Demonstration fragen sich, wie sie mit diesen unerwünschten Bundesgenossen umgehen sollen. Die linksextremistische Antifa weiß dagegen sehr genau, was sie will: die Rechtsextremisten vertreiben. Denn sie sieht sich als Avantgarde der Moralität und des antiimperialistischen Kampfes, der die “Bürgerlichen” sich von Fall zu Fall als Stimmverstärker anschließen dürfen.
Kein Einzelfall
Konfliktfälle der beschriebenen Art häufen sich in jüngster Zeit.
Ebenfalls am 10. März wollten sich in Cottbus neonazistische Kameradschaftsmitglieder einem Kerzenmarsch anschließen. Sie forderten nach einem Pressebericht “Freiheit für alle Völker”. Hinter dieser Losung verbirgt sich die Auffassung des rechtsextremistischen so genannten “Befreiungsnationalismus”, wonach jedes Volk “für sich”, also in einer “Blutsgemeinschaft” ohne Fremdstämmige und ohne Einbindung in internationale Bündnisse, “frei” leben solle. Auf diesem Hintergrund haben die Irak-Solidarität und die Verteufelung der USA bei den Neonazis Tradition.
Am gleichen Tage wurden Rechtsextremisten bei einer Friedenskundgebung in Rathenow gesehen. Hier griff die Antifa, entgegen ihrer lokal gefestigten Gewohnheit, nicht prügelnd ein, sondern beobachtete nur.
Am 15. Februar fand eine Demonstration “Ohne uns — Bernau gegen den Krieg” statt. Zu den Veranstaltern zählte die “Deutsche Kommunistische Partei” aus Berlin. Das hinderte rechtsextremistische Szeneangehörige nicht an der Teilnahme. Im Gegenteil! Viele Rechtsextremisten hätten von sich aus gar nichts gegen ein Zweckbündnis mit Linksextremisten einzuwenden, wenn die Stoßrichtung “gegen die Imperialmacht USA” heißt. Nur mögen die Linksextremisten, bis auf verschwindend wenige Ausnahmen, auf solche Angebote nicht eingehen.
Auf der großen Friedensdemonstration in Berlin, die gleichfalls am 15. Februar stattfand, waren alle extremistischen Spektren reichlich vertreten — und blieben angesichts der riesigen Teilnehmermenge dennoch ganz deutlich in der Minderheit. Aus Brandenburg waren u. a. Mitglieder des neonazistischen Kameradschaftsbundes “Märkischer Heimatschutz” und NPD-Anhänger angereist. Unter den an der Demonstration beteiligten Linksextremisten und Angehörigen ausländischer Extremistenorganisationen fielen Brandenburger zahlenmäßig nicht ins Gewicht.