Nach dem mutmaßlichen Anschlag von Berlin, bei dem am Montagabend zwölf Menschen getötet und mindestens 49 wurden verletzt wurden, versammelten sich am Dienstagabend gegen 17.00 Uhr ungefähr 30 Sympathisant_innen des rechten „Bürgerbündnisses Havelland“ auf dem Märkischen Platz in Rathenow.
Nach einem kurzen Redebeitrag eines „Bündlers“ bildeten ungefähr 25 Personen eine Marschformation und zogen durch die Berliner Straße. Angeführt wurde der Demonstrationszug vom presserechtlich Verantwortlichen des „Bürgerbündnisses Havelland“ und einem bekannten Rechten, der eine schwarze Fahne mit einem in weißer Frakturschrift verfassten „Rathenow“-Aufdruck trug.
Der Marsch blieb im Wesentlichen friedlich, zu weilen wurde aber in aggressiver Weise gegen einen anwesenden Journalisten gepöbelt und der Verkehr behindert.
Eine Anmeldung für die Versammlung auf dem Märkischen Platz, als auch für den Marsch durch die Stadt lag offenbar nicht vor. Polizeipräsenz war auch nicht vor Ort.
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Autor: Shaun
Bad Belzig: NPD verteilte CS Gas
Am Samstagvormittag führte die NPD in Bad Belzig einen öffentlichen Infostand am Rathaus in Bad Belzig durch. Die Aktion war zuvor vom Ortsbereich „Potsdam-Mittelmark“ im Socialmedia angekündigt worden. Wesentlicher Inhalt sollte, laut Auskunft der Partei, die Verteilung von CS Gas an Frauen sein.
Verteilung von KO Spray
Der Infostand in Bad Belzig wurde Samstagvormittag kurz nach 10 Uhr von vier Mitgliedern und Sympathisant_innen der NPD aufgebaut und betrieben. Es wurden Plakate und eine Fahne aufgestellt sowie Parteipropaganda und eben auch KO Spray zur Mitnahme ausgelegt.
Infotisch oder Versammlung?
Rechtliche Bedenken durch die Sicherheitsbehörden gab es offenbar keine. Der Polizei war die Verteilung von CS Gas bekannt. Auf Nachfrage wurde jedoch daraufhin gewiesen, dass es sich bei der NPD Aktion lediglich um einen Infostand handele und somit das Versammlungsgesetz hinsichtlich des Führens und Verteilens von Waffen oder sonstigen Gegenständen, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, ausgehebelt sei.
Zu bezweifeln ist jedoch, dass es sich bei dem Infostand aber tatsächlich bloß um eine temporär eingerichtete Station handelte, an der nur Informationen gegeben bzw. Material verteilt wurde, sondern doch eher um eine politische Kundgebung. Dafür spricht jedenfalls die im Vorfeld abgegebene Pressemitteilung der NPD, in der es eben auch um Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung sowie gemeinschaftlicher Erörterung eines bestimmten Themas, nämlich dem Umgang mit ausländischen Staatsbürgern, gehe. Nach der im Zusammenhang mit dem Infostand herausgegebenen Erklärung sei „Massenzuwanderung“, nach Ansicht der NPD, nämlich „keine Bereicherung“, sondern, wegen angeblich „massiver Übergriffe durch Ausländer“, eine Bedrohung, die das Verteilen von CS Gas rechtfertige. Mehrere Frauen sollen, laut Pressemitteilung der Partei, diese Ansicht am Infostand auch geteilt und zusätzlich „ihre Sorgen und Nöte im Zeichen der Überfremdung“ geäußert haben. Außerdem wurde der Infostand von mindestens vier Personen betrieben, womit die drei wesentlichen Elemente einer Versammlung gegeben waren.
Angespannte Lage in Bad Belzig
Eine objektive Grundlage für das Bedrohungsszenario der NPD liegt in Bad Belzig übrigens nicht vor. Die Partei selbst rechtfertigt die Verteilaktion von CS Gas mit „Übergriffe(n) durch Ausländer“ in Großstädten. Dagegen ist die mittelmärkische Kleinstadt Bad Belzig hingegen eher wegen seines brutalen Neonazimilieus berüchtigt. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Übergriffen auf ausländische Staatsbürger_innen oder Angriffe auf alternative Treffpunkte.
Erst in der Nacht vom Freitag zum Samstag, also unmittelbar vor dem Infotisch der NPD soll es zu einem Zwischenfall am Büro der Piratenpartei am Markt gekommen sein. Während einer Feier soll es plötzlich ein lauten Knall gegeben haben. Offenbar wurde ein Blumenkübel vom Nachbarladen gegen die Eingangstür des Parteibüros geworfen. Die Spuren des Angriffs waren am Morgen noch sichtbar.
In den Wochen zuvor sollen zudem immer wieder Neonazi-Aufkleber an die Scheibe des Parteibüros angebracht worden sein.
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Am Donnerstag begann am Landgericht Potsdam der Prozess gegen die Brandenburger Neonazis Maik Schneider, Dennis W., Christopher L., Thomas Frank E., und Sebastian F. Den Sechs Angeklagten wird vorgeworfen eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben und als diese zwischen dem 12. Februar 2015 und dem 25. August 2015 mehrere, zum Teil schwere Straftaten in Nauen (Landkreis Havelland) begangen zu haben.
Nicht alle Delikte kamen zur Anklage
Aus einer langen Liste von strafbaren Vergehen hat die Staatsanwaltschaft allerdings nur folgende für ausreichend belegbar zur Klageerhebung gesehen:
1.) Am 12. Februar 2015 soll Maik Schneider eine Stadtverordnetenversammlung, die auf dem Gelände des evangelischen Gemeindezentrums Nauen stattfand, durch Rufen von ausländerfeindlichen Parolen so gestört haben, dass die Sitzung aus Angst vor weiterer Eskalation abgebrochen wurde.
2.) Am 17.05.2015 soll Dennis W. aufgrund eines zuvor gefassten Plans mit Maik S. mit einer Axt eine Scheibe des Fahrzeugs des Geschädigten K. eingeschlagen und das Fahrzeug später mittels einer Brandbeschleuniger in Brand gesetzt haben, was der Maik S. beobachten haben soll.
3.) Am 01.06.2015 soll Dennis W. gemäß dem Willen der Gruppe eine Zylinderbombe vor einer LIDL — Filiale in Nauen gezündet haben, wodurch ein Sachstanden in Höhe von mehr als 9.000,00 € an dem Gebäude entstand.
4.) Im Zeitraum Ende Mai/Anfang Juni 2015 soll Maik S. den Christopher L. beauftragt haben, das Büro der Partei Die Linke in Nauen mit Farbbeuteln zu bewerfen. Christopher L. und Thomas Frank E. sollen dies sodann in die Tat umgesetzt haben, wodurch an der Fassade des Hauses ein Schaden in Höhe von ca. 6.000,00 € entstanden ist.
5.) Dennis W. soll zudem am 09.06.2016 in Wahrnehmung des Gruppenwillens das Türschloss, und das Briefkastenschloss zu dem Büro der Partei Die Linke in Nauen mit Sekundenkleber verklebt haben, wodurch diese unbrauchbar wurden.
6.) Christopher L. soll zudem in der Nacht vom 30.07.2015 auf 31.07.2015 in Entsprechung des Gruppenwillens auf die Baustelle für ein neues Übergangsheim am Waldemardamm, wo er die Dixi-Toilette mittels Brandbeschleuniger in Brand gesetzt haben soll.
7.) Den Angeklagten Maik S., Dennis W., Christian B., und Sebastian F., — Letzterer soll zumindest als Mitglied einer whatsapp-Gruppe insoweit eingebunden gewesen sein — wird schließlich vorgeworfen, in der Nacht vom 24. zum 25.08.2015 eine Sporthalle des OSZ Nauen, die als Notunterkunft für Asylsuchende vorgesehen war, durch das Anzünden davor gelagerter Materialien in Brand gesetzt zu haben, wodurch die Sporthalle vollständig zerstört wurde und ein Sachschaden von ca.3.500.000,00 € entstand. Die Angeklagten Christian B., Christopher L. und Frank E. sollen bei der Tat „Schmiere“ gestanden haben.
Keine für die Klageerhebung ausreichenden Ermittlungsergebnisse gab es hingegen u.a. bei dem Angriff auf einen Kleinbus eines Nauener Jugendclubs, dem versuchten Brandanschlag auf den privaten Pkw von Mitglieder der Partei Die Linke sowie vielen weiteren Angriffen auf Parteibüros der Linkspartei und Propagandadelikten.
Wirre Geständnisse
Bereits am ersten Verhandlungstag kam es gleich zu den ersten Überraschungen. Trotz der konspirativen Organisation ihrer Aktionen trat die Nauener Neonazizelle weniger geschlossen auf als erwartet.
Als erstes lies der Angeklagte Sebastian F. bezüglich der ihm vorgeworfenen Tatbeteiligung am Brandanschlag auf die als Flüchtlingsnotunterkunft vorgesehene Turnhalle durch seinen Anwalt eine Erklärung vorlesen. Darin belastete der 33-jähriger Wachmann den mutmaßlichen Rädelsführer der Tat, Maik Schneider, schwer. Demnach habe Sebastian F. in der Nacht zum 25. August 2015 gemeinsam mit den Mitangeklagten Fässer mit Öl und Benzin sowie eine Propangasflasche vor die Sporthalle geschafft. Außerdem seien Autoreifen und Paletten vor dem Eingang gestapelt worden, um den Brand zu entfachen. Alle Anweisungen habe Schneider gegeben, so 33-Jährige. Zur Zeit des Entzündens des Brandes will Sebastian F. nicht mehr dabei gewesen sein.
Auch der Angeklagte Christian B. erklärte, dass Schneider die Idee zu dem Anschlag gehabt und die Vorbereitungen gesteuert habe. Am Abend vor dem Brandanschlag habe er beobachtet, wie Schneider und weitere Angeklagte Reifen in einen Transporter geladen hätten. Gemäß PNN soll der der 32 Jährige vor Gericht ausgesagt haben, das ihm “bei den Reifen (…) definitiv klar“ war „dass sie zum Anzünden der Halle genutzt werden sollen“. Schneider habe ihn zudem angewiesen, bei Autofahrten durch die Stadt die Augen offen zu halten, ob Polizei unterwegs sei.
Ebenfalls nur „Schmiere“ gestanden haben wollte der Angeklagte Christopher L. Er soll dafür von Schneider später als „Feigling“ beschimpft worden sein. „Mutiger“ war L. dagegen im „Suff“. Nach einem Saufgelage in der Stammkneipe „Zum Karpfen“ habe er, laut seinem Geständnis, ein Dixie-WC auf dem Baugelände, auf dem die neue Flüchtlingsunterkunft in Nauen errichtet werden sollte, mit Spiritus in Brand gesetzt.
Auch Maik Schneider selbst ließ sich zu den Tatvorwürfen ein. Bezüglich des Brandanschlages auf die Turnhalle sprach der NPD Stadtverordnete von einem „Unfall“. Er habe nur ein Zeichen setzen wollen. Gemäß seiner Einlassung wollte Schneider die geplante Flüchtlingsnotunterkunft nur anrußen, um damit auf die menschenunwürdige Unterbringung von Asylsuchenden hinweisen wollen. Im Übrigen sei er kein Ausländerfeind.
Marschieren für die weiße Rasse
Ein paar Monate vorher sah dies freilich noch ganz anders aus. Dort führte Maik Schneider am 16. April 2015 einen gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft initiierten Aufmarsch an, bei dem auch ein Schild mit der Aufschrift: „Nauen bleibt weiss“ gezeigt wurde. Ein weiteres Plakat forderte: „Mut zur Tat“. An diesem Aufmarsch beteiligten sich nachweislich auch die Angeklagten Christopher L. und Thomas Frank E.
Auch an einem weiteren, gegen die Errichtung der Flüchtlingsunterkunft gerichteten Aufmarsch am 29. Mai 2015 nahmen Angeklagte aus dem Prozess am Landgericht teil – und zwar alle. Auf Fotos der Versammlung sind sowohl Maik Schneider, Christopher L. und Thomas Frank E. als auch Dennis W., Christian B. und Sebastian F. zu erkennen.
Das insbesondere Letztere ihre Rolle vorgestern vor dem Landgericht herunterspielten und hauptsächlich Schneider belasteten erscheint somit mehr denn je als Schutzbehauptung. In Nauen gab es im letzten Jahr, zumindest auf den Veranstaltungen der Heimgegner_innen mehr als deutliche Bekenntnisse zu rassistischen Ressentiments, die mit gescheiterten Existenzen und Spielsucht, wie es im Fall eines Angeklagten angeklungen ist, allein nicht erklärbar sind.
Verfahrensfehler könnte zu neuem Prozess führen
Trotz der akribischen Vorbereitung durch die Ermittlungsbehörden und des Gerichtes scheint der Prozess bereits nach dem ersten Verhandlungstag wieder zu platzen. Ein Schöffe hatte die wirren Aussagen der Angeklagten, insbesondere die des mutmaßlichen Rädelsführers Maik Schneider, während der Verhandlung u.a. als „Quatsch“ bezeichnet. Schneiders Rechtsanwalt stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag. Der Schöffe dürfte in Folge dessen ausgetauscht werden. Damit müsste auch der Prozess neu aufgerollt werden.
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Am Samstagnachmittag versammelte sich das rechte „Bürgerbündnis Havelland“ anlässlich seines einjährigen Bestehens zu einer Sonderveranstaltung auf dem Edwin-Rolf-Platz in Rathenow. An der Versammlung nahmen ungefähr 50 Personen aus Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden Württemberg, darunter auch bekannte Sympathisant_innen von BÄRGIDA, „Hand in Hand“, „Bürgerbewegung Altmark“, „Brigade Magdeburg“ sowie Einzelpersonen von „Karlsruhe wehrt sich“ und der Brandenburger AfD teil. Die Veranstalter_innen hielten zunächst eine Kundgebung mit mehreren Redner_innen ab und zogen anschließend mehrfach durch die Stadt. Im Zuge der Versammlung wurde eine klar flüchtlings- und islamfeindliche Einstellung der Sympathisant_innen des „Bürgerbündnisses“ deutlich. Weitere Bezüge gab es zur Programmatik von „Reichsbürger_innen“ sowie zu extrem rechten Weltanschauungen, wie sie beispielsweise von der „Identitären Bewegung“ propagiert werden. Einige Versammlungsteilnehmer_innen sympathisierten auch mit deutschnationaler Symbolik und neonazistischen Labels. Eine Gegenveranstaltung zur Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ gab es nicht. Auf dem Märkischen Platz richtete das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis „Unser Rathenow, miteinander, füreinander“ jedoch einen Informationsstand für ein Entwicklungshilfeprojekt in Gambia (Westafrika) aus. Der Stand wurde als Anlaufpunkt für Menschen genutzt, die nicht mit der Versammlung des „Bürgerbündnisses“ einverstanden waren. Spontane Protestaktionen gab es nur vereinzelt.
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An einer Versammlung der neonazistischen NPD in Bad Belzig nahmen am Vormittag ungefähr 15 Personen teil. Die Veranstaltung stand im Zusammenhang mit der Bürgermeisterwahl in der mittelmärkischen Kreisstadt. Der NPD Kandidat André Schär hatte zu der Versammlung im Internet aufgerufen. Ernsthafte Chancen auf das Amt werden ihm jedoch nicht zugetraut. Selbst die Teilnahme an einem möglichen zweiten Wahlgang ist mehr als unwahrscheinlich. Neben Schär bewerben sich auch Hendrik Hänig (SPD), Jan Eckhoff (LINKE), Norbert Leisegang (Parteilos), Torsten Slabon (Parteilos) und Mike Kühnert (Piraten) für den Posten des Bürgermeisters.
Aussichtslose Kandidatur
Der Aufwand mit dem die NPD dennoch den aussichtslosen Wahlkampf betreibt, deutet hingegen auf ein anderes strategisches Ziel hin. Längst hat ihr nämlich die rechtspopulistische AfD bundesweit den Rang abgelaufen. In Sachsen und jüngst in Mecklenburg hat die NPD ihre wichtigen Fraktionen in den Landesparlamenten auch aufgrund des Erstarkens der blauen Rechtspopulist_innen verloren. Lediglich im Europaparlament und in einigen Regionalparlamenten ist die Partei überhaupt noch vertreten. Bad Belzig gehört zu ihren wenigen Agitations- und Aktionsschwerpunkten im Westen Brandenburgs. Hier ist die NPD mit André Schär gleich in zwei Kommunalparlamenten vertreten, in der Belziger Stadtverordnetenversammlung und in der Volksvertretung des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Der Einfluss der Partei in konkreter Kommunalpolitik geht allerdings gegen Null. Dennoch verfügt die NPD, möglicherweise aufgrund des persönlichen Engagements einzelner Kader, über einen gewissen gesellschaftlichen Einfluss in der extrem rechten Jugendszene.
Kundgebung fiel ins Wasser
Die Veranstaltung am heutigen Samstagvormittag in Bad Belzig blieb jedoch, trotz großer Ankündigung, nur relativ bescheiden besucht. Neben Bürgermeisterkandidat André Schär und seinen Jüngern kamen nur einzelne bekannte Funktionäre aus Potsdam-Mittelmark und dem Landkreis Oder-Spree. Die angekündigten Reden fielen komplett aus. Ja, die gesamte Versammlung selber fand nur am und im Wohnsitz des Kandidaten statt und nicht, wie angekündigt, auf dem Marktplatz. Stetiger Regenschauer drückte zusätzlich die Stimmung. Laufpublikum nahm die Versammlung ohnehin kaum war.
Kein Ort für Hetze
Auch die vielerorts geführte Flüchtlingsdebatte scheint in Bad Belzig, trotz Ausbau der Unterkunftkapazitäten für Asylsuchende im Ort und deutlicher Positionierung der NPD, bisher keine Rolle zu spielen. Die Anschlussfähigkeit extrem rechter Ideologie beschränkt sich auf das übliche Klientel. Eine breite Wirkung flüchtlingsfeindlicher Propaganda in die Mitte der Gesellschaft ist in Bad Belzig jedoch bisher nicht erkennbar. Stattdessen ist die Belziger Zivilgesellschaft für ihr Engagement gegen Rassismus sowie ihre ehrenamtliche Integrationsarbeit mit geflüchteten Menschen bekannt.
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Am Rande einer Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ ist es am Dienstagabend zu einer Konfrontation gekommen. Zwei mutmaßliche Sympathisanten der rechten Vereinigung hatten zunächst den Begleiter eines Fotografen angepöbelt und sich dann anschließend mit ihm eine handfeste Auseinandersetzung geliefert. Dabei schlug und trat einer der beiden Angreifer auf den Mann ein. Beamte der Bereitschaftspolizei beendeten die Konfrontation und nahmen daraufhin Anzeigen auf.
Vor dem Übergriff hatte sich das rechte „Bürgerbündnis Havelland“ wieder auf dem Märkischen Platz versammelt und dort durch subjektiv gefärbte Redebeiträge seiner Sprecher Statements zur Kommunal‑, Bundes- und Weltpolitik abgegeben. Wie auch bei vergangenen Veranstaltungen, waren die Reden hauptsächlich wieder von persönlichen Anfeindungen gegen namentlich benannte Politiker und Pressevertreter geprägt. Ein Redner sprach sich zu dem gegen Gender-Mainstreaming und Homosexualität aus. Lauthals wurde vom ca 30-köpfigen Publikum die AfD bejubelt.
Anschließend formierte sich das „Bürgerbündnis Havelland“ zum „Abendspaziergang“. Kurz nach dessen Beginn kam es in der Berliner Straße zum Angriff auf den Begleiter des Fotografen.
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Die rechte Freakshow, die sich nunmehr schon seit Monaten alle zwei Wochen auf dem Märkischen Platz wiederholt, wird wahrscheinlich auch in nächster Zeit das Rathenower Stadtbild prägen. Davon kündeten zumindest Flyer, die das vermeintliche „Bürgerbündnis“ Havelland am gestrigen Abend von Sympathisant_innen verbreiten ließ. Demnach sind die berüchtigten Dienstagsveranstaltungen noch bis wenigstens zum 13. September 2016 geplant. Ob die regelmäßigen Jammer- und Pöbelorgien, trotz immer rückläufiger Teilnehmer_innenzahlen, dann enden scheint aber ungewisser denn je.
Im Gegenteil, die bildungs- und beratungsresistenten Hass-Bürger_innen planen offenbar für Samstag, den 29. Oktober 2016, eine „Großdemo“ im Stadtgebiet von Rathenow. Eine entsprechende Anmeldung soll der Versammlungsbehörde bereits vorliegen. Mit der größer geplanten Versammlung dürfte einerseits an die vermeintliche Neuauflage des „Hambacher Festes“ vom 5. März 2016 angeknüpft und andererseits das einjährige Bestehen des rechten „Bürgerbündnisses Havelland“ zelebriert werden. Experten gehen jedoch davon aus, dass die vermeintliche Großdemo deutlich weniger Leute ziehen wird als die Veranstaltung im Frühjahr. Am „Hambacher Fest 2.0“ hatten sich im März ungefähr 500 Personen, darunter viele Neonazis, beteiligt.
Am Dienstagabend beteiligten sich, ähnlich wie an den voran gegangenen Versammlungen des „Bürgerbündnisses“, allerdings lediglich 30 Sympathisant_innen. Hauptsächlich waren alte Männer und Kinder zu sehen – das scheinbar letzte Aufgebot.
Euphorie und Größenwahn scheinen aber bei den Bündlern dennoch nicht verflogen zu sein, insbesondere bei deren Anführer Christian Kaiser. Dieser hat sich beispielsweise ein Nebengelass seines Wohnhauses mit der selbstherrlichen Bezeichnung „Kaiserreich“ verzieren lassen. Über den, von einer öffentlichen Straße gut erkennbaren Schriftzug prangt zudem der rechtsblickende „Parteiadler“ der NSDAP aus den Jahren zwischen 1933 und 1945. Das NS Symbol scheint allerdings noch unvollendet. Der Eichenlaubkranz ist nur zum Teil fertiggestellt und das Hakenkreuz fehlt auch noch.
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Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat, gemäß Pressemitteilung vom 27. Juli 2016, gegen sechs Neonazis aus Nauen wegen verschiedener Delikte, darunter den Brandanschlag auf eine als Notunterkunft für Flüchtlinge gedachte Sporthalle, Anklage erhoben.
Den Angeschuldigten Dennis W., Christopher L., Christian B. und Thomas E. wird darüber hinaus die Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, dem Nauener NPD Stadtverordneten Maik Schneider zusätzlich die rädelsführerschaftliche Beteiligung zur Last gelegt .
Das Verfahren soll vor der Staatsschutzkammer des Landgerichtes Potsdam stattfinden.
Insgesamt hat die Staatsanwaltschaft in sieben Punkten Anklage gegen die mutmaßliche kriminelle Vereinigung erhoben:
1.) In der Störung der Nauener Stadtverordnetenversammlung vom 12. Februar 2015 sieht die Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf der Nötigung verwirklicht. Klage erhoben wird jedoch lediglich gegen Maik Schneider. Dennis W., der ebenfalls bei der Störung anwesend war, wird diesbezüglich offenbar nicht angeklagt.
2.) Im Fall des Brandanschlages auf den PKW eines polnischen Geschädigten am 17. Mai 2015 am Karl-Bernau-Ring in Nauen erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung. Geklagt wird gegen Maik Schneider und Dennis W.
3.) Hinsichtlich der Zündung eines nicht zugelassenen Sprengkörpers am 1. Juni 2015 an einem Unterstand einer LIDL-Filiale in Nauen erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Beschädigung einer Sache von bedeutendem Wert. Angeklagt ist in diesem Fall Dennis W.
4.) Wegen Farbbeutelwürfe auf das Nauener Büros der Partei „Die Linke“ am 7. Juni 2016 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gemeinschaftliche Sachbeschädigung. Angeklagt werden diesbezüglich Maik Schneider, Christopher L. und Thomas Frank E.
5.) Im Verkleben von Schlössern des Parteibüros der „Linken“ am 9. Juni 2015 in Nauen, sieht die Staatsanwaltschaft ebenfalls den Straftatbestand der Sachbeschädigung verwirklicht. Angeklagt wird deswegen Dennis W.
6.) Abermals eine Sachbeschädigung sieht die Staatsanwaltschaft im Abbrennen einer mobilen Toilette auf der Baustelle des Übergangswohnheimes für Asylsuchende am Waldemardamm in Nauen, in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2015. Anklage erhoben wird hier gegen Christopher L.
7.) Im Fall des Brandanschlages auf die als Notunterkunft für Flüchtlinge geplante Sporthalle des OSZ Nauen, in der Nacht vom 24. zum 25. August 2015, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Brandstiftung. Geklagt wird gegen Maik Schneider, Dennis W., Christopher L., Christian B., Thomas Frank E. sowie Sebastian F.
Ermittelt wurde gegen die oben genannten Tatverdächtigen übrigens auch noch in weiteren Fällen. Aufgrund mangelnder Beweise wurden folgende Verfahren jedoch gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt:
8.) Sachbeschädigung unter Verwendung einer Graffitischablone mit dem Schriftzug „Heimatliebe ist kein Verbrechen“ am 15. und 16. April 2015.
9.) Brandstiftung an einem Pkw von Kommunalpolitikern der Partei „Die Linke“ zwischen dem 12. und 13. Februar 2016.
Überhaupt nicht auf der Anklageliste der Staatsanwaltschaft erscheint – erstaunlicherweise – die zunächst Angeschuldigte Frauke K. Einen Grund dafür gab die Behörde nicht an.
In der Nacht von Montag zu Dienstag, dem 12. Juli 2016, wurden im Raum Rathenow-Premnitz mehrere mutmaßliche Straftaten begangen, bei denen eine fremdenfeindliche Motivation nicht auszuschließen ist.
Brandstiftungen in Premnitz
In der havelländischen Kleinstadt Premnitz wurde, nach Polizeiangaben, zunächst gegen 04.35 Uhr ein Brand auf einem Balkon im Erdgeschoss eines Einfamilienhauses in der Franz-Mehring-Straße festgestellt. Ein Anwohner hatte das Feuer bemerkt und anschließend die Bewohner_innen verständigt. Gemeinsam wurde der Brand gelöscht und die Polizei verständigt. Personen kamen nicht zu schaden.
Wenig später stellte die Polizei dann weitere Beschädigungen, die offenbar ebenfalls durch ein Entzünden vorgerufen wurden, an einem anderen Erdgeschossbalkon in der August- Bebel- Straße fest. Nach Befragung durch die Beamt_innen stellte sich heraus, dass die Bewohner_innen den Brand gegen 03.00 Uhr eigenständig feststellten und anschließend selbst mit Wasser löschten.
Die Kriminalpolizei ermittelt nun wegen des zweifachen Verdachtes auf Brandstiftung. Da in den betroffenen Wohnungen zum Zeitpunkt des Brandausbruches Asylsuchende ihren Lebensmittelpunkt hatten, wurde das Staatsschutzkommissariat mit den Ermittlungen betraut. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund kann, laut Polizeiangaben, derzeit nicht ausgeschlossen werden. Es lägen jedoch bislang auch noch keine konkreten Hinweise auf eine solche Motivlage vor, so die Beamt_innen in einer ersten Pressemitteilung.
Sprühaktion in Rathenow
Ebenfalls am frühen Dienstagmorgen wurden in der havelländischen Kreisstadt Rathenow mehrere in arabisch verfasste Slogans, die ins Deutsche übersetzt in etwa: „Geht zurück in Euer Land“ bedeuten sollen, festgestellt. Diese waren u.a. in der Nähe des Bahnhofs, des Jobcenters und eines Flüchtlingsheimes angebracht worden. Die unbekannten Täter_innen hatten dafür offenbar Sprühschablonen genutzt. Eine fremdenfeindliche Aktion liegt nahe.
Seit Wochen tauchen in der Umgebung von Rathenow, insbesondere auf den Straßen Richtung Stechow, Nennhausen und Premnitz außerdem auch immer wieder gesprühte Slogans der PEGIDA-Bewegung auf. Die Parole „Merkel muss weg“ wurde dort beispielsweise mehrfach in beide Fahrbahnrichtungen auf die Straße gesprüht. Auch hier ist eine Aktion von Fremdenfeinden, die im momentanen Kurs der Kanzlerin eine all zu flüchtlingsfreundliche Politik sehen, denkbar.
Der Großteil der Sprühereien wurde inzwischen entfernt oder übersprüht.
Fremdenfeindliche Stimmungsmache
In Rathenow radikalisiert sich seit spätestens Oktober 2015 eine rechte Bürgerbewegung, die bei regelmäßigen Versammlungen kontinuierlich gegen Flüchtlinge und den Islam Stimmung macht. Zeitweise nahmen an deren Veranstaltungen bis zu 600 Menschen teil. Momentan hat sich ein harter Kern von 50 Personen herausgebildet, von denen ein Teil auch zu überregionalen PEGIDA-Versammlungen fährt oder Veranstaltungen politischer Gegner_innen stört.
In Premnitz hatte die fremdenfeindliche Stimmungsmache, die damals maßgeblich von der NPD und deren Gesinnungsgenoss_innen betrieben, wurde, bereits im Jahr 2013 zu einen Anschlag auf eine im Bau befindliche Flüchtlingsunterkunft geführt. Der inzwischen rechtskräftig verurteilte Täter wollte dadurch ein Zeichen gegen die Unterbringung von Asylsuchenden in der Stadt setzen.
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Das Amtsgericht Rathenow hat am Dienstagvormittag den Rathenower NPD Stadtrat Michel Müller zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt zwölf Monaten, ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung, sowie zu einer Wiedergutmachungszahlung in Höhe von 1.800,00 Euro verurteilt.
Dem 35-Jährigen wurde u.a. Körperverletzung vorgeworfen. Eine noch nicht getilgte Geldstrafe in einem anderen Verfahren floss ebenfalls in die Urteilsfindung mit ein.
Zechtour endete mit Körperverletzung
Der Angeklagte Müller zeigte sich im Fall der Körperverletzung weitgehend geständig. Gab jedoch vor zur Tatzeit erheblich betrunken gewesen zu sein. Gemeinsam mit Freunden habe er sich nach dem Besuch eines Fußballspieles des BFC Dynamo im Dezember 2014 in Berlin erheblich betrunken. Die Zechtour soll sich auch in Rathenow fortgesetzt haben und vorerst in einer Gaststätte in der Stadt geendet haben. Dort sei Müller auf sein Opfer getroffen. Nach der Aussage des Betroffenen, während des ersten Prozesstages im Dezember 2015, soll der Angeklagte dann ohne erkennbaren Grund zugeschlagen haben. Der Zeuge gab an, durch die gewalttätigen Handlungen des Angeklagten erheblich verletzt worden zu sein. Er sagte damals aus, dass Müller ihm die Querfortsätze 2- 4 gebrochen, eine Rippenprellung erlitten sowie mehrere Verletzungen im Gesicht zugefügt hatte.
Nur vermindert Schuldfähig
Ein wesentlicher Bestandteil des heutigen Verhandlungstages bestand nun darin, die Schuldfähigkeit des Angeklagten festzustellen. Diesbezüglich hatte das Gericht extra ein Gutachten anfordern lassen. Es sollte feststellen, ob Müller während der Tat mindestens 2,0 Promille Alkohol im Blut hatte. Ab diesem Grenzwert wird nämlich im Allgemeinen eine verminderte Schuldfähigkeit angenommen. Das Gutachten attestierte Müller einen Promillewert 2,4 bis 2,8. Damit war § 21, StGB, in dem die verminderte Schuldfähigkeit geregelt ist, erfüllt.
Ausgewogenes Urteil
Der Angeklagte wurde dennoch im Fall der Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Ein weiterer Monat kam dazu, weil Müller eine Geldstrafe aus dem vergangenen Jahr noch nicht getilgt hatte. Im Juni 2015 war er vom Amtsgericht Brandenburg an der Havel wegen Versicherungsbetrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden. Müller war in Kloster Lehnin ohne Kfz-Haftpflicht gefahren und hatte an einem nicht zugelassenen Fahrzeug andere Nummernschilder angeschraubt.
Die Gesamtfreiheitsstrafe in der heutigen Verhandlung wurde jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund seiner erheblichen Vorstrafen, darunter gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und Beihilfe zum versuchten Mord, legte das Gericht die Bewährungsdauer auf drei Jahre fest. Weiterhin muss Müller dem Betroffenen der Körperverletzung eine Wiedergutmachung von 1.800,00 Euro zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bericht vom ersten Prozesstag:
https://presseservicern.wordpress.com/2015/12/16/rathenow-prozessauftakt-gegen-npd-stadtrat/