INFORIOT Ein Musikvideo, das im Internet kursiert, sorgt derzeit im Land Brandenburg
für einige Aufregung. Im Hiphop-Song kurvt „MC A“ in einem Cabriolet durch die
Hauptstraße seines Heimatortes Linum (Ostprignitz-Ruppin) und flirtet mit den leicht
bekleideten Mitfahrerinnen an seiner Seite. Die englischen Reime sind mit
eingängigen Beats unterlegt — für das ungeübte Auge ein Rap-Video wie es zu
Dutzenden auf Musikkanälen im Fernsehen gespielt wird. Nur: Der erst 19-jährige
Künstler trägt kein Basecap und keine Schlabberhosen sondern eine braune Uniform mit
Hakenkreuzaufkleber am Ärmel. Das Video ist rechter Rap, es macht Propaganda für
„die Sache“ der Neonazis.
„Tatsächlich beobachten wir, dass die rechte Szene in Brandenburg auf immer moderne
Methoden setzt, um Jugendliche anzuwerben“, sagt Dietmar Sturzbecher,
Sozialwissenschaftler an der Universität in Potsdam. Eine Studie, die sein Institut
gemeinsam mit dem Berliner „Archiv der Jugendkulturen“ durchgeführt hat, habe
ergeben, dass Hiphop unter den Jugendlichen in Brandenburg äußerst populär sei -
„und das machen sich jetzt auch die Rechten zu nutze.“ Dumpfer Rechtsrock für den
ideologischen Zusammenhalt in der Szene würde so Stück für Stück um Ausdrucksformen
anderer Jugendkulturen ergänzt. Anstatt „Landser“ und Volksmusik kann der moderne
Rechte inzwischen auch andere Musik hören.
Storchendorf wehrt sich gegen Kritik
Linum ist ein idyllisches Örtchen an der Autobahn von Berlin nach Hamburg, dass
normalerweise bei Vogelfreunden und Touristen als „Storchendorf“ bekannt und beliebt
ist. Die dortige Bürgermeisterin Wilma Nickl ist dementsprechend wenig begeistert,
dass Linum wegen „MC A“ nun mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht wird. „Der
junge Mann der dahinter steckt wurde nicht bei uns geboren sondern ist zugezogen.
Bei uns achten die Leute aufeinander. Es gibt darum keine wirkliche rechte Szene bei
uns“, betont die sichtlich besorgte Bürgermeisterin, die die Medienaufmerksamkeit
für übertrieben hält.
„H‑I-T-L-E‑R, driving down the streets in a fancy car” (‚Hitler fährt mit einem
schicken Auto die Straße entlang’), ist nur eine der Zeilen im umstrittenen
Rapvideo. Gezeigt wird dazu ein Panzer. Gemeint ist das als ein Aufruf zum „World
War Three“. Viele tausend Male wurde der Film nach Auskunft seines Machers bereits
heruntergeladen und verbreite sich „rasend schnell“. Das „A“ im Künstlernamen steht
für „Adolf“ — der Rapper fühlt sich als „Führer des nationalen Hiphops“. Insgeheim
hofft „MC A“, der seinen richtigen Namen geheim hält, auf einen Plattenvertrag — mit
dem Label „Aggro Berlin“ habe es bereits Vorgespräche gegeben. In rechten
Diskussionforen im Internet ist man begeistert. „Deutscher Hiphop vom feinsten. So
geht es voran mit der Bewegung“, schreibt ein Neonazi unter dem Pseudonym „88 BPM“.
SPD-Fraktionschef Günter Baaske zeigte sich in einer ersten Reaktion über das
provokante Video „empört und erschüttert zugleich.“ Das demokratische Brandenburg
müsse „aufstehen und zeigen, dass es nicht hingenommen werden darf, dass die
Neonazis nun auch mit Hiphop unsere Jugendlichen ködern. Notfalls muss ein Verbot
her.“ Bertha Sätzer, Sprecherin der „Antifa Koordination Brandenburg“ hingegen kann
die aktuelle Aufregung um das Video nicht nachvollziehen. „Auf diese Entwicklungen
weisen wir seit Jahren hin, ohne dass uns zugehört wurde. Es brauchte wohl diesen
Tropfen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.“ Von einem Verbot des rechten
Hiphops hält Setzer nichts: „Das einzig wirksame Mittel, um den Hass-Sound
abzudrehen, ist antifaschistische Gegenkultur und ein grundlegender
gesellschaftlicher Wandel.“
Verfassungsschutz ist „nicht beteiligt“
Brigitte Müller von der DKP Brandenburg weist unterdessen darauf hin, dass hinter
dem rechten Video finanzstarke Sponsoren stecken könnten: „Möglicherweise erhält die
faschistische Bewegung Unterstützung durch das Großkapital oder den
Verfassungsschutz.“ Ein Sprecher des Innenministeriums wies diesen Vorwurf zurück:
„Das Landesamt in Verfassungsschutz in Brandenburg hat mit diesem Video nichts zu
tun. Unsere Mitarbeiter produzieren keinen Hiphop sondern ausschließlich Rechtsrock
und Neonazi-Hatecore.“
Petke nimmt eigenen Song auf
CDU-Generalsekretär Sven Petke hat derweil als Gegenmaßnahme angekündigt, ein
eigenes Lied aufzunehmen — Die deutsche Nationalhymne will er im Hiphop-Stil neu
interpretieren. „Man darf den Extremisten von Links und Rechts das Thema
Patriotismus nicht überlassen sondern muss ihnen den Raum streitig machen“, so der
Jungpolitiker. Petkes dreistrophige Debut-Single „Deutschland, Deutschland über
alles“ soll um den 20. April erscheinen.
Im Internetportal „Störtebeker“ wird indes angezweifelt, dass das „MC A“-Video
neonazistisch sei. „Wieder mal typisch. Sobald sich ein junger Deutscher öffentlich
äußert und sich zu den guten Seiten der Zeit von 1933 bis 1945 bekennt und für den
Erhalt seiner Rasse eintritt, wird er als ‚rechtslastig’ geschmäht.“ Die Kritik an
dem Song komme einer Vorverurteilung gleich und verletze das Recht auf freie
Meinungsäußerung: „Die etablierte Einheitsfront von Antifa bis SPD sollte sich erst
einmal an die eigene Nase fassen, bevor sie wieder einmal auf Kosten der
Steuerzahler Werbung für ‚Toleranz’ macht.“ Das Portal Störtebeker gilt unter
Kennern selbst als rechtsoffen.
Das beschriebene Video kann hier angesehen werden.
Die Fakten für diesen Artikel wurden uns freundlicherweise vom Webportal turnitdown.de zur Verfügung gestellt.