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Wahlkampfhilfe vom V‑Mann


SPD-Poli­tik­er in Brandenburg/Havel ließ sich von LKA-Spitzel und
mut­maßlichem Deal­er unterstützen

(Tagesspiegel, Thorsten Met­zn­er) Brandenburg/Havel — Das Land Bran­den­burg hat eine neue V‑Mann-Affäre — und
die gle­ich­namige Stadt einen hand­festen Rathaus-Skan­dal: Der
SPD-Kom­mu­nalpoli­tik­er Nor­bert Langer­wisch hat am Son­ntag bestätigt, dass er
im Wahlkampf um das Ober­bürg­er­meis­ter­amt vor einem Jahr von einer
stadt­bekan­nten Größe aus dem Dro­gen- und Rotlicht­m­i­lieu, dem Unternehmer
Dirk R., unter­stützt wurde — was er bis­lang bestrit­ten hat­te. “Ich war
blauäugig. Ich ging davon aus, dass der Herr keine Straftat­en bege­ht”, sagte
Langer­wisch, der im Novem­ber 2003 der CDU-Kan­di­datin Dietlind Tiemann
unter­lag und heute als Bürg­er­meis­ter ihr Stel­lvertreter im Rathaus ist. 

Aber die Verbindun­gen zwis­chen Langer­wisch und Dirk R. reichen ein wenig
weit­er: R. war nach Tagesspiegel-Infor­ma­tio­nen von Juli 2002 bis Jan­u­ar 2004
ein V‑Mann des Lan­deskrim­i­nalamtes (LKA) — und es war dem Vernehmen nach
Langer­wisch, der ihn emp­fohlen hat­te, als er noch Leit­er der Abteilung für
Zen­trale Krim­i­nalpolizeiliche Dien­ste des Polizeiprä­sid­i­ums Pots­dam war.
Doch R. lief aus dem Rud­er: Gegen­wär­tig sitzt er wegen Dro­gen­de­lik­ten in
Untersuchungshaft. 

Die Beziehung zwis­chen bei­den war ruch­bar gewor­den, als nach der Stichwahl
fürs Ober­bürg­er­meis­ter­amt während ein­er Razz­ia bei R. 1500 nachgedruckte
Wahlzettel gefun­den wur­den. Zwar soll­ten diese nicht zur Wahlfälschung
dienen, wie die Ermit­tlun­gen des LKA inzwis­chen ergeben haben. Kiez­größe R.
hat­te sie nach eigen­er Aus­sage mit Aufk­le­bern “Nor­bert for President”
verse­hen und verteilen wollen — als Wahlhil­fe für Langer­wisch. Warum die
Aktion abge­blasen wurde, ist unklar. 

Den­noch kämpft SPD-Bürg­er­meis­ter Langer­wisch jet­zt um sein politisches
Über­leben, weil er nach der Beschlagnah­mung der gefälscht­en Wahlzettel
öffentlich bestrit­ten hat­te, von R. unter­stützt wor­den zu sein. “Das war ein
Fehler”, sagt Langer­wisch dazu nun. “R.′s Beitrag war nur ger­ing.” Er habe
von diesem “nie Geld” für den Wahlkampf bekom­men; R. habe nur einige Plakate
gek­lebt und bei ein­er Ver­anstal­tung geholfen. Deshalb sei er nach der
OB-Wahl auch Gast bei einem Danke­sessen gewe­sen, zu dem Langer­wisch geladen
hatte. 

R. soll in den Vernehmungen auch aus­ge­sagt haben, dass der Anstoß für die
Wahlzettel eben­so wie für eine Bomben­dro­hung gegen eine CDU-Wahlpar­ty im
Okto­ber 2003 aus dem Unter­stützerkreis für Langer­wisch gekom­men sein soll.
“Das ist abstrus”, sagt Langer­wisch dazu. Wegen dieser falschen Behauptungen
habe er gegen R. jet­zt Strafanzeige erstattet. 

Halb­welt-Boss war Spitzel

Polit- und Polizeiskan­dal in Bran­den­burg an der Hav­el weit­et sich aus

(MAZ) BRANDENBURG/H. Der Skan­dal um SPD-Wahlkampfhil­fe aus der Halb­welt in Bran­den­burg an der
Hav­el weit­et sich aus. Der amtierende Bürg­er­meis­ter Nor­bert Langer­wisch und
die im Juli bei ein­er Dro­gen­razz­ia ver­haftete Milieu­größe Dirk Rauch stehen
sich näher als bis­lang von Langer­wisch zugegeben. Das zumin­d­est geht aus
Aus­sagen her­vor, die Rauch aus dem Gefäng­nis her­aus gemacht hat. 

Nach MAZ-Infor­ma­tio­nen warb SPD-Mann Langer­wisch während sein­er Amt­szeit als
Polize­ichef den 41-Jähri­gen als V‑Mann für das Lan­deskrim­i­nalamt. In dessen
Dien­sten soll Rauch, der derzeit in der Jus­tizvol­lzugsanstalt Wulkow sitzt,
an der Aufk­lärung mehrerer schw­er­er Straftat­en mit­gewirkt haben. Als
Gegen­leis­tung soll die Behörde Rauch bei einem Schutzgeldstreit
Rück­endeck­ung gegeben haben. 

Die Verbindung soll sich Langer­wisch nach Infor­ma­tio­nen des
Nachricht­en­magazins “Focus” per­sön­lich zu Nutze gemacht haben. So soll Rauch
dem SPD-Ober­bürg­er­meis­terkan­di­dat­en bei der Kom­mu­nal­wahl 2003 mit zum Teil
krim­inellen Mit­teln Wahlkampfhil­fe geleis­tet haben. Eine Vertrauensperson
Langer­wischs, der Krim­i­nalkom­mis­sar Carsten E., hat laut “Focus” Rauch
aufge­tra­gen, eine Wahlkampfver­anstal­tung der CDU mit ein­er fingierten
Bomben­dro­hung zu stören. Außer­dem habe E. den an ein­er Druckfirma
beteiligten Rauch ange­hal­ten, 1500 Wahlscheine nach­druck­en zu lassen. Diese
soll­ten im Falle ein­er Nieder­lage Langer­wischs in Umlauf gebracht werden,
damit die Wahl anfecht­bar sei, so “Focus”.

Langer­wisch und Carsten E. bestre­it­en jede Beteili­gung und jedes Wissen
darum. Langer­wisch erstat­tete gestern gegen Rauch Anzeige wegen Verleumdung.
Der Bürg­er­meis­ter befind­et sich allerd­ings in dem Dilem­ma, über sein
Ver­hält­nis zu Rauch nicht reden zu dür­fen, weil er Dienstgeheimnisse
preis­geben müsste. Carsten E. sagte der MAZ, er gebe sein “Ehren­wort, dass
ich keine straf­bare Hand­lung in Auf­trag gegeben habe”. Allerd­ings besteht
kein Zweifel, dass Rauch im Kom­mu­nal­wahlkampf 2003 Plakate für Langerwisch
klebte und bei Wahlver­anstal­tun­gen aushalf. Als Dank lud ihn der
SPD-Kan­di­dat nach gescheit­ert­er Wahl zu ein­er Feier ein.

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Scheibe des Infocafes beschädigt

Belzig (Pots­dam-Mit­tel­mark). In den frühen Son­ntag­mor­gen­stun­den hörte eine Anwohner­in auf der Straße
einen laut­en Knall. Als sie nach­schaute kon­nte sie keine Personen
fest­stellen. Am Tage bemerk­te sie dann, dass die linke Scheibe neben der
Ein­gangstüre des Info­cafes einen ca. fünf cm großen Ein­schlag aufwies. Auf
dem Gehweg davor wur­den Glass­plit­ter ein­er Flasche fest­gestellt. Vermutlich
wurde mit dieser Flasche gegen die Scheibe gewor­fen. Der Sach­schaden beträgt
ca. 1 000 Euro. Die Kripo Belzig hat die weit­eren Ermit­tlun­gen übernommen.

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Neonazis werden gewalttätiger

POTSDAM Die recht­sex­trem­istis­che Gewalt in Bran­den­burg nimmt deut­lich zu. Wie
Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) auf eine par­la­men­tarische Anfrage
mit­teilte, hat die Polizei zwis­chen Jan­u­ar und Sep­tem­ber ins­ge­samt 720 Fälle
rechter Krim­i­nal­ität reg­istri­ert. Davon seien 143 Straftaten
frem­den­feindlich und 76 poli­tisch motiviert gewe­sen. Bei 75 rechtsextremen
Ver­brechen in den ersten neun Monat­en dieses Jahres habe es sich um
Gewalt­de­lik­te gehan­delt. Im gesamten Jahr 2003 ereigneten sich 54 solcher
Straftat­en. Im Jahr 2002 gab es nach Angaben des Innen­min­is­teri­ums 81
rechtsmo­tivierte Gewalt­tat­en, 2001 waren es 87.

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Grüne wollen Rechtsextremismus gezielter bekämpfen


Parteitag ver­ab­schiedete Res­o­lu­tion / Katrin Schröder in neuer Doppelspitze
an der Seite von Joachim Gessinger

(MAZ, Torsten Müller) KÖNIGS WUSTERHAUSEN Bran­den­burgs Grüne wollen sich in den kom­menden Jahren ver­stärkt mit dem
Recht­sex­trem­is­mus im Land auseinan­der­set­zen. Um die Mitte der Gesellschaft
vor einem Abrutschen nach rechts zu bewahren, müsse die Zivilgesellschaft
gestärkt wer­den, sagte Lan­deschef Joachim Gessinger am Sam­stag auf einem
Parteitag in Königs Wuster­hausen (Dahme-Spree­wald). Die etwa 60 Delegierten
ver­ab­schiede­ten ein­stim­mig eine Res­o­lu­tion gegen Recht­sex­trem­is­mus und
Gewalt. Zudem wurde die 45-jährige Katrin Schröder aus Klein­mach­now zur
Nach­fol­gerin der zurück­ge­trete­nen Lan­deschefin Mar­i­anne Gehrke gewählt.
Damit ist die Dop­pel­spitze wieder kom­plett. Die näch­sten regulären
Vor­standswahlen ste­hen Ende 2005 an. 

“Wir wer­den diese Auseinan­der­set­zung eine ganze Zeit lang — vielle­icht bis
zur näch­sten Bun­destagswahl — offen­siv führen müssen”, betonte der
Lan­desvor­sitzende Joachim Gessinger. Große Zus­tim­mung erhielt er, als er das
nach sein­er Mei­n­ung zynis­che Verkün­den des “grandiosen Scheit­erns der
Mul­ti-Kul­ti-Gesellschaft” durch Unions-Chefin Angela Merkel und Brandenburgs
CDU-Vor­sitzen­den Jörg Schön­böhm mit der Forderung eines Farbenblinden
ver­glich, Verkehrsam­peln abzuschaf­fen, weil sie in dessen Augen nicht
funktionierten. 

Dass die mul­ti­kul­turelle Gesellschaft kein Kampf­be­griff und keine Ideologie
sei, müssten sich jedoch auch einige Grüne kri­tisch sagen lassen, ermahnte
Bran­den­burgs Aus­län­der­beauf­tragte Almuth Berg­er. “Mulikul­turelle
Gesellschaft” sei vielmehr die Zus­tands­beschrei­bung ein­er Real­ität, zu der
es keine Alter­na­tive gebe. Das The­ma, so Berg­er, sei jedoch “inzwis­chen so
neg­a­tiv beset­zt wie lange nicht mehr”. Und “das ver­schafft Zus­tim­mung für
recht­sex­treme Posi­tio­nen bis in die Mitte der Gesellschaft”. 

Diese Gefahr wollen die märkischen Grü­nen der Res­o­lu­tion zufolge abwenden,
indem sie für eine Kul­tur der Offen­heit und Anerken­nung gegenüber Frem­den in
Bran­den­burg ein­treten. Dazu müsse man inter­na­tionale Austauschprogramme,
engagierte Kinder- und Jugen­dar­beit zur Sen­si­bil­isierung gegenüber
recht­sex­tremen Posi­tio­nen und lokale Pro­jek­te zur Inte­gra­tion und Stärkung
der Zivilge­sellschaft fördern. Außer­dem ver­fol­gen die Grü­nen das Ziel, die
bran­den­bur­gis­che DVU-Land­tags­frak­tion “aus ihrem Schat­ten­da­sein zu holen und
ihre poli­tis­che Unfähigkeit ans Licht zu bringen”. 

Daneben wollen sich Bünd­nis 90/Die Grü­nen mit dem Pro­gramm “Weg vom Öl”
ver­stärkt für die Nutzung nicht-fos­siler Energi­eträger ein­set­zen und dabei
das ökol­o­gis­che Pro­fil schär­fen. Einen weit­eren Arbeitss­chw­er­punkt werde
unter dem Slo­gan “Gemein­sam bilden macht Schule” das Wer­ben um eine
ein­heitliche Schul­form im Land für alle Kinder bis zur zehn­ten Klasse
einnehmen. 

Parte­ichefin Schröder äußerte schließlich die Überzeu­gung, dass das
Poten­tial der Partei in Bran­den­burg weit über fünf Prozent liege und dass
“wir diese Hürde bei der näch­sten Land­tagswahl ganz sich­er überwinden
werden”.

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Holocaust-Opfer in Wittstock beleidigt

OSTPRIGNITZ-RUPPIN Der 83-jährige Zeitzeuge Pavel Strán­ský ist am Mittwoch Opfer recht­sradikaler Pöbeleien gewor­den, als er in der Witt­stock­er Gesamtschule über seine Lei­dens-Odyssee durch drei Konzen­tra­tionslager bericht­en wollte. Während eine Schü­lerin seinen Vor­trag demon­stra­tiv durch laute Wortein­würfe störte und von der Lehrerin des Raumes ver­wiesen wurde, drang ein ander­er Schüler in den Raum ein und schrie den Vor­tra­gen­den an: „Du bist ein Jude!“ 

Strán­ský ist ein­er von weni­gen tschechis­chen Juden, die die Depor­ta­tion in das Ver­nich­tungslager Birke­nau über­lebt haben. Der poly­glotte Prager ist weltweit unter­wegs, um seine Erleb­nisse zu schildern und hat mehrere Schulen in Ost­prig­nitz-Rup­pin besucht. Die Vor­fälle von Witt­stock sind „schmer­zlich“ gewe­sen, sagte Strán­ský den Schülern des Evan­ge­lis­chen Gym­na­si­ums gestern bei sein­er Sta­tion in der Fontanestadt. 

Die auf­fäl­lige Schü­lerin wolle sich jet­zt kaut Lehrerin Ute Meier, die die Zeitzeu­gen­reise begleit­et, bei Pavel Strán­ský entschuldigen. Gegen den Schüler sei Anzeige erstat­tet wor­den. Polizeis­precherin Beat­rix Kühnbe­stritt dies allerd­ings: „Nach vor­liegen­den Infor­ma­tio­nen lieget eine Anzeige zu solch einem Fall nicht vor.“ 

Nein, den Glauben an Gott habe ich ver­loren. Das einige woran ich glaube, ist die Liebe.“

Schaut zum Hor­i­zont“, haben Mithäftlinge die Neuankömm­linge im Ver­nich­tungslager Auschwitz-Birke­nau begrüßt. „Seht ihr den Rauch aus dem Schorn­stein steigen? Das ist der einzige Ausweg hier.“ Pavel Strán­ský hat­te Glück. Für ihn sollte es noch einen anderen Weg geben. 

Gestern erzählte der Holo­caust-Über­lebende den Schülern des Evan­ge­lis­chen Gym­na­si­ums von sein­er Odyssee durch drei Konzen­tra­tionslager. Es war eine Odyssee der Lei­den, die die etwa zwanzig Schüler des Deutschkurs­es der zwölften Klasse zu hören beka­men: Unvorstell­bare Kälte, steter Hunger und Demü­ti­gun­gen musste Pavel Strán­ský über sich erge­hen lassen. 

Mein Vater hat das Unheil kom­men sehen, als die Nazis 1938 unser Land beset­zten“, erzählte der 83-jährige Prager in ein­wand­freiem Deutsch den aufmerk­sam lauschen­den Schülern. Der Vater hin­ter­ließ seinem Sohn Pavel und der Frau nur einen Abschieds­brief und eine leere Schlaftablet­ten­dose. Strán­ský hat­te einen trifti­gen Grund, es ihm nicht gle­ich zu tun, auch wenn 1938 die Repres­salien bere­its unerträglich gewor­den waren. Denn er war ver­liebt. „Wir woll­ten heirat­en“, erzählte er über seine Beziehung zu Vera, eben­falls Jüdin, „und hat­te Eheringe schon gekauft – aus Edel­stahl, Gold ist uns abgenom­men worden.“

Im Dezem­ber 1943 wur­den Vera und Pavel, der inzwis­chen Lehrer war, zusam­men mit den Müt­tern nach There­sien­stadt deportiert. Irgend­wann sollte Pavel dem Weg fol­gen, den seine Mut­ter zuvor schon gehen musste – „in den Osten“ wie es damals nur hieß. Vera wollte ihn nicht alleine gehen lassen und sie heirateten in There­sien­stadt. Ohne die Ringe, die Pavel bei sein­er Tante abgegeben hatte. 

Wir wur­den dann in Viehwag­gons gepfer­cht. Es gab nur einen Eimer für die Not­durft. Zwei Nächte und einen Tag lang hat­ten wir nichts zu essen und zu trinken.“ Bar­fuß im Schnee angekom­men gab es „die let­zte Demü­ti­gung“: „Wir beka­men eine Num­mer tätowiert und ver­loren unsere Namen.“ Dass Vera die kar­gen Essen­sra­tio­nen für die Lagerin­sassen austeilte, war ein Glück für bei­de. Sie durfte die Behäl­ter auskratzen, was für sie eine zweite und über­lebenswichtige Ration bedeutete. Strán­ský hat­te außer­dem das Glück, bei ein­er Art Pro­jekt mitwirken zu dür­fen: einem Block für Kinder. „Hier schufen wir eine Märchen­welt. Es war keine schwere Arbeit und wir hat­ten ein Dach.“ Unter anderem probten sie Stücke mit Kindern ein, Stücke voll Hoff­nung uns Opti­mis­mus. Die wur­den vor Nazi-Per­son­al aufge­führt. „Men­gele, der berüchtigte Lager­arzt, nahm danach oft die Kinder auf seinen Schoß“, erin­nerte sich Pavel Strán­ský. „’Nen­nt mich Onkel’, hat er gesagt und sie später ver­gasen lassen.“ Der Arzt spielte auch Schick­sal in seinem Leben. 

Als in den let­zten Jahren des zweit­en Weltkrieges immer mehr Juden angeliefert und ver­gast wur­den, wurde Pavel Strán­ský wie einige andere bei einem Lau­fap­pell durch einen kurzen Wink Men­ge­les her­aus­se­lek­tiert: Er kam nach Schwarzhei­de bei Dres­den und wurde Zwangsar­beit­er. Im Mai 1945 über­lebte er den Todes­marsch und lan­dete wieder in There­sien­stadt. Von dort schaffte er den Weg zurück nach Prag.

Auch seine Frau fand den Weg aus Auschwitz her­aus und über­lebte sog­ar eine Typhuskrankheit. Über die Zeit des Holo­caust woll­ten die bei­den bis vor weni­gen Jahren nicht reden. Das er es jet­zt tue, sehe er als „moralis­che Pflicht“, auch wenn es zu einzel­nen Aus­fällen komme. Jüngst erlebte er in Witt­stock etwas, was ihn geschmerzt habe. Die gute Reak­tion der Mehrheit der Schüler darauf habe ihn aber bestärkt. 

Die Evi-Gym­nasi­as­ten zeigten sich mit der Deutsch-Lek­türe „Der Vor­leser“ von Bern­hard Schlink im Gespräch gut informiert und inter­essiert. Ihre Fra­gen fokussierten sich auf den Umgang mit der Ver­gan­gen­heit. Wieso hat er beispiel­sweise so lange geschwiegen? „Das Schick­sal der Juden war lange Zeit tabu. Ger­ade meine Frau hat nie ein Wort dazu gesagt. Nicht mal zu unseren Söhnen.“ 

Zur Frage, ob das Schick­sal seine Reli­giosität bee­in­flusst habe, sagte er: „Nein, den Glauben an Gott habe ich ver­loren. Das einige woran ich glaube, ist die Liebe.“ Der Ring, den er gestern trug, hat immer noch die Prä­gung „Edel­stahl“.

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Nazidemo in Pritzwalk?

INFORIOT Nach bis­lang unbestätigten Infor­ma­tio­nen sollen Neon­azis pla­nen, am Sam­stag eine Demon­stra­tion in der nord­west­bran­den­bur­gis­chen Stadt Pritzwalk durchzuführen. Bis auf die Startzeit, die bei 16 Uhr liegen soll, sind keine weit­eren Details bekan­nt. Weit­er­hin ist zu vernehmen, dass am fol­gen­den Mittwoch eine Aktion gegen Recht­sex­trem­is­mus in Reak­tion auf die erwäh­nte Demon­stra­tion ange­set­zt sein soll.

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Junge Angolanerin angegriffen

Am Don­ner­stag wurde gegen 20:00 Uhr eine 16-jährige Angolaner­in, die in
Fürsten­walde wohnt, auf dem Bahn­hof von einem 17-jähri­gen Jugendlichen
attack­iert. Der Jugendliche, der in Begleitung sein­er Fre­undin und deren
Fre­undin war, hat das Mäd­chen geschub­st und mit der Hand geschlagen.
Pas­san­ten grif­f­en ein und been­de­ten den Angriff, der Täter kon­nte zunächst
aber flücht­en. Die Polizei kon­nte ihn jedoch wenig später noch am Bahnhof
vor­läu­fig fes­t­nehmen. Bei sein­er Fre­undin und deren Beglei­t­erin, die den
Täter auch von der Tat abhal­ten wollte, stell­ten die Polizis­ten die
Per­son­alien fest. 

Mehrere Per­so­n­en haben sich noch am Abend bei der Polizei gemeldet und sich
als Zeu­gen zur Ver­fü­gung gestellt. Die Geschädigte erlitt bei dem Angriff
keine äußeren Verletzungen. 

Zum Motiv gab der jugendliche Tatverdächtige an, dass er Aus­län­der nicht
lei­den könne und diese aus dem Land ver­schwinden sollen. Über einen
Haf­tantrag wird noch am Fre­itag entschieden.

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Ex-NPD-Funktionär nicht in Ausschuss gewählt


Jugend­hil­feauss­chuss: SPD, CDU und PDS lehn­ten Thi­lo Kabus geschlossen ab

POTSDAM Der ehe­ma­lige NPD-Funk­tionär Thi­lo Kabus wird nicht im brandenburgischen
Lan­desju­gend­hil­feauss­chuss mitar­beit­en. Er war von der recht­sex­tremen DVU
als Stel­lvertreter der Abge­ord­neten Bir­git Fech­n­er für das Gremium
vorgeschla­gen wor­den. Die Frak­tio­nen von SPD, CDU und PDS lehn­ten ihn jedoch
geschlossen ab. SPD-Frak­tion­schef Gün­ter Baaske sagte, es sei gut, dass alle
demokratis­chen Parteien gemein­sam klar Nein gesagt hät­ten zu einem
Recht­sradikalen im Jugendhilfeausschuss. 

Fech­n­er wurde bei ein­er getren­nten Abstim­mung bei drei Gegen­stim­men aus der
PDS und Enthal­tung aller anderen Abge­ord­neten von SPD, CDU und PDS mit den
Stim­men ihrer eige­nen Frak­tion gewählt. Nach ein­er Land­tagswahl muss der
Jugend­hil­feauss­chuss neu beset­zt wer­den. Neun der 20 Mit­glieder wer­den auf
Vorschlag der Frak­tio­nen gewählt. 

In der ver­gan­genen Leg­is­latur saß Kabus allerd­ings in dem Auss­chuss. Damals
war offen­bar nichts über seine NPD-Kar­riere bekan­nt. Bei sein­er Wahl hatten
sich SPD, CDU und PDS der Stimme enthal­ten. Nach Infor­ma­tio­nen der
SPD-Frak­tion hat Kabus im Vor­jahr seine fast 20-jährige NPD-Mitgliedschaft
been­det. Er sei von 1992 bis 1998 Chef der NPD Bran­den­burg und 1998
NPD-Kan­di­dat für den Bun­destag gewe­sen. Derzeit ist Kabus Sprech­er der DVU
im Landtag.

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Neuer Jugendklub im Park 7

Ein neuer Jugend­klub öffnet am kom­menden Sonnabend, 15 Uhr, in der
Begeg­nungsstätte Park 7 in Forst. Der Klub soll vor allem für jugendliche
Spä­taussiedler ein Anlauf­punkt sein. 

Er ist eines der Vorhaben im für drei Jahre angelegten Pro­jekt «Unternehmen
füreinan­der» der Regionalen Arbeitsstelle für Aus­län­der­fra­gen, Jugendarbeit
und Schulen (RAA) Forst. Bei der Her­rich­tung der Räume haben Jugendliche
geholfen. Kün­ftig soll dort Gele­gen­heit sein, Sport zu treiben, in einem
Klu­braum Zeit zu ver­brin­gen, Bewer­bungstrain­ing zu absolvieren oder an
Sem­i­naren teilzunehmen. In Forst leben derzeit rund 400 Spätaussiedler,
unter ihnen sind knapp ein­hun­dert im Alter zwis­chen 15 und 25 Jahren.

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Solidarität nimmt die Angst

(Zit­ty — Berlin­er Stadt­magazin, 25/2004, Inter­view: Mirko Heine­mann) Jochen (25) und David (18) (Namen bekan­nt und geän­dert) sind Mit­glieder von
Grup­pen, die sich im bran­den­bur­gis­chen Rathenow gegen Rechtsradikale
engagieren. Wir tre­f­fen uns an ein­er Tankstelle außer­halb und fahren
gemein­sam nach Rathenow hinein. „Stadt der Optik“, ste­ht auf einem
Ortss­child. Zu DDR-Zeit­en wur­den hier Brillen für den gesamten Ostblock
gefer­tigt, heute führen nur noch wenige hun­dert Beschäftigte die Tradition
fort. Seit der Wende ist Rathenow von 33.000 auf 25.000 Einwohner
geschrumpft. Wir führen das Gespräch in einem Dön­er-Imbiss der Stadt. 

Warum wollt ihr nicht, dass eure Namen veröf­fentlicht werden? 

Jochen: Aus Vor­sicht. Die Rathenow­er Nazis sind dafür bekan­nt, dass sie in
erster Lin­ie Schläger sind. Es gibt hier zahlre­iche Über­griffe von Rechten,
erst danach kom­men poli­tis­che Aktio­nen. Auch wir wur­den schon öfter
attack­iert, meinem Kol­le­gen hier wurde schon zwei Mal das Auto demoliert. 

Haben sich die Wahler­folge von NPD und DVU in Sach­sen und Bran­den­burg auf
das Selb­st­be­wusst­sein der Recht­en ausgewirkt? 

Jochen: Man hat im Wahlkampf und im Rah­men der Hartz IV-Debat­te beobachten
kön­nen, dass die Nazis sich mehr und mehr organ­isieren und vermehrt
Pro­pa­gan­da streuen. Neben den Wahlplakat­en wur­den vor der Wahl auch rechte
Flug­blät­ter und Aufk­le­ber verteilt. Direkt nach der Wahl wur­den im
benach­barten Prem­nitz flächen­deck­end NPD-Aufk­le­ber verklebt mit der
Auf­schrift: „1:0 für Deutschland“. 

David: Die Nazis haben sich hier engagiert darum geküm­mert, dass niemand
DVU-Plakate abreißt. Eines Abends war ich mit drei Fre­un­den in meinem Auto
unter­wegs. Wir wur­den von einem Auto aus­ge­bremst. Das waren Nazis, zu fünft,
mask­iert und mit Totschlägern und Pis­tolen bewaffnet. In der Nähe waren
ange­blich DVU-Plakate abgeris­sen wor­den, und die Nazis sucht­en jet­zt Opfer.
Drei von uns kon­nten abhauen, ein­er ist unglück­licher­weise im Auto sitzen
geblieben. Die Nazis haben das Auto völ­lig zertrüm­mert. Er hat es überlebt –
mit zwei Platzwun­den am Kopf und vie­len Prel­lun­gen, Schnitt- und
Schürfwunden. 

Wie oft wird man hier im All­t­ag mit Nazis konfrontiert? 

David: Man sieht sie jeden Tag auf der Straße. Auss­chre­itun­gen oder Gewalt
sind dabei aber eher sel­ten. Es gibt allerd­ings Eck­en in Rathenow, wo man
sich nicht frei bewe­gen kann. Am Woch­enende zum Beispiel kann man an der
Disko „Remix Dance­house“ nicht vor­beige­hen, ohne beschimpft oder angegriffen
zu werden. 

Jochen: Man muss immer auf­passen, wo man lang läuft, und ein paar Wege
meiden. 

Ken­nt man sich? 

David: Rathenow ist eine Kle­in­stadt. Wir ken­nen von den Nazis eigentlich
fast alle. 

Wie ist die Sit­u­a­tion an den Schulen? 

Jochen: Vor drei Jahren gab es noch starkes Nazi-Poten­zial an den Schulen,
vor allem an den Gesamtschulen. Aber das war eine Alter­sklasse – die haben
alle die Schule abgeschlossen und sind raus. Jet­zt hat man den Eindruck,
dass die Kids eher links ange­haucht sind – viele Skater sind dabei. Das kann
aber auch schnell wieder kippen. 

In poli­tisch aktiv­en Kreisen gilt Rathenow als Hochburg der Recht­en, in den
Medi­en hört man nicht viel davon. Warum? 

Jochen: Rathenow zeich­net sich vor allem durch die starke Gewaltbereitschaft
der recht­en Szene aus. Es gibt hier keine poli­tis­che Organ­i­sa­tion in dem
Sinne, nur Kam­er­ad­schaften. Aber das sind richtige Schläger­ban­den. Dazu
kommt: Rathenow ist eine Abwan­derungsre­gion, 25 Prozent Arbeitslosigkeit.
Man will so etwas nicht in der Öffentlichkeit haben. Das schreckt Investoren
ab. Das Übliche halt. 

David: Das Prob­lem wird tot­geschwiegen, das war schon immer so. 

Wie hat sich das Prob­lem Recht­sradikalis­mus seit der Wende entwickelt? 

Jochen: Es hat sich wenig getan. Vor vier Jahren gab es hier extrem viele
Über­griffe gegen Aus­län­der. Die Asyl­be­wer­ber aus dem Heim haben damals ein
Mem­o­ran­dum geschrieben, dass sie ver­legt wer­den woll­ten, weg von Rathenow.
Bis die Polizei durchge­grif­f­en hat. Seit­dem sind Angriffe auf Ausländer
sel­tener gewor­den, aber es ist natür­lich immer noch Ausländerfeindlichkeit
da. Von dem Dön­er-Imbiss, in dem wir jet­zt sitzen, wur­den zwei Mal die
Scheiben eingeworfen. 

David: Eine neue Entwick­lung ist, dass rel­a­tiv viele junge Nazis
dazugekom­men sind, die poli­tisch aktiv sind und auf Demos wie in Potsdam
oder in Halbe marschieren. 

Haben die antifaschis­tis­chen Grup­pen Rück­halt in der Bevölkerung? 

Jochen: Ein­er­seits gibt es Stillschweigen von Seit­en der Presse und der
Bevölkerung. Auf der anderen Seite gibt es genü­gend Leute, die Opfer rechter
Gewalt gewor­den sind. Die unter­stützen wir auch. Gemein­sam mit der
Ini­tia­tive „Opfer­per­spek­tive“ küm­mern wir uns um Rechts­bei­s­tand und betreuen
die Opfer rechter Gewalt. 

Wie viele seid ihr, wie seid ihr vernetzt? 

Jochen: Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass es funk­tion­iert. Wir haben
Kon­tak­te zu anderen Antifa-Grup­pen in Berlin, Bran­den­burg und
Sach­sen-Anhalt, zur PDS und zu Kirchenkreisen. So gab es zum Beispiel im
ver­gan­genen Jahr die Friedens­demos gegen den Irak-Krieg, da sind wir auch
mit­ge­laufen. Was Aktio­nen ange­ht, prof­i­tieren wir natür­lich vor allem von
der Berlin-Nähe. Mit dem Zug ist man in 45 Minuten von Berlin in Rathenow. 

Kon­ntet ihr in let­zter Zeit Erfolge verzeichnen? 

Jochen: Wir sehen es als unsere Auf­gabe an, die Nazige­walt, die
tot­geschwiegen wird, öffentlich zu machen. Und da hat­ten wir schon Erfolge.
Zum Beispiel wurde das Asyl­be­wer­ber­heim von einem Nazi-Wach­schutz bewacht.
Das haben wir immer wieder pub­liziert, und irgend­wann hat das auch der
Ver­fas­sungss­chutz mit­bekom­men, der ja auch unsere Pub­lika­tio­nen liest.
Typ­isch war aber, dass wir unsere Infos erst an das Mag­a­zin „Focus“
weit­er­re­ichen mussten, bevor der Wach­schutz abgelöst wurde. 

David: Außer­dem hat eine Kneipe der Recht­en zugemacht, eine Woche, nachdem
wir eine Demon­stra­tion dage­gen organ­isiert haben. 

Wie geht man mit der Angst um? 

David: Früher waren die alter­na­tiv­en Jun­gendlichen eingeschüchtert von den
Nazis. Wir haben denen gezeigt, dass das auch nur Men­schen sind. Wie und wo
man sie angreifen kann… 

Jochen: …durch Dokumentationsarbeit… 

David: …also jet­zt nicht durch Schläge oder so, das wollte ich nicht sagen.
Jochen: Wir machen allerd­ings auch Schutz, wenn es Dro­hun­gen gibt, klar.
Wichtig ist, dass man weiß, dass man nicht alleine ist. Sol­i­dar­ität. Das ist
es, was uns die Angst nimmt 

Was find­en Jugendliche an den Recht­en faszinierend? 

David: Ich ver­gle­iche das gerne mit Tieren. Die bilden Rudel, und die
Jugendlichen sehen, dass andere Respekt davor haben. Es ist auch vielfach
Angst dabei: Wenn du bei den Recht­en bist, kriegst du von den Recht­en nicht
auf die Fresse. So ein­fach ist das. 

Wie stark ver­ankert ist recht­es Gedankengut bei den Erwachsenen? 

Jochen: „Asy­lanten“, „Neger“, so was ist dur­chaus nor­maler Sprachgebrauch
hier. Solche Begriffe hört man auch bei Jugendlichen, die nicht rechts
eingestellt sind. 

David: Das wird in der Fam­i­lie weit­ergegeben, du hast einen großen Bruder,
dann scharen sich ein paar Jungs drumherum, die sehen den als großes
Ober­haupt und eifern ihm nach. 

Jochen: Es trägt sich aber auch durch die Eltern weit­er. Schon zu DDR-Zeiten
hat es hier Über­griffe auf Gas­tar­beit­er gegeben. 

Außer­halb der Antifa – welche Struk­turen gibt es, die den Recht­en entgegen
treten? 

Jochen: Es gibt eine Sub­kul­tur von Jugendlichen, HipHop­per, Goten, Skater,
Punks. Aber die meis­ten sind eher unpoli­tisch, immer­hin nicht rechts. 

Gibt es B&uum
l;rgerinitiativen oder Pro­jek­te, an Schulen beispielsweise? 

David: An ein­er Schule gibt es ein Aufk­lärung­spro­jekt im Rah­men des Fachs
Lebens­gestal­tung, Ethik und Reli­gion. Zwei Stun­den wöchentlich, soviel ich
weiß. Außer­halb des Unter­richts gibt es keine Pro­jek­te, defin­i­tiv nicht. 

Jochen: Vor einiger Zeit gab es von der Stadt aus eine Ini­tia­tive, die
nan­nte sich „Tol­er­antes Rathenow“, die trafen sich alle 14 Tage. Aber das
war eine Ini­tia­tive von Abge­ord­neten. Bürg­er waren da kaum vertreten, auch
wir nicht. Offiziell gilt Rathenow als befriedet. 

Gibt es von Recht­en dominierte Regio­nen, also so etwas wie Nation­al Befreite
Zonen in der Region? 

Jochen: Zeitweise, aber nicht endgültig. Wenn sie vor der Disko sitzen, ist
klar, dass es zur Sache geht, wenn man vor­beiläuft. Einen Raum, den man nie
und zu kein­er Tageszeit betreten kann – so etwas gibt es nicht. 

Also brauchen Aus­län­der keine Angst zu haben, durch Rathenow zu laufen? 

Jochen: Moment, das ist etwas anderes. Für Aus­län­der ist es immer
gefährlich. Die Aus­län­der bewe­gen sich hier nur in kleinen Grup­pen. Es gibt
auch kaum Aus­län­der hier. Die meis­ten leben im Asyl­be­wer­ber­heim, das ist
mehr oder weniger ihr Gefäng­nis: Ein DDR-Plat­ten­bau mit einem Zaun
drumherum. Nur wenige trauen sich dort heraus. 

Welche rechte Kam­er­ad­schaften gibt es in Rathenow, wie sind sie organisiert? 

Jochen: Wir haben hier eine führende Kam­er­ad­schaft in der Region, zwei
Dutzend Leute, die nen­nt sich das „Hauptvolk“. Die hal­ten regelmäßige
Tre­f­fen ab und machen sportliche Aktio­nen: Sie fahren zu Fußball­spie­len des
BFC Dynamo, machen Märsche durchs Gelände und trainieren Kick­box­en. Außerdem
gibt es eine jün­gere Kam­er­ad­schaft von rund 20 Leuten, die nen­nt sich „Sturm
27“. Die sind deut­lich poli­tis­ch­er, die machen Aktio­nen zum Heldengedenktag
und fahren zu Demos, als „Nationale Bewe­gung Rathenow“. 

Was tut die Polizei? 

Jochen: Wir haben hier eine Spezialein­heit, die Tomeg („Täteror­i­en­tierte
Maß­nah­men gegen extrem­istis­che Gewalt“, der Autor). Man hat aber den
Ein­druck, dass sie eher uns auf die Ner­ven gehen. Die über­prüfen Rucksäcke,
ob wir Sprüh­dosen dabei haben… 

David: Jed­er, der eine schwarze Jacke dabei hat, ist für die ein Sprayer. 

Jochen: Die Kam­er­ad­schaft hat auch eine Fußball-Mannschaft, die nen­nt sich
„Sportvolk“. Die spie­len in der zweit­en Stadtli­ga. Wir haben die zweistellig
besiegt. 

Wie — ihr spielt Fußball gegen die Nazis? 

Jochen: Wir müssen, das ist halt Liga kein Fre­und­schaftsspiel. Unserm
Innen­min­is­ter Schön­bohm kommt das allerd­ings dur­chaus gele­gen. Devise: Man
muss die Jungs beschäfti­gen, also lass sie Fußball spie­len. Es gab auch
schon Spiele der Recht­en gegen eine Mannschaft aus Aussiedlern. Dabei hat es
auch schon Auss­chre­itun­gen gegeben. 

Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm behar­rt ja auf dem Stand­punkt, eine
Extrem­is­mus-Gefahr gebe es von Rechts und Links gle­icher­maßen. Hat das
Auswirkungen? 

David: Ja, ich habe aber auch einen Fehler gemacht. Für eine Spon­tande­mo vor
einem Jahr habe ich Fly­er ent­wor­fen, die waren ein biss­chen splattermäßig –
ein Nazi, der einen Tritt ins Gesicht kriegt. Es fol­gte eine
Haus­durch­suchung und mehrere Gerichtsverfahren. 

Jochen: In Rathenow wurde er freige­sprochen, die Staat­san­waltschaft hat in
Pots­dam Revi­sion ein­gelegt. Dort wurde er verurteilt, jet­zt geht es wieder
in die näch­ste Instanz. 

David: Dabei war die Demo sehr friedlich, das hat selb­st die Tomeg gesagt,
von der einige Leute vor Ort waren. Wir haben mit uns reden lassen, wir sind
auf alle Bedin­gun­gen einge­gan­gen, aber hin­ten­rum kam dann der Hammer:
Haus­durch­suchung und ein Gerichtsver­fahren wegen Aufrufs zur Brandstiftung. 

Jochen: Wir haben gekon­tert mit dem Argu­ment, dass der Fly­er Jugendsprache
ist, siehe Motör­head: „Eat the Rich“. Hat nichts genützt, die ziehen das
durch. 

David: Das Komis­che dabei ist, es hat über­haupt nicht lange gedauert: Ein
Monat, dann war das Schreiben vom Gericht da. Wegen der Sache mit meinem
Auto warte ich jet­zt schon sieben Monate, da passiert über­haupt nichts. 

Wie seht ihr eure Zukun­ft in Rathenow? 

David: Im Großen und Ganzen wird sich in Rathenow nicht viel ändern. Seit
langer Zeit ist es so, dass die Jugendlichen keinen Bock haben, sich mit
Poli­tik wirk­lich auseinan­der zu set­zen. Das The­ma hier bleibt: Wer hat wem
auf die Fresse gehauen? Ich werde wahrschein­lich nach Ham­burg gehen. 

Jochen: Ich würde gerne dazu aufrufen, hier zu bleiben, aber man kann nichts
tun. In Rathenow kann man vielle­icht eine Aus­bil­dung machen oder das Abitur,
aber am Ende bleibt nichts anderes als wegzuge­hen, um woan­ders zu studieren
und einen Job zu finden. 

Inforiot