Am Dienstag beschmierten unbekannte Täter in der Zeit von 16.55 Uhr bis 17.45 Uhr, während einer Linienbusfahrt von Neuruppin nach Rheinsberg einen Bus der Ostruppiner Verkehrsbetriebe mit rechtsradikalen Parolen und
Zeichen. Angaben zum entstandenen Sachschaden liegen der Polizei bislang nicht vor. Die Beseitigung der Schmierereien erfolgt durch den Verkehrsbetrieb. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufgenommen.
Autor: redax
(MAZ, Ulrich Wangemann) BRANDENBURG/H. In der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel gab es wieder eine Panne. Wie die MAZ jetzt erfuhr, seilten sich in der Nacht zum 13. Juni zwei Häftlinge aus dem Neubau des offenen Vollzugs ab. Sie hatten sich eine Strickleiter aus Bettlaken gebaut. Die Männer hatten die bevorstehende Entlassung eines
Mithäftlings gefeiert. Dabei war ihnen der Alkohol ausgegangen. Die beiden Ausreißer liefen zu einer nahen Tankstelle und deckten sich mit Bier ein. Die Überwachungskameras sprachen erst an, als sie sich daran machten, wieder in das Gebäude zu steigen. Einer der Männer war offenbar so betrunken, dass er in einem nahen Gebüsch liegen blieb. Dort griff ihn die inzwischen alarmierte Wachmannschaft auf. Die beiden Bier-Boten wurden inzwischen
zurück in den geschlossenen Vollzug verlegt. Der dritte Mann ist wie geplant entlassen worden.
Das Justizministerium bestätigte die “kurzfristige Entweichung” zweier Insassen. Sprecherin Dorothee Stacke sagte, es werde geprüft, ob Manipulation den Ausfall der Kontrollkameras verursacht habe. Laut Stacke sitzen im offenen Vollzug nur Häftlinge, bei denen ein Rückfall in die
Kriminalität nicht zu erwarten ist. Erst vor wenigen Wochen war das Sicherheitssystem der Anstalt in die Kritik geraten, weil ein Schießkugelschreiber gefunden worden war.
Potsdam — Die Affäre um den südbrandenburgischen CDU-Kommunalpolitiker Egon Wochatz hat landespolitische Dimensionen erreicht. Der Besuch von Wochatz
bei einem Treffen von früheren Angehörigen der Waffen-SS ist bei den Landesverbänden der Christdemokraten wie der Sozialdemokraten auf Ablehnung und scharfe Kritik gestoßen.
Das Verhalten von Wochatz, ehemaliger Bürgermeister von Spremberg und Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kreistag von Spree-Neiße, sei nicht tragbar, heißt es in der CDU. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ließ
verlauten, er halte die Angelegenheit für “unakzeptabel”.
Die Zusammenkunft in Spremberg fand anlässlich einer Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Alliierten-Landung in der Normandie statt. Dabei war es auch zu einem Treffen der ehemaligen Angehörigen der SS-Division Frundsberg
gekommen, die seinerzeit an den Kämpfen in Frankreich teilgenommen hatten.
Als Konsequenz aus den Vorwürfen lässt Wochatz sein Amt als
Fraktionsvorsitzender derzeit ruhen. In CDU-Kreisen wird mit seinem Rücktritt gerechnet. Die Kreis-CDU hatte sich gestern Abend in einer gemeinsamen Sitzung mit der Fraktion getroffen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Ein Ergebnis lag zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor.
Dieter Friese (SPD), Landrat des Kreises Spree-Neiße, hatte einen Brief an Ministerpräsident Platzeck und CDU-Landeschef Jörg Schönbohm geschrieben, in dem er um “geeignete Schritte” bat, um weiteren Schaden abzuwenden, wie er
formulierte.
Nach Darstellung von Wochatz kam der Kontakt zu den SS-Veteranen im Rahmen seiner Arbeit für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu Stande. Nach der Einschätzung von CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek ist jedoch eine Teilnahme an einem derartigen SS-Treffen für einen christdemokratischen Politiker auch unter dieser Voraussetzung nicht akzeptabel.
Die SPD hatte die Christdemokraten aufgefordert, auf Wochatz Druck auszuüben, falls dieser nicht von sich aus zurücktreten wolle. “Die SS ist eine verbrecherische Organisation”, betonte in diesem zusammenhang SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness.
DJV sieht nach dem Rechten
Der Deutsche Journalisten-Verband schließt seine Landesverbände Berlin und Brandenburg aus. Mitglieder fühlen sich von rechts unterwandert. Führungsposten durch dubiose Tricks gesichert
(TAZ, Florian Höhne) Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) greift wegen der Querelen um Wahlmanipulation und rechtsextremer Unterwanderung im Berliner und Brandenburger Landesverband zu drastischen Mitteln: Mit sofortiger Wirkung
schloss der Bundesverband gestern beide Verbände aus dem DJV aus. Binnen der nächsten eineinhalb Wochen sollen neue Landesverbände gegründet werden, teilte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken mit.
Grund für den Ausschluss sei die Spaltung in beiden Verbänden: Mehrfach hätte man die Vorstände aufgefordert, etwas dagegen zu unternehmen. “Es kam aber kein Zeichen der Versöhnung”, sagte Konken, “Um einen weiteren Imageverlust abzuwenden, haben wir uns nun zum Ausschluss der alten und
Gründung neuer Landesverbände entschieden.”
Auslöser des Streits waren die Vorstandswahlen in Berlin und Brandenburg. In Brandenburg war im Mai der umstrittene Torsten Witt zum Vize-Chef des Landesverbands gewählt worden. Ein Kandidat mit zweifelhafter Biografie:
Witt gehörte dem nationalkonservativen Flügel der FDP an, war Spitzenkandidat des rechtskonservativen “Bundes freier Bürger” und ist Mitinitiator der Aktion “Holocaust-Mahnmahl? Nicht mit mir!” Dagegen, als “rechtsextrem” bezeichnet zu werden, hat Witt eine einstweilige Verfügung
erwirkt.
Kurz vor der Wahl traten überraschend 40 neue Mitglieder dem Brandenburger Landesverband bei. Sie stammten aus dem dubiosen Berliner Verband junger Journalisten (VJJ), dessen Mitgründer Witt ist. Mit ihren Stimmen hievten
sie Witt in die Führungsposition. Viele Brandenburger DJV-Mitglieder fühlten sich nach der Wahl von rechts unterwandert.
Lange hielt es die überraschenden Neumitglieder nicht in Brandenburg: Pünktlich zur Berliner Vorstandswahl wechselten die gleichen 40 zurück in die Hauptstadt. Dort lieferten sie die entscheidenden Voten, den skandalumwitterten Berliner Verbandschef Alexander Kulpok im Amt zu bestätigen. Kulpok selbst soll die Wechselwütigen aus Brandenburg
organisiert haben (die taz berichtete). In Berlin sitzen vier der Neuzugänge jetzt auf Vorstandsposten.
Inzwischen haben mehrere Verbandsmitglieder beim Berliner Landgericht die Wahl angefochten. Auch der DJV prüfte die Vorwürfe der Wahlmanipulation — mit bekanntem Ergebnis. Die Vorsitzenden in Berlin und Brandenburg, Kulpok
und Bernd Martin, hatten der Untersuchung zugestimmt.
“Die Wahlen waren juristisch fragwürdig und die Verbände gespalten”, sagte DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner. Da die Vorstände nichts gegen die Spaltung unternommen hätten, habe man sie am Montag zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Dem kamen diese nicht nach: “Ohne Begründung trete ich nicht
zurück — bloß um dem Image des DJV nicht zu schaden”, sagte der Brandenburger Vorsitzende Martin.
Nach Ablauf des Rücktritts-Ultimatums bis gestern Mittag beschloss der Bundesvorstand dann in Schwerin, die beiden Landesverbände auszuschließen. Sie dürfen nun nicht mehr den Namen “DJV” tragen. “Vieles kann man brechen, aber nicht unser Rückgrat”, sagt dazu Bernd Martin. “Ich werde diesen Kampf durchstehen.”
Das Netzwerk “Berliner Journalisten”, eine Gruppe, die aus der innerverbandlichen Opposition hervorgegangen ist, begrüßte hingegen die Entscheidung: “Es war konsequent, die Verbände auszuschließen”, sagte Netzwerksprecher Matthias Thiel. “Wir werden uns an einer Neugründung
beteiligen.” Schließlich müsse es eine arbeitsfähige gewerkschaftliche Vertretung geben.
Im Fall des CDU-Fraktionschefs des Kreistages Spree-Neiße, Egon Wochatz, der Anfang
Juni an einem Veteranentreffen ehemaliger SS-Angehöriger teilnahm, fordert der
Spitzenkandidat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, WOLFGANG WIELAND, den
CDU-Landesvorsitzenden Schönbohm auf, ein Parteiausschluss-Verfahren einzuleiten.
“Das Verhalten der CDU im Fall Egon Wochatz ist für eine demokratisch gesinnte
Partei völlig unverständlich. Jahrelang ließ man diesen Rechtausleger seine
Sympathie für die Waffen-SS ausleben. Wer einen Gedenkstein als Bürgermeister von
Spremberg mit dem berüchtigten Motto: Unsere Ehre heißt Treue herstellen ließ,
hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt aus der Partei ausgeschlossen werden müssen.”
“Der jüngste Besuch Wochatz bei alten SS-Kameraden just zum D‑Day war nur ein
neuer, schauerlicher Höhepunkt im Wirken dieses Kommunalpolitikers. Gerade nach der
alliierten Landung in der Normandie hatte die SS in den französischen Städten
Oradour und Tulle bestialische Massaker an der Zivilbevölkerung verübt.”
“Der Landesvorsitzende Jörg Schönbohm ist gefordert, diesem Spuk ein sofortiges Ende
zu bereiten und den Parteiausschluss einzuleiten. Die frühere Nähe von Angehörigen
der CDU zu der Hilfsorganisation von Angehörigen der Waffen-SS (HIAG) ist noch in
unguter Erinnerung. Nach dem Fall Hohmann machte die CDU Glauben, dass sie aus
dieser unrühmlichen Vergangenheit gelernt habe. Bei Herrn Wochatz ist hierfür der
Beweis anzutreten.”
Partei distanziert sich von Egon Wochatz — der umstrittene Politiker soll nun seine Ämter aufgeben
(Berliner Zeitung) SPREMBERG. Drei Tage lang war die Lausitz richtig international. Bei der 4. Folklore-Lawine — dem größten Festival dieser Art in Brandenburg — zogen
Musiker von 16 Trachtenvereinen aus 14 Ländern durch mehrere Städte. Schirmherr war Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und auch Innenminister Schönbohm (CDU) war vor Ort. So gut wie alle Kommunalpolitiker waren dabei, als die Folkloristen am 5. Juni in Spremberg Station machten.
Doch Teilnehmer berichten, dass einer nicht gesichtet wurde: Egon Wochatz, Sprembergs Ex-Bürgermeister und Chef der CDU-Kreistagsfraktion Spree-Neiße. Er hatte offenbar besseres zu tun. Er besuchte — wie schon in den Vorjahren — einstige SS-Männer.
Seit Jahren in der Kritik
Während an diesem Tag in der Normandie die Vorbereitungen für die Feiern der
alliierten Invasion auf Hochtouren liefen, trafen sich 30 einstige
Angehörige der Waffen-SS-Division “Frundsberg” in einem Hotel in Spremberg.
Die Truppe hatte in der Normandie gegen die Alliierten gekämpft. Erst jetzt
wurde Wochatz Auftritt bekannt. Die SPD forderte nun den Rücktritt des
CDU-Mannes. Platzeck nannte den Vorgang “unerhört”. Auch die
Christdemokraten distanzierten sich von ihrem Parteifreund. Der
Generalsekretär der Landes-CDU, Thomas Lunacek, nannte ein Treffen mit
SS-Veteranen “inakzeptabel”. Wochatz habe den Kontakt damit begründet, dass
er im Rahmen seiner Arbeit für den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge
die Umbettung aller gefallenen Soldaten im Braunkohlegebiet gewährleisten
wolle. “Der Vorgang wird geprüft”, so Lunacek. Wochatz lasse sein Amt ruhen,
bis der Kreisverband entschieden habe.
Die Geschäftsführerin des Kreisverbandes, Ute Hanisch, sagte: “Wir werden
uns am Dienstag treffen, damit Herr Wochatz den Vorfall erklären kann.”
Vorher würde keine Vorverurteilung stattfinden, aber natürlich werde der
Kontakt zu SS-Veteranen generell abgelehnt. Wochatz, der sich eine
“wertkonservative Grundhaltung” bescheinigt, wird seit Jahren kritisiert:
wegen ausländerfeindlicher Sprüche oder Kontakten zu Angehörigen der SS, die
als verbrecherische Organisation verboten ist. Neonazis hatten 1999 den
algerischen Asylbewerber Omar Ben Noui durch Guben gejagt, der kurz darauf
an seinen Verletzungen starb. Die Reaktion von Wochatz, damals Bürgermeister
im nahen Spremberg, zum Tode Ben Nouis: “Was hatte der denn nachts auf der
Straße zu suchen?” Wegen dieser “Verharmlosung rechtsextremer Gewalt”
verlieh ihm der Flüchtlingsrat Brandenburg den “Denkzettel 2000”. In der
Begründung wird ein weiterer Satz von Wochatz zitiert: “Ein Ausländer, der
hier mit einer verheirateten Frau anbandelt, müsse damit rechnen, Ärger zu
bekommen.” Ben Noui war nach dem Sprung durch eine Scheibe in einem
Hauseingang verblutet.
“Herr Wochatz ist 1998 durch seine Verbindung zu SS-Veteranen aufgefallen”,
sagte der Spremberger SPD-Landtagsabgeordnete Ulrich Freese am Montag. Da
habe Wochatz als Bürgermeister den Gedenkstein eines Veteranen für gefallene
SS-Soldaten aufstellen lassen wollen. “Das Stadtparlament informierte er
nicht”, so Freese. “Später distanzierte er sich auch nicht klar von seinem
Vorhaben.”
Männer mit Stahlhelmen
Für mehr als bedenklich hält Freese, dass der “Seniorenverein” — wie Wochatz
die SS-Leute nannte — scheinbar nicht nur aus Kriegsveteranen besteht, die
an jenem Wochenende Kränze für ihre Kameraden niederlegten. “Daneben standen
junge Männer Wache, mit schwarzen Uniformen und Stahlhelmen”, sagte Freese.
An der Kranzniederlegung hat Wochatz zwar nach eigenen Angaben nicht
teilgenommen. “Aber es ist verwerflich, wenn er mit dem vorherigen Treffen
ein Sammelbecken von alten und neuen Nazis aufwertet.” Er solle auch seine
Ämter beim DRK und im Seniorenbeirat räumen.
Das Spremberger Bitburg
Tabubruch: Kommunalpolitiker der CDU bei SS-Veteranentreffen
(MAZ) POTSDAM Eigentlich steht die Treue-Ehre-Losung der SS auf dem Index. Wäre es
jedoch nach Egon Wochatz gegangen, würde der verbotene Spruch jetzt einen
Findling schmücken, mit dem in Spremberg (Spree-Neiße) der toten Angehörigen
der SS-Panzerdivision “Frundsberg” gedacht werden sollte. Doch den einsamen
Vorstoß des damaligen CDU-Bürgermeisters konnten die Stadtverordneten 1998
in letzter Minute stoppen. Der Stein des Anstoßes war zwar schon geliefert,
wurde aber nie aufgestellt.
Wochatz hätte gewarnt sein müssen. Doch der 67-Jährige, der inzwischen als
Fraktionschef die Union im Kreistag Spree-Neiße vertritt, zeigt sich
unverbesserlich. Bei einem dreitägigen Veteranentreffen von 30 überlebenden
SS-Soldaten am ersten Juni-Wochenende nahm er ganz selbstverständlich teil -
“wie jedes Jahr”, so seine lapidare Angabe. Spree-Neiße-Landrat Dieter
Friese (SPD) betrachtete die Wochatz-Teilnahme keinesfalls als
selbstverständlich und schrieb einen Beschwerdebrief an Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).
Seither sorgt die Geschichte für Wirbel. Der Berliner Historiker Wolfgang
Wippermann bezeichnete den Vorfall als “Spremberger Bitburg”. Im Jahr 1985
hatte Altkanzler Helmut Kohl mit dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan
den Bitburger Soldatenfriedhof besucht. Das Gedenken vor SS-Gräbern hatte
damals für internationale Schlagzeilen gesorgt. Zu Recht, sagt Wippermann.
Die gesamte SS sei nach 1945 bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen
als “terroristische Organisation” verurteilt worden, viele
SS-Veteranenverbände würden nach wie vor rechtsextreme Einstellungen
vertreten. Eine Teilnahme an SS-Traditionsveranstaltungen müsse für jeden
Politiker absolut tabu sein. “In der Bundeswehr gibt es sogar einen
ausdrücklichen Befehl, solche Veranstaltungen zu meiden.” Wippermanns Fazit:
“Wochatz muss zurücktreten.”
Auch Bernd Wegner, Professor an der Hamburger Bundeswehr-Universität spricht
von einem skandalösen Vorgang. Man könne als Repräsentant eines
demokratischen Gemeinwesens nicht eine Institution durch seine Anwesenheit
ehren und aufwerten, deren Hauptziel die Vernichtung jeglicher
demokratischer Strukturen war, macht Wegner klar. “Das ist untragbar.”
Selbst wenn einzelne Verbände nicht explizit an Kriegsverbrechen beteiligt
gewesen seien, bleibe die SS in ihrer Gesamtheit eine verbrecherische
Organisation.
Wellen schlägt der Vorgang auch auf der politischen Ebene. Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) bezeichnete ihn als “unerhörten Vorgang”. Die Union
dürfe jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Auch SPD-Landesgeschäftsführer
Klaus Ness zeigte sich empört und forderte die CDU auf, klare Konsequenzen
zu ziehen. Wie die aussehen könnten, machte Bildungsstaatssekretär Martin
Gorholt (SPD) klar. “Würde so etwas in der SPD passieren, würde das einen
Rauswurf nach sich ziehen”, so der Koordinator des landesweiten Aktionplanes
Tolerantes Brandenburg. Der Auftritt des CDU-Kommunalpolitikers
konterkariere das Bemühen der Landesregierung im Kampf gegen
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.
Die CDU distanzierte sich von der Teilnahme ihres Kommunalpolitikers an dem
SS-Veteranen-Treffen. Nach Darstellung von Wochatz habe der Kontakt im
Rahmen seiner Arbeit für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
stattgefunden, um im Braunkohlegebiet Welzow eine Umbettung aller gefallenen
Soldaten zu sichern, heißt es in einer Erklärung. Dennoch sei die Teilnahme
“inakzeptabel”, so Generalsekretär Thomas Lunacek. Über weitere Konsequenzen
müsse jedoch
laut Satzung der CDU-Kreisverband entscheiden. Wochatz lasse
solange sein Amt als Fraktionschef ruhen.
Der Kreisverband hält sich bedeckt. Man werde heute Abend dazu beraten,
teilte Kreischef Michael Haidan auf MAZ-Anfrage kurz mit. “Da möchte ich
nicht vorgreifen.”
Terror-Verband SS
Die SS war eine im Umfeld der NSDAP angesiedelte paramilitärische Gruppe und
wurde 1925 als “Stabswache” zum persönlichen Schutz Adolf Hitlers gegründet.
Unter ihrem “Reichsführer SS” Heinrich Himmler ermordeten spezielle
SS-Einsatzgruppen Hunderttausende aus rassischen oder politischen Gründen.
Zur Bewachung der Konzentrationslager wurden SS-Totenkopfverbände
eingesetzt.
Auch Waffen-SS-Verbände waren an Kriegsgräueln beteiligt. So löschten
Angehörige der Waffen-SS-Division “Das Reich” am 10. Juni 1944 den
französischen Ort Oradour-sur-Glane fast vollständig aus und ermordeten 642
Bewohner. Die 10. SS-Panzerdivision “Frundsberg” wurde Anfang 1943
aufgestellt, benannt nach einem Landsknechtführer. Eingesetzt war sie unter
anderem in Polen, in der Normandie und kurz vor Kriegsende auch in der
Lausitz. Über Kriegsverbrechen ist nichts bekannt.
In den Nürnberger Prozessen wurde die SS 1946 als Hauptinstrument des
politischen Terrors zur “verbrecherischen Organisation” erklärt.
Scharfe Kritik an Treffen mit SS-Veteranen
(Tagesspiegel, Frank Jansen) Spremberg — Die Empörung ist enorm. Aus mehreren Richtungen wird nun der
Rücktritt von Egon Wochatz verlangt, dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion im
Kreistag von Spree-Neiße. Wochatz hatte sich, wie berichtet, Anfang Juni in
Spremberg mit ehemaligen Soldaten der SS-Division Frundsberg getroffen.
Wochatz Verhalten sei ” ein unerhörter Vorgang”, sagte Ministerpräsident
Matthias Platzeck am Wochenende. Platzeck mahnte die CDU, “nicht einfach zur
Tagesordnung überzugehen”. SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness empfahl der
CDU, Wochatz zum Rücktritt zu drängen, sollte er seinen Posten nicht von
selbst räumen. Wochatz lässt seinen Fraktionsvorsitz derzeit lediglich
ruhen. “Es ist mir unerklärlich, wie sich jemand mit Veteranen einer
verbrecherischen Organisation treffen kann”, sagte Ness.
Wochatz hatte sich dazu bekannt, am ersten Juni-Wochenende in einem Lokal
etwa 30 ehemalige Soldaten der SS-Division getroffen zu haben. Zur selben
Zeit fand in Spremberg ein Folklore-Festival statt, bei dem auch eine Gruppe
aus der Normandie auftrat — als Zeichen der Versöhnung 60 Jahre nach der
Invasion der Alliierten im von den Deutschen besetzten Frankreich. Wochatz
traf sich trotzdem, wie in früheren Jahren, mit den SS- Veteranen, deren
Divison in der Normandie gegen die Alliierten gekämpft hatte.
“Ich bin erschrocken, dass so etwas in Brandenburg möglich ist”, sagte die
PDS-Landtagsabgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht. Wochatz müsse zurücktreten.
Der Spitzenkandidat der Grünen bei der Landtagswahl, Wolfgang Wieland,
verlangte ebenfalls den Rücktritt.
Die CDU hat sich in einer Pressemitteilung von Wochatz Teilnahme an dem
Treffen der einstigen SS-Männer distanziert. Parteichef Jörg Schönbohm sei,
hieß es in seiner Umgebung, “alles andere als begeistert”.
Abschiebung ins Ungewisse
(MAZ, Kerstin Henseke) BELZIG “Weißt du, wir haben nur ein Problem”, sagt Mio. “Wir sind Roma.” Rom bedeutet “Mensch”. Schlicht, wahr und ohne Wertung. Ein Rom, viele Roma. Ein
Mensch, viele Menschen. Abfällig oder romantisierend auch “Zigeuner” genannt. Ein versprengtes Nomadenvolk ohne Mutterland und Status, das nur noch vor dem Elend davonzieht, vor einem Leben in Abwertung.
Mio ist der 24-jährige Sohn von Braho und Sevlija Selimovic. 1992 floh das Paar mit acht Kindern vor dem Jugoslawienkrieg nach Deutschland. In Titos
Staatenbund hatten viele Roma und Sinti, die der Vernichtung in deutschen KZs entgangen waren, nach 1945 ein Zuhause gefunden. Als das Staatsgebilde 1992 implodierte, kam es vor allem gegen Roma zu brutalen Ausschreitungen.
Der Migrantenstrom gen Westen spülte die Selimovics schließlich nach Belzig, wo die Familie im Übergangswohnheim im Weitzgrunder Weg lebt.
Die meisten Kinder wuchsen hier auf, haben keinerlei Erinnerung an ihren Geburtsort, sprechen nur Romanes und Deutsch, verstehen kein Wort Serbisch. Trotzdem sollen die Eltern und die drei jüngsten Kinder Dragan (18), Darka
(15) und Sabina (13) nun zurück nach Serbien. Weil die übrigen Geschwister volljährig sind, haben sie eigene Verfahren, deren Beendigung nur eine Zeitfrage ist. Grundschülerin Sabina versteht die Welt nicht mehr. “Ich habe mir viel Mühe gegeben, die deutsche Sprache gut zu lernen, weil ich dachte, wir können hier doch leben.” Sie hat einen Brief an die Ausländerbehörde des Kreises Potsdam-Mittelmark geschrieben. Darin steht, das sie nachts nicht mehr schlafen kann, sie hier zu Hause fühlt, hier bleiben möchte, weil es “da drüben” keine Zukunft für sie gibt. Alle Lehrer und Mitschüler der
Geschwister-Scholl-Grundschule haben unterschrieben. “Das Mädchen war
psychisch total fertig, das habe ich noch nie erlebt”, sagt Schulleiterin Barbara Schnei-der und bescheinigt Sabina ein strebsames, aufgeschlossenes Wesen. Dass die Schulkinder ihre Freundin dabehalten wollen, versteht Jörg Hallex, bucht das Ganze aber unter “Unkenntnis der Rechtslage” ab. Als
Sachgebietsleiter der Ausländerbehörde muss er die “Beendigung des Aufenthalts”, wie es im Amtsdeutsch heißt, durchsetzen. Bereits 1994 — noch mitten im Bürgerkrieg — wurde der Asylantrag der Selimovics abgelehnt. Seit
1997 sind sie endgültig ausreisepflichtig. Ziel ist Serbien und Montenegro, eine Region, vor der sämtliche Menschenrechtsorganisationen warnen. Nach ihren Berichten sind die Lebensverhältnisse der etwa 750 000 Roma
schlichtweg katastrophal. Das Land ist bereits mit etwa 700 000 serbischen Binnenflüchtlingen aus Kroatien, Bosnien und dem Kosovo überfordert, von denen noch immer viele in Auffanglagern leben. Von den Roma, die mit der
Abschiebung in ein zweites Flüchtlingsdasein geraten würden, ganz zu schweigen. 90 Prozent leben nach Angaben der “Gesellschaft für bedrohte Völker” (gfbv) in heruntergekommenen Barackenvierteln ohne Wasser und Strom, “Elendskrankheiten” steigerten die Kindersterblichkeit um 60 Prozent gegenüber serbischen Kindern. Drei Prozent haben eine bezahlte Arbeit. Behördliche und polizeiliche Willkür, rassistische Übergriffe sind an der Tagesordnung, deren Opfer erschreckend häufig Kinder sind, wie die gfbv meldet. Doch die Verhältnisse vor Ort sind kein Rückführungshindernis, wie Jörg Hallex bestätigt. “Dafür ist die jugoslawische Seite selbst zuständig, das können wir nicht kontrollieren.”
Im April 2002 beauftragte das Berliner Abgeordnetenhaus den Senat, sich bundesweit für ein Bleiberecht für Roma und Sinti einzusetzen: weil es “ihre Existenzvernichtung bedeuten” würde und als historische Wiedergutmachung. 500 000 Roma und Sinti wurden in deutschen KZs ermordet.
Auf gepackten Koffern
NEURUPPIN In Neustadt sitzen knapp 100 Asylbewerber auf gepackten Koffern.
Die Männer und Frauen sollen bis zum Ende des Monats nach Neuruppin
umziehen. Das Wohnheim in der Neuruppiner Erich-Dieckhoff-Straße wird
künftig die einzige Unterkunft im Landkreis sein. Das bisherige Heim in
Neustadt wird zum 30. Juni geschlossen, das Asylbewerberheim in Kyritz macht
der Kreis zum Jahresende dicht.
Der Umzug soll helfen, Kosten zu sparen — vor allem beim Land. Das muss das
Geld für die Heime an den Kreis überweisen. “Aber wir haben eindeutig zu
viele Plätze”, sagt Kreis-Sozialamtsleiterin Sabine Schmidt.
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Asylbewerber so stark gesunken, dass
gut ein Drittel der Heimplätze nicht mehr gebraucht wird. Im ganzen Jahr
2003 hat der Kreis 19 Asylbewerber neu aufgenommen, 2002 waren es noch 103.
Ende März waren von den 480 Plätzen in den drei Wohnheimen Neustadt, Kyritz
und Neuruppin nur 282 belegt. Tendenz sinkend. “Wir wissen nicht, was das
neue Zuwanderungsgesetz bringt”, sagt Sabine Schmidt. Sie glaubt, dass
künftig noch weniger Heime nötig sind.
Der Kreistag hat vor einer Woche den Umzug nach Neuruppin beschlossen.
Heimleiterin Margitta Dauksch versucht sich darauf vorzubereiten. Wann genau
die neuen Bewohner ankommen, konnte sie gestern noch nicht sagen. “Das Datum
hat uns noch niemand mitgeteilt.”
Bisher nimmt das Asylbewerberheim zwei Etagen in dem Plattenbau in Treskow
ein. “Wir können jederzeit eine weitere Etage aufmachen. Viel Komfort gibt
es nicht, aber immerhin bezogene Betten. Geld müsse für die zusätzlichen
Heimplätze nicht investiert werden, sagt Margitta Dauksch. Auf dem Papier
haben bis zu 300 Personen in Treskow Platz. 128 Asylbewerber leben bisher
dort, zum Jahresende kommen bis zu 150 Bewohner hinzu.
Das umstrittene Container-Heim in Kyritz soll übrigens weitergenutzt werden:
Dort will der Kreis deutschstämmige Spätaussiedler unterbringen. Landrat
Christian Gilde räumt ein, dass es Kritik an der Einrichtung gab: “Manche
Menschen sagen, die Bedingungen dort seien nicht menschenwürdig.” Das könne
er aber nicht nachvollziehen.
Außerdem ist der Kreis gezwungen, die Containersiedlung in Kyritz zu
erhalten: Das Land hatte 1,2 Millionen Euro Fördermittel für den Bau
gezahlt. Der Kreis muss die Container bis 2006 als Heim benutzen, sonst
droht die Rückforderung der Fördermittel.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit mit Entschiedenheit fortsetzen.
Zwar könnten alle Maßnahmen — wie das Konzept “Tolerantes Brandenburg” -
rechtsradikale Übergriffe nicht verhindern, doch werde das Land konsequent
und mit gebotener Härte gegen diese Form der Menschenverachtung vorgehen,
sagte Platzeck gestern in Potsdam. Als einen Grund für die
Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland nannte Platzeck die Abschottung der
DDR gegenüber fremden Einflüssen. “Vorurteile, Unwissenheit und ein
entsprechendes Maß an Gewaltbereitschaft haben nach der Wende zu
erschreckenden Ausbrüchen von Hass und Gewalt geführt.” Der Schock darüber
ist aus Sicht des Regierungschefs vor allem so groß, weil der Anteil
ausländischer Mitbürger an der Bevölkerung etwa in Brandenburg gerade bei
zwei Prozent und damit weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liege.
Asylbewerber im Landkreis Teltow-Fläming erhalten künftig Barschecks. Das beschloss der Kreistag in Luckenwalde. Die SPD-Fraktion hatte einen entsprechenden Antrag eingebracht.
Sie forderte die Verwaltung auf, laut Gesetzeslage und dazu vorliegender
Rechtssprechung die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
zukünftig durch die Vergabe von Barschecks auszureichen.
In der Vergangenheit sei es wiederholt beim Eintausch der bisherigen
Gutscheine zu diskriminierenden Vorfällen gekommen. Mitarbeiter des
Einzelhandels hätten den Anspruch in der Praxis teils problematisch
ausgelegt. Zudem bestehe auf die Auszahlung von Restbeträgen kein Anspruch.
Deshalb forderte die SPD, auf Geldleistungen umzustellen. Durch die
Barschecks würden außerdem Verwaltungskosten reduziert.
Verfahren vereinfacht
Asylbewerber erhalten derzeit zusätzlich zu ihren Gutscheinen ein geringes
Taschengeld zur freien Verfügung in Form eines Barschecks. Die Herstellung
und Ausgabe von Gutscheinen erübrigt sich, wenn der zustehende Gesamtbetrag
in Barschecks ausgereicht wird. Diese würden in der Verwaltung gedruckt und
seien laut Landrat Peer Giesecke (SPD) kostenfrei bei Banken und Sparkassen
einzulösen. Die Barschecks würden namentlich auf den Asylbewerber
ausgestellt. Mit der Einzelfallprüfung werde umgehend begonnen.
Die CDU-Fraktion hält Bargeld und Barschecks für «einen lukrativen Anreiz,
nach Deutschland zu kommen» . Nach Ansicht von Danny Eichelbaum (CDU) hat
sich das bisherige Wertgutscheinverfahren bewährt. Er meint: «Betroffene
müssen bis zur Klärung über einen ständigen Aufenthalt auch zu
Einschränkungen bereit sein. Anderes ist der Bevölkerung in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten nicht zu vermitteln.»
Absage an DVU
Christoph Schulze (SPD) erteilte der DVU im Kreistag eine Absage. Die
Einzelabgeordnete Bärbel Redlhammer-Raback (DVU) hatte Asylbewerber pauschal
kriminalisiert. «Asylbewerber sind auch Menschen und nicht alle kriminell.
Ihnen Missbrauch zu unterstellen, ist einfach schäbig» , meint Schulze.
Barschecks würden Asylbewerbern ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und
sparten dem Kreis auch noch Geld.
Bargeldauszahlung durch die Verwaltung sei nach Ansicht des Landrates
übrigens keine Alternative. «Das wäre ein teures Handling, da wir dafür
einen Wachschutz finanzieren müssten» , erklärt Peer Giesecke.