Soliaktion in Finsterwalde: Wir haben in der Nacht vom 11. zum 12. Oktober ein Tranparent in Gedanken an die Kämpfe in Rojava — Kobanê auf gehangen. Wir können unserer Wut über das was zurzeit auf der Welt und speziell in Kurdistan geschieht kaum Ausdruck verleihen. Um wenigstens ein kleines Zeichen zu setzen haben wir das Transparent auf gehangen. Unsere Gedanken sind bei den Menschen die um Freiheit und Gleichheit kämpfen. Bijî YPG/YPJ
Monat: Oktober 2014
INFORIOT Der AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Kalbitz hat eine bewegte politische Vergangenheit im Feld zwischen hart rechtskonservativen und extrem rechten Organisationen. Schon Anfang der 1990er sprach sich Kalbitz für eine Radikalisierung nach Rechts in den Unionsparteien aus. Von dort führte ihn sein politisches Wirken an etliche extrem rechte Organisationen und Zeitschriften heran. Als Autor schrieb Kalbitz selbst im einschlägigen Duktus. Kalbitz, Jahrgang 1972, lebt in Königs Wusterhausen und zog nach den Wahlen im September für die “Alternative für Deutschland” in den Potsdamer Landtag ein.
UPDATE 21.10.2014: Kalbitz war auch Mitglied der rechtsradikalen Partei “Die Republikaner”. Er behauptet, diese Mitgliedschaft vergessen zu haben und sie darum bei seiner Bewerbung auf einen Landeslistenplatz nicht angegeben zu haben.
Die Zeitschrift “Der Rechte Rand” berichtete in einer Ausgabe aus dem Jahr 1995, dass Kalbitz im “Witikobund” wirken würde. Der 1950 gegründete, extrem rechte, völkische und revanchistische Witikobund ist nach seinem Selbstverständnis eine “nationale Sudetendeutsche Gesinnungsgemeinschaft” und gehört zum äußersten rechten Rand im Milieu der Vertriebenenverbände. Wer einmal dabei ist, soll auf ewig bleiben: Die Mitgliedschaft ist auf Lebenszeit ausgerichtet.
“Kampf gegen den volklichen Tod”
2001 gratulierte Kalbitz im Witikobund-eigenen Rundschreiben “Witikobrief” dem extrem rechten “Freundschafts- und Hilfswerk — Ost” (FHwO) zum zehnjährigen Jubiläum. Kalbitz lobte den Einsatz des FHwO, weil es positiv im “oftmals aussichtslos scheinenden Kampf gegen den kulturellen und volklichen Tod auf jahrtausendealtem deutschen Kulturboden” wirken würde. Das FHwO ist unter anderem mit der Neonazipartei NPD eng verquickt. In einem weiteren Text fragte Kalbitz “Wo ist der Widerstand?” und trauerte über die weg sterbenden “Kameraden der Erlebnisgeneration”. Die “Jugend von heute” wiederum sei Opfer eines “nie dagewesenen kulturellen Substanzverlusts” und “durch Materialismus und Genußsucht” zu “entseelten Konsumenten” geworden. In Manier der extremen Rechten beklagte Kalbitz, dass ein “Ethnozid am deutschen Volk” stattfinden würde — ganz so, wie derzeit Brandenburger Neonazis vor einem “Volkstod” warnen.
Autor für Neonazi-Vereinsblatt
Passend dazu: Zwischenzeitlich trat Kalbitz als Autor für die Zeitschrift “Fritz” in Erscheinung — dem Vereinsblatt der extrem rechten “Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland” (JLO, bis 2006: “Junge Landsmannschaft Ostpreußen”). Die JLO war jahrelang für Anmeldung und Organisation der “Trauermärsche” in Dresden verantwortlich. Diese Demonstrationen waren zeitweise die europaweit größten und bedeutendsten Versammlungen von Alt- und Neonazis. 2003, als Kalbitz Texte beisteuerte, war die JLO bereits von Neonazis dominiert. In Interviews in Neonazi-Zeitschriften aus dieser Zeit bezeichnen sich JLO-Funktionäre selbst als “Nationale Sozialisten”, nutzen die Neonazi-Grußformel “88” (Zeitschrift “Das treue Mädel”) und loben die Zusammenarbeit mit dem “Witikobund” (Zeitschrift “Die Kameradschaft”).
Verschwörungstheorien als “Meisterleistung”
In Kalbitz’ Texten für die JLO-Zeitschrift “Fritz” bemüht dieser erneut seine Volkstod-Analyse: Ein “Bewußtseinsethnozid in den Köpfen der bundesrepublikanischen Jugend” sei zu beklagen und die Erinnerung an NS-Verbrechen sei eine “Verständnisimplantation von 12 Jahren als 99% deutscher Geschichte”. Ein Buch des französischen Verschwörungstheoretikers Thierry Meyssan wird indes von Kalbitz als “geistige Waffe” und als “Meisterleistung des investigativen Journalismus” gelobt. Meyssan vertritt die These, dass bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kein Flugzeug in die New Yorker Twin Towers geflogen sei, es handele sich um einen Fall von “inszeniertem Terrorismus”.
Schlagende Schülerverbindung und JU-Radikaler
Der gebürtige Münchner Kalbitz ist zudem “Alter Herr” bei der in seiner Heimatstadt ansässigen “Pennalen Burschenschaft Saxonia-Czernowitz”, einer schlagenden Schülerverbindung. Die Saxonia-Czernowitz hält ihre Treffen im Haus der Burschenschaft “Danubia” ab. Die Danubia ist bekannt für das Abhalten von extrem rechte Veranstaltungen in ihrem Anwesen — unter anderem sprachen dort Holocaustleugner wie Horst Mahler und Wilhelm Stäglich.
In Kalbitz’ Münchner Zeit fällt auch sein zeitweiliges Engagement in CSU und in der “Jungen Union” (JU) — er war unter anderem CSU-Parteitagsdelegierter und im Bezirksverbandsausschuß der JU München. Kalbitz trat entschieden für eine Radikalisierung seiner damaligen Partei nach Rechts ein. So schrieb er 1992 in einem Debattenbeitrag für die neurechte Wochenzeitung “Junge Freiheit” ein Plädoyer “für einen rechten Aufbruch in der CDU/CSU”: “Nonkonformistische Rechte” müssten “Altlasten” in der Union “ertränken” — oder aber “den verkommenen Gefechtsstand” der Union “aufgeben” und sich dann einer “unverbrauchten politischen Kraft” zuwenden. Offenbar war also Kalbitz schon damals auf der Suche nach einer rechten “Alternative” in der Parteienlandschaft.
Zuletzt — von 2009 bis 2014 — war Kalbitz Geschäftsführer des Hörbuchverlages “Edition Apollon” in Königs Wusterhausen. Der mittlerweile insolvente Verlag veröffentlichte unter anderem einen Jahreskalender 2011 mit Ansichten der Wewelsburg, die im Nationalsozialismus zu einer SS-Kultstätte umgebaut werden sollte.
”Auf dem Boden des Grundgesetz”?
INFORIOT Steffen Königer, Landtagsabgeordneter der “Alternative für Deutschland”, war jahrelang Redakteur beim Rechtsaußen-Wochenblatt “Junge Freiheit”. Das sei völlig unproblematisch, findet Königer erwartungsgemäß. Er ließ verlauten, dass jeder Redakteur dort fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe, und zwar „fester als mancher Bundestagsabgeordnete“. Dies berichteten jüngst die “Potsdamer Neuesten Nachrichten”.
Die “Junge Freiheit”, Flaggschiff der “neuen Rechten”, ganz fest auf demokratischem Boden? Und zwar ohne Ausnahme “jeder Redakteur”? Nun: Königer selbst war beispielsweise bis 2004 dort tätig und verließ das Blatt zusammen mit Angelika Willig und Manuel Ochsenreiter. Willig machte weiter beim Blatt “Hier und Jetzt”, das sich selbst im Untertitel “radikal rechte Zeitung” nennt und Theorieorgan der neonazistischen NPD-Jugendorganisation “Junge Nationaldemokraten” ist. Manuel Ochsenreiter hingegen ist Chefredakteur der Monatszeitung “Zuerst!” — ein Versuch, ein extrem rechtes Nachrichtenmagazin an den Kiosken zu etablieren. Herausgeber ist Dietmar Munier, einer der einflussreichsten Verleger aus der extremen Rechten.
Im Nachgang der Landtagswahlen in Brandenburg am 14. September gab der Geschäftsführer des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung in der Märkischen Oder-Zeitung eine Expertise zu den Ursachen der geringen Wahlbeteiligung von 47,9 Prozent, dem Wahlerfolg der „Alternative für Deutschland“ (AfD) und dem Umgang mit Geflüchteten im Land ab.[1] Dass das Institut zur Wahlanalyse von einem landesweiten Presseorgan als Expert_innenstelle herangezogen wird, ist zunächst nicht ungewöhnlich. Die Fehleinschätzung der derzeitigen politischen Landschaft Brandenburgs hingegen schon: Eklatant falsch waren die Darstellungen im Zusammenhang mit den Wahlerfolgen der AfD und dem Umgang mit geflüchteten Menschen in Brandenburg.
Das Problem
Dirk Wilking, Geschäftsführer des Instituts, schätzt die AfD zwar als nationalkonservative Partei ein, sieht aber keine Verknüpfung ihres Wahlerfolgs mit dem Diskurs um Kriminalität in der deutsch-polnischen Region. Dies geht an der Realität vorbei: Die AfD erlangte bei den Wahlen insgesamt 12,2 Prozent. In fast ganz Brandenburg lag sie bei über 10%, in der Grenzregion sogar höher – etwa in Oder-Spree (21,3%) und Frankfurt (Oder) (19,7%). „Grenzkriminalität und Sicherheit“ waren die Themen, mit denen die AfD hauptsächlich ihren landesweiten Wahlkampf geführt hat. Sie sind in allen Regionen entlang der Grenze populär. Öffentliche oder in den sozialen Medien geführte polenfeindliche Debatten und auch die Existenz von sogenannten “Bürgerwehren” beispielsweise in den Städten Küstrin-Kietz, Neuzelle, Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) sollten Beweis genug dafür sein, dass die AfD diese Stimmung nutzen konnte und ihre Positionen gerade dort auf fruchtbaren Boden fielen.[2] Gideon Botsch von Moses-Mendelssohn-Institut Potsdam etwa charakterisierte die AfD treffend als nationalpopulistische Rechtspartei.[3]
Zudem formuliert Wilking die Annahme, dass Geflüchtete und deren Unterbringung in den Kommunen im Allgemeinen akzeptiert seien. Eine nähere Betrachtung der brandenburgischen Verhältnisse hätte ihn zu einem anderen Schluss kommen lassen müssen: Die durch den Anstieg von Flüchtlingszahlen bedingte Neueinrichtung von Flüchtlingsunterkünften löste in vielen Kommunen eine Welle des Protests aus. Die allgemeine Stimmung gegenüber den Geflüchteten und ihren Unterstützer_innen war kritisch bis feindlich; in einigen Gegenden ging der Hass auf Geflüchtete so weit, dass es zu gewalttätigen Übergriffen und pogromähnlichen Stimmungen kam. So gab es im vergangenen Jahr beispielsweise in Premnitz einen Brandanschlag auf ein Asylsuchendenheim, und in Bestensee gingen 200 Menschen gegen dein Heim auf die Straße. Dass deshalb auch die AfD mit ihrer Forderung nach einem Einwanderungsstopp punkten konnte, ist kein Zufall. Daneben sehen sich Geflüchtete sowohl einem alltäglichen als auch institutionellen Rassismus ausgesetzt, dem sich zwar bereits Initiativen und Einrichtungen entgegenstellen, der das Leben von Geflüchteten aber nach wie vor in höchstem Maße prägt. In Frankfurt (Oder) beispielsweise lud sich kürzlich die Stimmung gegen Geflüchtete innerhalb weniger Tage maßlos rassistisch auf, als in sozialen Netzwerken Gerüchte gestreut wurden, die einen Zusammenhang zwischen „Drogenkriminalität“ und Geflüchteten konstruierten.[4] Die AfD Frankfurt (Oder) unterstützte diese Hetze.
Wilking verharmlost die Positionen der AfD; ihm scheint nicht klar zu sein, dass es auch die genannten Reizthemen waren, die über 10% der Brandenburger_innen ansprachen. Bei diesen handelt es sich um klassische Themen der politischen Rechten – und sie werden gezielt von der AfD übernommen. Das Wahlergebnis der Partei als reinen Protest abzutun, verkennt das grundlegende Problem. Indem Wilking von einer allgemeinen Akzeptanz gegenüber Geflüchteten in den Kommunen spricht, bagatellisiert er die von einer rassistischen Grundstimmung geprägte Haltung der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Migrant_innen.
Die Folgen
Das Institut gilt im Land Brandenburg als wichtige Instanz in Sachen Neonazismus- und Demokratieberatung; die von ihren Mitarbeiter_innen abgegebenen Einschätzungen werden in der Öffentlichkeit, aber auch auf der Politik- und Verwaltungsebene des Landes wirkmächtig und sind als Expertise anerkannt. Die Fehleinschätzung des Geschäftsführers kann schwerwiegende Folgen für die Wahrnehmung der Problemfelder AfD, Alltagsrassismus und Diskriminierung von Migrant_innen haben. Eine seit Jahren seitens der Zivilgesellschaft betriebene Sensibilisierung zu dieser Thematik wird dadurch enorm erschwert. Zudem macht eine falsche Analyse adäquates Handeln unmöglich: Zum einen werden zuständige Landesstellen – darunter auch der Verfassungsschutz – falsch informiert und in ihren Maßnahmen fehlgeleitet, zum anderen wird das konkrete Engagement im zivilgesellschaftlichen Bereich gegen Ungleichheit und Rassismus häufiger infrage gestellt werden. Denn wo von der Landesstelle für Demokratie kein Problem gesehen wird, müssen sich zivilgesellschaftliche Akteure mit einer anderen Perspektive erst einmal behaupten.
Welche Konsequenzen gezogen werden müssen
Ob es sich bei der Analyse der Brandenburger Landtagswahlen durch Dirk Wilking um gewollte Schönfärberei, um eine Unterschätzung des Problems oder um Informationsprobleme aufgrund einer fehlenden kommunale Verankerung des Instituts handelt – in allen Fällen ist zu fragen, welchen Sinn eine solche vom Land genau für die angesprochenen Themenfelder eingerichtete Beratungsstelle erfüllt. Es bleibt zu hoffen, dass die Stelle abgeschafft oder anders besetzt wird. Denn so wie sie arbeitet, ist sie Teil des Problems und nicht Teil einer Lösung für das Rassismusproblem in Brandenburg.
[1] Vgl. Henning Kraudzun, „Die Dörfer kapseln sich ab“ — Demokratie-Experte Dirk Wilking im Interview, MOZ, 16.09.2014 (http://www.moz.de/themen/landtagswahl/artikelansicht/dg/0/1/1325725/)
[2] Vgl. Jeanette Bederke, Bürgerwehr gegen kriminelle Grenzgänger, MAZ, 11.04.2014 (http://www.maz-online.de/Brandenburg/Buergerwehr-gegen-kriminelle-Grenzgaenger); Christian Bangel, Die Angst geht auf Streife, Zeit Online, 12.05.2014 (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014–05/buergerwehr-in-deutschland/); Caterina Lobenstein, Brücke der Angst, DIE ZEIT Nº 38/2014, 11.11.2014 (http://www.zeit.de/2014/38/grenzkriminalitaet-brandenburg-landtagswahl).
[3] Alexander Fröhlich im Interview mit Gideon Botsch, „Die AfD ist eine nationalpopulistische Rechtspartei“, PNN, 16.09.2014, (http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/892684/).
[4] Vgl. DPA, Neonazi-Hetze gegen Asylbewerber, MOZ, 27.12.2013 (http://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1229587/), Opferperspektive e.V. — Antidiskriminierungsberatung (http://www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de/), Utopia e.V., Hetze gegen Asylsuchende nimmt bedrohliches Maß an, 28.08.2014 (http://utopiaffo.blogsport.de/2014/08/29/pm-hetze-gegen-asylsuchende-nimmt-bedrohliches-mass-an/).
Frankfurt (Oder), den 02.10.2014
Utopia e.V.
Seit gut zwei Jahren beschwört die Brandenburger Landesregierung einen so genannten Aufnahmenotstand herauf. Man sucht „händeringend“ nach Unterbringungsplätzen und warnt medienwirksam vor Zeltstädten. Trotz offensichtlich andauernder Krisen und Kriege werden die Augen davor verschlossen, dass auch weiterhin mehr Flüchtlinge nach Brandenburg kommen werden und die meisten von ihnen hier bleiben – und dass man diesen Menschen eine dauerhafte Lebensperspektive bieten muss. Jahrelang wurden Unterbringungskapazitäten konzeptlos abgebaut, statt sich von der Sammelunterbringung zu trennen und auf die flexiblere und menschenwürdige Wohnungsunterbringung umzustellen. Dass die Zahl der Asylsuchenden nicht so niedrig bleiben würde, wie in den Jahren 2005 – 2009, in denen sie weit unter 1000 pro Jahr lag, war spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien absehbar. Angemessen reagiert wurde darauf weder von den Kreisen noch von der Landesregierung. Wie vergessen ist der Auftrag des Landtags, rechtskräftig die Mindeststandards für die Betreibung kommunaler Unterkünfte anzuheben (derzeit sind 6qm Wohnfläche und ein sozialarbeiterischer Betreuungsschlüssel von 1:120 vorgesehen), Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen und ihre Lebenssituation zu verbessern. Ad-hoc-Scheinlösungen, wie die Eröffnung neuer Großunterkünfte und Außenstellen der Erstaufnahme in abgelegenen Ortschaften oder mitten im Wald zementieren die Ausgrenzung und Mangelversorgung der hier ankommenden Flüchtlinge für Jahre. Die rechtliche Weichenstellung – die Änderung des Landesaufnahmegesetzes zugunsten von mehr Wohnungen und besseren Lebensbedingungen – wird immer weiter verschoben. In der Brandenburger Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt wird die alltägliche medizinische Versorgung und die Sozialarbeit trotz jahrelanger Kritik von dem Sicherheitsdienstleister B.O.S.S. erledigt. Die Menschen sind in einer alten umzäunten Polizeikaserne untergebracht – Eisenhüttenstadt ist für Besuch oder AnwältInnen völlig abgelegen und die Landesregierung gibt selbst zu, dort kaum qualifiziertes Personal zu finden. Statt aber dieses verfehlte Konzept aufzugeben, werden weitere Erstaufnahmelager in leer stehenden Kasernen im Nirgendwo geplant. In den Landkreisen werden für neue Großunterkünfte Langzeitverträge geschlossen, die die Verhältnisse auf Jahre hin festlegen. Fragen menschenwürdiger Unterbringung, die Privatsphäre und persönliche Alltagsgestaltung zulässt, ausreichender sozialer Betreuung und qualifizierter Betreibung habe man nun hinter sich gelassen, verlautet seit Monaten aus der Landesregierung. Vorbei die Zeiten, als man darüber „gemütlich“ sinnieren konnte – nun gelte es, Zelte und Obdachlosigkeit zu vermeiden. Eine fatale Fehleinschätzung, denn nicht erst die rassistischen Misshandlungen in Nordrhein-Westfalen machen deutlich: die strukturelle Mängel der Unterbringung zeitigen bei steigenden Flüchtlingszahlen noch verheerendere Folgen. Wir erwarten, dass die neue Landesregierung nach der letzten vertanen Legislaturperiode nun endlich beginnt, die humane Flüchtlingspolitik umzusetzen, die sie sich auf die Fahnen geschrieben hat: *Erstaufnahme neu organisieren! *Die Erstaufnahmeeinrichtung muss in die Trägerschaft des Sozialministeriums übergeben werden. Standorte neuer Erstaufnahmeeinrichtungen sollten in der Nähe von städtischen Zentren liegen, die über qualifiziertes Personal verfügen. Mindeststandards für die Unterkünfte in den Landkreisen sollten auch für die Erstaufnahme gelten. Eine unabhängige Asylverfahrensberatung muss gewährleistet sein. *Wohnungs- oder wohnungsähnliche Unterbringung statt Großeinrichtungen:* Flüchtlinge müssen in Wohnungen oder kleinen Sammelunterkünften mit abgeschlossenen Wohneinheiten untergebracht werden, die in Wohngebieten mit Ärzten, Einkaufsmöglichkeiten, Schule und Kitas sowie Anschluss an den ÖPNV liegen. Die Wohnungsunterbringung muss durch gut ausgestattete Programme, die die Kommunen bei der Förderung eines integrationsfreundlichen Klimas unterstützen,**flankiert werden.**Unbegleitete Wohnungszuweisungen in Ortschaften, in denen die Neuankömmlinge die einzigen Ausländer sind, führen dagegen zur verschärften Isolation. *Beratung und Unterstützung für Flüchtlinge gewährleisten: *Pro Landkreis muss den Flüchtlingen eine Personalstelle in freier Trägerschaft für Asylverfahrensberatung zur Verfügung stehen. Der Betreuungsschlüssel in kommunalen Unterkünften muss auf 1:80 herabgesetzt werden.