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Mutig und geradlinig

(MAZ, 21.2.) ORANIENBURG “Ich bin ein Jude”, zwang ihn die SS auf dem Appellplatz zu
rufen, kurz nach sein­er Ankun­ft im Konzen­tra­tionslager Sach­sen­hausen. “Ich
bin ein Men­sch”, ent­geg­nete Friedrich Weißler. Wenige Tage später wurde er
im Zel­len­bau des Konzen­tra­tionslagers ermordet. 

Am 68. Jahrestag seines Todes, wei­hte die Evan­ge­lis­che Kirche in Deutschland
am Sonnabend eine Stele für Friedrich Weißler in der Gedenkstätte
Sach­sen­hausen ein. Weißler war Jurist und ein Protes­tant mit jüdischer
Herkun­ft. Nach sein­er Ent­las­sung aus dem Richter­amt 1933 durch die Nazis
arbeit­ete er aktiv in der Beken­nen­den Kirche, einem Flügel der evangelischen
Kirche, der sich den Nazis nicht anschließen wollte. Er war Mitverfasser
ein­er Protestschrift an Hitler, in der die Rassenide­olo­gie, die SS sowie die
Konzen­tra­tionslager scharf kri­tisiert wur­den. Als das Doku­ment 1936 ins
Aus­land gelangte, wurde ihm dies zu Unrecht ange­lastet und man brachte ihn
nach Sachsenhausen. 

Auf der Gedenk­feier war der Sohn Friedrich Weißlers, Johannes Weißler,
anwe­send, eben­so wie der Vor­sitzende des Rates der Evan­ge­lis­chen Kirche in
Deutsch­land, Wolf­gang Huber, und die Bun­desjus­tizmin­is­terin Brigitte
Zypries. 

Die Min­is­terin sagte in ihrer Rede, die von Weißler mitformulierte
Protestschrift sei “ein einzi­gar­tiges Zeug­nis der Auflehnung der evangelisch
en Kirche gegen die Dik­tatur”. Noch heute gelte sie als eines der
wichtig­sten Doku­mente vor allem gegen den Anti­semitismus. Auch wenn die
Erin­nerung an Weißler erst spät komme, es sei wichtig, “dass wir uns an
Men­schen wie Friedrich Weißler erin­nern. Diese Stele ist gleichzeitig
Mah­nung an uns alle, Ver­ant­wor­tung dafür zu übernehmen, dass sich solches
nie wieder­holt”, sagte die Ministerin. 

Wolf­gang Huber von der Evan­ge­lis­chen Kirche nan­nte Weißler einen “muti­gen
und ger­adlin­i­gen Men­schen”. Nicht nur die Reich­skirche, die auf Seit­en der
Nation­al­sozial­is­ten stand, habe Weißler damals in sein­er Not ver­lassen. Auch
die Beken­nende Kirche habe ihm nicht beige­s­tanden. “Wir tra­gen als Kirche
schw­er an dem, was Friedrich Weißler ange­tan wurde. Die Evan­ge­lis­che Kirche
in Deutsch­land gedenkt Friedrich Weißlers in Scham und Dankbarkeit”, sagte
Huber. 

Die Stele wurde von Huber und Johannes Weißler enthüllt. Der Sohn Friedrich
Weißlers sagte, er sei “sehr bewegt, dass so viele Leute gekom­men sind”. 

Die Gedenkver­anstal­tung wurde von der Stiftung Brandenburgische
Gedenkstät­ten mitor­gan­isiert. Anwe­send waren mehr als 300 Gäste, darunter
Poli­tik­er, Kirchen­leute und Diplomaten.

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Jüdisches Schicksal in Deutschland

(MAZ, 21.2.) FALKENSEE Zeitzeu­gen aus Jerusalem waren am Fre­itagabend im Haus am Anger angekündigt:
Tamar und Sim­cha Lan­dau. Sie berichteten von ihrem Lei­densweg als Kinder
jüdis­ch­er deutsch­er Fam­i­lien. Und obwohl sie sich ganz offensichtlich
bemüht­en, dis­tanziert, ja sach­lich zu erzählen, waren die zumeist jungen
Zuhör­er im bis auf den let­zten Platz beset­zten The­ater­saal erschüttert. 

Tamar kam in Beuthen (Ober­schle­sien) zur Welt, ver­lebte fröh­liche Jahre mit
Mut­ter, Vater und Geschwis­tern. Aber nach den Pogromen der Kristallnacht
wurde ihr Vater das erste mal ver­haftet, die Fam­i­lie aus der Wohnung
gewiesen und in pol­nis­che Gebi­ete, nahe Auschwitz, umge­siedelt. Hier
geri­eten sie ins Ghet­to, lebten in drangvoller, ang­ster­füll­ter Enge. 1941
wur­den Mut­ter und Geschwis­ter bei ein­er Razz­ia von der Strasse weg
festgenom­men. “Ich habe sie nie wieder gese­hen”, sagte Tamar Lan­dau mit
leis­er Stimme. Ihr Vater kam im KZ um. Dass sie “nur” in ein Arbeitslager
kam, ver­dankt sie ihrer Cou­sine, die laut schrie: “Sie kann arbeit­en, sie
ist 15!”, was nicht stimmte. Das Mäd­chen war elf. Zweiein­halb Jahre
schuftete sie mit vie­len anderen Frauen und Mäd­chen in ein­er Spinnerei,
gequält von Hunger und von Schlä­gen der Auf­se­herin­nen. Immer wieder stockte
Tamar bei ihrem Bericht, schaute sich im Saal um: “Das kann ich so nicht
sagen, hier sind doch Kinder!” 

Im Jan­u­ar 1945 wird sie zusam­men mit tausend weib­lichen Häftlin­gen auf einen
Todes­marsch getrieben. 42 Tage sind sie in bit­ter­er Kälte unter­wegs — von
Neusalz über Muskau, Bautzen und Dres­den bis Flossen­burg. Nur 200 der Frauen
und Mäd­chen über­leben diese Tor­tur. In einem Kinder­heim, von britischen
Sol­dat­en nach der Befreiung des KZ Bergen-Belsen ein­gerichtet, gesun­det sie
nach schw­er­er Krankheit. Und dort begeg­net ihr der 16-jährige Simcha. 

Sein Vater war im KZ ermordet wor­den und über­lebt hat­te er, der aus Berlin
stammte, dort nur dank sein­er Mut­ter und einiger gütiger, sehr mutiger
Bekan­nten, die die bei­den dreiein­halb Jahre ver­steck­ten; Jahre, in denen sie
immer in der Furcht lebten, ent­deckt oder ver­rat­en zu wer­den. Jahre, in
denen sie sich, kam Besuch zu ihren Beschützern, in Schränken verkriechen
mussten. In ein­er Dachkam­mer im Pren­zlauer Berg über­lebten sie die
Bombennächte. 

Mit einem der ersten Trans­porte jüdis­ch­er Kinder gelangten Tamar und Simcha
nach Haifa, arbeit­eten und lern­ten in einem Kib­buz, holten die Mut­ter nach,
studierten, wur­den ein Ehep­aar, Eltern und nun auch Großel­tern. Sie pflegen
Verbindun­gen zu deutschen Jugendgruppen. 

Mancher­lei woll­ten junge Zuhör­er vom Ehep­aar Lan­dau wis­sen. Wie es im Kibbuz
war, was der Junge in seinem Ver­steck gele­sen habe, und immer wieder die
Frage: Wie kon­nte das alles in Deutsch­land geschehen? Nein, eine einfache
Antwort darauf hat­ten die Lan­daus nicht parat. Viele Ursachen gäbe es,
meinte Sim­cha Lan­dau und erin­nerte an seine Zeit in Bonn, wo er in den
70er-Jahren in der Botschaft Israels tätig war. Er habe dort fast nur
Deutsche getrof­fen, die während der Naz­izeit im Wider­stand waren, erzählte
er mit leisem Spott. Nur ein­er habe zugegeben, aktiv­er Nazi gewe­sen zu sein.
Und viele kon­nten nach brauner Ver­gan­gen­heit rasch wieder Kar­riere machen.
Tat­sache sei eben­so, dass Eltern ihren Kindern nicht aufrichtig Auskunft
gegeben haben, was sie im Hitlerdeutsch­land getan hat­ten… “Vieles blieb
unaus­ge­sprochen, unbeant­wortet, verdrängt.” 

Kön­nten Sie sich vorstellen, wieder als Bürg­er in Deutsch­land zu leben? -
“Die Dis­tanz”, erwiderte Sim­cha Lan­dau, “hat uns geholfen, uns den Deutschen
wieder zu näh­ern. Aber hier als Bürg­er leben? Nein, das wäre zu viel
verlangt.”

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SPD lehnt Kürzungen bei Opferperspektive ab

(MAZ, 21.2.) MICHENDORF Der Lan­desvor­stand der SPD hat sich auf ein­er Klausurta­gung gegen geplante
Mit­telkürzun­gen bei der Bekämp­fung des Recht­sex­trem­is­mus aus­ge­sprochen. Die
SPD-Land­tags­frak­tion sei aufge­fordert wor­den, die im Entwurf für den
Dop­pel­haushalt 2005/2006 vorge­se­hene Reduzierung der Gelder für das
Hand­lungskonzept “Tol­er­antes Bran­den­burg” rück­gängig zu machen, sagte
SPD-Lan­des­geschäfts­führer Klaus Ness am Sonnabend in Michendorf
(Pots­dam-Mit­tel­mark). Eben­so müsse der “Vere­in Opfer­per­spek­tive” weiterhin
genü­gend Geld für seine Arbeit erhalten. 

Notwendig seien deshalb Umschich­tun­gen im Etat. Angesichts der hohen Zahl
von recht­en Über­grif­f­en sprach sich der SPD-Lan­deschef, Ministerpräsident
Matthias Platzeck, dafür aus, “das recht­sex­treme Gedankengut Stück für Stück
zurückzudrängen”. 

Ein weit­er­er Schw­er­punkt der Klausurta­gung war der demographis­che Wandel.
Durch den drama­tis­chen Bevölkerungsrück­gang in den kom­menden Jahren stehe
Bran­den­burg vor großen Her­aus­forderun­gen, sagte Platzeck. Vor allem
Jugendlichen müsse eine Chance gegeben wer­den, in Bran­den­burg zu bleiben.
Allein im ver­gan­genen Jahr seien mehr als 20 000 junge Men­schen zwis­chen 14
und 25 Jahren auf der Suche nach Beschäf­ti­gung in ein anderes Bundesland
abgewandert. 

Da die Bevölkerung beson­ders in den von Berlin ent­fer­n­ten Regio­nen drastisch
zurück­ge­he, könne kün­ftig nicht mehr jedes Dorf finanziell gefördert werden.
Über den demographis­chen Wan­del müsse jet­zt eine bre­ite und die gesamte
Gesellschaft erfassende Debat­te angestoßen werden. 

Neben den 17 Mit­gliedern des SPD-Lan­desvor­standes nah­men an der
Klausurta­gung auch die Vor­sitzen­den der Unter­bezirke und der
Arbeits­ge­mein­schaften teil.

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IM-Debatte auf dem Parteitag

(Berlin­er Zeitung, 21.2.) BLOSSIN. Die PDS in Bran­den­burg hat einen neuen Lan­desvor­sitzen­den: Thomas
Nord ist 47 Jahre alt und lan­despoli­tisch noch ein unbeschriebenes Blatt.
Diszi­plin­iert, aber nicht eben begeis­tert fol­gte die Basis auf einem
Parteitag am Woch­enende in Blossin bei Königs Wuster­hausen dem
Per­son­alvorschlag des schei­den­den Parte­ichefs Ralf Christof­fers. Der trat
wegen gesund­heitlich­er Prob­leme nicht mehr an. Es gab keinen
Gegenkan­di­dat­en, etwas Gegrum­mel und nur 77 Prozent Zus­tim­mung für Nord.
Seine wichtig­ste Auf­gabe: Maßge­blich dazu beizu­tra­gen, dass die PDS 2006 die
Rück­kehr in den Bun­destag schafft. Seine größte Hypothek: Als
Jugend­clubleit­er lieferte er der Stasi bis zur Wende Berichte über Leute,
die sich kri­tisch über die DDR äußerten. Heute bedauert er sein
“per­sön­lich­es Versagen”. 

Vor zwei Jahren hat­te Christof­fers Thomas Nord als Landesgeschäftsführer
nach Pots­dam geholt. Diese und andere Funk­tio­nen hat­te er auch in der
Berlin­er PDS schon inne. Mitte der 90er-Jahre war er Mitar­beit­er Stefan
Heyms im Bun­destag. Die jüng­sten Erfolge — Sieg bei der Europa-Wahl,
erst­mals zweit­stärk­ste Kraft im Land­tag — wer­den in der PDS auch Nord
angerech­net. Dass Christof­fers den Mann aus der zweit­en Rei­he zu seinem
Nach­fol­ger aus­rief, hat viele in der PDS über­rascht — und irritiert. 

Offen opponiert hat auf dem Wahlparteitag aber nur Hein­rich Parthey: “Ich
bin noch so erzo­gen: Der größte Lump im ganzen Land ist der Denunziant”,
rief der Delegierte aus Märkisch-Oder­land unter Unmuts­bekun­dun­gen im Saal.
Seine Sorge, “Mit­glieder und Wäh­ler kön­nten es übel nehmen, wenn zum ersten
Mal ein inof­fizieller Mitar­beit­er der Staatssicher­heit zum PDS-Landeschef
gewählt wird”, fand wenig Resonanz. 

Andere Vor­be­halte gegen den Neuen an der Spitze sind weit­er ver­bre­it­et. Die
Bil­dungspoli­tik­erin Ger­rit Große etwa bekan­nte am Rande ihre Bauchschmerzen,
was man­gel­ndes poli­tis­ches Pro­fil und Bekan­ntheit von Nord ange­ht. Andere
Abge­ord­nete sprechen von einem “Kul­tur­bruch”, den die PDS vol­lziehe. Die
alten Kämpfer sind auf dem Rück­zug. Der langjährige Frak­tion­schef Lothar
Bisky weilt zum Parteitag in Neusee­land. Und Heinz Viet­ze, ohne den in 15
Jahren keine Per­son­alie entsch­ieden wurde, war wegen ein­er Kur verhindert. 

Inter­essiert ver­fol­gte dafür Ste­fan Liebich, Berlins PDS-Partei- und
Frak­tion­schef, das Geschehen. Aus den Zeit­en, als der heutige
Wirtschaftsse­n­a­tor Har­ald Wolf noch Frak­tion­schef und Liebich Landeschef
ohne Par­la­ments­man­dat war, erin­nert er sich: “Die entschei­dende Medienarbeit
find­et im Land­tag statt. Man sollte sich da keine sinnlose Konkurrenz
liefern.” Doch die Frak­tionsvor­sitzende Dag­mar Enkel­mann bestritt am Sonntag
nicht, dass sie sich auf dem Parteitag deut­lichere Akzente Nords bei
lan­despoli­tis­chen The­men gewün­scht hätte.

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Elektro-Armbänder für Schläger

(BM, 21.02.) Pots­dam — Angesichts zahlre­ich­er Fälle von häus­lich­er Gewalt prüft die
Lan­desregierung auch unkon­ven­tionelle Gegen­maß­nah­men. So habe sie
Infor­ma­tio­nen über ein Pilot­pro­jekt in der Region Madrid bei der spanischen
Botschaft einge­holt, antwortete Sozialmin­is­terin Dag­mar Ziegler (SPD) auf
eine par­la­men­tarische Anfrage. Dort wür­den Elek­tro-Arm­bän­der gegen prügelnde
Ehemän­ner einge­set­zt. Damit kön­nten Täter rund um die Uhr elektronisch
überwacht werden.

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Kategorisches Nein! Zu Studiengebühren

Mit ein­er über­wälti­gen­der Mehrheit sprachen sich am Woch­enende die
Delegierten des Lan­desparteitags der Bran­den­burg­er PDS gegen
Stu­di­enge­bühren in jed­er Form aus. Sie fol­gten damit einem
Ini­tia­ti­vantrag, den Lan­desvor­stand und Mit­glieder von [“sol­id]
Bran­den­burg gemein­sam mit Peer Jür­gens, dem studierendenpolitischen
Sprech­er der PDS-Land­tags­frak­tion, einge­bracht hat­ten. Hierzu erklärt
Stef­fen Kühne aus dem Lan­desvor­stand des PDS- nahen Jugendverbandes: 

“Wir sind sehr froh über die Entschei­dung und auch darüber, wie
ein­deutig das Votum der Delegierten ausfiel.
Eine ungerechte Maß­nahme wird nicht plöt­zlich bess­er, nur weil ein
Gericht sie nicht mehr aus­drück­lich ver­bi­etet. Für die Geg­ner­in­nen und
Geg­n­er ein­er sozial selek­tiv­en Zwei-Klassen-Bil­dung muss die Antwort auf
die Forderung nach Stu­di­enge­bühren deshalb auch nach der Entscheidung
des Bun­desver­fas­sungs­gerichts ein klares Nein! zu Stu­di­enge­bühren sein.
Es ist jet­zt nicht die Zeit für Exper­i­mente oder die Diskussion
ange­blich “sozialverträglich­er” Gebühren­mod­elle in vorauseilendem
Sachzwanggehorsam. 

Wir sehen in der Entschei­dung nicht zulet­zt auch ein deut­lich­es Zeichen
an die Studieren­den des Lan­des, dass sie mit ihrem Protest nicht alleine
ste­hen — und dass nach den Wahlen nicht alle ihr Mei­n­ungs­fähn­lein derart
beliebig in den tage­spoli­tis­chen Wind hän­gen wie die Brandenburger
Sozialdemokratie. 

Wir rufen alle Men­schen auf, sich an den stu­den­tis­chen Protesten gegen
die Pläne zur Ein­führung von Stu­di­enge­bühren zu beteili­gen und hoffen
auf einen laut­en Früh­ling für Matthias Platzeck und alle anderen
Gebührenfreunde.”

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Friedhof verunstaltet

Ahrens­felde. Mit Plakat­en zum Todestag von Horst Wes­sel hatten
Unbekan­nte vorgestern den Fried­hof in Ahrens­felde verun­stal­tet. Sie
hat­ten auch die Auto­bahn­brücke zwis­chen Lin­den­berg und Neu Buch
plakatiert. Die Polizei enfer­nte alle Plakate.

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Das Feld für die Rechten wurde seit Jahren bestellt”

(ak — analyse + kri­tik — Zeitung für linke Debat­te und Prax­is / Nr. 492 / 18.2.2005)

Seit eini­gen Jahren gibt es in den neuen Bun­deslän­dern und Berlin Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt und Mobile Beratung­steams (MBT), die in Kom­munen Hil­festel­lung geben bei der Bekämp­fung von Recht­sex­trem­is­mus, Ras­sis­mus und Anti­semitismus. Im Zuge des von Bun­deskan­zler Ger­hard Schröder einge­forderten “Auf­s­tands der Anständi­gen” im Som­mer 2001 wer­den diese Pro­jek­te durch Bun­des­gelder teil­fi­nanziert. Wir sprachen mit Dominique John, Opfer­per­spek­tive Bran­den­burg, und Lorenz Korgel von der Berlin­er Mobilen Beratung gegen Recht­sex­trem­is­mus, bei­de Koor­di­na­toren für den jew­eili­gen Bere­ich, über die momen­tane NPD-Diskus­sion, das Erstarken der Recht­en und die Arbeit ihrer Projekte. 

Ihr arbeit­et in Pro­jek­ten, die sich gegen die Aktiv­itäten von Recht­en und Neon­azis richt­en — und zwar mit staatlich­er Unter­stützung im Rah­men des CIV­I­TAS-Pro­gramms. Wie wirken auf euch die aufgeregten Reak­tio­nen der etablierten Poli­tik in den let­zten Wochen nach dem so genan­nten Dres­d­ner Eklat zum Holocaust-Gedenken? 

Dominique John: Wir ver­fol­gen diese Debat­ten teil­weise mit Kopf­schüt­teln, zum Teil aber auch mit einem gewis­sen Schmun­zeln. Kopf­schüt­teln deshalb, weil es offenkündig ist, dass die Poli­tik­er im säch­sis­chen Lan­despar­la­ment aber auch in Bran­den­burg mit der ent­stande­nen Sit­u­a­tion vol­lkom­men über­fordert sind. Schmun­zel­nd deshalb, weil man mit einem gewis­sen Recht sagen kann, dass nun in den Lan­despar­la­menten etwas angekom­men ist, was Aus­druck ein­er poli­tisch-kul­turellen Entwick­lung ist, mit der wir uns auf den Straßen, in den Kom­munen und Land­kreisen schon seit langem auseinan­der set­zen. Ins­beson­dere in Sach­sen hat die NPD eine über Jahre gewach­sene soziale Ver­ankerung. In eini­gen Land­kreisen muss man regel­recht von ein­er kul­turellen Hege­monie recht­sex­tremer Struk­turen sprechen. Wer sich jet­zt schock­iert zeigt über die — wie es heißt — Ent­gleisun­gen recht­sex­tremer Abge­ord­neter, der hat diese Entwick­lung entwed­er nicht wahrgenom­men oder ein­fach nicht ernst genommen. 

Lorenz Korgel: Es ist schon merk­würdig, wenn das “Phänomen NPD” immer wieder als Prob­lem von Protest­wäh­lern dargestellt wird. Ger­ade in den ländlichen Regio­nen, wo die NPD einen Wahlkampf “an der Haustür” führte, wis­sen die Leute sehr genau, wen sie gewählt haben. Ich muss sagen, ich ver­band mit der Tat­sache, dass ein sozial ver­ankert­er Recht­sex­trem­is­mus nun in den Par­la­menten angekom­men ist, die Erwartung, dass dies zu ein­er ern­sthaften Auseinan­der­set­zung der etablierten poli­tis­chen Struk­turen mit den Entwick­lungs­be­din­gun­gen für Recht­sex­trem­is­mus führt. Nun scheint aber ger­ade eine umgekehrter Effekt einzutreten: Die Par­la­men­tari­er der etablierten Parteien schie­len lediglich auf die poli­tisch sym­bol­is­che Auseinan­der­set­zung inner­halb des Par­la­ments. Sie scheinen von der einge­trete­nen Sit­u­a­tion förm­lich absorbiert zu sein. Die Tat­sache, dass beispiel­sweise Bran­den­burg beschlossen hat, die Gelder für das lan­desweite Aktions­bünd­nis gegen Recht­sex­trem­is­mus oder auch für die Beratung von Opfern rechter Gewalt zu kürzen bzw. ganz einzustellen, kann ich mir nur so erk­lären, dass man die Wichtigkeit der­ar­tiger Pro­jek­te zum Auf­bau sozialer Struk­turen gegen Recht­sex­trem­is­mus nicht erkan­nt hat. 

Die NPD im säch­sis­chen Par­la­ment hand­habt eine Strate­gie der kalkulierten Pro­voka­tion — und die Reak­tio­nen zeigen, dass diese Strate­gie aufge­ht. Welche Wirkung hat das auf die organ­isierte Nazi-Szene und ihre Mitläufer? 

L.K.: Die organ­isierte Szene ist z.Z. sehr inten­siv mit der Diskus­sion um die so genan­nte Volks­front, also der Bün­delung aller “nationalen Kräfte” unter dem Dach der NPD beschäftigt. Hier geht es keineswegs immer so har­monisch zu, wie dies die öffentlichen Bekun­dun­gen der recht­sex­tremen Szene sug­gerieren wollen. Wenn sich poli­tis­che Bewe­gun­gen for­mal­isieren, gibt es immer Kon­flik­te, da macht die recht­sex­treme Bewe­gung keine Aus­nahme. Es geht ein­er­seits um das Span­nungsver­hält­nis “Radikalität vs. Realpoli­tik”, ander­er­seits aber auch um sim­ple Besitz­s­tands­fra­gen wie der Vor­wurf der Ämter­häu­fung oder die Frage, ob denn die Dienst­wa­gen der säch­sis­chen NPD-Abge­ord­neten nicht zu fett seien. 

Trotz dieser Stre­it­igkeit­en, die NPD-Erfolge ent­fal­ten auf die recht­sex­tremen Aktivis­ten eine motivierende Wirkung. Die DVU galt ja eher als Lach­num­mer, dage­gen bietet die NPD schon Möglichkeit­en der Identifikation. 

D.J.: Auch ich denke, dass die par­la­men­tarischen Erfolge und die Möglichkeit, sich nun gezielt pro­voka­tiv inner­halb des etablierten Parteien­spek­trums bewe­gen zu kön­nen, die Szene pos­i­tiv bee­in­flusst. Wir bekom­men das insofern konkret mit, als sich organ­isierte Recht­sex­trem­is­ten und ihr Umfeld deut­lich selb­st­be­wusster zu bewe­gen scheinen. Dies bet­rifft das Auftreten auf Demos, aber auch gezielte Pro­voka­tio­nen bis hin zu Angrif­f­en auf tra­di­tionell linke Ein­rich­tun­gen scheinen zuzunehmen. Ich möchte nur an die Sprengstof­fan­schläge auf das Net­zw­erk für demokratis­che Kul­tur im säch­sis­chen Wurzen im Novem­ber let­zten Jahres erin­nern oder kür­zlich an den Anschlag auf ein Jugendzen­trum im bran­den­bur­gis­chen Bernau. 

Wie drückt sich das Erstarken der neon­azis­tis­chen Bewe­gung in eur­er Arbeit aus? 

L.K.: In der unmit­tel­baren Arbeit wirkt sich das in jedem Bun­des­land unter­schiedlich aus. In Sach­sen gelingt es der NPD zunehmend, das poli­tis­che Kli­ma zu vergiften, beson­ders dort, wo sie in den Kom­mu­nal­par­la­menten sitzt und stark lokal ver­ankert ist. Die Beratungs­fälle sind in solchen Sit­u­a­tio­nen oft emo­tion­al aufge­laden, was mögliche Hand­lungss­chritte häu­fig ver­stellt. Die Wahrnehmungskonzen­tra­tion der Öffentlichkeit und der demokratis­chen Parteien­land­schaft auf die Geschehnisse im säch­sis­chen Land­tag ver­stellt oft den Blick auf die ganz alltäglichen Vorgänge in den ländlichen Gebieten. 

In anderen Regio­nen ist die Sit­u­a­tion so schlimm bzw. so gut wie schon vor den NPD-Erfol­gen. Wie gesagt, das poli­tis­che Kli­ma hat sich ja nicht auf einen Schlag zu Gun­sten recht­sex­tremer Akteure verän­dert. Die Ein­stel­lungspoten­ziale bewe­gen sich auf einem ähn­lichen Niveau wie vorher. Es ist jeden­falls vor Ort nichts davon zu spüren, dass sich die NPD selb­st “entza­ubert” und deswe­gen an Zus­pruch ver­liert, wie dies etwas naiv aus Kreisen von SPD und CDU zu hören ist. 

Hat der Erfolg der NPD Auswirkun­gen auf die Arbeit der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt? 

D.J.: Wir machen keine exak­te Daten­er­he­bung bezüglich der Täter. Aber wir begleit­en die Betrof­fe­nen in aller Regel durch die Prozesse und kön­nen uns daher ein ganz gutes Bild von den Tätern machen. Wir haben es nor­maler­weise nicht mit organ­isierten Recht­sex­trem­is­ten zu tun, son­dern mit Tätern aus einem eher losen recht­en Umfeld der recht­en Skin­head- und Kam­er­ad­schaftsszene. Ins­ge­samt haben die Opfer­ber­atungsstellen in Sach­sen und Bran­den­burg seit den Land­tagswahlen eine Zunahme von Angrif­f­en rechter Schläger reg­istri­ert. In aller Regel han­delt es sich um Tat­en, die aus ein­er Gruppe her­aus began­nen wer­den, oft spielt Alko­hol eine Rolle. Wir beobacht­en übri­gens auch immer öfter, dass Frauen in diesen Grup­pen eine gewichtige Rolle spie­len. Sie beteili­gen sich dann zwar nicht unmit­tel­bar an der Tataus­führung, wirken aber insofern mit, als sie zu den Tat­en ans­pornen oder gar als Ideenge­berin­nen auftreten. 

Sind die Recht­en nicht auch Prof­i­teure ein­er gewan­del­ten Selb­st­wahrnehmung der Deutschen? Bombenkrieg, Flucht und Vertrei­bung sind The­men, die immer “unbe­fan­gener” disku­tiert wer­den. In diesem Diskurs wird die Gren­zen zum Geschicht­sre­vi­sion­is­mus nur zu oft über­schrit­ten und die Recht­en greifen das gezielt auf, wie z.B. am let­zten Woch­enende in Dresden. 

D.J.: Ja, das Feld f
ür die Recht­en wurde seit Jahren bestellt. Es sei nur an den His­torik­er­stre­it der 1980er Jahre erin­nert, die Debat­te um die Neue Wache in Berlin Mitte der 1990er Jahre, also ein­er Gedenkstätte für Opfer und Täter gle­ichzeit­ig, oder eben die Diskus­sio­nen zum Bombenkrieg gegen das faschis­tis­che Deutsch­land. Die poli­tis­che Elite in Deutsch­land scheint einen Kon­sens gefun­den zu haben, der als Nor­mal­isierung beschrieben wird. Wenn Deutsch­land das Ver­hält­nis zur eige­nen Geschichte so einord­nen kann, wie dies auch in anderen Län­dern möglich ist, ste­ht ein­er Führungsrolle Deutsch­lands in Europa und darüber hin­aus nichts mehr im Wege. Vor diesem Hin­ter­grund sind auch die Bemühun­gen der rot-grü­nen Bun­desregierung, die “Rolle Deutsch­lands” im inter­na­tionalen Gefüge zu stärken, zu bewerten. 

L.K.: Für mich ist außer­dem bemerkenswert, dass die Zus­tim­mung zu NPD-Parolen wie “Bomben­holo­caust” über die unmit­tel­bare Anhänger­schaft der NPD hin­aus­re­ichen. Es ist daher inter­es­sant, zu beobacht­en, was sich kul­turell in den ver­gan­genen Jahren verän­dert hat. Gui­do Knopp, Gün­ther Grass, Jörg Friedrich oder Thor Kunkel ste­hen für eine Lust endlich und “befre­it” das “Deutsche Leid” darzustellen. Es han­delt sich bei diesen Pro­tag­o­nis­ten natür­lich nicht um Recht­sex­trem­is­ten, aber ihre Betra­ch­tung des Zweit­en Weltkrieges als “human­itäre Katas­tro­phe” ohne Reflex­ion der Ursachen ent­poli­tisiert den Diskurs um die Geschichte des Nation­al­sozial­is­mus und seine Fol­gen. Es ist dann nicht mehr weit zur Gle­ich­set­zung von “Dres­den, Coven­try (damals) und (heute) Bag­dad”, wie es bürg­er­lich-demokratis­chen Kräften in Dres­den vorgemacht haben. Spätestens hier gerät dieser Diskurs dann zur Steil­vor­lage für die recht­sex­tremen “Predi­ger”.

Zum Glück gibt es ger­ade in Dres­den auch sehr pos­i­tive Gegen­beispiele. Dort haben sich eine Rei­he von Ini­tia­tiv­en zusam­menge­tan, um eine eigene “Erin­nerungskul­tur” zu beschreiben. Sie inter­na­tion­al­isieren den Diskurs und öff­nen so die verengte deutsche Per­spek­tive, sie the­ma­tisieren und benen­nen die deutschen Täter und ver­hin­dern damit die geschichtsvergessende Gle­ich­set­zerei der Opfer. Ich denke, Nazis haben in einem Diskurs unter solchen Rah­mungen keine Chance. 

Macht eure Arbeit unter diesen gesellschaftlichen Rah­menbe­din­gun­gen Sinn? 

L.K.: Wie viele andere auch ver­suchen wir mit unser­er Arbeit, demokratis­che Struk­turen aufzubauen und zu erhal­ten. Mit­tels dieser Struk­turen wollen wir men­schen­rechtliche Stan­dards als Quer­schnittsauf­gabe der gesamten lokalen poli­tis­chen Kul­tur etablieren. Wir sind aber nicht so naiv, gle­ich alles auf ein­mal umkrem­peln zu wollen. Stattdessen sprechen wir von “sozio-kul­turellen Inseln” in ein­er son­st recht tris­ten poli­tis­chen Land­schaft. Wir haben die Hoff­nung, dass diese Inseln wach­sen, sich ver­net­zen und es dadurch gelingt, ein kul­turelles Gegengewicht zu einem recht­en Main­stream zu schaf­fen. Herkömm­liche Vorstel­lun­gen in der Poli­tik zur Eindäm­mung des Recht­sex­trem­is­mus wer­den wir mit einem solchen Konzept ent­täuschen: Wir wer­den nicht ver­hin­dern kön­nen, dass NPD-Anhänger die NPD in die Par­la­mente wählen. Aber die diskur­sive Macht der Recht­sex­trem­is­ten vor Ort lässt sich durch eigene The­menset­zun­gen brechen. 

D.J.: Das mag sich so ein biss­chen daher gere­det anhören. Es gibt aber Beispiele dafür, dass es an eini­gen Stellen dur­chaus gelun­gen ist, Struk­turen zu schaf­fen und zumin­d­est ein­er recht­en Hege­monie etwas ent­ge­gen­zuset­zen. Ich möchte auch behaupten, dass die Sit­u­a­tion weitaus schlim­mer sein würde, gäbe es nicht diese vielfälti­gen Ver­suche ein­er alter­na­tiv­en und linken Pro­jek­te­land­schaft. Übri­gens weit über die staatliche finanzierten CIV­I­TAS-Pro­jek­te hinaus. 

Die Finanzierung eur­er Pro­jek­te ste­ht auf kein­er gesicherten Basis. Wie es nach den Bun­destagswahlen 2006 weit­erge­ht, ist vol­lkom­men offen. Wie seht ihr eure Zukunft? 

D.J.: Wie es nach 2006 mit der Bun­des­fi­nanzierung für die Pro­jek­te aussieht, ste­ht zur Zeit noch in den Ster­nen. Ab und zu ist die Rede von ein­er Bun­dess­tiftung, die diese Arbeit übernehmen kön­nte. Konkrete Entwürfe dazu sind uns aber nicht bekan­nt. Land auf, Land ab ist man sich einig, dass es falsch wäre, nur Sym­bol­poli­tik oder nur “Stro­hfeuer” zu betreiben. In der Real­ität wer­den die Pro­jek­te aber immer nur ein Jahr lang mit sicheren Zusagen aus­ges­tat­tet. Nach­haltige Struk­turen sind damit nur in Ansätzen zu schaffen. 

Inter­view: mb.

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Hetzjagd auf alternative Jugendliche in Bad Freienwalde

(MUT, Ralf Fis­ch­er und Jan Schön­berg­er) Tobias und Nico (Namen geän­dert) sitzt der Schreck­en noch tief in den Knochen. Die beiden
Jugendlichen reden nur sehr sel­ten mit anderen Per­so­n­en über das Ereignis,
welch­es ihre immer noch währende Unsicher­heit aus­löste. Dabei teilen sie ihre
Erfahrun­gen mit vie­len linken Jugendlichen in Bran­den­burg — die Erfahrung von
Gewalt durch Rechtsextreme. 

Der Übergriff 

Mit Gewalt, aus­ge­hend von Recht­sex­trem­is­ten, sind nicht-rechts orientierte
Jugendlichen in Bran­den­burg tagtäglich kon­fron­tiert. Tobias und Nico wur­den am
20. August let­zten Jahres in bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt Bad Freienwalde
Opfer eines recht­sex­tremen Angriff. Auf dem Weg zu einem Fre­und wur­den die
bei­den Jugendlichen — äußer­lich sehr leicht als ′links′ — zu erken­nen von fünf
jugendlichen Recht­sex­trem­is­ten ange­grif­f­en. Diese hat­ten zuvor auf dem
Mark­t­platz abge­hangen und Bier getrunk­en. Als die bei­den linken Jugendlichen
die Gruppe passieren woll­ten, wur­den sie zunächst (nur) angepö­belt. Doch
solche Reak­tion auf ihr Äußeres ken­nen sie schon. Sie gin­gen ihres Weges
unbeein­druckt weit­er. Doch als sie sich der anderen Gruppe gegenüber abwandten
und weit­ergin­gen warf ein­er aus der Bande (Trupp) der Recht­sex­trem­is­ten eine
Bier­flasche nach ihnen, die ihr Ziel nur äußerst knapp verfehlte. 

Die bei­den ergrif­f­en die Flucht. Als Nico sich noch ein­mal kurz umdrehte, sah
er, wie ein­er aus der recht­en Gruppe den Hit­ler­gruß zeigt. Er ran­nte noch
schneller. Als Nico und Tobias sich in Sicher­heit gebracht hat­ten, riefen sie
die Polizei und erstat­teten Anzeige gegen den Wer­fer der Flaschen sowie
den­jeni­gen, der den Hit­ler­gruß zeigte. 

Kein Einzelfall 

In Bad Freien­walde sind solche Het­z­jag­den kein Einzelfall. Tobi berichtet,
dass in der bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt im Land­kreis Märkisch-Oder­land immer
wieder neon­azis­tis­che Plakate auf­tauchen, die dazu auf­fordern “linke Banden”
zu zer­schla­gen. Ihre Fre­unde, die ähn­lich denken wie sie, sind auch häufig
damit kon­fron­tiert, vor recht­en Schlägern zu fliehen. Diese alltäglich sehr
bedrohliche Sit­u­a­tion sei “nor­mal” für die Kleinstadt. 

Opfer müssen sich rechtfertigen
Gegen den 17-jährige Haupt­täter Ron­ny M. wurde am Mon­tag, den 17.01.05, vor
dem Amts­gericht Bad Freien­walde ver­han­delt. Gemein­sam gin­gen Nico und Tobias
mit eini­gen Fre­un­den zur Ver­hand­lung. Während die Rich­terin mehrfach die
bei­den Zeu­gen fragte, warum sie sich so sich­er seien, dass es sich bei der
gezeigten Geste um den Hit­ler­gruß gehan­delt haben soll, wurde die versuchte
Kör­per­ver­let­zung via Flaschen­wurf gar nicht erst ver­han­delt. Auskün­fte über
die Verurteilung von Ron­ny M. erfuhren Tobias und Nico nicht. Genau­so wie die
Presse. Der Urteilsspruch bleibt, da der Täter zur Zeit der Tat ein
Jugendlich­er war, unbekannt. 

Die Angst bleibt 

Ihre Angst, dass sich solch eine Het­z­jagd, wie sie sel­ber erleben mussten,
sich vielle­icht wieder­holt steckt tief. Auf die Frage, ob sie Angst haben,
dass ihnen ähn­lich­es wieder passieren könne antwortet Tobias: “gut
möglich”. “Als link­er Jugendlich­er in Bran­den­burg, hast du es schon nicht
ein­fach.”, ergänzt Nico.

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Kommission für Härtefälle nach zehn Jahren

(Berlin­er Zeitung, 18.2.) POTSDAM. Nach zehn­jähriger Diskus­sion hat sich am Don­ner­stag in Pots­dam die
Härte­fal­lkom­mis­sion für aus­reisepflichtige Aus­län­der kon­sti­tu­iert. Die
Kom­mis­sion soll prüfen, “ob drin­gende human­itäre oder per­sön­liche Gründe
vor­liegen, die einen weit­eren Aufen­thalt in Deutsch­land trotz bestehender
Aus­reisepflicht aus­nahm­sweise recht­fer­ti­gen”, sagte Innen­min­is­ter Jörg
Schön­bohm (CDU). Er hoffe, dass nun in strit­ti­gen Fällen ein Konsens
gefun­den werde. Dafür spreche die Zusam­menset­zung der Kommission. 

Der Kom­mis­sion gehören acht stimm­berechtigte Mit­glieder an — Vertreter der
evan­ge­lis­chen und katholis­chen Kirche, der Liga der Wohlfahrtsver­bände, des
Innen- und Sozialmin­is­teri­ums, der Flüchtling­sor­gan­i­sa­tio­nen und zweier
kom­mu­naler Spitzen­ver­bände. Die Aus­län­der­beauf­tragte hat kein Stimmrecht. 

4 000 geduldete Flüchtlinge 

Die seit zehn Jahren von Kirchen und Flüchtlingsver­bän­den geforderte
Kom­mis­sion lehnte der Innen­min­is­ter lange ab. Nun kann das Gremi­um in
umstrit­te­nen Fällen den Min­is­ter ersuchen, aus human­itären Grün­den von einer
Abschiebung abzuse­hen. In Bran­den­burg gibt es 4 000 geduldete Ausländer. 

Flüchtlingsrat und Grüne begrüßten die Ein­rich­tung der Kom­mis­sion. Sie
kri­tisierten aber zugle­ich die “restrik­tiv­en Auss­chlusskri­te­rien”, die ein
“bun­desweit ein­ma­liges Boll­w­erk gegenüber möglichen Antragstellern”
darstellen. Auch könne sich die Kom­mis­sion nur mit einem Fall beschäftigen,
wenn zwei Drit­tel der Mit­glieder dies wünschen. 

Auch die Aus­län­der­beauf­tragte Almuth Berg­er bemän­gelte, dass sie als
Beauf­tragte der Lan­desregierung kein Stimm­recht bekommt hat. “Aber ich
hoffe, es wird ein Gremi­um, das vie­len helfen wird, und keine
Ver­hin­derungskom­mis­sion.” Wichtig sei, wie die Ausschlusskriterien
gehand­habt wer­den. So dürfe sich die Kom­mis­sion nicht mit Härtefällen
beschäfti­gen, wenn bere­its ein Abschiebeter­min fest­ste­ht oder die Ausländer
zur Fah­n­dung aus­geschrieben sind. “Es sollte aber Über­gangs­fris­ten geben für
Leute, die wegen ein­er dro­hen­den Ausweisung den Schutz des Kirchenasyls
gesucht haben”, sagte Berger. 

CDU-Gen­er­alsekretär Sven Petke warnte vor hohen Erwartun­gen. “Bere­its
getrof­fene rechtsstaatliche Entschei­dun­gen von Ver­wal­tun­gen und Gerichten
kön­nen durch die Kom­mis­sion nicht mehr aufge­hoben werden.” 

Ähn­liche Kom­mis­sio­nen gibt es in Nordrhein-Westfalen,
Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Berlin, Schleswig-Hol­stein, Hes­sen plant sie.

Inforiot