NEURUPPIN In der Nacht zum Freitag (20.02.04) haben unbekannte Täter die Jalosie des Döner-Imbisses in der Neuruppiner Arthur-Becker-Straße beschädigt. Auf der rechten Fensterscheibe sind die Streben des Fensterschutzes herausgebrochen worden. Dadurch entstand ein Schaden von etwa 1000 Euro.
Jahr: 2004
„Ich hab gedacht, dass er tot ist“, sagte heute ein Zeuge vor dem Neuruppiner Landgericht aus, der die Tat an einem 40-jährigen Mann aus der Prignitz beobachtet hatte.
NEURUPPIN Am 23.02.04 fand ein weiterer Prozesstag gegen sechs Jugendliche statt. Denen wird eine in drei Teilen stattgefundene Schlägerei, auf einer Straße Richtung Glöwen (Prignitz) vorgeworfen. Das Opfer und weitere Zeugen sagten über den Tathergang, die Folgen und Verletzungen aus, sowie über die Tat am Abend des 15. August 2003.
Es wurde deutlich, dass ein ganz normaler Skatabend mit Freunden und ein paar Bier zu einer entscheidenden Wende in dem Leben des Opfers wurde.
Die Angeklagten, die sich an diesem Abend zusammen gefunden hatten, um etwas zu feiern. Was sie zu feiern hatten, ist im Prozessverlauf noch nicht wirklich deutlich geworden. Aber nach einem
Artikel
des „Tagesspiegel“ war der Anlass wahrscheinlich der, dass man die nötigen Unterschriften für eine Beteiligung der NPD an den Kommunalwahlen im letzten Oktober zusammen bekommen hatte. Dafür soll von einem NPD-Mann Bier spendiert worden sein, um sich für die Hilfe zu bedanken.
Der Geschädigte war zu Fuß auf dem Weg nach Hause, als er von den jugendlichen Tätern überrascht wurde. Angeblich hielten sie beim ersten Mal aus dem Grund an, weil sie ihm mit ihrem Auto ausweichen mussten und ihn dafür zur Rede stellen wollten. Aber es blieb nicht bei dieser gewaltlosen Absicht. Es gab eine erste Prügelei, bei der der Fahrer eine Platzwunde am Hinterkopf erlitt. Daraufhin stiegen sie wieder in das Auto unter der Androhung mit Verstärkung wieder zu kommen. Dies taten sie auch und zwar noch zwei mal am selben Abend. Sie prügelten solange und ausgiebig auf ihn ein, bis einer der „Zuschauer“ dachte das Opfer sei tot und wollte nach Hause fahren. Zuvor hatten sie sogar noch ein Auto weg geschickt, dessen Fahrer dem 40-jährigen Mann helfen wollte.
Mit vielen Verletzungen und in einem ohnmächtigen Zustand kam das Opfer ins Krankenhaus und musste dort mehrere Tage stationär behandelt werden. Das Gesicht wird nicht mehr so werden wie vorher. Das Opfer wird sein Leben lang entstellt sein. Schädigungen an den Augenmuskeln, extreme Sehstörungen und Sprachprobleme werden nie vollständig geheilt werden können.
Warum es zu dieser Tat wirklich gekommen ist kann hier noch nicht endgültig gesagt werden. Auch die Frage nach dem Anlass der Feierlichkeiten wird in den nächsten Tagen hoffentlich noch vertieft.
Es ist notwendig aufzuklären, welche Rolle Funktionäre des ehemaligen NPD-Kreisverbandes Prignitz-Ruppin bei der abendlichen Feier inne hatten.
Deutlich zu erkennen ist, in welchem Freundeskreis die Angeklagten sich bewegen. Denn Marcel Z., in dessen Räumlichkeiten die Feier statt gefunden hat, war heute, während seiner Zeugenaussage, deutlich mit Utensilien der rechten Szene ausstaffiert. Selbst treten sie in Glatze oder Scheitel auf und grinsen überlegen vor sich hin. Nur die junge Mutter Nicole K. hat sich bis jetzt versucht bei dem Opfer zu entschuldigen.
Der transnationale Energiekonzern Vattenfall hat erneut unter Polizeieinsatz und Baggergewalt im vom Braunkohletagebau bedrohten FFH-Gebietes nahe Cottbus Tatsachen geschaffen. Ein potentieller Kulturveranstaltungsort, mehrere Nebengebäude und ein grosses Wohnhaus wurden unnötig abgerissen. Dies geschah trotz des am Donnerstag begonnenem Hungerstreik für das bedrohte Naturschutzgebiet. Zwei junge Menschen stellen sich mit Unterstützung ihrer Freunde dem Abrissbagger auch weiterhin in den Weg.
In Lacoma bei Cottbus traten Franziska Liesigk (26) und Robert Künne (22) in den unbefristeten Hungerstreik. Damit wollen sie gegen die anhaltenden Vorbereitungen für den Braunkohletagebau protestieren. „Wir wehren uns dagegen, dass das Dorf Lacoma immer mehr entvölkert und abgerissen wird, bevor überhaupt über die Zukunft der Lacomaer Teichlandschaft entschieden ist“, begründen Franziska und Robert ihr Vorgehen.
Zur Zeit besteht noch keine rechtliche Grundlage dafür, das Naturschutzgebiet in seiner Einzigartigkeit zu zerstören, da die Europäische Kommission die Sondergenehmigung zur Divastierung des Schutzgebietes (nach FFH-Richtlinien) noch nicht erteilt hat. Ob die wertvollen Lakomaer Teiche dem Tagebau Cottbus-Nord weichen müssen, soll in einem gerade laufenden Planfeststellungsverfahren entschieden werden. Dort kann sich auch jeder BürgerInnen mit Einwendungen für den Erhalt der Landschaft beteiligen.
In den letzten Monaten hatten sich mehrere hundert Menschen bei Protesten engagiert. Bei einer Protestwanderung durch die Teiche im Herbst letzten Jahres trafen sich 300 Unterstützer, die schon damals die Forderungen von Franziska und Robert stellten.
Der Lacoma-Verein hat Alternativvorschläge zur Abbaggerung in seinem Konzept „Eine Vision für Lacoma“ (www.lacoma.de/leitbild) veröffentlicht. Freunde und Unterstützer von Franziska und Robert begannen eine Mahnwache auf dem Dach des „Kulturpalastes“. Die Häuser in denen sich Hungerstreik und Mahnwache befanden sind für die tagebauvorbereitende Maßnahmen noch nicht erforderlich. Dennoch hat der Kohlekonzern ‚Vattenfall Europe’ die Nutzungsverträge gekündigt und schliesslich die Abrisse mit Staatsgewalt durchgesetzt. Vattenfall ist schwedischer Staatskonzern erfolgreich mit Wasserkraft und Kernkraft in Skandinavien arbeitet. Mittlerweile ist er drittgrößten Energieversorger Deutschlands, entstanden aus der Fusion von HEW, Bewag, Veag und Laubag.
Dörfer, die abgebaggert werden sollen (Horno, Heuersdorf, Lacoma) sind die Brennpunkte unserer derzeitigen Energiepolitik. Nirgendwo sonst wird die Absurdität der Nutzung fossiler Energieträger so deutlich wie hier. Zerstörte Landschaften und Kohleverstromung treiben den Klimawandel unseres Erdballs voran. Es ist an der Zeit die Energiewende einzuleiten. Lacoma symbolisiert all diese Aspekte, nicht zuletzt auf dem Hintergrund der wirtschaftlichen Globalisierung.
Dies hier ist auch als Einladung zu verstehen, unseren Weg gegen die Anmaßung zu unterstützen, sei es mit dem eigenen Stromwechsel, der Beteiligung am Planfeststellungsverfahren oder auch einem Besuch bei uns. Lacoma liegt ca. 100 km südlich von Berlin, 15 min von Cottbus entfernt an der Tagebaukante, heissen Tee und Schlafplaetze gibt’s genug in Haus 15…bis gleich!
Schönbohm wie erwartet Nummer 1
(MAZ, 21.02.04, Igor Göldner) POTSDAM CDU-Landesvorsitzender Jörg Schönbohm soll seine Partei als
Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf führen. Darauf einigte sich erwartungsgemäß der Landesvorstand auf seiner gestrigen Sitzung. Das Gremium beschloss den parteiintern mit Spannung erwarteten Landeslisten-Vorschlag,
der dann auf einer Vertreterversammlung am 6. März zur Abstimmung stehen soll.
Hinter Schönbohm wurde Fraktionschefin Beate Blechinger als Nummer 2 vorgeschlagen. Es folgen Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, der auch Vize-Parteichef ist und Generalsekretär Thomas Lunacek. Auf Platz 5 steht
der parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion und Landesschatzmeister Dierk Homeyer. Auf den Plätzen 6 bis 8 folgen Kultur- und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, der innenpolitische Sprecher Sven Petke und Justizministerin Barbara Richstein. Petke und Richstein sind auch stellvertretende Landeschefs. Platz 9 und 10 sollen Vize-Fraktionschef Dieter Helm und der Abgeordnete Wilfried Schrey einnehmen.
Unter den ersten 20 sind mit Saskia Funck aus Potsdam-Mittelmark und Roswitha Schier aus Oberspreewald-Lausitz auch zwei Kreisvorsitzende, die sich zum ersten Mal für ein Landtagsmandat bewerben. Von den jetzt 25
Landtagsabgeordneten treten 20 wieder an. Als sichere Listenplätze gelten die ersten 20 bis 25.
In der CDU ist der Optimismus angesichts günstiger Umfragezahlen groß. Generalsekretär Lunacek hofft auf eine Erhöhung der Zahl der Abgeordneten auf 30 bis 32. Die gestern Abend vom Vorstand beschlossene Landesliste
besteht aus 51 Namen. Die ersten 44 sind die Direktkandidaten in den 44 märkischen Wahlkreisen.
Bei der Vertreterversammlung am 6. März ist mit Gegenkandidaturen auf einzelnen Plätzen zu rechnen. Besonders Bewerber auf aussichtslosen Rängen
hoffen auf einen Sprung nach vorn. Sollte dies gelingen, könnte die Liste in Teilen durcheinander geraten. CDU-intern wird aber erst mit Kampfkandidaturen ab Platz 15 gerechnet.
15 Zuhörer bei Informationsabend im Mittendrin über Neonazis im Land
NEURUPPIN — Mit welchen Methoden Neonazi-Strategen versuchen, den Einfluss der rechten Szene im Land Brandenburg zu stärken, war am Donnerstagabend Thema im Neuruppiner Jugendprojekt “Mittendrin”. “Keine Entwarnung”, proklamierte Referent Sven Biczyk, der aus Potsdam für den Jugendverband “Jungdemokraten / Junge Linke” angereist war. Die Anzahl rechter Gewalttaten stabilisiere sich auf hohem Niveau, ideologisch sei eine weitere Radikalisierung zu beobachten.
“In der Prignitz war dem lokalen NPD-Verband um Mario Schulz ihre eigene Partei noch nicht rassistisch genug”, so Biczyk. Der Verband löste sich auf, weil in Trier ein Bosnier für die Rechtsaußen-Partei kandidieren durfte. Mittlerweile hat sich eine Nachfolgeorganisation gegründet, “mit klar nationalsozialistischem Profil”. In Belzig agitiert ein Neonazi — gerade aus der Haft nach einem rechtsmotivierten Überfall entlassen — für die “Nationale Aktionsgemeinschaft Freies Deutschland” und feiert mit Gesinnungsgenossen Daten wie die Machtübernahme Hitlers 1933.
Rechte treten bürgerfreundlich auf
Im Nordosten des Landes ist indes eine Kameradschaft unter dem Namen “Märkischer Heimatschutz” aktiv. Auf bis zu 50 Mitglieder wird die Organisation geschätzt, die bundesweit bei rechten Demonstrationen wie jüngst in Dresden mitmarschiert. “Diese Neonazis haben kaum etwas zu tun mit dem Klischee vom betrunkenen, dumpfen Nazi-Skinhead”, so Biczyk. Äußerlich träten sie “bewusst bürgerfreundlich” auf. Ihre Kleidung sei an den Szenedress eigentlich antirassistischer Jugendkulturen wie Hardcore oder HipHop angelehnt.
Auch Palästinenser-Tücher, ehedem Symbol der Linken, entdeckten Neonazis inzwischen als modisches Accessoire für sich. Selbstbewusst werde auch das Internet genutzt. “Das sind moderne, zeitgemäße Neonazis.”
Unverändert sind lediglich die Inhalte. Doch auch hier werde zum Beispiel der Hass auf Juden “geschickt verpackt in eine augenscheinlich zivile Opposition” zum Irakkrieg. “Nur für Eingeweihte wird deutlich, wie die Rechten das meinen: Saddam hasste Israel und die USA, die sehen sie als Vasall einer jüdischen Weltverschwörung.”
Viele diffus Rechtsextreme
Am Ende der Veranstaltung fragten die Zuhörer im “Mittendrin”, ob auch in Neuruppin organisierte Neonazis aktiv seien. Referent Sven Biczyk wiegelte ab: Es gebe zwar viele “diffus rechtsextreme Jugendliche und junge Erwachsene”. Doch organisiert seien sie seit der Schließung des “Bunkers” vor vier Jahren kaum mehr und würden eher mit Pöbeleien als durch politische Aktionen auffallen.
Rechtsextreme Gewalttaten in den neuen Bundesländern und Berlin nach wie vor auf hohem Niveau — Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten veröffentlichen Statistik
Seit dem Herbst 2001 werden in den neuen Bundesländern und Berlin mit Hilfe des Bundesprogramms Civitas acht Projekte zur Beratung von Opfern rechtsextremer Straf- und Gewalttaten gefördert. Das Programm “civitas — initiativ gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern” als Teil des Aktionsprogramms der Bundesregierung “Jugend für Toleranz und Demokratie — gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus” unterstützt die Schaffung einer demokratischen, gemeinwesenorientierten Kultur in den neuen Bundesländern. Für das Jahr 2003 legen die Beratungsstellen eine gemeinsame statistische Erhebung vor, in der Zahlen über recherchierte Angriffe sowie über die beratenen KlientInnen veröffentlicht werden.
Recherchierte Straf- und Gewalttaten
Im Jahr 2003 erlangten die Opferberatungsstellen allein in den fünf neuen Bundesländern und Berlin Kenntnis von insgesamt 551 rechtsextremen Angriffen. Die meisten solcher Gewalttaten ereigneten sich in Sachsen (141), gefolgt von Brandenburg (116) und Thüringen (91). Von den 551, in ihrer Intensität sehr unterschiedlichen Angriffen, waren mindestens 808 Personen direkt betroffen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelte es sich um Körperverletzungsdelikte (62 %) sowie Nötigungs- und Bedrohungsdelikte (16 %).
Beratungsfälle
Die Beratungsstellen betreuten im vergangenen Jahr insgesamt 1211 KlientInnen, darunter 782 Personen, die direkt zu Opfern rechtsextremer Gewalttaten geworden waren. Es handelte sich dabei um 657 Männer und 125 Frauen. 407 der beratenen Personen, vor allem Flüchtlinge, MigrantInnen und AussiedlerInnen, wurden aus einer rassistischen Tatmotivation angegriffen. Ein weiterer Schwerpunkt lag bei 269 meist jugendlichen Opfern (14 bis 20 Jahren), die sich mehrheitlich einem alternativen Milieu zugehörig fühlen. In über 60 Prozent der Fälle erwies sich ein langfristiges Beratungsverhältnis als notwendig.
Die Notwendigkeit spezialisierter Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Gewalttaten
Die Beratungsstellen machen darauf aufmerksam, dass auch im Jahr 2003 von einem Rückgang rechtsextremer Gewalttaten in den neuen Bundesländern und Berlin keine Rede sein kann. Offensichtlich hat sich das Ausmaß dieser Straftaten auf einem hohen Niveau eingepegelt. Die vorgelegten Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit von Beratungsstellen, die auf Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten spezialisiert sind; zumal viele der Opfer aufgrund ihrer sozialen Situation nur einen beschränkten Zugang zu Beratungseinrichtungen haben.
Die gesamte Statistik ist hier einsehbar: www.opferperspektive.de
(ND, Peter Nowak, 20.02.04) Jugendliche entrollten vor dem Gebäude ein Transparent mit der Aufschrift:
»Den rechten Vormarsch in Potsdam stoppen«. Am Eingang von Saal 9 herrschte am
Donnerstag Andrang. Das Potsdamer Landgericht verhandelte gegen den
stadtbekannten Neonazi Heiko G.– unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung.
Der in Untersuchungshaft sitzende G. ist angeklagt, zusammen mit zwei
Männern und einer Frau in den frühen Morgenstunden des 23. März 2003 am Potsdamer
Bahnhof Rehbrücke einen linken Jugendlichen schwer misshandelt und
anschließend auf die Gleise geworfen zu haben. Der Vorfall hatte damals überregional
für
Aufsehen gesorgt.
Nach Angaben des Opfers, das als Nebenkläger auftritt, schlugen ihm die
Täter mit einem Teleskopschlagstock auf Kopf und Beine und traten zu. Sie riefen
dabei: »Zecke, verpiss Dich« und »So fühlt es sich an, wenn man unterlegen
ist«. Der Angegriffene erlitt einen doppelten Nasenbeinbruch und
Rippenprellungen. Die Neonazis ließen erst von ihm ab, als er in der Frau eine
Mitschülerin
erkannte und diese um Hilfe bat. Nach Aussage des Opfers ließ sich die
Mitschülerin allerdings nicht erweichen. Sie habe geäußert, sie wolle selbst
einmal zutreten.
Zunächst stritt der Angeklagte die Tat ab. Nach Zeugenaussagen seiner
Freunde, gegen die gesondert ermittelt wird, ließ sich diese Version nicht mehr
halten und G. entschloss sich zu einem Geständnis. Als Motiv gab er Hass auf
Linke an, weil er nach einer NPD-Kundgebung im Dezember 2002 von Antifaschisten
verprügelt worden sei.
Der Richter machte auf das Vorstrafenregister des Angeklagten aufmerksam. So wurde G. Anfang der 90er Jahre wegen schwerer Körperverletzung und Brandstiftung zu sechs Jahren Jugendhaft verurteilt. Wegen einer auf die Hand tätowierten SS-Rune muss G. jetzt mit einer Anklage wegen Zeigens verfassungsfeindlicher Kennzeichen rechnen. Nach einer Prozesspause wurden die Rune mit einem Pflaster überklebt. Das Gerichtsverfahren wird am Donnerstag fortgesetzt.
NEURUPPIN/HENNIGSDORF Sowohl die Staatsanwaltschaft Neuruppin als auch die Verteidigung von Karsten G. haben gegen das Urteil vom 10.Februar eine Revision beantragt. Der ehemalige Vorsitzende der Kameradschaft Oberhavel erhielt vor der 1. Großen Strafkammer eine Haftstrafe von sechs Jahren Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung. Im September 2003 soll er zwei Molotow-Cocktails auf einen türkischen Imbiss an der Berliner Straße in Hennigsdorf geschleudert haben.
Wie Lolita Lodenkämper sagte, will die Staatsanwaltschaft Neuruppin das Strafmaß überprüfen lassen. Gefordert hatte die Anklage für den 17-Jährigen acht Jahre Freiheitsstrafe. Er habe den Tod von Menschen in dem Imbiss, vor allem des Angestellten Y., der an der Tür stand, billigend in Kauf genommen, hieß es in der Begründung.
Der Verteidiger Peter Stöckicht sah den Mordvorwurf nicht bestätigt und hatte eine „erheblich niedrigere Freiheitsstrafe“ wegen versuchter Brandstiftung gefordert. Er sah eine verminderte Schuldfähigkeit gegeben, weil G. getrunken hatte, ehe er zuschlug. Stöckicht soll nach Auskunft von Landgerichts-Sprecher Michael Pulfrich Revision beantragt haben.
“Bewegung neue Ordnung” (BNO)
Kaum hat sich die “Bewegung neue Ordnung” (BNO) am 1. Februar in Vetschau in Anwesenheit von etwa 100 Beteiligten gegründet, wirbt sie bereits aktiv um neue Mitglieder. Ungefragt statteten sechs Personen am 4. Februar in Pritzwalk der Prignitzer Initiative „Gesicht zeigen“ einen „Besuch“ ab. Die Männer gaben sich als Vertreter der BNO zu erkennen. Sie legten den Anwesenden ihr Programm vor, um es zu erläutern.
Der Aufforderung zu gehen kamen sie nach.
Am 10. Februar verteilten BNO-Aktivisten vor dem Oberstufenzentrum in Wittenberge volksverhetzende Flugblätter zum Thema Vormarsch der Roten Armee und Bombenterror auf Dresden. Der Erfolg dieser Verteilaktion wurde von Schülern und Lehrern verhindert. Als Kontaktadressen waren Postfächer in Pritzwalk, Berlin und Wittenberge aufgeführt.
Doch was hat es mit der BNO auf sich? Wer steht hinter diesen Aktionen?
Gründung der BNO von langer Hand vorbereitet?
Die sechs Vertreter der BNO in Pritzwalk meinten, das Programm ihrer Organisation sei auf der Website “Jugend-wacht” zu finden. Das trifft zwar nicht zu, aber der Hinweis belegt, dass der Verfassungsschutz Brandenburg richtig lag, als er Anfang Dezember 2003 auf subtile Veränderungen auf der genannten Website hinwies. “Jugend-wacht” war ursprünglich eine Jugendzeitschrift von “Jungen Nationaldemokraten” (JN) aus der Region Berlin-Brandenburg. Anfang Dezember ließ die Publikation plötzlich keinerlei Bezüge mehr zur JN bzw. deren Mutterpartei, der “Nationaldemokratischen Partei Deutschlands” (NPD), erkennen. War der Versuch einer Unkenntlichmachung der Verbindung von “Jugend-wacht” und JN Teil einer Entwicklung, die schon damals auf die Gründung der BNO zielte?
Das würde bedeuten, dass die Begründung für den kollektiven Austritt des NPD-Landesvorsitzenden, Mario Schulz, und des JN-Landesvorsitzenden, Jens Pakleppa, sowie der Mitglieder des Kreisverbandes Prignitz aus der NPD nur der vorgeschobene Anlass war. Sie monierten die Nominierung des gebürtigen Bosniers Safet Babic zum NPD-Kandidaten bei der Europawahl. Ihre Abspaltung und die Gründung der BNO scheint von langer Hand vorbereitet worden zu sein.
Programmatik der BNO
Gemäß ihrer im Internet nachzulesenden Präambel will die BNO den “biologischen Bestand des Volkes erhalten” und “sich dieser Aufgabe mit aller Kraft widmen”. Ihr Ansatzpunkt ist “ein revolutionäres Bewußtsein”, dessen Wurzeln in “der deutschen Weltanschauung” liegen sollen. Die BNO versteht sich als “frei von das Volk innerlich auseinanderreißende Parteien und Organisationen der >BRD-Gesellschaft<”, will überparteilich sein.
Ob das Doppelmitgliedschaften zulässt?
Ebenso offen bleibt die Frage, was unter “deutscher Weltanschauung” zu verstehen ist. Einen Fingerzeig liefert das Programm der BNO. Es ist in vielerlei Hinsicht typisch neonazistisch. Ähnlich wie das 25-Punkte-Programm der “Nationalsozialistischen Partei Deutschlands” (NSDAP) besteht es aus lauter Forderungen. Im Zentrum steht das deutsche Volk. “Deutscher ist, wer deutschen Blutes ist.” Dem, was die Autoren als “Wesen des Volkes” bezeichnen, hat sich alles unterzuordnen, Staat und Wirtschaft, Kunst und Kultur, der Einzelne. Darüber hinaus werden die Revision der €päischen Nachkriegsordnung und die Eingliederung der “geraubten” Gebiete gefordert.
Wie nahe das Programm der BNO nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich dem der NSDAP steht, zeigen Formulierungen wie “Wir verlangen die Verhinderung müheloser Einkommen. Der Verkauf von Geld als Ware, mit Zins und Zinseszins muß unterbunden werden.” Zum Vergleich, in dem NSDAP-Programm heißt es: “Abschaffung des Arbeits- und mühelosen Einkommens, Brechung der Zinsknechtschaft.”
Ist die BNO ein Störenfried in der rechtsextremistischen Landschaft?
Am 14. Februar trat die BNO erneut in Erscheinung. Unter den 113 Teilnehmern einer Demonstration in Wittstock, zu der Schulz im Namen eines “Bundes Nationaler Sozialisten Brandenburg” aufgerufen hatte, befanden sich auch Anhänger der BNO. Die Veranstaltung stand unter dem Motto “Ob Dresden oder Essen, keine Bombe wird vergessen”. Der “Bund Nationaler Sozialisten in Brandenburg” ist keine real existierende Größe, sondern ein Arbeitstitel, den Schulz bereits des öfteren für vergleichbare Veranstaltungen verwendet hat, z.B. anlässlich des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches am 9. August 2003 durch Wittstock.
Am gleichen Tag demonstrierten in Dresden etwa 2500 Rechtsextremisten — darunter auch Vertreter des “Märkischen Heimatschutzes” (MHS).
Es bleibt abzuwarten, ob dieser Alleingang der BNO typisch sein wird oder ein einmaliges Ereignis bleibt.
Wie entwicklungsfähig ist die BNO?
Auf der einschlägigen rechtsextremistischen Website „volksgemeinschaft.com“ gibt man sich, was die BNO angeht, martialisch und zurückhaltend zugleich. Um den Weg „Vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff“ zu ebnen, wird zur Teilnahme am Gründungskongress einer “Plattform Neue Ordnung” (PNO) am 30. Mai in Baden-Württemberg aufgerufen. Danach soll die PNO “an diesem Tag als Dachverband der >Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG)Bewegung Neue Ordnung (BNO)< ins Leben gerufen” werden.
Pakleppa ist als Redner ebenso vorgesehen wie der Führer der BDVG, bekannter Neonazi aus Baden- Württemberg namens Lars Käppler, der über bundesweite Kontakte, auch nach Brandenburg, verfügt. Käppler setzte sich am 13. Dezember 2003 als Redner auf der Demonstration in Cottbus in Szene.
Ob die BNO die Keimzelle einer bundesweiten Bewegung in sich birgt und ob in ihr der JN eine gefährliche Konkurrentin von noch weiter rechts außen erwächst, bleibt abzuwarten. Eines scheint gewiss: die Gründung der BNO hat das rechtsextremistische Spektrum von seinem Traum, der Einheit, noch ein Stück weiter entfernt.
(ND, Uwe Kalbe, 18.02.04) Nach einem Brandanschlag auf einen Döner-Imbiss in einem Ort nahe dem brandenburgischen Senftenberg hat der Verein »Opferperspektive« zu Spenden aufgerufen. Bei dem Brand war die wirtschaftliche Existenz einer türkischen Familie zerstört worden.
Betreiber des Imbiss in Hörlitz, einem Ortsteil von Schipkau, war ein 49-jähriger Familienvater, der nun vor dem Ruin steht. »Wie kann man einfach so das Leben von acht Menschen zerstören?«, zitiert »Opferperspektive« den Mann in einer Pressemitteilung. Für ihn stürzte in jener letzten Nacht im Januar mehr als der kleine Imbissstand in sich zusammen. Mehmet Alatas unterstützt neben seinen beiden Söhnen, mit denen er in Hörlitz lebt, vier weitere Kinder in der Türkei. Doch noch habe er die Hoffnung nicht verloren. Eine Reihe von Bürgern in dem Ort habe spontan geholfen oder Hilfe angekündigt. Ein Geschäftsmann wolle ihm günstig einen neuen Imbisswagen vermieten, heißt es. Der Bürgermeister wandte sich seinerseits mit einem Spendenaufruf an die Bürger. 4000 Euro braucht der geschädigte Mann für den Neuanfang, denn so viel kostet eine neue Inneneinrichtung. Bisher spendete die Gemeinde bereits 500 Euro, die örtliche Filiale der Sparkasse weitere 500 Euro.
Die Täter, zwei 18- beziehungsweise 20-jährige junge Männer, konnten ermittelt werden. Im Schnee hatten sie Spuren hinterlassen, mit Hunden war ihnen die Polizei gefolgt. Als sie gefasst waren, bekannten sie Ausländerhass als Motiv ihrer Tat. Auf das Konto der Täter, von denen einer der beiden in den Augen der Polizei bisher eine reine Weste hatte, gehen nun außer dem Imbiss noch zwei beschädigte Autos, die in der Nähe des Kiosks parkten.
Der Opferperspektive-Verein macht vor allem auf den Zusammenhang dieser Tat mit weiteren im Land Brandenburg aufmerksam, die, wenn sie aufgeklärt wurden, von meist jugendlichen Rechtsextremisten begangen wurden. Dies sei bereits der achte in nur drei Monaten. Erst am 6.Februar warfen zwei szenebekannte rechte Jugendliche Brandsätze in Brück in ein Bistro. Sie müssen mit einer Anklage wegen versuchten Mordes rechnen, weil der Betreiber am Tatort übernachtet hatte. Das rettete sein Geschäft indes vor der Vernichtung, die Flammen richteten Sachschaden an, bevor er sie löschen konnte.
Opferperspektive e.V., Kto. 3502023041, BLZ 16050000, Stichwort Hörlitz