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(Anti)militarismus

Transparent für Rojava

Soli­ak­tion in Fin­ster­walde: Wir haben in der Nacht vom 11. zum 12. Okto­ber ein Tran­par­ent in Gedanken an die Kämpfe in Roja­va — Kobanê auf gehangen. Wir kön­nen unser­er Wut über das was zurzeit auf der Welt und speziell in Kur­dis­tan geschieht kaum Aus­druck ver­lei­hen. Um wenig­stens ein kleines Zeichen zu set­zen haben wir das Trans­par­ent auf gehangen. Unsere Gedanken sind bei den Men­schen die um Frei­heit und Gle­ich­heit kämpfen. Bijî YPG/YPJ

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Antifaschismus

Völkisches vom AfD-Abgeordneten Andreas Kalbitz

AfD- Landtagsabgeordneter Andreas Kalbitz (Screenshot: Landtag Brandenburg)
AfD- Land­tagsab­ge­ord­neter Andreas Kalb­itz (Screen­shot: Land­tag Brandenburg)

INFORIOT Der AfD-Land­tagsab­ge­ord­nete Andreas Kalb­itz hat eine bewegte poli­tis­che Ver­gan­gen­heit im Feld zwis­chen hart recht­skon­ser­v­a­tiv­en und extrem recht­en Organ­i­sa­tio­nen. Schon Anfang der 1990er sprach sich Kalb­itz für eine Radikalisierung nach Rechts in den Union­sparteien aus. Von dort führte ihn sein poli­tis­ches Wirken an etliche extrem rechte Organ­i­sa­tio­nen und Zeitschriften her­an. Als Autor schrieb Kalb­itz selb­st im ein­schlägi­gen Duk­tus. Kalb­itz, Jahrgang 1972, lebt in Königs Wuster­hausen und zog nach den Wahlen im Sep­tem­ber für die “Alter­na­tive für Deutsch­land” in den Pots­damer Land­tag ein.
UPDATE 21.10.2014: Kalb­itz war auch Mit­glied der recht­sradikalen Partei “Die Repub­likan­er”. Er behauptet, diese Mit­glied­schaft vergessen zu haben und sie darum bei sein­er Bewer­bung auf einen Lan­deslis­ten­platz nicht angegeben zu haben.
Die Zeitschrift “Der Rechte Rand” berichtete in ein­er Aus­gabe aus dem Jahr 1995, dass Kalb­itz im “Witikobund” wirken würde. Der 1950 gegrün­dete, extrem rechte, völkische und revan­chis­tis­che Witikobund ist nach seinem Selb­stver­ständ­nis eine “nationale Sude­tendeutsche Gesin­nungs­ge­mein­schaft” und gehört zum äußer­sten recht­en Rand im Milieu der Ver­triebe­nen­ver­bände. Wer ein­mal dabei ist, soll auf ewig bleiben: Die Mit­glied­schaft ist auf Leben­szeit ausgerichtet.
“Kampf gegen den volk­lichen Tod”
2001 grat­ulierte Kalb­itz im Witikobund-eige­nen Rund­schreiben “Witiko­brief” dem extrem recht­en “Fre­und­schafts- und Hil­f­swerk — Ost” (FHwO) zum zehn­jähri­gen Jubiläum. Kalb­itz lobte den Ein­satz des FHwO, weil es pos­i­tiv im “oft­mals aus­sicht­s­los scheinen­den Kampf gegen den kul­turellen und volk­lichen Tod auf jahrtausendeal­tem deutschen Kul­tur­bo­den” wirken würde. Das FHwO ist unter anderem mit der Neon­azi­partei NPD eng verquickt. In einem weit­eren Text fragte Kalb­itz “Wo ist der Wider­stand?” und trauerte über die weg ster­ben­den “Kam­er­aden der Erleb­nis­gen­er­a­tion”. Die “Jugend von heute” wiederum sei Opfer eines “nie dagewe­se­nen kul­turellen Sub­stanzver­lusts” und “durch Mate­ri­al­is­mus und Genuß­sucht” zu “entseel­ten Kon­sumenten” gewor­den. In Manier der extremen Recht­en beklagte Kalb­itz, dass ein “Eth­nozid am deutschen Volk” stat­tfind­en würde — ganz so, wie derzeit Bran­den­burg­er Neon­azis vor einem “Volk­stod” war­nen.
Autor für Neonazi-Vereinsblatt
Passend dazu: Zwis­chen­zeitlich trat Kalb­itz als Autor für die Zeitschrift “Fritz” in Erschei­n­ung — dem Vere­ins­blatt der extrem recht­en “Jun­gen Lands­man­nschaft Ost­deutsch­land” (JLO, bis 2006: “Junge Lands­man­nschaft Ost­preußen”). Die JLO war jahre­lang für Anmel­dung und Organ­i­sa­tion der “Trauer­märsche” in Dres­den ver­ant­wortlich. Diese Demon­stra­tio­nen waren zeitweise die europaweit größten und bedeu­tend­sten Ver­samm­lun­gen von Alt- und Neon­azis. 2003, als Kalb­itz Texte beis­teuerte, war die JLO bere­its von Neon­azis dominiert. In Inter­views in Neon­azi-Zeitschriften aus dieser Zeit beze­ich­nen sich JLO-Funk­tionäre selb­st als “Nationale Sozial­is­ten”, nutzen die Neon­azi-Gruß­formel “88” (Zeitschrift “Das treue Mädel”) und loben die Zusam­me­nar­beit mit dem “Witikobund” (Zeitschrift “Die Kameradschaft”).
Ver­schwörungs­the­o­rien als “Meis­ter­leis­tung”
In Kalb­itz’ Tex­ten für die JLO-Zeitschrift “Fritz” bemüht dieser erneut seine Volk­stod-Analyse: Ein “Bewußt­sein­seth­nozid in den Köpfen der bun­desre­pub­likanis­chen Jugend” sei zu bekla­gen und die Erin­nerung an NS-Ver­brechen sei eine “Ver­ständ­nisim­plan­ta­tion von 12 Jahren als 99% deutsch­er Geschichte”. Ein Buch des franzö­sis­chen Ver­schwörungs­the­o­retik­ers Thier­ry Meyssan wird indes von Kalb­itz als “geistige Waffe” und als “Meis­ter­leis­tung des inves­tiga­tiv­en Jour­nal­is­mus” gelobt. Meyssan ver­tritt die These, dass bei den Ter­ro­ran­schlä­gen vom 11. Sep­tem­ber 2001 kein Flugzeug in die New York­er Twin Tow­ers geflo­gen sei, es han­dele sich um einen Fall von “insze­niertem Terrorismus”.
Schla­gende Schülerverbindung und JU-Radikaler
Der gebür­tige Münch­n­er Kalb­itz ist zudem “Alter Herr” bei der in sein­er Heimat­stadt ansäs­si­gen “Pen­nalen Burschen­schaft Sax­o­nia-Czer­nowitz”, ein­er schla­gen­den Schülerverbindung. Die Sax­o­nia-Czer­nowitz hält ihre Tre­f­fen im Haus der Burschen­schaft “Danu­bia” ab. Die Danu­bia ist bekan­nt für das Abhal­ten von extrem rechte Ver­anstal­tun­gen in ihrem Anwe­sen — unter anderem sprachen dort Holo­caustleugn­er wie Horst Mahler und Wil­helm Stäglich.
In Kalb­itz’ Münch­n­er Zeit fällt auch sein zeitweiliges Engage­ment in CSU und in der “Jun­gen Union” (JU) — er war unter anderem CSU-Parteitags­delegiert­er und im Bezirksver­band­sauss­chuß der JU München. Kalb­itz trat entsch­ieden für eine Radikalisierung sein­er dama­li­gen Partei nach Rechts ein. So schrieb er 1992 in einem Debat­ten­beitrag für die neurechte Wochen­zeitung “Junge Frei­heit” ein Plä­doy­er “für einen recht­en Auf­bruch in der CDU/CSU”: “Nonkon­formistis­che Rechte” müssten “Alt­las­ten” in der Union “ertränken” — oder aber “den verkomme­nen Gefechts­stand” der Union “aufgeben” und sich dann ein­er “unver­braucht­en poli­tis­chen Kraft” zuwen­den. Offen­bar war also Kalb­itz schon damals auf der Suche nach ein­er recht­en “Alter­na­tive” in der Parteienlandschaft.
Zulet­zt — von 2009 bis 2014 — war Kalb­itz  Geschäfts­führer des Hör­buchver­lages “Edi­tion Apol­lon” in Königs Wuster­hausen. Der mit­tler­weile insol­vente Ver­lag veröf­fentlichte unter anderem einen Jahreskalen­der 2011 mit Ansicht­en der Wewels­burg, die im Nation­al­sozial­is­mus zu ein­er SS-Kult­stätte umge­baut wer­den sollte.
 
Andreas Kalbitz als Autor im "Witikobrief" (Ausschnitt)
Andreas Kalb­itz als Autor im “Witiko­brief” (Auss­chnitt)

Andreas Kalbitz (AfD) als Autor für die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" 2003 (Ausschnitt)
Andreas Kalb­itz (AfD) als Autor für die “Junge Lands­man­nschaft Ost­preußen” 2003 (Auss­chnitt)

Andreas Kalbitz (AfD) 1992 in der "Jungen Freiheit" (Ausschnitt)
Andreas Kalb­itz (AfD) 1992 in der “Jun­gen Frei­heit” (Auss­chnitt)

Andreas Kalbitz als Witikone (Faksimile aus "Der Rechte Rand")
Andreas Kalb­itz als Witikone (Fak­sim­i­le aus “Der Rechte Rand”)

Wewelsburg-Kalender aus dem Verlag von Andreas Kalbitz (Screenshot Amazon.com)
Wewels­burg-Kalen­der aus dem Ver­lag von Andreas Kalb­itz (Screen­shot Amazon.com)

JLO-Interview in Neonazi-Zeitschrift "Die Kameradschaft" (Faksimile)
JLO-Inter­view in Neon­azi-Zeitschrift “Die Kam­er­ad­schaft” (Fak­sim­i­le)

Interview mit JLO-Funktionär in Neonazizeitschrift von 2001 (Faksimile)
Inter­view mit JLO-Funk­tionär in Neon­az­izeitschrift von 2001 (Fak­sim­i­le)
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Antifaschismus

”Auf dem Boden des Grundgesetz”?

INFORIOT Stef­fen Königer, Land­tagsab­ge­ord­neter der “Alter­na­tive für Deutsch­land”, war jahre­lang Redak­teur beim Recht­saußen-Wochen­blatt “Junge Frei­heit”. Das sei völ­lig unprob­lema­tisch, find­et Königer erwartungs­gemäß. Er ließ ver­laut­en, dass jed­er Redak­teur dort fest auf dem Boden der frei­heitlich-demokratis­chen Grun­dord­nung ste­he, und zwar „fes­ter als manch­er Bun­destagsab­ge­ord­nete“. Dies berichteten jüngst die “Pots­damer Neuesten Nachricht­en”.

Steffen Königer (AfD) zur "Jungen Freiheit"
Stef­fen Königer (AfD) zur “Jun­gen Frei­heit” (Screen­shot PNN)

Die “Junge Frei­heit”, Flag­gschiff der “neuen Recht­en”, ganz fest auf demokratis­chem Boden? Und zwar ohne Aus­nahme “jed­er Redak­teur”? Nun: Königer selb­st war beispiel­sweise bis 2004 dort tätig und ver­ließ das Blatt zusam­men mit Ange­li­ka Willig und Manuel Ochsen­re­it­er. Willig machte weit­er beim Blatt “Hier und Jet­zt”, das sich selb­st im Unter­ti­tel “radikal rechte Zeitung” nen­nt und The­o­rieor­gan der neon­azis­tis­chen NPD-Jugen­dor­gan­i­sa­tion “Junge Nation­aldemokrat­en” ist. Manuel Ochsen­re­it­er hinge­gen ist Chefredak­teur der Monat­szeitung “Zuerst!” — ein Ver­such, ein extrem recht­es Nachricht­en­magazin an den Kiosken zu etablieren. Her­aus­ge­ber ist Diet­mar Munier, ein­er der ein­flussre­ich­sten Ver­leger aus der extremen Rechten.
Ex-Junge Freiheit RedakteurInnen Willig und Ochsenreiter schreiben für extrem rechte Blätter.
Ex-Junge Frei­heit Redak­teurIn­nen Willig und Ochsen­re­it­er schreiben für extrem rechte Blätter.
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration Law & Order

Verharmlosung von Nationalismus und Rassismus in Brandenburg

Im Nach­gang der Land­tagswahlen in Bran­den­burg am 14. Sep­tem­ber gab der Geschäfts­führer des Bran­den­bur­gis­chen Insti­tuts für Gemein­we­sen­ber­atung in der Märkischen Oder-Zeitung eine Exper­tise zu den Ursachen der gerin­gen Wahlbeteili­gung von 47,9 Prozent, dem Wahler­folg der „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD) und dem Umgang mit Geflüchteten im Land ab.[1] Dass das Insti­tut zur Wahlanalyse von einem lan­desweit­en Presse­or­gan als Expert_innenstelle herange­zo­gen wird, ist zunächst nicht ungewöhn­lich. Die Fehlein­schätzung der derzeit­i­gen poli­tis­chen Land­schaft Bran­den­burgs hinge­gen schon: Ekla­tant falsch waren die Darstel­lun­gen im Zusam­men­hang mit den Wahler­fol­gen der AfD und dem Umgang mit geflüchteten Men­schen in Brandenburg.
Das Prob­lem
Dirk Wilk­ing, Geschäfts­führer des Insti­tuts, schätzt die AfD zwar als nation­alkon­ser­v­a­tive Partei ein, sieht aber keine Verknüp­fung ihres Wahler­fol­gs mit dem Diskurs um Krim­i­nal­ität in der deutsch-pol­nis­chen Region. Dies geht an der Real­ität vor­bei: Die AfD erlangte bei den Wahlen ins­ge­samt 12,2 Prozent. In fast ganz Bran­den­burg lag sie bei über 10%, in der Gren­zre­gion sog­ar höher – etwa in Oder-Spree (21,3%) und Frank­furt (Oder) (19,7%). „Gren­zkrim­i­nal­ität und Sicher­heit“ waren die The­men, mit denen die AfD haupt­säch­lich ihren lan­desweit­en Wahlkampf geführt hat. Sie sind in allen Regio­nen ent­lang der Gren­ze pop­ulär. Öffentliche oder in den sozialen Medi­en geführte polen­feindliche Debat­ten und auch die Exis­tenz von soge­nan­nten “Bürg­er­wehren” beispiel­sweise in den Städten Küstrin-Kietz, Neuzelle, Eisen­hüt­ten­stadt und Frank­furt (Oder) soll­ten Beweis genug dafür sein, dass die AfD diese Stim­mung nutzen kon­nte und ihre Posi­tio­nen ger­ade dort auf frucht­baren Boden fielen.[2] Gideon Botsch von Moses-Mendelssohn-Insti­tut Pots­dam etwa charak­ter­isierte die AfD tre­f­fend als nation­alpop­ulis­tis­che Rechtspartei.[3]
Zudem for­muliert Wilk­ing die Annahme, dass Geflüchtete und deren Unter­bringung in den Kom­munen im All­ge­meinen akzep­tiert seien. Eine nähere Betra­ch­tung der bran­den­bur­gis­chen Ver­hält­nisse hätte ihn zu einem anderen Schluss kom­men lassen müssen: Die durch den Anstieg von Flüchtlingszahlen bed­ingte Neuein­rich­tung von Flüchtling­sun­terkün­ften löste in vie­len Kom­munen eine Welle des Protests aus. Die all­ge­meine Stim­mung gegenüber den Geflüchteten und ihren Unterstützer_innen war kri­tisch bis feindlich; in eini­gen Gegen­den ging der Hass auf Geflüchtete so weit, dass es zu gewalt­täti­gen Über­grif­f­en und pogromähn­lichen Stim­mungen kam. So gab es im ver­gan­genen Jahr beispiel­sweise in Prem­nitz einen Bran­dan­schlag auf ein Asyl­suchen­den­heim, und in Bestensee gin­gen 200 Men­schen gegen dein Heim auf die Straße. Dass deshalb auch die AfD mit ihrer Forderung nach einem Ein­wan­derungsstopp punk­ten kon­nte, ist kein Zufall. Daneben sehen sich Geflüchtete sowohl einem alltäglichen als auch insti­tu­tionellen Ras­sis­mus aus­ge­set­zt, dem sich zwar bere­its Ini­tia­tiv­en und Ein­rich­tun­gen ent­ge­gen­stellen, der das Leben von Geflüchteten aber nach wie vor in höch­stem Maße prägt. In Frank­furt (Oder) beispiel­sweise lud sich kür­zlich die Stim­mung gegen Geflüchtete inner­halb weniger Tage maß­los ras­sis­tisch auf, als in sozialen Net­zw­erken Gerüchte gestreut wur­den, die einen Zusam­men­hang zwis­chen „Dro­genkrim­i­nal­ität“ und Geflüchteten konstruierten.[4] Die AfD Frank­furt (Oder) unter­stützte diese Hetze.
Wilk­ing ver­harm­lost die Posi­tio­nen der AfD; ihm scheint nicht klar zu sein, dass es auch die genan­nten Reizthe­men waren, die über 10% der Brandenburger_innen ansprachen. Bei diesen han­delt es sich um klas­sis­che The­men der poli­tis­chen Recht­en – und sie wer­den gezielt von der AfD über­nom­men. Das Wahlergeb­nis der Partei als reinen Protest abzu­tun, verken­nt das grundle­gende Prob­lem. Indem Wilk­ing von ein­er all­ge­meinen Akzep­tanz gegenüber Geflüchteten in den Kom­munen spricht, bagatel­lisiert er die von ein­er ras­sis­tis­chen Grund­stim­mung geprägte Hal­tung der Mehrheits­ge­sellschaft gegenüber Migrant_innen.
Die Fol­gen
Das Insti­tut gilt im Land Bran­den­burg als wichtige Instanz in Sachen Neon­azis­mus- und Demokratieber­atung; die von ihren Mitarbeiter_innen abgegebe­nen Ein­schätzun­gen wer­den in der Öffentlichkeit, aber auch auf der Poli­tik- und Ver­wal­tungsebene des Lan­des wirk­mächtig und sind als Exper­tise anerkan­nt. Die Fehlein­schätzung des Geschäfts­führers kann schw­er­wiegende Fol­gen für die Wahrnehmung der Prob­lem­felder AfD, All­t­agsras­sis­mus und Diskri­m­inierung von Migrant_innen haben. Eine seit Jahren seit­ens der Zivilge­sellschaft betriebene Sen­si­bil­isierung zu dieser The­matik wird dadurch enorm erschw­ert. Zudem macht eine falsche Analyse adäquates Han­deln unmöglich: Zum einen wer­den zuständi­ge Lan­desstellen – darunter auch der Ver­fas­sungss­chutz – falsch informiert und in ihren Maß­nah­men fehlgeleit­et, zum anderen wird das konkrete Engage­ment im zivilge­sellschaftlichen Bere­ich gegen Ungle­ich­heit und Ras­sis­mus häu­figer infrage gestellt wer­den. Denn wo von der Lan­desstelle für Demokratie kein Prob­lem gese­hen wird, müssen sich zivilge­sellschaftliche Akteure mit ein­er anderen Per­spek­tive erst ein­mal behaupten.
Welche Kon­se­quen­zen gezo­gen wer­den müssen
Ob es sich bei der Analyse der Bran­den­burg­er Land­tagswahlen durch Dirk Wilk­ing um gewollte Schön­fär­berei, um eine Unter­schätzung des Prob­lems oder um Infor­ma­tion­sprob­leme auf­grund ein­er fehlen­den kom­mu­nale Ver­ankerung des Insti­tuts han­delt – in allen Fällen ist zu fra­gen, welchen Sinn eine solche vom Land genau für die ange­sproch­enen The­men­felder ein­gerichtete Beratungsstelle erfüllt. Es bleibt zu hof­fen, dass die Stelle abgeschafft oder anders beset­zt wird. Denn so wie sie arbeit­et, ist sie Teil des Prob­lems und nicht Teil ein­er Lösung für das Ras­sis­mus­prob­lem in Brandenburg.
 
[1] Vgl. Hen­ning Kraudzun, „Die Dör­fer kapseln sich ab“ — Demokratie-Experte Dirk Wilk­ing im Inter­view, MOZ, 16.09.2014 (http://www.moz.de/themen/landtagswahl/artikelansicht/dg/0/1/1325725/)
[2] Vgl. Jeanette Bed­erke, Bürg­er­wehr gegen krim­inelle Gren­zgänger, MAZ, 11.04.2014 (http://www.maz-online.de/Brandenburg/Buergerwehr-gegen-kriminelle-Grenzgaenger); Chris­t­ian Ban­gel, Die Angst geht auf Streife, Zeit Online, 12.05.2014 (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014–05/buergerwehr-in-deutschland/); Cate­ri­na Loben­stein, Brücke der Angst, DIE ZEIT Nº 38/2014, 11.11.2014 (http://www.zeit.de/2014/38/grenzkriminalitaet-brandenburg-landtagswahl).
[3] Alexan­der Fröh­lich im Inter­view mit Gideon Botsch, „Die AfD ist eine nation­alpop­ulis­tis­che Rechtspartei“, PNN, 16.09.2014, (http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/892684/).
[4] Vgl. DPA, Neon­azi-Het­ze gegen Asyl­be­wer­ber, MOZ, 27.12.2013 (http://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1229587/), Opfer­per­spek­tive e.V. — Antidiskri­m­inierungs­ber­atung (http://www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de/), Utopia e.V., Het­ze gegen Asyl­suchende nimmt bedrohlich­es Maß an, 28.08.2014 (http://utopiaffo.blogsport.de/2014/08/29/pm-hetze-gegen-asylsuchende-nimmt-bedrohliches-mass-an/).
Frank­furt (Oder), den 02.10.2014
Utopia e.V.

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(Anti-)Rassismus Arbeit & Soziales Flucht & Migration Law & Order

In der Sackgasse der Sammelunterkünfte – die Brandenburger Landesregierung im selbst produzierten Aufnahmenotstand

Seit gut zwei Jahren beschwört die Brandenburger Landesregierung einen
so genannten Aufnahmenotstand herauf. Man sucht „händeringend“ nach
Unterbringungsplätzen und warnt medienwirksam vor Zeltstädten. Trotz
offensichtlich andauernder Krisen und Kriege werden die Augen davor
verschlossen, dass auch weiterhin mehr Flüchtlinge nach Brandenburg
kommen werden und die meisten von ihnen hier bleiben – und dass man
diesen Menschen eine dauerhafte Lebensperspektive bieten muss. Jahrelang
wurden Unterbringungskapazitäten konzeptlos abgebaut, statt sich von der
Sammelunterbringung zu trennen und auf die flexiblere und
menschenwürdige Wohnungsunterbringung umzustellen. Dass die Zahl der
Asylsuchenden nicht so niedrig bleiben würde, wie in den Jahren 2005 –
2009, in denen sie weit unter 1000 pro Jahr lag, war spätestens seit
Beginn des Bürgerkriegs in Syrien absehbar. Angemessen reagiert wurde
darauf weder von den Kreisen noch von der Landesregierung.
Wie vergessen ist der Auftrag des Landtags, rechtskräftig die
Mindeststandards für die Betreibung kommunaler Unterkünfte anzuheben
(derzeit sind 6qm Wohnfläche und ein sozialarbeiterischer
Betreuungsschlüssel von 1:120 vorgesehen), Flüchtlinge in Wohnungen
unterzubringen und ihre Lebenssituation zu verbessern.
Ad-hoc-Scheinlösungen, wie die Eröffnung neuer Großunterkünfte und
Außenstellen der Erstaufnahme in abgelegenen Ortschaften oder mitten im
Wald zementieren die Ausgrenzung und Mangelversorgung der hier
ankommenden Flüchtlinge für Jahre. Die rechtliche Weichenstellung – die
Änderung des Landesaufnahmegesetzes zugunsten von mehr Wohnungen und
besseren Lebensbedingungen – wird immer weiter verschoben.
In der Brandenburger Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt wird
die alltägliche medizinische Versorgung und die Sozialarbeit trotz
jahrelanger Kritik von dem Sicherheitsdienstleister B.O.S.S. erledigt.
Die Menschen sind in einer alten umzäunten Polizeikaserne untergebracht
– Eisenhüttenstadt ist für Besuch oder AnwältInnen völlig abgelegen und
die Landesregierung gibt selbst zu, dort kaum qualifiziertes Personal zu
finden. Statt aber dieses verfehlte Konzept aufzugeben, werden weitere
Erstaufnahmelager in leer stehenden Kasernen im Nirgendwo geplant. In
den Landkreisen werden für neue Großunterkünfte Langzeitverträge
geschlossen, die die Verhältnisse auf Jahre hin festlegen. Fragen
menschenwürdiger Unterbringung, die Privatsphäre und persönliche
Alltagsgestaltung zulässt, ausreichender sozialer Betreuung und
qualifizierter Betreibung habe man nun hinter sich gelassen, verlautet
seit Monaten aus der Landesregierung. Vorbei die Zeiten, als man darüber
„gemütlich“ sinnieren konnte – nun gelte es, Zelte und Obdachlosigkeit
zu vermeiden. Eine fatale Fehleinschätzung, denn nicht erst die
rassistischen Misshandlungen in Nordrhein-Westfalen machen deutlich: die
strukturelle Mängel der Unterbringung zeitigen bei steigenden
Flüchtlingszahlen noch verheerendere Folgen.
Wir erwarten, dass die neue Landesregierung nach der letzten vertanen
Legislaturperiode nun endlich beginnt, die humane Flüchtlingspolitik
umzusetzen, die sie sich auf die Fahnen geschrieben hat:
*Erstaufnahme neu organisieren! *Die Erstaufnahmeeinrichtung muss in die
Trägerschaft des Sozialministeriums übergeben werden. Standorte neuer
Erstaufnahmeeinrichtungen sollten in der Nähe von städtischen Zentren
liegen, die über qualifiziertes Personal verfügen. Mindeststandards für
die Unterkünfte in den Landkreisen sollten auch für die Erstaufnahme
gelten. Eine unabhängige Asylverfahrensberatung muss gewährleistet sein.
*Wohnungs- oder wohnungsähnliche Unterbringung statt Großeinrichtungen:*
Flüchtlinge müssen in Wohnungen oder kleinen Sammelunterkünften mit
abgeschlossenen Wohneinheiten untergebracht werden, die in Wohngebieten
mit Ärzten, Einkaufsmöglichkeiten, Schule und Kitas sowie Anschluss an
den ÖPNV liegen.
Die Wohnungsunterbringung muss durch gut ausgestattete Programme, die
die Kommunen bei der Förderung eines integrationsfreundlichen Klimas
unterstützen,**flankiert werden.**Unbegleitete Wohnungszuweisungen in
Ortschaften, in denen die Neuankömmlinge die einzigen Ausländer sind,
führen dagegen zur verschärften Isolation.
*Beratung und Unterstützung für Flüchtlinge gewährleisten: *Pro
Landkreis muss den Flüchtlingen eine Personalstelle in freier
Trägerschaft für Asylverfahrensberatung zur Verfügung stehen. Der
Betreuungsschlüssel in kommunalen Unterkünften muss auf 1:80
herabgesetzt werden.
Inforiot